Das Interesse an den Kindern und damit deren Freizeitgestaltung ist in meinen Augen eine wichtige Voraussetzung für den Lehrerberuf. Kein Kind legt seine Erfahrungen an der Tür zum Klassenraum ab. Erfahrungen, wie die unterschiedliche Intensität der Aufmerksamkeit seitens der Eltern, kreativitätsfördernde und abwechslungsreiche Freizeitaktivitäten, das (Nicht-) Vorhandensein von Freunden und Geschwistern, etc.
Inwieweit unterscheidet sich die Kindheit und damit auch die Freizeitgestaltung, insbesondere die der armen Kinder von denen der nicht-armen Kinder?
Bevor ich dieser Frage in eigener Forschung auf den Grund gehen kann, erarbeite ich ein theoretisches Grundwissen über die Freizeitgestaltung von Kindern, auf die meine Forschung anschließend aufbauen wird.
Da die Freizeitgestaltung von Kindern immer in einem sozialhistorischen Kontext eingebunden ist, beschreibe ich anschließend die gesellschaftlichen Wandelungsprozesse sowie die dadurch begründeten Veränderungen innerhalb der Kindheit, welche sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland bemerkbar gemacht haben. Hierbei werde ich im Speziellen den Wandel der familiären Lebenswelt, der Erziehungsnormen und des Spiel- und Freizeitverhaltens aber auch Begriffe, wie Medienkindheit und Kinderarmut näher beleuchten.
Aufbauend, auf dieser Basis, folgt die Vorstellung des aktuellen Forschungsstandes bezüglich der kindlichen Freizeitgestaltung heutiger Kinder. Da jedoch die Freizeit der Kinder ein enorm umfangreiches Feld darstellt, bringe ich in diesem Kapitel die wichtigsten Themen kategorial in eine sinnvolle Ordnung und fasse die bedeutendsten Aussagen zusammen. Dabei werde ich mich auf die Freizeitwünsche, -institutionen, -partner und –orte der Kinder, sowie auf deren Umgang mit Medien und die dafür benötigte Kompetenz beschränken.
Nach einer kurzen Zusammenfassung des theoretischen Anteiles meiner Arbeit folgt im empirischen Abschnitt meine eigenständige Forschung im Hinblick auf die Freizeitgestaltung heutiger Kinder unter besonderer Berücksichtigung unterschiedlicher finanzieller Hintergründe innerhalb der Familien.
Nachdem ich deren Planung und Durchführung kurz beschreiben werde, schließt sich der Hauptteil meiner Empirie, nämlich die Analyse meiner Untersuchungen an. Das daran anschließende Fazit bildet den Abschluss dieser Examensarbeit.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffliche Klärungen
2.1 Kinder
2.2 Kindheit
2.3 Freizeit
3 Gesellschaft im Wandel
4 Auswirkungen der veränderten Gesellschaft auf die heutige Kindheit
4.1 Wandel der familiären Lebenswelt
4.2 Wandel der Erziehungsnormen
4.3 Wandel des Spiel- und Freizeitverhaltens
4.4 Medienkindheit
4.5 Kinderarmut
5 Forschungsstand bezüglich der Freizeitaktivitäten von Kindern
5.1 Freizeitwünsche versus Freizeitrealität
5.2 Freizeitaktivitäten in Institutionen
5.2.1 Sportvereine
5.2.2 Musikunterricht
5.3 Partner in der Freizeitgestaltung
5.3.1 Familie
5.3.2 Peers/Freunde
5.4 Freizeitorte der Kinder
5.5 Mediale Freizeitgestaltung
5.5.1 Printmedien
5.5.2 Elektronische Medien
5.5.3 Medienkompetenz
6 Zusammenfassung
7 Darstellung der empirischen Untersuchung
7.1 Forschungsfragestellung
7.2 Thesenbildung
7.3 Methodisches Vorgehen
7.3.1 Auswahl der Interviewpartner
7.3.2 Durchführung der Interviews
7.3.3 Beschreibung der Auswertungstechnik
7.4 Darstellung der Ergebnisse
7.4.1 Regelmäßige Termine im Laufe der Woche
7.4.2 Musisch-künstlerisches Interesse
7.4.3 Freunde
7.4.4 Wohnumgebung
7.4.5 Lesen
7.4.6 Nutzung von Fernsehen und Internet
7.4.7 Unternehmungen mit Eltern
8 Fazit
9 Literaturverzeichnis:
Anlagen:
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Liebste Freizeitaktivitäten 2006
Abb. 2: Freizeitaktivitäten 2006
Abb. 3: Regelmäßige Gruppenaktivitäten und Mitgliedschaft in Vereinen
Abb. 4: Zahl der Freunde
Abb. 5: Sozialer Bezug der Freizeitaktivitäten nach Geschlecht
Abb. 6: Gerätebesitz der Kinder 2006
Abb. 7: Anzahl der von den IPn besuchten Freizeitinstitutionen
Abb. 8: Anzahl der musisch-künstlerischen Institutionen der IPn
Abb. 9: Musisch-künstlerisches Interesse der IPn
Abb. 10: Zahl der guten Freunde und Peers der interviewten Mädchen
Abb. 11: Spielen IPn MEHR drinnen oder MEHR draußen?
Abb. 12: Was bemängeln die IPn an ihrer Wohnumgebung?
Abb. 13: Aus den Aussagen der IPn durch die I entnommenen Ein- schätzungen bzgl. deren direkten Wohnumgebung
Abb. 14: Zahl der eigenen Bücher der IPn
Abb. 15: Durchschnittliche Fernsehdauer der ganzen Woche:
Abb. 16: Art der Nutzung des Internets
Abb. 17: Nutzungsdauer des Internets im Laufe der ganzen Woche
Abb. 18.1: Zufriedenheit hinsichtlich der mit den im Haus lebenden Bezugspersonen verbrachten Zeit (1)
Abb. 18.2: Zufriedenheit hinsichtlich der mit den im Haus lebenden Bezugspersonen verbrachten Zeit (2)
1 Einleitung
Das Interesse an den Kindern und damit deren Freizeitgestaltung ist in meinen Augen eine wichtige Voraussetzung für den Lehrerberuf. Kein Kind legt seine Erfahrungen an der Tür zum Klassenraum ab und betritt ihn wie ein Rohling, mit dem die Lehrkräfte in ihrem Unterricht arbeiten können. Kinder machen vielfältige Erfahrungen in ihrer Freizeit. Sei es die unterschiedliche Intensität der Aufmerksamkeit seitens der Eltern, kreativitätsfördernde und abwechslungsreiche Freizeitaktivitäten, das (Nicht-) Vorhandensein von Freunden und Geschwistern, etc.
Während ich als Kind noch dachte, alle in Deutschland lebenden Kinder wüchsen so glücklich auf wie ich, habe ich im Laufe meines Lebens vielerlei gegenteiliger Erfah- rungen machen müssen. Nicht jedes Kind wird in der Nähe eines Waldes aufwach- sen, umgeben von Wiesen, mit einem kleinen Bach unweit des Elternhauses wie ich. Auch die Spielkameraden, mit denen ich zu jener Zeit täglich draußen umherstreifen konnte und dabei Buden baute, stehen meiner Erfahrung nach nur noch wenigen der heutigen Kinder zur Verfügung, die ich in meinen drei Praktika bislang unterrichten durfte. Hatte dennoch einmal keine Freundin für mich Zeit, spielte ich einfach mit einem meiner drei Geschwister in den Wiesen, unserem großen Garten oder unse- rem großen Haus. Wenngleich ich damals bedauerte, dass meine Familie auf dem Land nur drei Fernsehprogramme empfing, kann ich mich heute kaum noch an be- stimmte Fernsehprogramme und -sendungen erinnern. Andere Erlebnisse, wie Sandsuppe kochen, Froschzirkus spielen und gemeinsame Fußballspiele sind mir jedoch heute noch genau vor Augen.
Während meines Studiums arbeitete ich fortwährend im Zwischenahner Segelklub. An diesem Ort begegneten mir einige Kinder, die mir in Gesprächen vermittelten, eine ähnliche Kindheit zu verbringen wie ich sie damals erlebt habe. Dies, obwohl in der Öffentlichkeit von einem stark angestiegenem Medienkonsum heutiger Kinder sowie von mangelnder Bewegungsfähigkeit, reduziertem freien Spiel in Außenräumen und einer Verringerung der Geschwisterzahlen die Rede ist.
Zeitgleich erfuhr ich in den Medien von einem starken Anstieg der Kinderarmut in Deutschland (vgl. Meyer-Timpe, 2007). Dies weckte in mir die Neugier, inwieweit sich eventuell die Kindheit und damit auch die Freizeitgestaltung, insbesondere die der armen Kinder von denen der nicht-armen Kinder unterscheiden und ließ in mir die Entscheidung reifen, mich im Zuge meiner Examensarbeit mit diesem Thema intensiver auseinander zu setzen.
Bevor ich dieser Frage jedoch in eigener Forschung auf den Grund gehen kann, hal- te ich es vorerst für notwendig, ein theoretisches Grundwissen über die Freizeitges- taltung von Kindern zu erarbeiten, um meine Forschung darauf aufbauen sowie sie im angemessenen Rahmen bewerten und in Bezug setzen zu können.
Diesen theoretischen Teil meiner Arbeit werde ich mit begrifflichen Klärungen von Kinder, Kindheit und Freizeit (Kapitel 2) einleiten, um den Forschungsgegenstand definiert zu wissen.
Da die Freizeitgestaltung von Kindern immer in einem sozialhistorischen Kontext eingebunden ist (vgl. Fries, 2002, S. 170), beschreibe ich anschließend im dritten Kapitel die gesellschaftlichen Wandelungsprozesse sowie im vierten Kapitel die da- durch begründeten Veränderungen innerhalb der Kindheit, welche sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland bemerkbar gemacht haben. Hierbei werde ich im Spe- ziellen den Wandel der familiären Lebenswelt, der Erziehungsnormen und des Spiel- und Freizeitverhaltens aber auch Begriffe, wie Medienkindheit und Kinderarmut nä- her beleuchten.
Aufbauend, auf der in den ersten vier Kapiteln geschaffenen Basis, folgt im fünften Kapitel die Vorstellung des aktuellen Forschungsstandes bezüglich der kindlichen Freizeitgestaltung heutiger Kinder. Diese wurde beispielsweise in den letzten Jahren umfangreich in Studien wie den KIM-Studien (vgl. Medienpädagogischer For- schungsverbund Südwest, 2002; 2003; 2006; 2007), denen des DJI-Kinderpanels (vgl. Alt, 2005; Alt, 2007) sowie der 1. World Vision Kinderstudie (vgl. World Vision Deutschland e.V., 2007) und einer der ARD/ZDF-Medienkommission (Frey- Vor/Schumacher, 2006a) untersucht. Da jedoch die Freizeit der Kinder ein enorm umfangreiches Feld darstellt und im Rahmen dieser Arbeit nicht bewerkstelligt wer- den kann, alle Bereiche des kindlichen Freizeitgeschehens in voller Breite zu be- rücksichtigen, bringe ich in diesem Kapitel die wichtigsten Themen kategorial in eine sinnvolle Ordnung und fasse die bedeutendsten Aussagen zusammen. Dabei werde ich mich auf die Freizeitwünsche, -institutionen, -partner und -orte der Kinder, sowie auf deren Umgang mit Medien und die dafür benötigte Kompetenz beschränken.
Nach einer kurzen Zusammenfassung (Kapitel 6) des theoretischen Anteiles meiner Arbeit folgt im empirischen Abschnitt meine eigenständige Forschung (Kapitel 7) im Hinblick auf die Freizeitgestaltung heutiger Kinder unter besonderer Berücksichtigung unterschiedlicher finanzieller Hintergründe innerhalb der Familien. Aufgrund des riesigen Angebots von Freizeitaktivitäten für Kinder, beschränke ich mich in meiner Untersuchung auf die in Kapitel 7.2 beschriebenen Thesen.
Nachdem ich deren Planung und Durchführung in Kapitel 7.3 kurz beschreiben wer- de, schließt sich in Kapitel 7.4 der Hauptteil meiner Empirie, nämlich die Analyse meiner Untersuchungen an. Das darauf folgende Fazit bildet den Abschluss dieser Examensarbeit.
2 Begriffliche Klärungen
2.1 Kinder
Kinder bilden eine im Vergleich zu den Erwachsenen klar abgegrenzte Gruppe der Bevölkerung. Sie „...erfahren ihre Welt als sinnlich-zusammenhängend“ (Baacke, 1999a, S. 60) und lassen sich über das biologische Alter definieren (vgl. Neumann- Braun, 2001, S. 92). Während die UN-Kinderrechtskonvention besagt, dass jeder Mensch vor Ablauf des siebzehnten Lebensjahres als Kind zu gelten hat (vgl. Dorsch, 1994, S. 99), definiert das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) der Bundesrepublik Deutschland alle Menschen bis zum 14. Lebensjahr als Kinder (vgl. Schellhorn et al., 2007, S. 60). Diese Definition entspricht wiederum entwicklungs- psychologischen Erkenntnissen, nach deren Ergebnissen sich 14-Jährige im Gegen- satz zu den jüngeren Minderjährigen durchaus schon als Jugendliche sehen (vgl. Neumann-Braun, 2001, S. 92). Baacke lehne es dennoch ab „...bestimmte Entwick- lungsstadien undifferenziert einem entsprechenden Alter zuzuordnen“ (Rohlfs, 2006, S. 15), da Kinder unterschiedlich schnell die nächste Entwicklungsstufe erreichen (vgl. Baacke, 1999a, S. 56). Aus diesem Grund schlägt er folgende drei unterschied- liche Phasen des Kindseins vor: die Frühe Phase (Geburt bis 5 Jahre), die mittlere Phase (6 - 12 Jahre) und die Jugendphase (ca. ab 13 Jahre) (vgl. ders., 1999, S. 64). Beim Vergleich von Kindern mit Erwachsenen fällt auf, dass deren Lebenspha- sen voneinander abweichen. Die Gegensätze beziehen sich auf die Besonderheit der Kinder, wie zum Beispiel auf „...ihre soziale und psychische Eigenwelt sowie die Ungleichheit im Generationenverhältnis“ (Neumann-Braun, 2001, S. 92).
2.2 Kindheit
Die Kindheit als spezieller Lebensabschnitt in der Entwicklung des Menschen ist vielmehr eine späte Entdeckung als eine von jeher zugebilligte Phase im Leben der Menschen (vgl. Gruppe, 1998, S. 36).So macht der Kindheitshistoriker Philippe Ariès an vielerlei mittelalterlichen Gemälden deutlich, dass Kinder zur Zeit des Mittelalters schon in jungen Jahren zur Welt der Erwachsenen gezählt wurden. Äußerlich unterschieden sich die Kinder von den Erwachsenen auf den Abbildungen lediglich durch ihre Größe. Selbst ihre Kleidung war nach Ende der Windelphase der der Erwachsenen nachempfunden (vgl. Ariès, 1988, S. 112).
Bereits ab dem siebten Lebensjahr mussten sich die Kinder mit ihrer Arbeitskraft in die Arbeitswelt einbringen (vgl. Knörzer/Grass, 2000, S. 20). Der Wohnraum der Familie galt zudem als Arbeitsstätte, in der alle Mitglieder der Familie in einer Umgebung zusammen lebten. Erst in der Neuzeit konnte durch die Abgrenzung von Arbeits- und Wohnraum eine Intimisierung der Familie und damit eine innige Bindung zwischen Eltern und Kindern entstehen. Dies habe Ariès zufolge zusammen mit der Einführung der Schule den Grundstein für die heutige Lebensweise der Kinder gelegt (vgl. Ariès, 1988, S. 48ff) und damit das heutige Verständnis von einer eigenständigen Lebensphase der Kindheit geprägt.
Neumann-Braun betrachtet den Begriff „Kindheit“ aus unterschiedlichen Perspekti- ven und gliedert diese, je nach Perspektive, in folgende Begrifflichkeiten bezie- hungsweise Definitionen: So lässt sich Kindheit beispielsweise als Kindesalter erklä- ren. Gemeint ist in diesem Zusammenhang, dass Kinder in ihrer Kindheit biologi- schen, psychologischen und pädagogischen Phasen ihrer Entwicklung ausgesetzt sind. Außerdem lässt sich Kindheit als kulturelles Muster verstehen, also als ein von der Gesellschaft konstruiertes Ergebnis, welches von dieser im historischen Verlauf auf verschiedene Arten und Weisen wahrgenommen und von ihr dadurch immer wieder unterschiedlich behandelt wurde. Zudem kann Kindheit als sozio-kulturelles Phänomen der Institutionalisierung der Lebensphase einer spezifischen Altersgrup- pe einer Gesellschaft begriffen werden. Unterschiedliche Gruppen, wie Familie, Freunde, Schule und Arbeitswelt, die allesamt sozialisierend auf die Heranwachsen- den einwirken, werden demnach von der jeweiligen Sozialstruktur der Gesellschaft beeinflusst, die darüber hinaus auf sämtliche Determinanten der kindlichen Lebens- phasen einwirkt (vgl. Neumann-Braun, 2001, S. 93). Diesem letzten Punkt schließt sich Baacke an, indem er schreibt „“Kindheit“ wird gesellschaftlich produziert“ (Baa- cke, 1999a, S. 65). Die Einführung der Schulpflicht ist dafür nur ein Beispiel.
Da jedoch auch Gesellschaften historischen Wandlungen unterliegen, werde ich im folgenden Kapitel 3 diese vorerst erläutern, um im Anschluss auf daraus resultierende Wandelungsbereiche der Kindheit einzugehen.
2.3 Freizeit
Beruft man sich bei der Definition von Freizeit auf Autoren wie Fröbel, Weber, Kelm oder Hoffmann, welche durch Richter zitiert werden, fällt dem kritischen Leser die positive Darstellung des Freizeitbegriffes auf. Allen ist gemeinsam, dass sie die Frei- zeit nicht ausschließlich als positive Restzeit des Tages nach vollbrachter Arbeit betrachten. Vielmehr heben sie die persönliche Freiheit und die damit verbundenen individuellen Möglichkeiten innerhalb der Freizeit hervor (vgl. Richter, 1992, S. 8).
Schäfer widerspricht dieser Auffassung jedoch vehement. Freizeit sei keineswegs gleich Freiheit. Dabei räumt sie ein, es habe zwar immer der Wunsch nach Freiheit bestanden, doch sei die utopische Vorstellung einer vollkommenden Freiheit inner- halb der Freizeit nicht einzulösen. Vielmehr biete sie anstelle des Begriffs Freiheit den des Freiraumes an, der die Freizeit für den Menschen darstellt (vgl. Schäfer, 2005, S. 41f).
Fries bietet eine Definition, die Freizeit ebenfalls als Freiraum bezeichnet. Konkret bezieht er sich allerdings direkt auf die kindliche Freizeit, anders als Schäfer, die sich auf die Erwachsenenwelt bezieht. Nach Fries könne man Freizeit als „...jenen zeitlich definierten Freiraum verstehen, in dem ihre Handlungen nicht durch schulische, kör- perliche (z.B. Schlaf) oder familiäre (z.B. Hilfe im Haushalt) Obligationen bestimmt sind“ (Fries, 2002, S. 169). Auf der Suche nach Autonomie, Kompetenzerweiterung und sozialer Einbindung1 wählen Kinder seiner Ansicht nach Freizeitangebote, die ihnen in erster Linie einfach nur Spaß bereiten. Obgleich Freizeit nicht als völlig los- gelöste Eigenwelt von Kindern betrachtet werden könne, spiele sie durch das Fehlen einer direkten Einflussnahme von Seiten der Eltern eine bedeutende Rolle bei der Sozialisation der Kinder, die dort in Auseinandersetzung mit anderen Menschen ihre soziale Welt entfalten können (vgl. ders., 2002, S. 169f).
Zerle gibt jedoch zu bedenken, dass sich die frei bestimmbare Zeit mit zunehmen- dem Alter reduziert. So nehme die Teilnahme an Institutionen sowie die Erledigung von Hausaufgaben immer mehr Zeit in Anspruch (vgl. Zerle, 2007, S. 245). Schäfer fügt bezüglich der Art der Freizeitgestaltung hinzu, dass die Menschen durch gezielten und immerwährenden, manipulierenden Einsatz von Werbung in ihrer Freizeitgestaltung beeinflusst würden und auch die Auswahl der Freizeitaktivitä- ten u. a. ständigen finanziellen Kriterien unterworfen wäre (vgl. Schäfer, 2005, S. 44).
Bei dieser These wird sie von den klassischen Ungleichheitstheorien und den lageorientierten Lebensstilansätzen unterstützt. So zeigte sich in einer Reihe von empirischen Forschungen zwischen 1990 und 2003, dass die Einflussnahme von Alter und Geschlecht auf die Freizeit keineswegs unterschätzt werden dürfe. Die Bedeutung des Einkommens sei zudem sogar gestiegen (vgl. Isengard, 2005, S. 254). Dies wirkt sich selbstverständlich auch auf das Leben der Kinder aus und soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit weiter Beachtung finden.
3 Gesellschaft im Wandel
Bevor ich im anschließenden Kapitel auf die Modernisierungstendenzen der Kindheit eingehen möchte, bedarf es an dieser Stelle einer Erläuterung der gesamtgesellschaftlichen Wandelungsprozesse. Dies ist insofern von Bedeutung, als dass die Kindheit unter direktem Einfluss der gesellschaftlichen Veränderungen steht und immer wieder aufs Neue von der Gesellschaft geprägt wird.
Die Gesellschaft ist nach Becks historisch-soziologischen Analysen bezüglich ihrer Veränderungen seit den 50er Jahren von ständigen Individualisierungsprozessen geprägt, die für weitreichende Wandelungen verantwortlich gemacht werden können. Diese Individualisierungsprozesse beschreibt er in drei zentralen Dimensionen (vgl. Kötters, 2000, S. 26). In der Freisetzungsdimension werden die Menschen aus ihren traditionellen Lebensmustern und familiären Versorgungsbezügen „...herausgelöst und verstärkt auf sich selbst und ihr individuelles Arbeitsmarktschicksal [...] verwie- sen“ (Beck, 1986, S. 116). Sie seien demnach nicht mehr so stark in ihren Klassen und Schichten, lokalen und regionalen Gemeinschaften eingebunden. Dies führe zu Bindungsverlusten, die bis in Partnerschaften und Familien hinein reichen (vgl. Peu- ckert, 2005, S. 366).
In der Entzauberungsdimension wird dieser Freisetzungsprozess von einem sozialen Wertewandel begleitet, der bereits seit den 50er Jahren zu konstatieren sei und sich Ende der 60er Jahre bis Anfang der 70er Jahre stark beschleunigte. Dabei verloren materielle Werte sowie traditionelle Pflicht- und Akzeptanzwerte an Bedeutung. Hin- gegen wurden Werte wie Selbstentfaltung und -verwirklichung, Autonomie und Gleichbehandlung immer wertvoller. „Da die das Verhalten steuernden, modernen Werte inhaltlich kaum festgelegt sind, müssen sie vom Individuum jeweils situations- und kontextabhängig interpretiert werden“ (ders., 2005, S. 365). Im Zuge dessen verloren traditionelle Sicherheiten und Handlungswissen an Stabilität.
In der anschließenden Reintegrationsdimension werden die zuvor freigesetzten Individuen wieder in neue soziale Bindungen integriert. Institutionen nehmen also den Platz von traditionellen Bindungen ein. Man dürfe diesen Modernisierungsverlauf jedoch nicht als einen einheitlichen Prozess betrachten, denn er umfasse nicht alle Subjekte in gleichen Maßen (vgl. Kötters, 2000, S. 26).
Die Modernisierung bringt laut Tillmann eine Reihe von positiven Veränderungen hervor, wie beispielsweise die Ausweitung der sozialen Sicherheit, Erhöhung der Bildungschancen und Minderung der Arbeitszeit. Trotz einer Erweiterung der indivi- duellen Handlungsspielräume und der Chance auf Mitbestimmung und Selbstver- wirklichung sind die Modernisierungsprozesse jedoch auch ausschlaggebend für weitreichende negative Konsequenzen. Tillmann gibt beispielsweise in Anlehnung an Beck zu bedenken, dass die Individualisierung zu vermehrter Arbeitslosigkeit füh- re und höhere Flexibilität von den Beschäftigten fordere. Alte Klassenstrukturen, die ihren Mitgliedern bislang ein stabiles Netz von sozialen Beziehungen ermöglichten, verlören zudem an Bedeutung (vgl. Tillmann, 2004, S. 260). Des Weiteren führe der Wegfall dieser Klassenstrukturen, wie Familie, Religion, Vereinswesen etc., in der Gegenwart zu massiver Verunsicherung und Orientierungslosigkeit. Das Individuum sei demzufolge gezwungen, seinen Lebensweg durch ständig neu zu treffende Ent- scheidungen zu gestalten (vgl. ders., 2004, S. 265). Dies wird jedoch laut Hansmann durch den Wegfall von verbindlichen Leitbildern und Zukunftsentwürfen erheblich erschwert (vgl. Hansmann, 1995, S. 61).
Neben Beck befassten sich auch van der Loo und van Reijen mit dem Wandel der Gesellschaft. Ihnen zufolge bilden Rationalisierung (der Kultur), Individualisierung (der Personen), Differenzierung (der Strukturen) und die Domestizierung (der Natur) die Grundmechanismen der Modernisierung (vgl. Loo/Reijen, 1997, S. 36ff). Degele und Dries greifen diese Dimensionen auf und erweitern sie um die Be- schleunigung, Globalisierung, Vergeschlechtlichung und Integration (vgl. Dege- le/Dries, 2005, S. 23). Ihrer Ansicht nach dürfe der Modernisierungsprozess nicht eindimensional gesehen werden. Alle Modernisierungsfaktoren können schließlich positive und negative Entwicklungslinien aufweisen und dabei in unterschiedlichen Tempi und Wechselwirkungen parallel zueinander ablaufen (vgl. dies., 2005, S. 28). Wie bereits angedeutet, nehmen Veränderungsprozesse innerhalb einer Gesell- schaft immer auch Einfluss auf die Lebenswelt ihrer Mitglieder und damit auch auf die Freizeit der Kinder. Inwiefern sich nun der Wandel der Gesellschaft explizit auf bedeutende Bereiche der heutigen Kindheit ausgewirkt hat, wird im nun folgenden Kapitel näher betrachtet.
4 Auswirkungen der veränderten Gesellschaft auf die heutige Kindheit
Die eben beschriebenen Veränderungen innerhalb der Gesellschaft greifen also auch auf die Welt der Kinder über. Frühere Lebenslaufmuster, die festen zeitlichen Abläufen folgten und in denen der Eintritt von gewissen Ereignissen bereits im Le- benslauf vorhergesehen war, wichen individuellen, zeitlich stark voneinander abwei- chenden Lebenslaufvarianten. Klassenkulturen, aber auch Familien- wie Geschlech- terrollen, wurden in Folge der Modernisierung aufgelöst. Individuelle Unterschiede zwischen den Kindern wurden dabei beibehalten, teilweise sogar erhöht (vgl. Nol- teernsting, 1998, S. 16).
Lauterbach und Lange zufolge habe durch die Modernisierung ein Umdenken innerhalb der Erziehung stattgefunden. Darüber hinaus haben sich, wie im Rahmen des Kapitel 4 noch auführlicher dargelegt, die Lebenswelten und Familienstrukturen der Kinder gewandelt und ihnen ist ein höherer rechtlicher, wie politischer Stellenwert zugesprochen worden (vgl. Lauterbach/Lange, 2000, S. 5).
In der Fachliteratur ist der Wandel der Kindheit vielfach mit Schlagwörtern wie Ver- plante Kindheit, Verinselte Kindheit oder Verhäuslichte Kindheit beschrieben worden (vgl. Fölling-Albers, 2002, S. 379). Autoren wie Peuckert und Fölling-Albers bemän- geln diesbezüglich einige Sichtweisen über die modernisierte Kindheit. Demnach entbehren einige oftmals jedweder empirischer Grundlage, stellen lediglich spekula- tive Äußerungen dar oder berücksichtigen ausschließlich negative Veränderungen der Kindheit (vgl. Peuckert, 2005, S. 158). Dennoch betont auch er, dass ein Wand- lungsprozess auf zwei Ebenen deutlich erkennbar sei. So haben sich ihm zufolge die außerfamiliären Freizeitkontexte, und darüber hinaus die Machtverhältnisse zwi- schen den Kindern und ihren Eltern verändert (vgl. ders., 2005, S. 156).
Selbstverständlich muss man bei der Betrachtung der veränderten Kindheit differen- ziert vorgehen. So weist die neuere Kindheitsforschung darauf hin, dass die „...Veränderungen bei den verschiedenen Kindergruppen [...] regional-, milieu-, kul- tur- und nicht zuletzt auch geschlechtsspezifische Unterschiede“ (Fölling-Albers, 2002, S. 380) ergeben haben. So gebe es nicht nur „Modernisierungsgewinner“, sondern auch „Modernisierungsverlierer“ (ebd.). Beispielsweise sei die Landjugend durch ihre Einbindung in die noch traditionelle, jedoch gleichzeitig bereits moderne Gesellschaft von Orientierungsproblemen geplagt, welche durch das Nebeneinander von unübersichtlichen Weltanschauungen, Werten, Normen und Orientierungsmus- tern hervorgerufen würden (vgl. Eisenbürger/Vogelsang, 2002, S. 28).
Welche Wandelungen sich nun konkret im kindlichen Leben vollzogen haben und wer als Modernisierungsverlierer, beziehungsweise -gewinner betrachtet werden kann, möchte ich im Laufe dieses Kapitels näher analysieren.
Dabei werde ich zuerst auf die Veränderungen innerhalb der familiären Lebenswelt, der Erziehungsnormen und des Spiel- und Freizeitverhaltens der Kinder eingehen. Darüber hinaus erachte ich es, auch im Hinblick auf die anschließende Forschung, für unerlässlich, den Wandel der kindlichen Mediennutzung zu beschreiben sowie die wachsende Kinderarmut zu thematisieren (vgl. N. N., 2007b), da diese unweigerlich Einfluss auf die Freizeit der Kinder nimmt.
4.1 Wandel der familiären Lebenswelt
Die familiäre Lebenswelt hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. So ist zum einen eine Reduktion der Geburtenrate zu verzeichnen (vgl. Fölling-Albers, 1995, S. 10). Wissend um die Tatsache, dass sich trotz Verdoppelung des Pro-Kopf- Einkommens die Geburtenzahl pro Frau seit den 60er Jahren fast halbiert hat, ist Lehmann der Ansicht, dass dies „...die Einstellung der Gesellschaft zur Familie und zu Kindern“ (Lehmann, 2003, S. 152) widerspiegele. Zum anderen ließe sich eine vermehrte Vielfalt von Familienkonstellationen beobachten. Neben der klassischen Eltern-Familie, zu der neben den Mutter-Vater-Kinder-Familien auch Stief- und Patchworkfamilien zählen, existieren heute eine Vielzahl von Familienformen. Leh- mann zufolge sei jedoch die Drei-Generationen-Familie, in der neben Eltern und Kindern auch die Großeltern gemeinsam beisammen wohnen, immer seltener anzu- treffen (ebd.). Im Gegenzug dazu habe allerdings die Familienform der Ein-Eltern- Familie in den letzten Jahren stark zugenommen. Begründet wird dies durch die Zu- nahme von unehelichen Geburten2, vor allem aber durch den drastischen Anstieg von Ehen, die in den letzten Jahren geschieden wurden3. Die Gegebenheit, dass die Anzahl der verwitweten Eltern einen leichten Rückgang verzeichneten, fällt dazu vergleichsweise kaum ins Gewicht (vgl. Gutschmidt, 1997, S. 75).
Nachdem sich in der Vergangenheit ein starker Rückgang der Kinderzahlen ver- zeichnen ließ (vgl. Kötters, 2000, S. 56 sowie Knörzer/Grass, 2000, S. 27) ist gegenwärtig wieder ein leichter Anstieg in den Geburtenzahlen ersichtlich4. Ob dieser in der Zukunft anhält oder nur, wie mancherorts spekuliert, Folge der Fußball- Weltmeisterschaft 2006 ist, bleibt abzuwarten. Knörzer und Grass sind der Ansicht, die niedrige Geburtenrate der vergangenen Jahre sei auf eine Vielzahl gesellschaft- licher Ursachen zurückzuführen. So sei es für eine mehrfache Mutter schwierig, ei- ner außerhäuslichen Beschäftigung nachzugehen. Diese sei jedoch finanziell oftmals unerlässlich (vgl. Knörzer/Grass, 2000, S. 27). Außerdem habe in der Familie der 90er Jahre eine Rollenentwicklung stattgefunden und dadurch das bisherige „ge- schlechtsspezifische Verhaltens- und Beziehungsrepertoire an normativer Verbind- lichkeit verloren“ (Kötters, 2000, S. 57), welches in der Vergangenheit die Frauen dazu bestimmte, sich ausschließlich der Familie zu widmen, anstatt erwerbstätig zu sein. Der Berufseinstieg der Frauen führte jedoch auch zu einem Wandel der Vater- rolle. Traditionelle, rollenspezifische Aufgabenverteilungen innerhalb der Familie gehören mittlerweile weitgehend der Vergangenheit an. Kindererziehung sowie ein harmonisches Familienleben haben in Folge dessen für die Väter an Bedeutung ge- wonnen (vgl. dies., 2000, S. 58).
Doch welche Auswirkungen haben diese Sachverhalte auf die Kinder? Pauschale Antworten scheinen mir an dieser Stelle unangebracht zu sein.
So ist nicht abzustreiten, dass einige Kinder als “Modernisierungsverlierer“ zu gelten haben. Kinder beispielsweise, die in ärmlichen Verhältnissen aufwachsen, weil ihre Eltern arbeitslos geworden sind und zudem von ihnen keine Unterstützung erfahren. Darüber hinaus haben die gesellschaftlichen Veränderungen es den wenigen Kin- dern5 erschwert, spontan Spielkameraden auf der Straße zu treffen. Doch möchte ich mich von der defizitorientierten Sichtweise der früheren Forschung lösen, die oftmals die kinderreiche Kernfamilie mit traditioneller Rollenverteilung als Idealbild betrachtete. Gutschmidt betont diesbezüglich, dass zum Beispiel Ein- Eltern-Familien sehr unterschiedliche Eigenschaften aufweisen können. Entschei- dend ist vielmehr das Bildungsniveau sowie Wohngegend, Einkommen und soziales Milieu der Familie (vgl. Gutschmidt, 1997, S. 75/76). Auch Lehmann ist der Ansicht, dass kleinere Familien neben negativen Konsequenzen durchaus positive Entwick- lungen nach sich ziehen können. Demnach verfügen die Kinder über einen hohen Freiheitsgrad bezüglich ihrer persönlichen Entfaltung. Außerdem seien die Kontakte zwischen vielen Familienmitgliedern um einiges enger und gefühlsbetonter gewor- den. Sie gibt jedoch auch zu bedenken, dass viele Kinder durch die Erwerbstätigkeit beider Elternteile zu oft auf sich selbst gestellt sind, dabei ihren Alltag zu großen
Teilen alleine organisieren und emotionale Prozesse selbst meistern müssen. Dar- über hinaus seien sie den zunehmenden wachsenden Erwartungen von Seiten der Eltern ausgesetzt (vgl. Lehmann, 2003, S. 153). Dennoch sind hierzu Studien zu erwähnen, nach denen die Qualität der Betreuung entscheidend für die kindlichen Konsequenzen der mütterlichen Erwerbstätigkeit sei. Sie ergaben, dass gut ausge- stattete Betreuungsstätten sogar sehr förderlich auf die soziale und intellektuelle Entwicklung der Kinder einwirken können (vgl. Rolff/Zimmermann, 1997, S. 29). Auch die Situation von Einzelkindern lässt sich nach Rolff und Zimmermann weder rein negativ noch positiv beurteilen. Ihnen zufolge sei sie lediglich eine andere als die von Kindern aus kinderreichen Familien. Sobald die Einzelkinder im gleichen sozialen Milieu angesiedelt sind, wie Geschwisterkinder, unterscheiden sich beide „bezüglich Selbstbewusstsein, Kooperationsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Schulleistung und Anfälligkeit für psychische Krankheiten in keinem Punkt“ (dies., 1997, S. 31) voneinander.
4.2 Wandel der Erziehungsnormen
Der Wandel in der Familienwelt geht mit einem Wandel des Erziehungsverhaltens einher. Die Verringerung der Familiengröße ließ emotionalere Beziehungen entste- hen, durch die das heutige Kind für die Eltern wichtiger erscheint als früher (vgl. Köt- ters, 2000, S. 59). Noch in der Nachkriegszeit herrschte ein strenger, autoritärer Er- ziehungsstil, der es zuließ, dass Kinder zur Unterstützung der Durchsetzung des elterlichen Willens geschlagen wurden. Ab den 60er Jahren wandelte sich dieser Erziehungsstil zugunsten eines liberaleren Stils, in dem von nun an Wert auf klären- de Gespräche gelegt wurde (vgl. Rolff/Zimmermann, 1997, 136). Dies stellte einen Wandel „von konservativen, streng auf Gehorsam und Unterordnung abzielenden Leitideen über liberale Modelle hin zu einer am Beginn des neuen Jahrhunderts vor- handenen pragmatischen Pluralität der Erziehungsstile“ (Lauterbach/Lange, 2000, S. 8) dar. Die heutigen Eltern reflektieren ihr erzieherisches Handeln entschiedener und suchen dabei Empfehlungen aus Umwelt und Medien. Machtunterschiede sind dabei bei weitem nicht mehr so ausgeprägt wie einst. Bestrafungen und körperliche Gewalt werden durch den neuen Erziehungsstil abgelehnt und im Gegenzug den Kindern mehr Freiheiten zugebilligt (vgl. Kötters, 2000, S. 58f).
Ehemalige Werte wie beispielsweise „...Diszipliniert-Sein, Leise-Sein, Still-Sein, Zu- rückhaltend-Sein, Mutig-Sein“ (Fölling-Albers, 1995, S. 13) und „...gute Umgangs- formen, Gehorsam und Ordnung“ (Peuckert, 2005, S. 165) haben an Kraft verloren.
„Kreativität, Kooperationsfähigkeit, Spielenkönnen“ (Fölling-Albers, 1995, S. 13) so-
wie Menschenverstand, gute Urteilsgabe und Verantwortungsbewusstsein haben hingegen an Bedeutung gewonnen (vgl. Peuckert, 2005, S. 165). Dabei versuchen die heutigen Eltern, die Selbstständigkeit und Individualität ihrer Kinder zu steigern, anstatt sie zu unterdrücken (vgl. Kötters, 2000, S. 59). Doch nicht nur die Eltern för- dern ihre Kinder. Neben dem Wissen, das die Eltern im partnerschaftlicheren Um- gang den Kindern weiter vermitteln, nehmen die Eltern auch das Wissen der Kinder an (vgl. dies., 2000, S. 58). So haben beispielsweise viele Kinder bei weitem mehr Know-how im Umgang mit Computern als deren erwachsene Familienmitglieder.
Fölling-Albers beschreibt den Wandel der Bedeutung von Kindern aus Sicht der El- tern. Demnach dienen sie heute nicht mehr der Altersversorgung, sondern dem Le- bensglück der Erwachsenen. Dies ist mit dem alten Erziehungsstil allerdings nicht mehr zu vereinbaren (vgl. Fölling-Albers, 1995, S. 14). Büchner formuliert diesen Wandlungsprozess mit den Worten: “Vom Befehlen und Gehorchen zum Verhan- deln“ (Büchner, 1989, S. 196). Durch diese Entwicklung seien die Erwartungen der Eltern keinesfalls geringer geworden, sondern haben sich von der Erwartung des sozialen Wohlverhaltens zu hohen Lernerfolgserwartungen verschoben. Dabei wer- den die Kinder weniger von außen kontrolliert, sondern sollen zur Selbstkontrolle fähig sein (vgl. Fölling-Albers, 1995, S. 14).
Peuckert warnt, man dürfe die Entwicklung nicht als ausnahmslos positiv betrachten. Er ist der Ansicht, Kinder seien „...heute eher gleichberechtigte Partner ihrer Eltern, was ihre Rechte, nicht aber was mögliche Pflichten betrifft, von denen sie weitge- hend freigestellt sind“ (Peuckert, 2005, S. 166f). Zudem sähen sich die heutigen El- tern oftmals in ihrem Erziehungsverhalten verunsichert (vgl. Rolff/Zimmermann, 1997, S. 137). Außerdem seien die unterschiedlichen Erziehungsstile6 regional und milieuspezifisch ungleich verteilt. Demnach sei der traditionelle Befehlshaushalt in sozial benachteiligten Familien und in Familien, die aus ländlichen Regionen stam- men, vermehrt anzutreffen (vgl. Fölling-Albers, 2002, S. 381). Darüber hinaus be- schreibt Peuckert die hohe Elternzentriertheit innerhalb dieser Familien, die mit einer großen Distanz zwischen Eltern und Kindern einhergeht. Der Anspruch, eigene Kin- der in deren Selbstständigkeit zu stärken, sei hingegen unter gebildeten Eltern häu- figer anzutreffen, also abhängig von ihrem Bildungsstand. Frühere Unterschiede im Erziehungsverhalten gebildeter und ungebildeter Eltern haben sich seiner Ansicht nach im Laufe der Zeit sogar vergrößert (vgl. Peuckert, 2005, S. 167).
Fölling-Albers macht ein Problem im Wandel der Erziehung deutlich. So werde den meisten Kindern zwar mehr Freiheit in ihren Handlungen zugestanden, aber auch zugemutet. Demnach sei es gegenwärtig häufig ihre Entscheidung, wann sie mor- gens zur Schule aufbrechen oder wann gegessen wird. Hierbei wird jedoch die Er- wartung an die Kinder geknüpft, diese Freiheit sinnvoll zu nutzen und auszufüllen. Daraus resultiere eine Steigerung des Leistungsdrucks, der wiederum zu Spannun- gen innerhalb der Familie führe (vgl. Fölling-Albers, 2002, S. 382). Im Verhalten der Kinder sichtbare Symptome hierfür seien „Stress, Zappeligkeit, innere Unruhe, offe- ne Leistungsverweigerung durch Aggression oder unsoziales Verhalten [...] und Gleichgültigkeit gegenüber den Lernansprüchen “ (dies., 2002, S. 383).
4.3 Wandel des Spiel- und Freizeitverhaltens
Wie bereits kurz angesprochen wurde, hat sich die Reduktion der Geburtenzahl auf das Spiel- und Freizeitverhalten der Kinder ausgewirkt. Darüber hinaus sieht Fölling- Albers als Ursachen für die Veränderung der Freizeitgestaltung den Wandel der Wohnumwelt7 sowie den wachsenden Straßenverkehr8. Kinder träfen heute andere Spielgefährten nicht mehr spontan auf der Straße, sondern verabreden sich bereits in der Schule oder später am Telefon mit anderen Gleichaltrigen (vgl. Fölling-Albers, 1995, S. 12). Dies sei vor allem zwischen 1870 und 1920 noch anders gewesen, als die drei bis vierzehn Jahre alten Kinder, nach Klassenherkunft geordnet, auf den Straßen ihrer Wohnquartiere spielten und ihren eigenständigen Kinderalltag mit selbstgeregelten Spielen gestalteten (vgl. Nissen, 1998, S. 165). Basierend auf der Tatsache, dass sich heute sehr viel weniger spontane Spielmöglichkeiten in der Nachbarschaft und im Freundeskreis für die Kinder ergäben, seien im Laufe der Zeit institutionalisierte Freizeitangebote geschaffen worden. Jedwedes kindliches Interesse soll dadurch pädagogisch befriedigt werden. So werden neben sportlichen, musischen, kreativen und handwerklichen Angeboten auch Möglichkeiten zur sprachlichen Förderung etc. bereitgestellt (vgl. Fölling-Albers, 1995, S. 12). Dies habe die Aneignungsweise der räumlichen Umwelt stark verändert. Noch in den 60er Jahren erweiterten die Kinder mit fortschreitendem Alter ihren Lebensraum. Schritt für Schritt erkundeten sie das Zimmer, die Wohnung, den Garten, die Straße in unmittelbarer Umgebung der Haustür, hinunter in den Ort bis zur nächstgrößeren Stadt und weiter (vgl. Wittrock/Schulze, 2005, S. 11).
Mittlerweile wurde dieses Aneignungsmodell des einheitlichen Lebensraumes von dem Modell des verinselten Lebensraumes abgelöst. Dem zufolge brächten Eltern die Kinder vielmehr von einer Insel (Institution/Freunde) zur Nächsten, zwischen de- nen Niemandsland läge (vgl. Zeiher, 1989, S. 187). Die Welt zerfalle dadurch in von- einander getrennte Bereiche (vgl. Wittrock/Schulze, 2005, S. 11). Nissen verweist diesbezüglich jedoch auf eine Studie des Deutschen Jugendinstitutes, die einerseits bestätigt, dass Kinder Institutionen aufzusuchen haben, zur Erreichung derer aber das Fahrrad oder die eigenen Füße die häufigsten Transportmittel (vgl. Nissen, 1992, S. 155) seien.
Lipski gibt zu bedenken, dass die Kinder durch die Verlegung ihrer Freizeitaktivitäten in institutionalisierte Bereiche, wie es vor allem in Großstädten festzustellen sei, viel- fach einem wachsenden Zeit- und Termindruck unterlägen. Institutionen, wie bei- spielsweise Sportvereine und Musikschulen, drängen den Kindern Zeitraster auf nach denen sich die Kinder richten müssen. Darüber hinaus lägen diese Freizeit- räume oftmals weit von den heimischen Wohnräumen entfernt (vgl. Lipski, 2001, S. 108). Folglich seien die Kinder gezwungen, durch gute Selbstkontrolle, Flexibilität und Vorausschau ihre Verabredungen zeitlich optimal zu koordinieren. Arbeitszeiten der Eltern, die Öffnungszeiten von Institutionen (wie Schule, Sportverein, Musikun- terricht, Geschäfte) und Fahrplanzeiten der öffentlichen Verkehrsmittel müssen in diesem Zusammenhang von den Kindern berücksichtigt werden (vgl. Kötters, 2000, S. 35).
Dennoch verweisen Knörzer und Grass auf eine Studie des Deutschen Jugendinsti- tutes, nach der 22% der 8- bis 12-jährigen neben der Schule keine weiteren Termine haben. Weitere 47% haben demnach lediglich einen bis zwei Termine pro Woche. Die restlichen 31% der Kinder müssen jedoch drei und mehr Termine pro Woche einhalten. Dennoch beklagt sich kaum ein Kind, neben den Terminen keine Zeit mehr zum Spielen mit Freunden im Freien zu haben (vgl. Knörzer/Grass, 2000, S. 39). Auch die Aussage über die verhäuslichten9 Kinder trifft Lipski zufolge höchstens vereinzelt bei Mädchen aus der oberen Mittelschicht zu (vgl. Lipski, 2001, S. 109/ Nissen, 1998, S. 186). Kinder, dabei vor allem Jungen, aus unteren Sozialschichten nähmen hingegen weitaus häufiger öffentliche Räume ein (vgl. Peuckert, 2005, S. 159). Insgesamt würden die meisten Kinder weiter die direkte Wohnumgebung zum Spielen mit nachbarschaftlichen Gruppen nutzen, aber auch „individuell ausgewählte Freizeitangebote im kommunalen Raum mit eher wechselnden Sozialkontakten“ (Lipski, 2001, S. 109) wählen. Kustor erforschte den Zusammenhang der Raumnut- zung von Mädchen und Jungen in Kleinstädten und mittleren Großstädten. Ihr zufol- ge verbringen Mädchen ihre Zeit weitaus häufiger in Binnenräumen und gehen dabei eher sozialen Kontakten nach als Jungen. Deren Aktivitäten sind Kustor zufolge eher sportlicher Art. Verstärkend macht sie für diesen Sachverhalt die Ängste vieler Eltern verantwortlich (vgl. Kustor, 1996, S. 32f).
Wie bereits angeklungen ist, darf man sich bei dem Thema Verhäuslichung, Verpla- nung und Verinselung der Kindheit nicht zu Verallgemeinerungen verleiten lassen. Es gibt viele Kinder, die nachmittags einen vollen Stundenplan haben, aber auch Eltern, die sie zum Erreichen der Ziele bereitwillig chauffieren. Eltern, die ihren Kin- dern dadurch zu anregungsreicheren Räumen verhelfen wollen. Unter Betrachtung der Realität wird deutlich, dass immer noch Kinder, allein und auf sich selbst ange- wiesen, ihren persönlichen Nahraum Schritt für Schritt erkunden können, aber auch müssen. Kinder, denen es aus finanziellen oder zeitlichen Gründen der Eltern nicht möglich ist, Angebote der Institutionen zu nutzen. Dieses Phänomen führt zu einer Isolation der Kinder und verursacht in ihnen das Gefühl, von der Gesellschaft ausge- stoßen zu sein. Zeiher vertritt die Ansicht, dass gerade Hochhauskinder oft von die- ser Situation betroffen sind (vgl. Zeiher, 1989, S. 187).
Es dürfte deutlich geworden sein, dass nicht alle Veränderungen der Kindheit aus- schließlich positiver oder negativer Art sind. Die Vielfalt der neuen Freizeitangebote und die Tatsache, dass diese nicht alle in der näheren Umgebung liegen, fördert die Koordinationsfähigkeit, Organisationsfähigkeit und die Durchsetzungsfähigkeit der Kinder. Kindern, denen bereits die Möglichkeit zum freien Spielen in der Natur gege- ben war, wird nun die Möglichkeit der Ausführung weiterer Interessen gegeben. Zei- her gibt jedoch zu bedenken, dass in verinselten Lebensräumen nie das jeweilige Kind, sondern immer nur ein Teilbereich dessen Persönlichkeit Platz habe. Somit seien stabile Beziehungen in verinselten Räumen schwer aufzubauen. Um dem zu entgehen, müsse man sich also aktiv an Veranstaltungen beteiligen oder sie sogar selbst aktiv ins Leben rufen (vgl. Nissen, 1989, S. 189).
Zudem wird nicht allen Kindern durch die Modernisierung zu einer Erweiterung ihrer Handlungsmöglichkeiten verholfen. Aufgrund ungünstiger Wohnumwelt in Binnenräume gedrängt und beispielsweise durch die Erwerbstätigkeit beider Eltern auf sich alleine gestellt, werden viele Kinder von der Außenwelt isoliert. Die finanzielle Notlage vieler Familien führt darüber hinaus zu vielerlei Einschränkungen. Dennoch lassen jüngere Studien erkennen, dass Verinselungs-, Verhäuslichungs-, Verplanungsund Institutionalisierungserscheinungen weitaus geringer ausfallen als zuvor befürchtet (vgl. Fölling-Albers, 2002, S. 386).
4.4 Medienkindheit
In der Geschichte der Menschheit hat es von jeher Medien gegeben, mit Hilfe derer die Menschen in der Lage waren, Symbolsysteme aller Art zu übermitteln. Höhlen- malereien, Rauchsignale, die Erfindung des Buchdruckes sowie das Aufkommen der späteren Massenmedien zeigen jedoch den sozialen Wandel, in dem die Verbreitung und Vernetzung von Symbolsystemen im Laufe der Zeit immer wichtiger wurde. Während früher noch von einer Industriegesellschaft gesprochen wurde, leben wir heute in einer Informationsgesellschaft, in der Massenmedien bereits im Vorschulal- ter von Bedeutung sind (vgl. Baacke, 1999a, S. 97). Obgleich Zeitschriften, Bücher und Radio bereits vor dem zweiten Weltkrieg weit verbreitet waren und diese zwei- felsohne Massenmedien darstellen, führte erst die Verbreitung des Fernsehens zu weitreichenden Veränderungen im Leben der Kinder, für die bis in die 50er Jahre das Fernsehen keine bedeutende Rolle spielte. Nachdem jedoch der Nordwestdeut- sche Rundfunk ab 1952 mit der Ausstrahlung eines regelmäßigen Programms be- gann, stiegen die Zuschauerzahlen pro Haushalt innerhalb von nur 8 Jahren von 1.2 auf 5,9 Mio. Lediglich 12 Jahre später besaßen bereits 18,5 Mio. Haushalte einen Fernseher. Das ursprüngliche Statussymbol avancierte zum breiten Massenmedium (vgl. Rolff, 1989, S. 156), welches mittlerweile speziell für Kinder produzierte Sen- dungen auf eigens für sie konzipierten Kanälen ausstrahlt (vgl. Rolff/Zimmermann, 1997, S. 96).
Weitere Medien hielten schnell Einzug in die mittlerweile aufkommenden Kinder- zimmer. Neben Printmedien wie Bilderbüchern, Kinderbüchern und Kinderzeitschrif- ten, besaßen immer mehr Kinder ihre eigenen Radios, Kassettenrecorder, Videore- corder, CD-Player und sogar Fernseher (vgl. Baacke, 1999a, S. 97; Rolff/Zimmermann, 1997, S. 96). Postman warnte vor den weitreichenden Folgen dieser Entwicklung, die er mit dem Verschwinden der Kindheit bezeichnete. Dies begründete er dadurch, dass es den Erwachsenen früher durch Lehren der Schrift- kultur möglich war, die Kinder in bewusst dosiertem Maße in die Erwachsenenwelt einzuführen. Seiner Ansicht nach veränderte sich dieses Vorgehen mit der Einfüh- rung des Fernsehens radikal. Ungeachtet der kindlichen Folgen standen nun „...alles Wissen und sämtliche Tabubereiche unmittelbar und unkontrolliert“ (Kübler, 2002, S. 18) zur Verfügung.
In den 70er Jahren führte die Entwicklung der Personalcomputer zu einer weiteren Kommunikationserweiterung. Die Neuen Medien wie Internet, CD-ROM und Multi- media brachten drei neue Medieneigenschaften hervor. So seien Interaktivität10, Vernetzung11 und Globalisierung12 mittlerweile grenzenlos möglich. Gerade darin erkennt Baacke wiederum die Chance, Lernmaterialien über alle Grenzen hinweg den verschiedenen Menschen zugänglich zu machen. Vorraussetzung dafür seien allerdings das Vorhandensein der benötigten Geräte sowie das Wissen um deren Bedienung (vgl. Baacke, 1999a, S. 97f).
Doch welche Umstände führten zu solch einer rasanten Entwicklung des kindlichen Medienverhaltens? Allein der Umstand der Technikverbesserung kann nicht begrün- den, warum die Lebenswelt der Kinder mit den Medien derart verschmolz. Gries und Maaz machen für die Mediatisierung der Kinder gesellschaftliche Änderungsprozes- se verantwortlich. Die Berufstätigkeit vieler Elternpaare, geringere Zahl von Nach- barskindern sowie der Wegfall kindlicher Aufenthaltsorte und Erfahrungsräume sei- en, ebenso wie der schon beschriebene „...Prozess der Individualisierung, Entstruk- turierung und Enttraditionalisierung kultureller Lebensformen“ (Gries/Maaz, 2004, S. 267), für das Voranschreiten kindlicher Mediennutzung verantwortlich. Medien gehö- ren ihnen zufolge weniger einer Außenwelt an, vielmehr sind sie integrierter Be- standteil im Alltag der Kinder geworden. Im Laufe der Zeit gewannen sie zunehmend an Bedeutung, was vor allem am wachsenden Sozialisationseinfluss der Medien auf die Kinder deutlich wird (vgl. ebd.). So ergänzen die Medien die traditionellen Sozia- lisations- und Erziehungsinstitutionen wie Schule und Familie, konkurrieren aber auch mit ihnen (vgl. Fritz, Sting und Vollbrecht, 2003, S. 8).
Betrachtet man die Mediennutzung von Grundschulkindern, so sei für sie in erster Linie der Bereich des sozialen und ästhetischen Lernens von Bedeutung. Dies äuße- re sich beispielsweise in der Tätigkeit des Chattens, des Computerspielens, aber auch im Betrachten von Spielfilmen und Seifenopern. Erst später, im Jugendalter, komme der Leistungsaspekt hinzu (vgl. Baacke, 1999a, S. 98). Gemäß Gries und
Maaz sei die Beschäftigung mit Medien die favorisierte Freizeitaktivität der Kinder geworden (vgl. Gries/Maaz, 2004, S. 267), wenngleich Vollbrechts Aussage zufolge, die Beschäftigung mit Medien zwar die zeitaufwendigste, aber nicht unbedingt die beliebteste Freizeitaktivität sei (vgl. Volbrecht, 2003, S. 16). Der durch Medien oft verbreiteten Annahme, dass die Menschen bereits in einer hunderprozentigen Onli- negesellschaft leben, widersprechen Gries und Maaz. So habe durchaus nicht jeder freien Zugang zu einem Computer bzw. Internetzugang. Vielmehr sei die soziale Herkunft für die Art der Nutzung entscheidend13 (vgl. Gries/Maaz, 2004, S. 267). Neben Ausstattungsunterschieden bezüglich Computer und Internet seien auch die Verbreitung von Kabel- und Satellitenanschlüssen für Fernseher sowie das Vorhan- densein von Büchern milieuabhängig. Unterschiede lassen sich neben der Ausstat- tung auch im Mediennutzungsverhalten feststellen. „Fernseher und Video werden von Kindern aus ärmeren sozialen Schichten länger genutzt, während die Kinder aus höheren sozialen Schichten PC und Internet präferieren bzw. häufiger verwenden“ (Süss, zit. b. Paus-Hasebrink/Bichler, 2005, S. 106). Außerdem spiele die Mediener- ziehung und die Einstellung und Kontrolle der Eltern eine entscheidene Rolle bezüg- lich des Medienumgangs der Kinder14. Weitere Nutzungsunterschiede lassen sich jedoch auch hinsichtlich der Geschlechter und unterschiedlicher Altersstufen konsta- tieren (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2007, S. 9, 14f). Insgesamt nehmen heute die soziale Lage und Schichtzugehörigkeit der Kinder so- wie das Bildungsniveau der Eltern und die Familienform, der Wohnort, die Woh- nungsgröße und das Einkommen der Familie Einfluss auf die Mediensozialisation der Kinder (vgl. Paus-Hasebrink/Bichler, 2005, S. 106)
Der Frage, welche Medien in welcher Intensität von welchen Kindern am meisten genutzt werden, beziehungsweise welche Medien den Kindern in welcher Art und Weise zur Verfügung stehen, soll an dieser Stelle nicht vertieft nachgegangen werden, da dieses Thema in Kapitel 6.5 noch näher beleuchtet wird.
4.5 Kinderarmut
Wie schon erwähnt geht die Modernisierung unter anderem mit einem Wandel der Arbeitswelt und der Pluralisierung der Familienformen einher. Deren Auswirkungen sind in veränderten, teilweise befristeten oder geringfügigen Beschäftigungsverhält- nissen sowie in Teilzeit- und Leiharbeit sichtbar. Aber auch Werkverträge und Scheinselbstständigkeit sowie hohe Mobilitäts- und Flexibilitätserwartungen, die an den Arbeitnehmer gestellt werden, sind Resultate des Modernisierungsprozesses. Dieser arbeitsweltliche Wandel, aber auch hohe Kinderzahlen in Familien sowie die Erziehung in Ein-Eltern-Familien, mindern wiederum die Chancen der Familien, von dem Erlös der eigenen Arbeit leben zu können (vgl. Chassé, Zander und Rasch, 2005, S. 16). Ehescheidungen und Verschuldung von Familien sind zusätzliche Ur- sachen für Verarmung vieler Familien. Kinderarmut ist oftmals die Folge (vgl. Holz, 2006, S. 3).
Nach Aussage des deutschen Kinderschutzbundes lebten 2006 bereits 2,2 Millionen Minderjährige auf Sozialhilfeniveau15 (vgl. Wilken, 2006, S. 18). Im Jahre 2007 sei sogar schon jedes sechste Kind (2,5 Millionen) auf Sozialgeld angewiesen (vgl. N. N., 2007b). Damit sei Holz zufolge die Infantilisierung von Armut gestiegen. „Kinder sind nach wie vor die am häufigsten von Armut betroffene Altersgruppe“ (Holz, 2006, S. 3). Neben den armen Familien, die Sozialhilfe beziehen und aus diesem Grund auch der Gruppe der bekämpften Armut zugeordnet werden, gibt es eine ebenso große Anzahl von Haushalten, die zur verdeckten Armut gerechnet werden. Hierun- ter fallen all jene Menschen, deren Einkommen unter Sozialhilfeniveau liegt, den- noch aber keine Sozialhilfe beantragen (vgl. Hock et al., 2000, S. 40). Auffallend ist, dass das ostdeutsche Gebiet und westdeutsche Großstädte höhere Kinderarmutszahlen aufweisen wogegen besonders der süddeutsche Bereich am wenigsten von Armut betroffen ist (vgl. Deutscher Kinderschutzbund, 2005). Kinder- armut, sei dennoch darüber hinaus auch im ländlichen Bereich und außerhalb von sozialen Brennpunkten (vgl. Hock et al., 2000, S. VII (Vorwort)) vor allem im Bereich von Arbeiterfamilien mit Migrationshintergrund, in denen 25% aller von Armut betrof- fenen Kinder leben, anzutreffen (vgl. Groh-Samberg/Grundmann, 2006, S. 14).
Laut Chassé et al. lebten im Jahr 2002 mehr als die Hälfte der bis zu 10-jährigen Kinder in prekären Einkommensverhältnissen. 17,6% dieser Kinder fielen ihrer Ansicht nach unter die Armutsgrenze (50% Schwelle). Mit dieser Armut sei zwar keine existenzielle Not gemeint, in der die Kinder Hunger leiden müssten, dafür aber eine relative Armut „...im Sinne von sozialer Ungleichheit und sozialem Anschluss“ (Chassé et al., 2005, S. 12), die an den durchschnittlichen finanziellen Standards der Gesellschaft gemessen werde (vgl. ebd.).
Nachdem ich auf die Ursachen der Kinderarmut und deren Verbreitung in Deutschland eingegangen bin, möchte ich nun auf die daraus resultierenden Folgen für die Kinder eingehen.
So wirke sich die ökonomische Benachteiligung von Familien negativ auf die Ge- sundheit ihrer Kinder aus. Sozialhilfeempfänger können ihnen beispielsweise oftmals keine angemessene Ernährung bieten. Dies zieht mehrfach Fehl- und Unterernäh- rungen sowie Erkrankungen und Dauerinfektionen nach sich. Auch das Wohlbefin- den und die Lebenszufriedenheit würden von familiärer Armut negativ beeinflusst (vgl. dies., 2005, S. 24).
Johann Bacher widerspricht in diesem Punkt jedoch der Meinung bezüglich des Zu- sammenhangs von Armut der Familie und dem Wohlbefinden der Kinder. Vielmehr ist er der Ansicht, die finanzielle Not habe Einfluss auf die Bildungschancen der Kin- der (vgl. ebd.).
Wie in Kapitel 4.2 erwähnt, kann sich die Armutslage von Familien negativ auf das Erziehungsverhalten auswirken. So könne die Beziehung der Eltern untereinander aber auch zwischen den Eltern und ihren Kindern beeinträchtigt werden. Das Erziehungsverhalten der Eltern sei insofern betroffen, als dass die belasteten Eltern, nach Ansicht von Sabine Walper, den Kindern seltener Zuwendungen, liebevolle Fürsorge und Aufmerksamkeit entgegen brächten (ebd.). Neben den elterlichen Beziehungen würden laut Walper die Sozialbeziehungen zu Gleichaltrigen erschwert, da sie von diesen häufiger Zurückweisungen erführen.
Richter analysierte die Strategien, mit denen Kinder die Armut bewältigen. Sie stellte fest, dass sich die Geschlechter unterschiedlich mit der Armut und deren Folgen auseinandersetzen. „So greifen Mädchen eher zu aktiven Bewältigungsstrategien unter Nutzung der ihnen zur Verfügung stehenden sozialen Ressourcen, während Jungen sich tendenziell eher für problemmeidende Strategien entscheiden“ (dies., 2005, S. 25).
Zur Beantwortung der Frage nach der Bedeutung der Armut im Hinblick auf das Le- ben der Kinder und den daraus resultierenden Folgen hat der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt die Studie Gute Kindheit - Schlechte Kindheit in Auftrag gegeben.
Auf der Suche nach einem kindbezogenen Ansatz auf dem Gebiet der Armutsfor- schung wollten die Forscher „nicht nur die materielle Lage des Haushalts beziehungsweise der Familie des Kindes...“ (Hock et al., 2000, S. IX (Vorwort)) in Augenschein nehmen, „...sondern auch und vor allem die Lebenssituation und Lebenslage des Kindes selbst“ (dies. S. IX (Vorwort)).
Nach vorheriger Trennung der Kinder in arm16 und nicht-arm, wurden weitere Le- benslagedimensionen wie materielle Grundversorgung sowie kulturelle-, soziale- und gesundheitliche Lage unterschieden17. Daraus leiteten die Autoren der Studie die Lebenslagetypen „Aufwachsen im Wohlergehen18, Aufwachsen in Benachteiligung19 oder Aufwachsen in multipler Deprivation“ (vgl. Holz, 2006, S. 5f)20 ab. Durch ihre Forschungen ermittelten Hock et al. den eindeutigen Zusammenhang zwischen fi- nanzieller Familiensituation und kindlicher Lebenslage. Obgleich 23,6 % der finan- ziell benachteiligten Kinder weder im Bereich der materiellen Grundversorgung noch der sozialen, kulturellen oder gesundheitlichen Lage eine Einschränkung erführen, seien arme Kinder in größerem Maße von einem schlechteren Abschneiden in die- sen Lebensbereichen bedroht. Dem Bericht zufolge seien sogar dreimal so viele arme Kinder von multipler Deprivation betroffen, wie deren Altersgenossen (vgl. ebd.).
Dennoch würden immerhin 25% der armen Kinder im Wohlergehen leben. Armut lasse also nicht zwangsweise auf eine Einschränkung in zentralen Lebensbereichen schließen21 (vgl. Hock et al., 2000, S. XI (Vorwort)). Da diese Einschränkungen in wesentlichen Lebensbereichen unterschiedlich verteilt sind (vgl. Holz, 2006, S. 7), würde von der Multidimensionalität von Armut gesprochen (vgl. Chassé et al., 2005, S. 43). Unter Vergleich der unterschiedlichen Lebensbereiche der Kinder, wird deutlich, dass arme Kinder am wenigsten im gesundheitlichen Bereich eine Einschränkung erfahren (25,8%). Am meisten mangelt es an materieller Grundversorgung (51,6%), gefolgt von Defiziten im Hinblick auf kulturelle (37,7%) und soziale Lage (34,6) (vgl. Holz, 2006, S. 7).
5 Forschungsstand bezüglich der Freizeitaktivitäten von Kindern
Im nun folgenden Kapitel möchte ich verstärkt auf den kulturellen und sozialen Lebensbereich der Kinder eingehen und dabei den Forschungsstand der letzten Jahre bezüglich der Freizeitgestaltung heutiger Kinder zusammentragen und vergleichen. Dabei soll vertiefend der Frage nachgegangen werden, welchen Kindern aktuell welche Art von Institutionen, Freizeitpartnern und -orten zur Verfügungen stehen und wie sich deren Mediennutzung gegenwärtig gestaltet.
Neben den die Freizeit beeinflussenden Determinanten wie Geschlecht und Alter der Kinder werde ich dabei auch die Bedeutung des finanziellen Hintergrundes erarbeiten. Dies soll als theoretische Grundlage für die daran anschließende eigene Forschungsarbeit dienen und darüber hinaus helfen, die daraus gewonnenen Einsichten bezüglich der Freizeitgestaltung von Kindern einzuordnen.
5.1 Freizeitwünsche versus Freizeitrealität
Wie soeben beschrieben, wurde in neueren Studien der eigenen Sicht der Kinder auf ihre Freizeit eine größere Bedeutung zugesprochen. Ohne diesen Forschungswan- del hätten beispielsweise die Forscher der KIM-Studie 2006 den Unterschied zwi- schen wirklicher und erwünschter Freizeitgestaltung, wie in Abb. 1 dargestellt, nicht ermitteln können. Wer könnte schließlich besser Auskünfte über die Freizeitwünsche der Kinder erteilen als die Kinder selbst? Aus diesem Grunde durften die befragten Kinder im Alter von sechs bis dreizehn Jahren aus 31 vorgegebenen Freizeitaktivitä- ten die drei Beliebtesten auswählen. Des Weiteren machten sie Angaben über die generelle22 sowie über die mehrmalige Zuwendung zu einer Beschäftigung (vgl. Abb. 2). Die daraus resultierenden Daten ermöglichen nun einen Vergleich zwischen Freizeitwunsch und Freizeitrealität der Kinder (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2007, S. 10ff).
Abb. 1: Liebste Freizeitaktivitäten 2006
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Eigene, basierend auf: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2007, S. 12).
Vergleicht man die Lieblingsbeschäftigungen der Mädchen und Jungen miteinander, wird deutlich, dass Jungen lieber draußen spielen, Sport treiben, den Computer nutzen sowie Video beziehungsweise Gameboy spielen als Mädchen. Diese widmen sich lieber dem Umgang mit Tieren, spielen lieber in Binnenräumen, unternehmen Aktivitäten mit der Familie, hören Musik und betätigen sich lieber kreativ als Jungen. Einigen dieser Ergebnisse widersprechen jedoch die Forschungen, die im Kinderbarometer Hessen 2006 veröffentlicht wurden23 (vgl. Hessenstiftung - Familie hat Zukunft, 2007, S. 75). Größtenteils können die Unterschiede jedoch mit der unterschiedlichen Forschungsweise begründet werden24.
Insofern werde ich mich im Rahmen dieser Arbeit bei der Vorstellung der jüngsten Forschungsergebnisse auf vergleichbare Unterschiede und Gemeinsamkeiten be- schränken und, wenn geboten, lediglich einen Trend beschreiben. So ist beispiels- weise der Fernsehkonsum zu benennen, der den Jungen in Hessen wichtiger ist als den Mädchen (vgl. ebd.). Demgegenüber geben die befragten Kinder der auf Ge- samtdeutschland bezogenen KIM-Studie ein weitgehend einheitliches Interesse der Geschlechter am Fernsehen an (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2007, S. 12).
Einheitlich stellen beide Studien jedoch fest, dass sich akutell die Kinder in ihrer Freizeit immer noch am liebsten mit Freunden verabreden (vgl. ebd.; Hessenstiftung - Familie hat Zukunft, 2007, S. 75)25. “Draußen spielen“ wird als zweitliebste Aktivität der Fernsehnutzung von beiden Geschlechtern eindeutig vorgezogen. Zudem ist das außerhäusliche Spielen dreimal beliebter als die Beschäftigung in Binnenräumen (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2007, S. 13). Auch im Vergleich zwischen ost- und westdeutschen Kindern fällt auf, dass alle Kin- der den Außenraum für ihr Spielen bevorzugen. Dennoch ist ein signifikanter Unter- schied bezüglich des Wunsches nach gemeinsamen Treffen mit Freunden zu ver- zeichnen. Ostdeutschen Kindern scheinen diese Kontakte nicht so bedeutend zu sein wie beispielsweise das draußen Spielen und Fernsehen (vgl. ebd.). Vergleicht man die Ergebnisse der KIM-Studien aus den Jahren 2000, 2003 und 2006 ist diesbezüglich ein Umbruch hinsichtlich der beliebtesten Freizeitaktivitäten zu verzeichnen. Während der Wunsch nach “Freunde treffen“, sportlicher Betäti- gung, außenräumlichem Spielen aber auch der Computernutzung im Laufe der Jah- re stetig anstieg, weist das Bedürfnis nach Fernsehnutzung einen erheblichen Rück- gang auf (vgl. ders., 2001; 2003; 2007).
Nachdem ich bereits im 4. Kapitel einige Unterschiede bezüglich der kindlichen Ges- taltungsmöglichkeiten ihrer Freizeit angedeutet und soeben die Gewichtung der Freizeitvorlieben aus Sicht der Kinder beschrieben habe, werde ich mich nun der tatsächlich gelebten Freizeit heutiger Kinder widmen. Inwiefern finden sich also die Freizeitwünsche der Kinder in ihrer Realität wieder? Diesbezügliche Aussagen las- sen sich aus der folgenden Grafik (Abb. 2) über die generelle und regelmäßige, kind- liche Freizeitbeschäftigung treffen.
Abb. 2: Freizeitaktivitäten 2006
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Eigene, basierend auf Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2007, S. 10f)
Neben dem Erledigen der Hausaufgaben nimmt laut KIM-Studie 2006 die Fernsehnutzung im täglichen Vergleich der Freizeit der Kinder den größten Zeitraum in Anspruch. Den Ergebnissen zufolge schalten 97% der Kinder mindestens einmal in der Woche den Fernseher an. 78% von ihnen sehen sogar fast jeden Tag fern. Gut die Hälfte der Kinder trifft sich fast jeden Tag (53%), 96% der Kinder immerhin einmal in der Woche mit Freunden. Am dritthäufigsten widmen sich die Kinder den vorher in der Grafik (Abb. 1) gar nicht aufgeführten Hausaufgaben (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2007, S. 10).
Auch bezüglich der Spielräume sind Unterschiede in Freizeitwunsch und Freizeitalltag festzustellen. So werden Außenflächen zwar mehr genutzt als Binnenräume, dies jedoch bei weitem nicht im zuvor gewünschten Umfang (vgl. ebd.). Der in Anlehnung an Fölling-Albers bereits verdeutlichte Wandel der Außenflächen und die Zunahme des Straßenverkehrs zu Lasten der kindlichen Spielmöglichkeiten (vgl. Fölling-Albers, 1995, S. 12) könnte hierfür eine Ursache darstellen.
Obwohl Abb. 2 verdeutlicht, dass die Fernsehnutzung eine verhältnismäßig größere Bedeutung im Leben der Kinder einnimmt, als von ihnen gewünscht wird (vgl. Abb. 1), ist auch ersichtlich, dass außermediale Beschäftigungen von starker Bedeutung für die 6- bis 13-Jährigen sind. Dennoch kann der Umfang der kindlichen Mediennut- zung nicht von der Hand gewiesen werden (vgl. Medienpädagogischer Forschungs- verbund Südwest, 2007, S. 10), zumal der Rückblick auf die KIM-Studie 2003 den Anstieg der kindlichen Nutzung neuer elektronischer Medien26 zu Lasten von Print- medien und Radio verdeutlicht (vgl. ders., 2003, S. 5ff; ders., 2007, S. 5ff). Zu diesem Ergebnis kamen auch die Forscher der 1. World Vision Kinderstudie 2007 und der 1. OÖ. BIMEZ KinderMedienStudie, die die Freizeitgestaltung von acht- bis elfjährigen bzw. sechs- bis zehnjährigen Kindern untersuchte. Obgleich die Studien, wie oben bereits erwähnt, nicht unmittelbar vergleichbar sind, bestätigen deren Er- gebnisse die Aussagen der KIM-Studie 2006 im Hinblick auf vergleichsweise ver- mehrte, außermediale Tätigkeiten27. Dennoch platziert sich in eben diesen Studien der Fernsehkonsum erst auf Platz drei der häufigsten Freizeitaktivitäten (vgl. Le- ven/Schneekloth, 2007b, S. 193; N. N., 2007a, S. 22).
Wie bereits mehrfach angeklungen ist, stehen den Kindern der Gegenwart keines- falls sämtliche Freizeitmöglichkeiten im gleichen Maße zur Verfügung. Zudem wirken beispielsweise unterschiedliche Interessen, aber auch der familiäre, finanzielle Hin- tergrund auf die Art der Freizeitgestaltung ein. Was steckt also hinter den soeben vorgestellten Zahlen zur prozentualen Verteilung der kindlichen Freizeitaktivitäten? Dieser und vielen anderen Fragen möchte ich nun im weiteren Fortgang meiner Ar- beit bei der näheren Betrachtung bedeutender Freizeitaktivitäten auf den Grund ge- hen.
5.2 Freizeitaktivitäten in Institutionen
Wie bereits in Kapitel 4.3 angesprochen wurde, hat sich ein Großteil der kindlichen Freizeitaktivitäten in der Vergangenheit in instituionelle Binnenräume verschoben. Die diesbezügliche und im Rahmen der Betrachtung des Modernisierungsprozesses aufgeworfene These der Institutionalisierung besagt, „...dass immer mehr speziell an Kinder adressierte Freizeitangebote auftauchen, die durch feste Termine und eine gewisse Verbindlichkeit des Besuchs gekennzeichnet sind, von Erwachsenen ge- plant, betreut und kontrolliert werden und nur bedingt Raum für selbstorganisiertes Kinderleben und raumgreifende Aktionen bietet“ (Peuckert, 2005, S. 160). Der Ausbau dieser Angebote sei zum Teil das Resultat des Engagements von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, kommunalen Behörden sowie kommerziellen Veranstaltern. Peuckert bemängelt jedoch in diesem Zusammenhang, dass ganzheitliche Erfah- rungen in solch einem institutionalisierten Freizeitbereich für Kinder verloren gingen (vgl. ebd.).
Dabei wird also partiell das freie Spielen „...durch ein von Erwachsenen mitorganisiertes, auf Förderung und Sinnhaftigkeit abzielendes, damit aber auch kontrolliertes Spielen“ (ders., 2001, S. 114) ersetzt.
Die Tabelle in Abb. 1 macht bereits auf unterschiedliche Interessen zwischen den Geschlechtern aufmerksam. Inwiefern findet sich dieses Ergebnis in der heutigen Nutzung von Freizeitinstitutionen der Geschlechter wieder?
Nissen vertrat bereits 1998 die Ansicht, die verschiedenen Jungen und Mädchen nähmen die institutionellen Angebote auf unterschiedliche Weise war. Während Mädchen eher mehrere, oft musisch-kulturelle, literarische oder künstlerische Aktivi- täten bevorzugten, wählten Jungen größtenteils ein Bewegung- und Sportangebot, welches sie jedoch mehrmals in der Woche ausübten (vgl. Nissen, 1998, S. 186). Auch Knörzer und Grass sprechen den Mädchen eine höhere Inanspruchnahme von institutionellen Angeboten zu, die zudem eher musisch-kreativ geprägt seien (vgl. Knörzer/Grass, 2000, S. 40). Die erst kürzlich veröffentlichte World Vision Kinderstu- die 2007 kommt diesbezüglich zu einem ähnlichen Ergebnis. Demzufolge nehmen zwar prozentual mehr Jungen und ältere Kinder institutionelle Angebote in Anspruch. Dennoch sei die weibliche Nutzungsrate höher. Dieser auf den ersten Blick wider- sprüchliche Sachverhalt erklärt sich möglicherweise durch die bereits von Nissen festgestellte unterschiedliche Häufigkeit der institutionellen Inanspruchnahme durch die Geschlechter28 (vgl. Leven/Schneekloth, 2007b, S. 166).
Wenngleich in der KIM-Studie nicht ausdrücklich erwähnt wurde, dass die sportli- chen und musischen Tätigkeiten der Kinder in Institutionen durchgeführt werden, schließe ich aus deren Ergebnissen, dass sich die tendenzielle, institutionelle Nut- zungspräferenz der Geschlechter in den letzten Jahren nicht verändert hat29 (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2007, S. 10ff). Auch Fries bes- tätigt, dass die größte Determinante in Bezug auf Freizeitvorlieben die des Ge- schlechts sei. Dennoch fließen andere Faktoren, wie besuchter Schultyp oder das bereits angesprochene Alter bei der Wahl der Freizeitaktivitäten mit ein (vgl. Fries, 2002, S. 173). Auch die Nationalität sowie die finanzielle Lage vieler Familien beein- flussen die institutionelle Aktivität der Kinder. Während 89% des Nachwuchses der Oberschicht in Vereinen und Gruppen eingebunden sind, trifft dies nur auf 47% der Unterschichtskinder und 63% der Migrantenkinder zu. Selbst die Schulbildung der Kinder scheint Einfluss auf die Nachmittagsgestaltung zu nehmen. So besuchen um 12% mehr selbsternannte „gute“ Schüler eine institutionelle Einrichtung als die „schlechteren“ Schüler (vgl. Leven/Schneekloth, 2007b, S. 167). Zwischen den im Kapitel 4.1 bereits erwähnten unterschiedlichen Familienformen ist jedoch kein Unterschied hinsichtlich der Hinwendung zu Freizeitgruppen oder - vereinen erkennbar (vgl. dies., 2007b, S. 169)
Insgesamt betrachtet nahmen 1992 80% aller Kinder an institutionalisierten Freizeit- angeboten teil (vgl. Knörzer/Grass, 2000, S. 40). Obgleich Leven und Schneekloth viele Jahre später die Zunahme der institutionellen Nutzung von Kindern betonen, sprechen sie lediglich von einem Anteil von 73% aller Kinder. Diese nehmen aller- dings regelmäßig drei und mehr Termine in der Woche wahr30 (vgl. Le- ven/Schneekloth, 2007b, S. 165f). Der noch 1990 festgestellte, starke Ost/West- Unterschied im Angebot kindadressierter Freizeitinstitutionen habe sich seitdem im- mens gemindert. „Standen damals den durchschnittlich etwa sechs für Kinder in Westdeutschland erreichbaren Einrichtungen knapp mehr als vier in Ostdeutschland gegenüber, so sind es heute fünf im Westen und viereinhalb im Osten“ (Schuma- cher, 2006, S. 30). Diesen Trend unterstreichen auch die Ergebnisse der 1. World Vision Kinderstudie 2007 (vgl. Leven/Schneekloth, 2007b, S. 169). Die institutionelle Betreuung in ostdeutschen Ganztagsschulen und Horten sei dagegen weitaus bes- ser gewährleistet als in den alten Bundesländern (vgl. dies., 2007a, S. 121f).
Rohlfs bemerkt hinsichtlich der zunehmenden institutionellen Freizeitangebote heutiger Kinder, die er mit ein bis sieben Terminen pro Woche ansetzt, dass diese nicht in der Lage seien, „‚freie’ Dimensionen der Freizeit wie das Spiel mit Freunden“ (Rohlfs, 2006, S. 168) zu verdrängen, da gerade diese Kinder ihre übrige Freizeit sehr abwechslungsreich gestalten (vgl. ebd.).
Obwohl in der Freizeit der Kinder heute eine Reihe institutioneller Einrichtungen eine Rolle spielen, beschränke ich mich im Zuge der folgenden näheren Betrachtung auf die Nutzung sportlicher und musikalischer Angebote, da sie, wie in der nachfolgen- den Grafik ersichtlich, den Großteil der institutionellen Freizeiteinrichtungen ausma- chen.
Abb. 3: Regelmäßige Gruppenaktivitäten und Mitgliedschaft in Vereinen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Eigene, basierend auf Leven/Schneekloth, 2007b, S. 167)
5.2.1 Sportvereine
Sportvereine führen die Liste der am meisten von Kindern genutzten Institutionen an. 57% aller Acht- bis Elfjährigen befinden sich nach Aussage der World Vision Kinder- studie derzeitig auf deren Mitgliedschaftslisten (vgl. Leven/Schneekloth, 2007b, S. 166). Das DJI-Kinderpanel ermittelt in seiner zweiten Befragungswelle für Kinder der gleichen Altersgruppe sogar Werte zwischen 72,2% und 79,2%. Darüber hinaus bes- tätigen deren Forschungen den zunehmenden Anstieg kindlicher Sportvereinsmit- gliedschaften ab Einstieg in die Grundschule (vgl. Zerle, 2007, S. 259).
Hinsichtlich des Zusammenhangs von Schulbildung und Sportvereinsnutzung ermit- telte die Kindersportstudie NRW 1992 eine vermehrte Vereinszugehörigkeit von Kin- dern höherer Schulbildung des dritten bis fünften Schuljahres31 (vgl. Brinkhoff/Sack, 1999, S. 55). 15 Jahre später habe sich laut Leven und Schneekloth daran nichts geändert. Gegenüber 40% der Kinder aus der Unterschicht besuchen 72% der Kin- der aus der Oberschicht einen Sportverein. Als mögliche Ursache sehen Leven und Schneekloth die fehlenden finanziellen Voraussetzungen wie mangelnde logistische Kompetenz der Eltern, um einen regelmäßigen Besuch an vereinsbezogenen Ver- anstaltungen zu gewährleisten (vgl. Leven/Schneekloth, 2007b, S. 174).
Wie bereits angesprochen, herrschen Unterschiede auch im regionalen Vergleich.
Leven und Schneekloth zufolge seien lediglich 38% der Kinder aus den neuen Bun- desländern im Vergleich zu 59% der Kinder aus den alten Bundesländern in Sport- vereinen eingebunden (vgl. dies., 2007b, S. 174f). Außerdem sei der Vereinssport auf dem Lande im Vergleich zur Stadt vermehrt anzutreffen (vgl. Brinkhoff/Sack, 1999, S. 98).
Geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich der Mitgliedschaftszahlen sind, im Gegensatz zu früher, lediglich auf den ersten Blick signifikant. Obgleich gemäß der 1. World Vision Kinderstudie 65% der Jungen und lediglich die Hälfte der Mädchen (50%) Mitglieder in einem Sportverein sind, wird bei genauerer Betrachtung ein an- deres Ergebnis sichtbar, welches sich wie folgt erklärt. In der gerade angesproche- nen Studie wird der Anteil der TeilnehmerInnen von Tanzclubs oder Ballettunterricht separat ermittelt. Demnach nutzen 17% Mädchen, aber nur 1% der Jungen dieses Angebot (vgl. Leven/Schneekloth, 2007b, S. 167). Da diese Angebote meiner An- sicht nach auch als Sportverein-Angebote zu werten sind, ergibt sich eine fast identi- sche Beteiligung beider Geschlechter in Sportvereinen. Dies bestätigen auch Daten, die bereits im Kindersurvey 1993 für zehn- bis 13-jährigen Kinder ermittelt wurden, „...die Hinweise darauf geben, dass Mädchen mittlerweile annähernd in gleicher Weise wie Jungen am Kindersport teilnehmen“ (Hasenberg/Zinnecker, 1998, S. 107).
Dennoch finden sich geschlechtstypische Sportarten. So dominieren „...bei den Jun- gen Fußball (42,6%) deutlich vor Schwimmen (14,2%), Handball (8,1%), Tischtennis (7,4%), Judo (6,8%) und Tennis (6,1%)“ (Brinkhoff/Sack, 1999, S. 105). Bei den Mädchen sind andere Sportarten hingegen beliebter. So ist „...die dominierende Sportart Turnen (26,2%), gefolgt von Schwimmen (20,9%), Leichtathletik (10,7%), Tennis (7,8%) und dem Pferdesport (5,8%)“ (ebd.). Hinsichtlich des Reitens, ermit- telte das LBS-Kinderbarometer unter den Kindern eine gespaltenere Meinung als bei anderen Sportarten, die indes nicht nur zwischen den beiden Geschlechtern auftrete. Obgleich 25,2% der Mädchen gerne reiten, würde dieses Hobby von 48,1% der Mädchen abgelehnt (vgl. Fries, 2002, S. 174f).
Bei der Betrachtung des Zusammenhangs von Vereinsmitgliedschaft und Nationali- tät wird der Unterschied erst auf den zweiten Blick in vollem Umfang deutlich. Zwar fällt bereits auf Anhieb die Differenz von Migrantenkindern (47%) zu einheimischen Kindern (60%) auf, dieser wird jedoch noch deutlicher, wenn der Faktor des Ge- schlechts mit einbezogen wird. Bei den Mädchen kommt somit ein Abstand von 21%, bei den Jungen hingegen lediglich von 2% zum Vorschein. Diesen Unterschied zwischen Einheimischen und Migranten erklären Leven und Schneekloth durch vor- handene kulturelle Barrieren (vgl. Leven/Schneekloth, 2007b, S. 175).
5.2.2 Musikunterricht
Konträr zu dem soeben beschriebenen Besuch von sportlichen Institutionen, wenden sich die gegenwärtigen Kinder bei weitem seltener einem musikalischen Unterricht zu. Dennoch nimmt das musikalische Interesse im Leben der Kinder einen ver- gleichsweise hohen Stellenwert ein. Fries zufolge spielen mehr als ein Drittel der Kinder (35,7%) ein Instrument (vgl. Fries, 2002, S. 179). Gemäß dem DJI- Kinderpanel musizieren sogar 44,3%32 der acht- bis 11-jährigen Kinder (vgl. Zerle, 2007, S. 253). Wenngleich sich die beiden Studien lediglich auf das Spielen eines Instrumentes und nicht speziell auf das Musizieren in Institutionen beziehen, erachte ich diese Werte dennoch als erwähnenswert, da ohne sie ein verfälschtes Bild vom Umfang des Musizierens heutiger Kinder entstehen könnte.
Um dieses Bild konkretisieren zu können, ist erneut eine Differenzierung notwendig. So ist vor allem unter Beachtung der geschlechtsspezifischen Nutzung ein signifi- kanter Nutzungsunterschied erkennbar. Die Studie LBS-Kinderbarometer stellte fest, dass fast doppelt so viele Mädchen in ihrer Freizeit ein Instrument erlernen wie Jun- gen. Dieses Phänomen besteht zudem schultypübergreifend. Innerhalb der drei Er- hebungsjahre33 des Kinderbarometers sei jedoch eine zunehmende männliche Hin- wendung zu einem Instrument zu verzeichnen gewesen (vgl. Fries, 2002, S. 179). Diesen Trend bestätigen auch die neueren Ergebnisse der 1. World Vision Kinder- studie, nach denen 23% der Mädchen, aber immerhin schon 18% der Jungen mu- sisch orientierte Institutionen34 aufsuchen (vgl. Leven/Schneekloth, 2007b, S. 178). Insgesamt sei laut Kuchenbuch und Simon auffällig, dass vor allem gebildetere Kin- der an einem Musikunterricht teilnehmen (vgl. Kuchenbuch/Simon, 2006, S. 72). Dies bestätigen auch die Ergebnisse der 1. World Vision Kinderstudie. Demnach sei jedes zweite Kind der Oberschicht im Vergleich zu jedem achten Kind der Unter- schicht in diesem Bereich aktiv (vgl. Leven/Schneekloth, 2007b, S. 179).
Entgegen anderen Freizeithandlungen sei bei der Betrachtung musischer Interessen allerdings die Tatsache auffällig, dass die Intensität der Zuwendung mit zunehmen- dem Alter konstant bleibe (vgl. Kuchenbuch/Simon, 2006, S. 72). Zu einem ähnli- chen Ergebnis kamen die Forscher der 1. World Vision Kinderstudie. Demzufolge bleibe der Anteil der musizierenden Kinder35 mit 23% im Alter von acht bis elf Jahre konstant (vgl. Leven/Schneekloth, 2007b, S. 193). Auch der Anteil der Kinder, die musisch orientierte Institutionen aufsuchen, steige geschlechtsübergreifend lediglich leicht von 20% (acht bis neun Jahre) auf 21% (zehn bis elf Jahre) (vgl. dies., 2007b, S. 167). Diese Werte heben sich von denen des DJI-Kinderpanels, nach denen eine erheblich größere Gruppe von 36% der Kinder Musikinstitutionen in Anspruch neh- men (vgl. Zerle, 2007, S. 254), deutlich ab. Wenngleich das Kinderpanel einen star- ken Anstieg musizierender Kinder im Alter von fünf bis acht Jahren ermittelte, bestä- tigt sie dennoch die Forschungen der World Vision Kinderstudie im Hinblick auf die annähernd gleich bleibende Zahl musizierender Kinder zwischen acht bis elf Jahren (vgl. dies., 2007, S. 253).
Hinsichtlich der Wahl der Musikinstrumente bevorzugen Mädchen vor allem die Flöte (20% der musizierenden Kinder), das Klavier und die Gitarre. Selbst alle anderen Instrumente werden, bis auf das Schlagzeug, am meisten von weiblichen Kindern gespielt (vgl. Fries, 2002, S. 179).
Obwohl das Musizieren in den meisten bereits genannten Studien bezüglich der kindlichen Lieblingsfreizeitbeschäftigung keine oder nur geringe Aufmerksamkeit erfuhr, geben im Rahmen des LBS-Kinderbarometers neun von zehn Kindern auf Nachfrage an, dass sie gerne ein Musikinstrument spielen. Insofern scheint das Spielen des Musikinstrumentes den Kindern nicht von außen aufoktroyiert zu wer- den, sondern vielmehr auf intrinsischer Motivation zu beruhen. Vielfach tröste das Musizieren sogar die Kinder, wenn es ihnen nicht gut gehe (vgl. ebd.).
Abschließend möchte ich jedoch erwähnen, dass nicht alle Kinder gleichermaßen Zugang zu einem Instrument haben. Eine beachtliche Zahl von Kindern (31,6%), darunter 25,8 % Jungen und 40% Mädchen hegen immer noch den unerfüllten Wunsch, ein Musikinstrument zu erlernen (vgl. ders., 2002, S. 180). Fehlende finan- zielle Möglichkeiten könnten dafür eine ernstzunehmende Ursache bilden.
5.3 Partner in der Freizeitgestaltung
„Freunde treffen“ ist, wie bereits in Abb. 1 veranschaulicht, die liebste Freizeitbe- schäftigung der heutigen Kinder (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2007, S. 12f). Dieser Sachverhalt wird von anderen Umfragen der jüngsten Vergangenheit bestätigt (vgl. Hessenstiftung - Familie hat Zukunft, 2007, S. 75; Le- ven/Schneekloth, 2007b, S. 193). Doch wie gestaltet sich ein Leben mit Freunden, die infolge des Geburtenrückgangs (vgl. Kötters, 2000, S. 56) und des zunehmenden Straßenverkehrs (vgl. Fölling-Albers, 1995, S. 12) nicht mehr spontan auf den Stra- ßen des Wohnquartiers anzutreffen sind? Der Frage, ob dieser Sachverhalt für alle Kinder gilt und wie die heutigen Kinderfreundschaften gegebenenfalls auf diese äu- ßeren Umstände reagieren, möchte ich im folgenden Kapitel nachgehen. Davor soll der Blick allerdings auf andere Freizeitpartner der Kinder wie Eltern und Geschwister gerichtet werden, da diese, neben den Freunden, von Fries und Zerle als wichtigste Interaktionspartner benannt werden (vgl. Fries, 2002, S. 170; Zerle, 2007, S. 255). Dies ist insofern interessant, da sich durch den Wandel der Familienformen und Er- ziehungsnormen die Beziehungen unter den Familienmitgliedern und somit vermut- lich auch deren gemeinsame Freizeit verändert haben.
5.3.1 Familie
Wie bereits beschrieben, hat sich die Beziehung zwischen den Familienmitgliedern seit der Nachkriegszeit erheblich gewandelt. Ein harmonisches Familienleben mit emotionalen Kontakten ist zum Idealbild von Familie geworden (vgl. Lehmann, 2003, S. 153). „Spielenkönnen“ sowie weitere kindliche Eigenschaften haben in den Augen der Eltern an Bedeutung gewonnen (vgl. Fölling-Albers, 1995, S. 13). Dies schlägt sich auch in der gemeinsamen Freizeitgestaltung nieder. So sei das gemeinsame Spielen mit den Kindern die häufigste außermediale Hauptfreizeitbeschäftigung heutiger Eltern (vgl. Frey-Vor, 2006, S. 150).
Dennoch sei die elterliche Zuwendung zum Kind innerhalb der letzten 16 Jahre rück- läufig. Damals war die Anzahl der Eltern, die sich weniger als einmal in der Woche mit ihren Kindern beschäftigten um ein Drittel geringer (vgl. Mohr/Schumacher, 2006, S. 44). Heute geben laut Studie der ARD/ZDF Medienkommission 72% der befragten Eltern an, mindestens einmal in der Woche mit ihren Kindern zu spielen36, 28% der Eltern verbringen hingegen noch seltener gemeinsame Freizeit mit ihren Kinder (vgl. dies., 2006, S. 41f).
Doch was verbirgt sich hinter diesen Zahlen? Welche Eltern sich besonders dem kindlichen Freizeitspiel widmen oder entziehen, beziehungsweise welche Faktoren die elterliche Zuwendung beeinflussen und wie die Kinder über den Umfang der elterlichen Zuwendung denken, soll nun geklärt werden.
Mütter beschäftigen sich mehr mit ihren Kindern als Väter (74% vs. 61%). Beide Elternteile schenken ihre Aufmerksamkeit vermehrt weiblichen als männlichen Kin- dern. Zusätzlich ist das Alter der Erziehungspersonen von Bedeutung. Je jünger die Eltern sind, desto mehr beschäftigen sie sich mit ihren Kindern. Dies lässt sich aller- dings auch auf die Kinder zurückführen, die in jungen Jahren stärker auf die Zuwen- dung der Eltern angewiesen sind (vgl. Mohr/Schumacher, 2006, S. 43) und denen die gemeinsame Zeit mit ihrer Familie wichtiger ist als älteren Kindern (vgl. Kuchen- buch/Simon, 2006, S. 72).
Partiell werden diese Aussagen von den Erkenntnissen der Kinderstudie 2007 be- kräftigt. Demnach geben 67% der in der Kinderstudie 2007 befragten Kinder an, ge- nügend Zeit mit ihrer Mutter zu verbringen, 5% sind mit dem gemeinsam mit der Mutter verbrachten Zeitpensum unzufrieden. Die restlichen 27% waren sich bezüg- lich der mütterlichen Zuwendung unschlüssig. Hinsichtlich der väterlichen Zuwen- dung waren mehr Kinder (34%) unzufrieden als zufrieden (16%). Bei weiteren sieben Prozent war kein Vater vorhanden37. Ingesamt gesehen beklagen 13% der acht- bis elfjährigen Kinder, dass mindestens ein Elternteil keine, und das andere Elternteil nur „mal so, mal so“ (vgl. Schneekloth/Leven, 2007a, S. 92f) Zeit für sie haben.
Interessanterweise sind dies aber seltener die Kinder von Berufstätigen als die der Arbeitslosen. Lediglich hinsichtlich der alleinerziehenden Eltern liegt die Zahl der unzufriedenen Kinder von erwerbstätigen Elternteilen marginal höher als die Zahl der Kinder von arbeitslosen Alleinerziehenden (vgl. dies., 2007a, S. 94). Auch Mohr und Schumacher sehen einen Zusammenhang zwischen Berufstätigkeit der Eltern und deren Beschäftigung mit dem Kind. Einen weiteren deutlichen Zusammenhang se- hen sie jedoch auch zwischen der Medienzuwendung der Eltern und der Dauer, der mit dem Kind verbrachten Zeit. Demnach spielen laut Studie der ARD/ZDF- Medienkommission immerhin 87% der medienkritischen Eltern mindestens einmal pro Woche mit ihrem Nachwuchs. Ihnen stehen hingegen 55% der Eltern gegen- über, die den Neuen Medien stark zugewandt sind (vgl. Mohr/Schumacher, 2006, S. 45).
Andere Merkmale wie Migrationshintergrund, Anzahl der Geschwister im Haushalt, institutionelle (Nachmittags-)Betreuung oder Ganztagsschule, Geschlecht oder Un- terschiede zwischen Ost- und Westdeutschland bewirken laut Kinderstudie 2007 keine signifikanten Unterschiede in der kindlichen Bewertung der elterlichen Zuwen- dung (vgl. Schneekloth/Leven, 2007a, S. 94). Somit scheint die bereits beschriebene Aussage, dass Mädchen mehr Aufmerksamkeit erhalten als Jungen, keine Auswir- kungen auf die Unzufriedenheit der Kinder zu haben (vgl. Frey-Vor, 2006, S. 150).
Neben den Eltern gehören jedoch auch die Geschwister zu den familiären Freizeit- partnern. Wie eingangs beschrieben, stehen heutigen Kindern weitaus weniger Ge- schwister zur Verfügung als früher. So habe laut Schneekloth und Leven im Durch- schnitt jedes zweite Kind nur einen Bruder oder eine Schwester. Ein Viertel von ih- nen ist Einzelkind und ein weiteres Viertel haben zwei oder mehr Geschwister (vgl. Schneekloth und Leven, 2007a, S. 67f). Die Mehrkind-Familien, aber auch die Fami- lien, in denen beide Elternteile mit den Kindern zusammen leben, sind vor allem un- ter Migranten anzutreffen. Die Tatsache, dass 24% der Kinder ohne Bruder oder Schwester aufwachsen müssen, hat Einfluss auf die Freizeitgestaltung innerhalb der Familie, da vor allem Kinder, die mehrere Geschwister haben, besonders viel Zeit beim gemeinsamen Spiel verbringen (vgl. Kuchenbuch/Simon, 2006, S. 71).
Zusätzlich zu den Eltern und Geschwister, nehmen die Großeltern einen nicht zu unterschätzenden Raum bei den Freizeitpartnern ein. So geben laut Kinderstudie 2007 56% der Kinder an, ihre Großeltern ein- oder mehrmals in der Woche zu se- hen. Dies ist vor allem in Familien mit mehreren Geschwistern beziehungsweise zwei arbeitenden Elternteilen der Fall (vgl. Schneekloth/Leven, 2007a, S. 70). Neben dem freien familiären Spiel treiben Jungen und Mädchen in gleichen Maßen mit anderen Familienmitgliedern Sport. Dies jedoch vermehrt mit dem Vater als mit der Mutter. Unter Missachtung des Häufigkeitsaspekts geben 70% der Kinder des dritten und fünften Schuljahres an, mit ihren Eltern38 und, falls vorhanden, 92% mit ihren Geschwistern in der Freizeit Sport zu treiben (vgl. Brinkhoff/Sack, 1999, S. 44). Diese Aussagen können jedoch nicht von neueren Ergebnissen des DJI- Kinderpanels gestützt werden. Obgleich demnach 87,9% der fünf- bis sechsjährigen Kinder gemeinsam mit ihrer Familie Sport treiben, treffe dies lediglich auf annähernd 30% der acht- bis elfjährigen Kinder zu (vgl. Zerle, 2007, S. 256). Auch kulturelle Aktivitäten wie Kino-, Theater- und Museumsbesuche mit der Fami- lie, sind mit zunehmendem Alter der Kinder rückläufig. Obgleich kulturelle Aktivitäten immer noch hauptsächlich im Kreise der Familie wahrgenommen werden, nehmen bei älteren Kindern auch hier vermehrt die Gleichaltrigen den Platz der Familie ein (vgl. dies., 2007, S. 257).
Insgesamt kann die Frage, ob Familie oder Freunde für die Kinder wichtiger sind, nach Aussage Krappmanns schwer beantwortet werden, da Familienleben und Freundeskreis unabhängige Bereiche im Leben der Kinder einnehmen..Beide Partei- en seien in unterschiedlicher Weise am Aufwachsen und an der Entwicklung der Kinder beteiligt, welche sich nicht wechselseitig ersetzen ließen (vgl. Krappmann, 2002, S. 260). Während vor allem jüngere Kinder vermehrt ihre Freizeit mit ihren Familien verbringen, gewinnt mit zunehmendem Alter jedoch die Gruppe der Gleich- altrigen immer mehr an Bedeutung39 (vgl. Zerle, 2007, S. 255), welche ich im folgenden Kapitel näher beleuchten möchte.
5.3.2 Peers/Freunde
Da sich ursprünglich typisch jugendliche Verhaltensweisen immer mehr in die Zeit der Kindheit verlagern, kommt den Freundschaftsbeziehungen eine immer größere Bedeutung zu. Dabei wirken gemeinschaftliche Treffen nicht nur in großem Maße identitätsbildend auf die Kinder ein, sondern dienen darüber hinaus auch als Selbst- zweck. Wichtiger ist den Kindern also das Zusammensein selbst als die jeweilige gemeinsame Handlung (vgl. Gries/Ringler, 2004, S. 418), durch welche sich, Fries zufolge, die Kinder erst entwickeln. Dabei seien allerdings nicht nur Freundschaften ausschlaggebend, sondern auch sämtliche Auseinandersetzungen mit Peers40 (vgl. Fries, 2002, S. 170), wie beispielsweise das Ausleben von Beziehungen und Konflik- ten. Den Kindern werden somit Möglichkeiten zur Individualitätserfahrung sowie zum kollektiven Handeln gegeben (vgl. Gries/Ringler, 2004, S. 423). Freunde bilden da- her die wichtigste Bezugsgruppe für den Ablösungsprozess vom Elternhaus und für die Entwicklung des eigenen Lebensstils (vgl. dies., 2004, S. 418). Zudem stützen sie sich untereinander bei Problemen. So sind die Freundeskreise aller Kindergrup- pen im Alter von neun bis 14 Jahren im Durchschnitt erster Ansprechpartner bei auf- kommenden Schulproblemen. Auch hinsichtlich familiärer Probleme suchen vor al- lem Mädchen Rückhalt innerhalb ihres Freundeskreises41 (vgl. Hessenstiftung - Fa- milie hat Zukunft, 2007, S. 13). Gries und Ringler vertreten jedoch die Ansicht, dass sich Kinder, noch vor den besten Freunden, an ihre Mutter wenden (vgl. Gries/Ringler, 2004, S. 420). Hinsichtlich der Problembewältigung ist außerdem auf- fällig, dass Kinder mit Migrationshintergrund weitaus weniger mit ihren Freunden über familiäre Probleme sprechen. Des Weiteren unterscheiden sich laut Kinderba- rometer Hessen die Freundschaften von Migrantenkindern und deutschen Kindern insofern, als dass Entscheidungen innerhalb der Freundeskreise von Kindern mit Migrationshintergrund seltener im Verbund getroffen werden und deren Freund- schaften nach Streitigkeiten weitaus häufiger getrennt werden als in denen der deutschen Kinder (vgl. Hessenstiftung – Familie hat Zukunft, 2007, S. 71ff).
[...]
1 Nach der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan, sind Autonomie, Kompetenzerwei- terung und soziale Einbindung der Motor für selbstbestimmtes Handeln (vgl. Fries, 2002, S. 169).
2 Jedes vierte Kind wird heutzutage unehelich geboren (vgl. Statistisches Bundesamt Wiesbaden, 2005).
3 Jede dritte Ehe wird mittlerweile geschieden. Dabei sind bei mehr als die Hälfte aller Scheidungen Kinder unter 18 Jahren betroffen (vgl. Gutschmidt, 1997, S. 75). 2006 waren jedoch laut Aussage des Statistischen Bundesamtes die Ehescheidungen und damit die Anzahl der durch Scheidungen betroffenen Kinder unter 18 Jahren erstmals rückläufig (vgl. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, 2007)).
4 Das statistische Bundesamt ermittelte laut der Büttner Medien GmbH für die erste Hälfte des Jahres 2007 einen Anstieg von 5774 Geburten im Vergleich zum Vorjahr, was einem prozentualen Anstieg von 1,49% entspricht (vgl. Büttner Medien GmbH, 2007).
5 Nur noch 15% der Gesamtbevölkerung sind Kinder (vgl. Lehmann, 2003, S 152).
6 Schmidtchen hat diese unterschiedlichen Erziehungsverhalten in eine Ordnung gebracht. Demnach setzt sich jeder Erziehungsstil aus zwei Bereichen zusammen. Einerseits aus nor- mativen Anforderungen an die Kinder und andererseits aus der emotionalen Unterstützung der Kinder durch die Eltern. So nennt er zunächst den Reifen Erziehungsstil (West: 32%/Ost: 41%). Dieser beinhalte neben emotionalem Rückhalt auch deutliche Forderungen an die Kinder. Dadurch steigere sich deren soziale Kompetenz und ließe sich das kindliche Selbst- bewusstsein fördern. Weiter beschreibt er den Naiven Erziehungsstil (West: 49%/Ost: 43%), der zwar emotionalen Rückhalt biete, aber dafür keine Forderungen stelle. Eltern, die diesen Erziehungsstil verfolgen, seien oft orientierungslos und unschlüssig, nach welchen Normen sie ihre Erziehung gestalten sollen. Zuletzt nennt er den Gleichgültigen Erziehungsstil (West: 15%/ Ost: 11%), der weder emotionalen Rückhalt noch Forderungen für die Kinder bereit hält und den Paradoxen Erziehungsstil (West: 4%/ Ost: 5%), der den Kindern anstelle emotiona- len Rückhaltes lediglich Forderungen vermittelt. Diese letzten beiden Stile fördern seiner Ansicht nach die Gewaltbereitschaft der Kinder und mehren drastisch die Konflikte innerhalb der Familien (Schmidtchen, 1997, S. 20f).
7 In den 60er Jahren wurden ungenutzte Freiflächen zugebaut und durch öffentliche und private Kinderspielplätze ersetzt. Dies geschah natürlich nicht überall in gleichen Maßen. Speziell den Stadtkindern, die in neuen Hochhaussiedlungen wohnten, wurden in den 60er Jahren von Spezialisten geplante ausgegrenzte Kinderräume geschaffen. Für ländliche Gegenden sah man die Notwendigkeit dieser Räume weniger gegeben, da dort mehr Möglichkeiten für eine private Betreuung der Kinder herrschten (vgl. Zeiher, 1989, S. 181).
8 Alleine in den Jahren 1990 bis 2000, ist die Zahl der PKWs in Deutschland von 30.685 Millionen auf 42.840 Millionen gewachsen, dies entspricht einer Steigerung von circa 40% (vgl. Flade, Hacke und Lohmann, 2003, S. 124).
9 Verhäuslichung bezeichnet die Entwicklung, dass ehemals in öffentlichen Räumen verbrachte Freizeit im Zuge der Funktionalisierung der Straßenräume verdrängt wurde und in geschützte Binnenräume, wie Kinderzimmer, Wohnungen, Sportvereine und Warenhäuser verlegt wurde (vgl. Nissen, 1998, S. 166).
10 Sybmolaustausch zwischen Sender und Empfänger (vgl. Baacke, 1999a, S, 97).
11 Die neuen Mediengeräte sind weitreichend vernetzt (vgl. Baacke, 1999a, S. 97).
12 Diese Vernetzung führt durch weltweiten Datentransfer zu Globalisierung (vgl. Baacke, 1999a, S. 97).
13 Vergleicht man die mediale Geräteausstattung im Jahr 2006 von finanziell besser gestell- ten Haushalten (2.500 Euro und mehr) mit der Ausstattung von finanziell schlechter gestell- ten Haushalten (bis 1.500 Euro), lässt sich eine deutlich bessere Ausstattung bezüglich aller Medien in den einkommenshöheren Haushalten feststellen. Speziell im Hinblick auf die Neu- en Medien wie Computer und Internet ergaben sich Ausstattungsunterschiede von 20% bzw. 30%. Hinsichtlich der Fernsehausstattung ergab sich allerdings nur ein Ausstattungsunter- schied von 1% (99% vs. 100%) (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2007, S. 8).
14 Medieninhalte und Dauer der Mediennutzung werden von finanziell besser gestellten Eltern häufiger kontrolliert, als von schlechter gestellten Eltern.
15 Die politisch-normative Definition des Bundessozialhilfegesetztes lautet: „wer aus seinem eignen Einkommen oder Vermögen nicht die zur Lebensführung erforderlichen Mittel schöp- fen kann“, ist arm. Kinder und Jugendliche erhielten 2003 zehnmal häufiger Sozialhilfe, als die Bundesbürger über 65 Jahre (vgl. Chassé et al., 2005, S. 13). Über die Hälfte dieser Kinder leben in Ein-Eltern-Familien mit alleinerziehenden Müttern/ etwas weniger als 1/3 lebten in einer Familie des klassischen Familientyps (vgl. Chassé et al., 2005, S. 14). Dem widersprechen jedoch Hock et al. Sie sind vielmehr der Ansicht, arme Kinder leben überwie- gend mit beiden leiblichen Elternteilen zusammen (vgl. Hock et al., 2000, S. VII (Vorwort)). Mit zunehmendem Alter der Kinder sinkt jedoch die Wahrscheinlichkeit, in einer sozialhilfe- empfangenden Familie zu leben (vgl. Chassé et al., 2005, S. 15; Hock et al., 2000, S. 37).
16 Gemeint ist in diesem Zusammenhang die relative Armut, nach der 50%-Grenze (vgl. Hock et al., 2000, S. 23 u. 35).
17 Fronz bemängelt jedoch bezüglich der Lebenslagedimensionen das Fehlen einer Definition von kultureller und sozialer Mangelerscheinung. Ihrer Ansicht nach seien von den Autoren der Studie lediglich mögliche Indikatoren genannt, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit aufweisen (vgl. Fronz, 2005, S. 26).
18 Aufwachsen in Wohlergehen liegt vor, wenn keine Auffälligkeiten in zentralen Lebenslagedimensionen ersichtlich sind (vgl. Hock et al., 2000, S. XI (Vorwort)).
19 Von Aufwachsen in Benachteiligung spricht man dann, wenn nur einem kleinen Teil der Lebenslagedimensionen Auffälligkeiten auftreten (vgl. Hock et al., 2000, S XI (Vorwort)).
20 Multiple Deprivation liegt dann vor, wenn zentrale Lebens- und Entwicklungsbereiche beeinträchtigt sind (vgl. Holz, 2006, S. 6).
21 Ca. die Hälfte aller nicht-armen Kinder lässt sich der Gruppe der im Wohlergehen lebenden Kinder zuordnen (vgl. Hock et al., 2000, S. XI (Vorwort)).
22 Dieser Freizeitaktivität wird mindestens ein Mal pro Woche nachgegangen.
23 Demzufolge sind es eher Mädchen, die in den Außenräumen spielen wollen. Signifikante Unterschiede in sportlichen Aktivitäten sind laut dieser Studie nicht aussagbar. Ebenso wie die KIM-Studie belegt das Kinderbarometer Hessen 2006 die männliche Dominanz bezüglich der Computerspielnutzung, bzw. die Mehrheit der Mädchen bezüglich des Umgangs mit Tie- ren und des musikalischen Interesses (vgl. Hessenstiftung - Familie hat Zukunft, 2007, S. 75).
24 Die einzelnen Studien basieren auf unterschiedlichen methodischen Herangehensweisen. Während einige Studien bestimmte, von den Kindern zu bewertende, Freizeitaktivitäten vor- geben, stellen andere Studien abweichende Freizeitaktivitäten zur Wahl. Darüber hinaus geben beispielsweise die Probanden der KIM-Studie drei bevorzugte Freizeitaktivitäten an (vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2007, S. 12). Die Testpersonen des Kinderbarometers Hessen schreiben hingegen jeder einzelnen, vorgegebenen Tätigkeit deren Bedeutung auf einer 5-stufigen Skala zu (vgl. Hessenstiftung - Familie hat Zukunft, 2007, S. 130). Zudem erforschen die Studien nicht alle das Freizeitverhalten exakt gleichalt- riger Kinder. Jüngere Kinder spielen, malen und basteln lieber, als ältere Kinder. Diese wen- den sich lieber Sport- und Jugendgruppen zu (vgl. Kuchenbuch/Simon, 2006, S. 72). Die unterschiedlichen Ansätze begründen folglich die Ergebnisdiskrepanzen.
25 Das Treffen mit anderen Kindern sei dem zufolge die beliebteste Freizeitbeschäftigung (78% Zustimmung). Die Tätigkeitkeit des Fernsehens belegt auch in dieser Umfrage lediglich den dritten Platz (61% Zustimmung) (vgl. Hessenstiftung - Familie hat Zukunft, 2007, S. 75).
26 Video, Hörspiel, Handy, MP3 sowie digitale Fotos erfahren immer größere Beliebtheit bei den Kindern.
27 Sportliche Aktivitäten und gemeinsamer Zeitvertreib mit Freunden und Familienmitglieder werden allen drei Studien zufolge der Video-, Telefon- oder Computernutzung vorgezogen (vgl. Leven/Schneekloth, 2007b, S. 193; N. N., 2007a, S. 22; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2007, S. 10f). Bei der Bewertung dieses Sachverhaltes muss jedoch die Möglichkeit bedacht werden, dass Freunde und Familienmitglieder oftmals der Computernutzung u.ä. beiwohnen.
28 „Insgesamt gilt, dass die Mädchen zwar seltener ihre Freizeit institutionell eingebunden verbringen. Wenn sie es aber tun, dann häufiger in mehr als nur einer Gruppe oder einem Verein“ (Leven/Schneekloth, 2007b, S. 167).
29 Vgl. dazu Kuchenbuch/Simon, 2006, S. 72.
30 Dies könnte möglicherweise einen Grund für den Anstieg des Besuchs von Institutionen darstellen, obgleich nicht mehr Kinder deren Angebote nutzen, als noch 1992.
31 35.9% Hauptschüler, 45,8% Real- und Gesamtschüler, 54, 9% Gymnasiasten. Unter den Mädchen macht sich der Bildungsunterschied in Bezug auf Vereinsmitgliedschaft stärker bermerkbar (17,6% Hauptschüler vs. 44,7% Gymnasiasten) als unter den Jungen (52,4% vs. 66,3%) (vgl. Brinkhoff/Sack, 1999, S. 55).
32 Dieser Wert bildet den Mittelwert der acht- bis neunjährigen Kinder (43,8%) und neun- bis elfjährigen Kinder (44,8%) (vgl. Zerle, 2007, S. 253).
33 Das LBS-Kinderbarometer stützt seine Ergebnisse auf die in den Jahren 1998 - 2000 durchgeführten Befragungen (vgl. Fries, 2002, S. 177).
34 Dazu zählen laut Leven und Schneekloth: Musik- und Tanzunterricht, Mal- und Zeichengruppen, Theater- oder Kinogruppen (Leven/Schneekloth, 2007b, S. 178).
35 Der Wert bezieht sich ausschließlich auf musizierende Kinder und beinhaltet nicht gleichzeitig eine Mitgliedschaft in einer Institution wie beispielsweise Musikschule oder Musikgruppe (vgl. Leven/Schneekloth, 2007b, S. 193).
36 Davon spielen 33% der interviewten Eltern (fast) täglich mit ihren Kindern, 39% der Befrag- ten beschäftigen sich mindestens einmal in der Woche (vgl. Mohr/Schumacher, 2006, S. 41).
37 Die restlichen 43% der Kinder waren sich unschlüssig (vgl. Schneekloth/Leven, 2007a, S. 92).
38 Davon 47% selten, 12,9% einmal die Woche und 10,1% zweimal oder öfter in der Woche (vgl. Brinkhoff/Sack, 1999, S. 44).
39 Freunde stehen mit zunehmendem Alter in einigen Bereichen in Konkurrenz zu der kindlichen Beziehung zur eigenen Familie. Obwohl die Familien zugusten der Freunde immer mehr an Einfluss auf die Kinder verlieren, kommen diese dennoch bei wichtigen Schlüsselfragen auf diese als Ansprechpartner zurück (vgl. Rohlfs, 2006, S. 218).
40 Das Wort Peer stellt einen Oberbegriff für all die Kinder dar, mit denen ein Kind öfter zusammen etwas unternimmt (vgl. Traub, 2005, S. 25).
41 Vgl. hierzu: Rohlfs, 2006, S. 218.
- Quote paper
- Katrin Klinzmann (Author), 2008, Die Freizeitgestaltung von Kindern , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144455
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