Die Kriterien, die ein Stammesherzogtum ausmachen, sind bis heute noch nicht alle festgelegt und werden stetig diskutiert. Die Energie, die benötigt wurde, um sich als selbstständiges Herzogtum zu behaupten, erhielt man aus der Kraft des Stammes. Dennoch „wurde immer wieder betont, dass die Stämme auch in karolingischer Zeit ihre spezifischen Eigenarten beibehielten. Sie galten ihrer gemeinsamen Sprache wegen, als ethnische, um ihres eigenen Stammesrechts willen als rechtliche, aufgrund ihrer Heeresgliederung und Stammesversammlungen als militär-politische und von ihrer gemeinsamen Tradition her als kulturelle Einheiten.“ Dies sind nur einige von vielen Aspekten, welche die Eigenschaft eines Stammesherzogtums beschreiben. Die ständige Bedrohung durch Normannen, Slawen und Ungarn erforderte ein militärisches Eingreifen der Grenzgrafen und förderte so die Ausbildung starker Gewalten, besonders in den Grenzgebieten. Vor allem in der Zeit, in der das Königtum schwach war, musste man in diesen Gebieten selbstständig handeln. Die Heeresführung, die schon immer eines der wichtigsten Kriterien eines Stammesherzogtums darstellte, schuf nun einen Weg, der eine Erweiterung der Macht auf den Stamm ermöglichte. Stingl sieht im Niedergang des Königtums und in der Bedrohung von Außen, welche die Führer eines Stammes zu mehr Anerkennung aufstiegen ließ, die Grundlage für die Entstehung der Stammesherzogtümer.
Auf der einen Seite war das Herzogtum eine selbstständige und unabhängige Einrichtung und auf der anderen Seite war es nötig, die Stammeszugehörigkeit, die Macht und auch die Machtergreifung zu festigen. Ein Herzog regierte zwar nahezu unbeeinflusst und selbstständig, doch er war immer noch ein Untertan des Königs, der im Zweifelsfall das Entscheidungsrecht über das Herzogtum besaß.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1) Kriterien für ein Stammesherzogtum
2) Die Bedeutung des Titels „dux“ für ein Stammesherzogtum
3) Gab es in Franken ein Stammesherzogtum?
3.1) Eberhard und Konrad als Herzöge Frankens?
3.2) Ein Königsland ohne Chancen zum Herzogtum
3.3) Königliche Anerkennung für Franken?
4) Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Monographien:
Zeitschriftenaufsätze:
Lexika:
Einleitung
„Unausrottbar scheinen die Herzogtümer Ost- und Westfranken, die uns die historischen Schulatlanten auch jüngster Auflagen auf den Karten für die Zeit von etwa 900 bis etwa 1200 einreden wollen. Das ist deshalb ärgerlich, da Atlanten ja historische Informationen geben wollen. Den Raum vom Hunsrück bis zum Fichtelgebirge darf man zwar mit Recht als Franken einzeichnen, aber eben nicht als Herzogtum Franken.“[1] S. 379-80 Z
Franken war eines der fünf „jüngeren Stammesherzogtümer“ des ostfränkischen Reiches, die sich am Anfang des 10. Jahrhunderts, also gegen Ende der Karolingerzeit, bildeten. Das damalige Gebiet befand sich im heutigen Hessen und in Teilen von Baden-Württemberg, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Bayern. Die besondere Lage dieses Herzogtums zeichnete sich dadurch aus, dass es genau in der Mitte des Reiches zu finden war. Die vier weiteren Stammesherzogtümer waren Sachsen, Bayern, Schwaben und Lothringen, von denen sich Franken aber sehr unterschied. Diese Unterschiede legen Historikern die Aufgabe auf, eine Antwort zu der Frage zu finden, ob ein Stammesherzogtum Franken überhaupt jemals existiert hat.
Mit dieser Fragestellung hat sich vor allem Gerd Zimmermann in seinem Aufsatz Vergebliche Ansätze zu Stammes- und Territorialherzogtum in Franken beschäftigt. Unter anderem widmeten sich diesem Problem Herfried Stingl und Hans-Werner-Goetz. Besonders die Tatsache, dass die Frage nach der Existenz eines Stammesherzogtum Frankens bis heute keine zufriedenstellende Antwort erhalten hat, macht die ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Thema interessant.
Um eine Grundlage für die Untersuchung dieser Fragestellung zu gewährleisten werden die Kriterien, die ein Stammesherzogtum ausmachen, aufgeführt werden. Hierzu gehört die im Speziellen die Verwendung und Bedeutung des Titels „dux“ für das Oberhaupt eines Stammes bzw. eines Herzogtums. Ob nun Franken diese Kriterien erfüllt oder nicht, wird der zweite, größere Teil dieser Arbeit versuchen, zu beantworten. Hierbei spielen vor allem die Brüder Konrad und Eberhard eine besondere und tragende Rolle, denn speziell Eberhard wird unter den Wissenschaftlern als einziger, möglicher fränkischer Herzog genadelt. Konrad selbst wurde 911 zum deutschen König gekrönt, was Franken eine enge Verbindung mit dem Königtum brachte. Inwieweit das einen Nachteil für die Entwicklung Frankens gegenüber den umliegenden Ländern zu einem Herzogtum darstellt, wird einen Hauptaspekt dieser Arbeit ausmachen. Ob Franken nun im 10. Jahrhundert zu den Stammesherzogtümern gezählt werden kann, hängt letztendlich von der Höhe der Anerkennung ab, die man ihm entgegenbrachte.
1) Kriterien für ein Stammesherzogtum
Die Kriterien, die ein Stammesherzogtum ausmachen, sind bis heute noch nicht alle festgelegt und werden stetig diskutiert. Die Energie, die benötigt wurde, um sich als selbstständiges Herzogtum zu behaupten, erhielt man aus der Kraft des Stammes.[2] Dennoch „… wurde immer wieder betont, dass die Stämme auch in karolingischer Zeit ihre spezifischen Eigenarten beibehielten. Sie galten ihrer gemeinsamen Sprache wegen, als ethnische, um ihres eigenen Stammesrechts willen als rechtliche, aufgrund ihrer Heeresgliederung und Stammesversammlungen als militär-politische und von ihrer gemeinsamen Tradition her als kulturelle Einheiten.“[3] Dies sind nur einige von der großen Anzahl an Aspekten, welche die Eigenschaft eines Stammesherzogtums beschreiben.
Die ständige Bedrohung durch Normannen, Slawen und Ungarn erforderte ein militärisches Eingreifen der Grenzgrafen und förderte so die Ausbildung starker Gewalten besonders in den Grenzgebieten. Vor allem in der Zeit, in der das Königtum schwach war, musste man in diesen Gebieten selbstständig handeln. Die Heeresführung, die schon immer eines der wichtigsten Kriterien eines Stammesherzogtums darstellte, schuf nun einen Weg, der eine Erweiterung der Macht auf den Stamm ermöglichte. Stingl sieht im Niedergang des Königtums und in der Bedrohung von Außen, welche die Führer eines Stammes zu mehr Anerkennung aufstiegen ließ, die Grundlage für die Entstehung der Stammesherzogtümer.[4]
Auf der einen Seite war das Herzogtum eine selbstständige und unabhängige Einrichtung und auf der anderen Seite war es nötig, die Stammeszugehörigkeit, die Macht und auch Machtergreifung zu festigen. Ein Herzog regierte zwar nahezu unbeeinflusst und selbstständig, doch er war immer noch ein Untertan des Königs, der im Zweifelsfall das Entscheidungsrecht besaß.[5]
Was den Einflussbereich eines Herzogs dezimierte, aber dennoch eine grundlegende Eigenart des Herzogtums war, ist die Tatsache, dass dessen Machtbereich sich auf nur wenige und bestimmte Ballungsgebiete konzentrierte. Man erkennt, dass die Herzöge aufgrund ihrer unmittelbaren Nähe zum umliegenden Volk, eine mächtige und überragende Herrschaft ausüben konnten, aber durch die gebietsmäßige Beschränkung hatte man auf einen Großteil der Bevölkerung kaum Einflussmöglichkeiten.[6] Inwiefern nun diese Kriterien auf Franken zutreffen, wird im Laufe dieser Arbeit näher erörtert werden.
2) Die Bedeutung des Titels „dux“ für ein Stammesherzogtum
„Die Grundbedeutung des Wortes „dux“ ist „Führer“, „Leiter“. Im engeren Sinne heißt es vor allem „militärischer Befehlshaber“.“[7]
Die meisten Forscher sind sich darüber einig, dass die wichtigste Aufgabe eines Herzogs die Heeresführung gewesen sei. Man glaubt sogar, dass der Titel „dux“ aufgrund dieser militärischen Aufgabe entstanden sei und später gefestigt wurde. Weitere Aufgaben eines Herzogs bestanden in der Wahrung des Landfriedens, in der Gerichtsbarkeit, das Recht Landtage einzuberufen, in der Rechtssprechung, teilweise auch in der Außenpolitik und zu guter Letzt in der Hoheit über die Kirchen. Vereinzelt besaßen Herzöge auch das Münzrecht und am wichtigsten scheint die besondere Rolle bei der Königswahl gewesen zu sein.[8] Die Geschichtswissenschaftler benutzten seit jeher zwei Kriterien, um festzustellen, wer Herzog gewesen ist. Erstens musste er in den Quellen „dux“ genannt werden und zweitens musste nachgewiesen werden, dass er Führer einer der fünf „jüngeren“ Stammesherzogtümer Bayern, Sachsen, Schwaben, Lothringen oder Franken, von dem wir es bis dato nicht genau wissen, gewesen ist.[9] Doch man hat festgestellt, dass der Titel „dux“ nicht etwa einheitlich, sondern nahezu willkürlich verwendet wurde: „Die Titel wurden ohne strenges System und mit variierenden Inhalten verwendet. Da sie bei einem solchen Ansatz aber für jede verfassungsgeschichtliche Untersuchung ausscheiden, hat man sich diese Theorie nie völlig angeeignet. Doch macht sie immerhin deutlich, wie fragwürdig eine absolute Gleichsetzung von „dux“ und „Herzog“ ist.“[10] Das macht eine einheitliche Definition des Titels „dux“ nicht gerade einfacher. Viele Personen wurden nur als „dux“ betitelt, weil sie ein Heer geführt haben bzw. für den Schutz eines Grenzgebietes verantwortlich waren und nicht, weil sie etwa Herzog gewesen sind.[11] Stingl veranschaulicht diese anscheinende Willkür mit einem Beispiel: „882 wurde Heinrich mit der Verteidigung der Reichsgrenze gegen die Normannen betraut, gegen die er vier Jahre später vor Paris fiel. Nur als Heerführer erhält Heinrich in den erzählenden Quellen mehrmals den Titel „dux“.“[12]
Ein weiterer Aspekt, erschwert zusätzlich die Untersuchung der Verwendung des Titels „dux“ in dem in dieser Arbeit fokussierten „Stammesherzogtum“ Franken: In den erzählenden Quellen, also nicht offiziell, werden Herren aus Franken, die den fränkischen Herzogstitel tragen, erwähnt. Hierbei handelt es sich aber nicht um „wirkliche“ Herzöge, sondern nur um eine Titulierung, welche mit der Herkunft der jeweiligen Person verknüpft wird. Gerd Zimmermann behauptet sogar, dass alle die mit dem fränkischen Herzogstitel genannten Herren nur mit ihrer Herkunft in Verbindung gebracht wurden, folglich keine Herzöge waren.[13] Dieses Problem wird später noch eingehender behandelt werden.
[...]
[1] ZIMMERMANN, Gerd: Vergebliche Ansätze zu Stammes- und Territorialherzogtum in Franken, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 23, 1963, S. 379-408. S. 79-80.
[2] Vgl. GOETZ, Hans-Werner: „DUX“ und „DUCATUS“. Begriffs- und verfassungsgeschichtliche Untersuchungen des sogenannten „jüngeren“ Stammesherzogtums an der Wende vom neunten zum zehnten Jahrhundert. Bochum 1977. S. 35.
[3] Ebd.
[4] Vgl. Ebd. S. 42.
[5] Vgl. Ebd. S. 51.
[6] Vgl. Ebd. S. 319.
[7] STINGL, Herfried: Die Entstehung der deutschen Stammesherzogtümer am Anfang des 10. Jahrhunderts. Aalen 1974. S. 7.
[8] Vgl. GOETZ. S. 52-53.
[9] Vgl. Ebd. S. 68.
[10] Ebd. S. 69.
[11] Vgl. STINGL. S. 10.
[12] STINGL. S. 65
[13] Vgl. ZIMMERMANN. S. 389.
- Quote paper
- Christin Köhne (Author), 2006, Franken im 10. Jahrhundert - ein Stammesherzogtum?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144320
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