Im 20. Jahrhundert wurden Shakespeare und seine Werke zu Topoi, die eine Auseinandersetzung mit verschiedenen gesellschaftlichen Forschungsschwerpunkten ermöglichten. In Anbetracht der thematischen Diversität waren Umschreibungen und Bearbeitungen von Shakespeares Dramen in diversen Zeitepochen gefragt, da mithilfe dieser elisabethschen Dramen die sozialen und kulturellen Diskurse erweitert werden können. Shakespeares dramatische Werke werden im Rahmen verschiedener kultureller Kontexte ständig mit neuen Bedeutungen und Konnotationen aufgeladen. Nach Michel Foucaults Ansicht breiten sich das „Licht des Krieges“ und „die Geburt der Geschichte“ von der Shakespearezeit ins 20. Jahrhundert aus. Daher waren von Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts die Shakespeare-Stücke auf den europäischen Bühnen mit politischen Metaphern und Gedanken über die Geschichte angereichert, dazu zählen vor allem Macbeth - Nach Shakespeare (im Folgenden als Macbeth abgekürzt) aus der Feder des DDR-Dramatikers Heiner Müller und Macbett von dem Franzosen Eugène Ionesco. Als Europa unter einer neuen politischen Landschaft in Tyrannei und Diktatur gestürzt wurde, kam es zu Revolten und blutigen Repressionen. Infolgedessen sind die deutsche und die französische dramatische Literatur der 1960er- und 1970er-Jahre durch ihre Verurteilung von Politik und Macht eng verbunden.
So geht die Analyse von Heiner Müllers Macbeth und Eugène Ionescos Macbett in der vorliegenden Arbeit von der Ansichten von beiden Dramatiker über Shakespeares Werke aus. Danach folgen die ausführliche Dramenanalyse einschließlich der Merkmale der formalen und inhaltlichen Struktur, die Figurenanalyse und die dramaturgische Konzeptionen. Schließlich liegt der Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit der jeweiligen Geschichtsauffassung in beiden Stücken.
Einleitung...................................................................................................................... 2
1. Neuinterpretationen von William Shakespeares Macbeth................................................ 6
1.1 Heiner Müllers und Eugène Ionescos Ansichten zur Adaption der Shakespeareschen Stücke....................................................................................................................... 6
1.2 Das Inhaltsresümee von Heiner Müllers Macbeth.................................................... 10
1.3 Das Inhaltsresümee von Eugène Ionescos Macbett.................................................. 12
2. Geschichtsbilder und die Dramaturgie von Heiner Müllers Macbeth................................ 14
2.1 Die formelle Struktur und der Sprachstil von Heiner Müllers Macbeth ........................ 14
2.2 Zur Figurenanalyse in Heiner Müllers Macbeth........................................................ 15
2.2.1 Das Image von Duncan: Die Wiederkehr vom Alptraum der Tyrannei................... 15
2.2.2 Das Image von Macbeth: Der Fleischer und Der verzweifelte Machthaber............ 18
2.2.3 Lady Macbeth: Verkörperung der von der Macht ausgeschlossenen Frauen......... 28
2.2.4 Der Kronprinz Malcolm: Die Hoffnung oder Die schwarze Zukunft....................... 34
2.2.5 Die Edelleute: Die geschmeichelten Opportunisten............................................ 37
2.2.6 Die Hexen: Das Symbol der ausgebrochenen Machtkrise und des politischen Terrors........................................................................................................................... 42
2.2.7 Die untere Volksmasse: Die Opfer und zugleich Die Täter................................... 46
2.3 Der dramatische Kunststil von Heiner Müllers Macbeth: Die Schlachthaus Metaphers und die Katharsis-Wirkung................................................................................................ 50
2.4 Das dialektische Geschichtsauffassung und die schwarze Utopie................................... 54
3. Die Analyse von Eugène Ionescos Macbett................................................................... 58
3.1 Das Weltbild von Macbett: ewige politische Absurdität und großer Mechanismus....... 58
3.2 Der dramatische Aufbau von Macbett: formelle und strukturelle Merkmale............... 60
3.3 Zur Figurenanalyse in Eugène Ionecos Macbett....................................................... 64
3.3.1 Macbett und Banco: gegenseitige Ebenbilder und zugleich Schatten.................... 64
3.3.2 Der Erzherzog Duncan: Ein anderer Papa Ubu................................................... 68
3.3.3 Lady Duncan und die Hexen: Symbol der Verirrung bzw. Verwirrung.................... 73
3.3.4 Die symbolischen Figuren............................................................................... 79
3.4 Bedeutung der Sprache: Die Welt als Farce und die Geschichte als Tragödie................... 89
Schluss........................................................................................................................ 96
Literaturverzeichnis...................................................................................................... 99
Primärliteratur:......................................................................................................... 99
Sekundärliteratur.................................................................................................... 100
Dankesagung.............................................................................................................. 103
Einleitung
Die Stücke des englischen Dramatikers William Shakespeares sind seit ihrer Fertigstellung weit verbreitet. Obwohl er in seinem Leben nur 37 Dramen verfasst hat, sind fast alle weltweit bekannt, und viele von ihnen werden von verschiedenen Theatern der ganzen Welt als Repertoirestücke gehandelt, die seit vier Jahrhunderten regelmäßig auf dem Spielplan stehen. In Anbetracht der thematischen Diversität waren Umschreibungen und Bearbeitungen von Shakespeares Dramen in diversen Zeitepochen gefragt, da mithilfe dieser elisabethschen Dramen die sozialen und kulturellen Diskurse erweitert werden können, und Shakespeares dramatische Werke im Rahmen verschiedener kultureller Kontexte ständig mit neuen Bedeutungen und Konnotationen aufgeladen werden. Im 20. Jahrhundert wurden Shakespeare und seine Werke sogar zu Topoi, die eine Auseinandersetzung mit verschiedenen gesellschaftlichen Forschungsschwerpunkten ermöglichten. Nach Michel Foucaults Ansicht breiten sich das „Licht des Krieges“ und „die Geburt der Geschichte“ von der Shakespearezeit ins 20. Jahrhundert aus. [1] Daher waren von Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts die Shakespeare-Stücke auf den europäischen Bühnen mit politischen Metaphern und Gedanken über die Geschichte angereichert[2], dazu zählen vor allem Macbeth - Nach Shakespeare (im Folgenden als Macbeth abgekürzt) aus der Feder des DDR-Dramatikers Heiner Müller und Macbett von dem Franzosen Eugène Ionesco. Als Europa unter einer neuen politischen Landschaft in Tyrannei und Diktatur gestürzt wurde, kam es zu Revolten und blutigen Repressionen. Infolgedessen sind die deutsche und die französische dramatische Literatur der 1960er- und 1970er-Jahre durch ihre Verurteilung von Politik und Macht eng verbunden.
Der Forschungsgegenstand der vorligenden Arbeit liegt in die Untersuchung der Geschichtsbildern in Heiner Müllers Macbeth und Eugène IonescoMacbett.Zu dessen Erforschung ist die Dramenanalyse im Rahmen von Intertextualität nötig. Allerdings ist die Auseinandersetzung mit Geschichtsbildern in Heiner Müllers Macbeth und Eugène Ionescos Macbett keine leichte Aufgabe. Zuerst liegt die Herausforderung der Interpretation von Heiner Müllers Macbethdarin, dass der Autor in seiner vierzigjährigen Karriere als Schriftsteller keinen unveränderlichen Blick auf die Geschichte besitzt, der sich durch alle Werke zieht. Vielmehr ist seine Geschichtsauffassung entsprechend der Veränderung der politischen Umstände im Laufe der Zeit dynamisch. Vom Begleitkommentar zum Sozialismus, wie er in den frühen Produktionstücken sichtbar wird, über die Verspottung des historischen Progressivismus der DDR bis hin zur Zerstörung utopischer Wünsche durch die Enttäuschung über das Scheitern der Staatsutopien des Ostens im Spätwerk ist Heiner Müllers Geschichtsauffassung nie in Stein gemeißelt. [3] Eine Reihe von Abhandlungen folgern bereits, dass in den dramatischen Werken Heiner Müllers komplexe und obskure Geschichtsauffassungen ineinander verschachtelt sind und sogar zeitgleich in widersprüchlicher Weise nebeneinander in demselben Stück stehen, worin ein riesiges Dilemma besteht: Lesarten, die versuchen, die Geschichtsauffassung in der Vielzahl seiner Stücke auszulegen, könnten bis zu einem gewissen Grad nur als eine Facette der Interpretationen seiner Geschichtsauffassungen angesehen werden. Während Hans-Thies Lehmann Macbeth als Anspielung auf den Stalinismus und seine Gewalt angesehen und die Entwicklung der Geschichte als Stillstand zu lesen vorgeschlagen hatte[4], hat Eck Otto Nobert den durch Macbeths Herrschaft ausgelösten und mit Blut geschmierten Kreislauf der Gewalt als eine alles zermalmende historische Vernichtungsenergie verstanden[5]. Diese besteht darin, dass der parabolische Bedeutungshorizont des Stückes als allgemeine geschichtsphilosophische Frage zu verstehen sei. Zu Recht sind all diese Interpretationen von Heiner Müllers Macbeth bis zu einem gewissen Grad überzeugend, nicht zuletzt wurde die von Hans-Thiel Lehmann vorgeschlagene Interpretation später von Heiner Müller selbst ausdrücklich bestätigt. [6] Jedoch sollte die Geschichtsauffassung in Macbeth weiter untersucht werden, da der Ausgangspunkt der Interpretation von Heiner Müllers Geschichtsauffassung nicht nur auf die konkreten historischen oder politischen Ereignisse beschränkt werden sollte, zumal sein Macbeth mit einer Vielzahl symbolischer Zeichen angefüllt ist.
Im Gegensatz zu den Auseinandersetzungen mit Heiner Müllers Macbeth einigen die umfangreichen bestehenden Abhandlungen zu Macbett von Eugène Ionesco, dass das Drama keine Anspielung auf ein bestimmtes historisches oder politisches Ereignis darstellt, sondern als Allegorie auf die universale politische Gewalt und den Teufelskreis von Geschichte zu verstehen ist. Die meisten Artikel erklären die semantische Bedeutung verschiedener dramatischer Faktoren in Macbett aus der Perspektive der Intertextualität,z.B. Rosette C. Lamonts »From Macbeth to Macbett«, Edith Kerns »Ionesco And Shakespeare: „Macbeth“ on the Modern Stage«, Alice Benstons »From Ubu to Macbett: A Requiem for the Theatre of Absurd«, Sessa Jacquelines »Deux Avatars Derisoires de Macbeth: L’Ubu Roi de Jarry et la Macbett de Ionesco» und Véronique Locherts »Macbeth / Macbett: répétition tragique et répétition comique de Shakespeare à Ionesco«. Gleichzeitig liegen Abhandlungen vor, in denen einige Kapitel das Souveränitätsbewusstseins im Drama aus der Perspektive der politischen Ästhetik analysiert werden, z.B. Jerr Nicoles »Pretenders to The Throne Sovereignty and Modern Drama«. Darüber hinaus konzentrieren sich einige Artikel auf die Beziehung zwischen den Charakteren im Dramen und der Familie von Eugène Ionesco aus der Perspektive der Psychoanalyse. Allerdings bereiten diese Auseinandersetzungen mit der Geschichtsauffassung Macbettauch zahlreiche Probleme. Da Eugène Ionescos dramatische Werke als typische Vertreter des absurden Theaters verstanden werden, behandeln die bestehenden Abhandlungen Macbettim Rahmen des absurden Dramas, wodurch die dortige Geschichtsauffassung mit dem allgemeinen Geschichtsbild des absurden Theaters gleichgesetzt wird. Obwohl Macbett eine große Anzahl von absurden Elementen in der dramaturgischen Textur aufweist, ist es aber nicht angebracht, das Geschichtsbild des absurden Stücks auf dieses Werk anzuwenden. Es besteht dadurch das Problem, dass die vorliegenden Interpretationen von Macbett hauptsächlich auf Eugène Ionescos Politik- und Ideologiekritik basieren. Dieser Ausgangspunkt ist zwar korrekt, lässt aber die Auseinandersetzung mit den symbolischen Figuren bzw. Szenen in den Hintergrund treten. Diese bieten jedoch einer weitere Möglichkeit, Eugène Ionescos Geschichtsauffassung neu zu interpretieren. Gleichzeitig werden in zahlreichen Artikeln die psychologischen Motive der einzigartigen dramaturgischen Konzeptionen von Macbettignoriert, die eigentlich die grundlegende Gesinnung in allen Stücken von Eugène Ionesco tragen: Der starke Kontrast zwischen dem dunklen Diesseits und der Hoffnung auf die ultimative Erlösung, die die absolute seelische Freiheit markiert.
Angesichts der Mängel in den bestehenden Forschungen zu beiden Stücken liegt in der vorliegenden Arbeit der Fokus in Bezug auf die Untersuchung der Geschichtsauffassung in Heiner Müllers Macbeth und Eugène Ionescos Macbettauf den folgenden drei Aspekten: Erstens, wie beurteilen Heiner Müller und Eugène Ionesco die Rolle von Shakespeares dramatischem Werk und seinem künstlerischen Stil in der Reflexion des politischen und historischen Diskurses? Dies bestimmt unmittelbar die Art und Weise, auf die die beiden Dramatiker Shakespeares Macbeth in den Prozess der Interpretation politischer und historischer Themen adaptieren und umgestalten. Zweitens, in Bezug auf die formelle und inhaltliche Strukturen bestehen zahlreiche Unterschiede zwischen Heiner Müllers Macbeth, Eugène Ionescos Macbett und Shakespeares Vorlage. Wie fallen diese aus? Welche einzigartigen dramaturgischen Konzeptionen von Heiner Müller und Eugène Ionesco werden durch sie dargestellt? Drittens, hinsichtlich der einzigartigen dramaturgischen Konzeptionen vertreten Heiner Müller und Eugène Ionesco unterschiedliche Geschichtsauffassungen. Wie wird das Verhältnis zwischen ihren Geschichtsauffassungen und ihren politischen Stellungnamen zum Ausdruck gebracht?
So geht die Analyse von Heiner Müllers Macbeth und Eugène Ionescos Macbett in der vorliegenden Arbeit von der Ansichten von beiden Dramatiker über Shakespeares Werke aus. Danach folgen die ausführliche Dramenanalyse einschließlich der Merkmale der formalen und inhaltlichen Struktur, die Figurenanalyse und die dramaturgische Konzeptionen. Schließlich liegt der Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit der jeweiligen Geschichtsauffassung in beiden Stücken.
1. Neuinterpretationen von William Shakespeares Macbeth
1.1 Heiner Müllers und Eugène Ionescos Ansichten zur Adaption der Shakespeareschen Stücke
Macbeth, eine der berühmtesten Tragödien von William Shakespeare, wird seit der Entstehung kontinuierlich als ein Theaterstück mit politischen Metaphern adaptiert. Als Adaptionen von Macbeth sind sich die beiden Stücke von Heiner Müller und Eugène Ionesco in Bezug auf die Zeit der Uraufführung sehr nah. [7] So weisen sie gewisse Ähnlichkeiten in einigen Aspekten auf: inhaltlich greifen die beiden Stücke die William Shakespeares Macbeth-Sujet zugrundeliegenden Bezüge Königsmord und Revolte auf, dadurch wird die Entfremdung des Individuums durch Macht und dessen Schicksal im Schatten der Tyrannei gezeigt. Gleichzeitig wird die Revolte in beiden Stücken in Frage gestellt, denn das durch Gewalt verursachte Chaos kann letztendlich mit dieser Vorgehensweise nicht beendet werden, vielmehr ergibt sich ein Kreislauf der Tyrannei. Im Gegensatz dazu unterscheidet William Shakespeare Macbeths Revolte vom legitimen Aufstand Malcolms, der in William Shakespeares Macbeth als ein Synonym für Rationalität und aufgeklärte Monarchie dargeboten wird. Letzterer wird in Heiner Müllers Macbeth und in Eugène Ionescos Macbett mit der Revolte von Macbeth gleichgesetzt. Das zeigt die unterschiedlichen Ansichten der beiden Dramatiker gegenüber der Geschichte und der Zukunft. Aber es sollte zunächst erklärt werden, warum William Shakespeares Macbeth das Interesse von Dramatikern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weckte. Der Grund dafür war, dass viele Ähnlichkeiten hinsichtlich des sozialen Hintergrunds zwischen Macbeth und dem damaligen Europa bestanden, da sich die Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg einem Wandel gegenübersah. Laut Carl Schmidt entstand William Shakespeares Stück ungefähr zur Zeit der ersten Phase der englischen Revolution, die mit der Zerstörung der Armada 1588 begann und mit der Vertreibung der Stuarts 1688 endete. [8] Dieser Zeitraum war eine Periode, in der die britische Gesellschaft innergesellschaftliche Kriege und Chaos erlebte, die durch die Revolution hervorgerufen wurden. Diese historischen und sozialstrukturellen Ähnlichkeiten führten zu einer Wiederentdeckung des Wertes der elisabethanischen Dramen, die oft Gewalt, Chaos und schockierende Ereignisse beinhalten.
Mitte und Ende des 20. Jahrhunderts erschien schließlich eine große Anzahl dramatischer Werke, die auf William Shakespeares Originalstücken basierten, aber aufgrund eigener kreativer Gedanken und des unterschiedlichen sozialen Umfelds in Stil und Genre deutlich von ihnen abweichen. Nach der Betrachtung des Inhalts und der Struktur von Heiner Müllers Macbeth und Eugène Ionescos Macbett lässt sich feststellen, dass die beiden Stücke im Prozess der Adaption William Shakespeares Vorlage nicht treu blieben. Welche Rolle spielen William Shakespeares Stücke bei der Adaption beider Dramatiker? Um dies zu klären, sollen im Folgenden die Ansichten von Heiner Müller und Eugène Ionesco hinsichtlich der Adaption von William Shakespeares Stücken erläutert werden.
Über vierzig Jahre war Heiner Müller stets von William Shakespeare beeinflusst. Seit seiner Jugend interessierte er sich für dessen Werke. Als er dreizehn oder vierzehn Jahre alt war, versuchte er zum ersten Mal, die englische Version von Hamlet zu lesen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt weniger als ein Jahr Englisch lernte. [9] Gleich zu Beginn seiner schriftstellerischen Laufbahn wollte er den ersten Akt von Timon von Athen übersetzen. Anschließend erstreckte sich die Zeit der intensiven Bearbeitung von William Shakespeares Dramen vom Ende der sechziger Jahre bis zum Ende der achtziger Jahre. Innerhalb dieser 20 Jahre hat er nicht nur Wie es Euch gefällt(1967) und Die tragische Geschichte von Hamlet, Prinz von Dänemark (1976) Wort für Wort übersetzt, sondern auch Macbeth nach Shakespeare (1971), Die Hamletmaschine(1977) und Anatomie Titus Fall of Rome Ein Shakespeare kommentar (1984) auf der Grundlage der William Shakespeareschen Vorlagen geschaffen. Er erklärte, dass „ Shakespeare zu übersetzen auch so etwas wie eine Bluttransfusion ist“[10], und nahm damit eine klare Haltung gegenüber der Adaption von William Shakespeares Stücken ein. Heiner Müller bestand stets darauf, dass William Shakespeares Stücke nur als Rohmaterial zu behandeln seien. Für ihn ist William Shakespeares Drama ein Spiegel unserer Zeit. Dies beinhaltet kein Lob für die andauernde Aktualität dieser Kunstwerke, sondern er begreift dies als einen Beweis für die nie gelösten Krisen der menschlichen Gesellschaft: „Der Schrecken, der von Shakespeares Spiegelungen ausgeht, ist die Wiederkehr des Gleichen“[11]. Solange die heutige Gesellschaft in diesem Spiegel abgebildet werden kann, verharrt sie im Schatten von Krise und Chaos: „ Shakespeare ist ein Spiegel durch die Zeiten, unsere Hoffnung eine Welt, die er nicht mehr reflektiert [...] Wir sind bei uns nicht angekommen, so lange Shakespeare unsere Stücke schreibt“[12]. Daher besteht der eigentliche Zweck der Adaption von William Shakespeares Drama darin, einen Weg zu finden, diesem langjährigen Schatten in der menschlichen Gesellschaft zu begegnen und ihn aufzuheben. Nur wenn die unvollendeten Aufgaben der Figuren in Shakespeares Stücken von uns erledigt werden, lassen sich die sogenannten genetischen Schicksalsschläge der menschlichen Gesellschaft beenden. Daher ist es notwendig, eine dialektische Zerlegung und kreative Zerstörung von William Shakespeares Stücken durchzuführen. Es bleibt die „Arbeit an der Differenz“[13]. Was Heiner Müller als „Differenz“ bezeichnet, ist ein Unterschied im Umgang mit dem sogenannten wiederkehrenden Chaos, das in verschiedenen historischen Stadien allgegenwärtig ist. Allerdings koexistiert das Chaos oft mit neuen Hoffnungen. Dies ist die Inspiration, die William Shakespeares Stücke dem deutschen Theater seit dem Sturm und Drang gebracht haben. So, wie William Shakespeares Stücke einst Wegweiser für die deutschen Dramatiker im Kampf gegen die Regelpoetik des französischen Klassizismus waren, begrüßt Heiner Müller mit Blick auf William Shakespeares Stücke die Unregelmäßigkeit und die Fehler in der Komposition, das Anarchische und das Barbarische. [14] Er hebt die im Chaos und Anarchismus verborgene Kraft als einen Weg hervor, neue Hoffnung zu entdecken, indem er eine umfassende Rekonstruktion von William Shakespeares Stücken vom Thema der Handlung bis zur Sprache vornimmt. Auf diese Weise verweist er auf die besondere Bedeutung und Relevanz von William Shakespeare in Zeiten großer historischer und gesellschaftlicher Umbrüche, wodurch die Grundlage für Heiner Müllers dialektische Geschichtsauffassung gebildet wird.
Während William Shakespeares Einfluss auf Heiner Müllers Schreiben schon in seiner Schulzeit mit dem Übersetzungsversuch von Hamletnachzuweisen ist, schien sich Eugène Ionescos Aufmerksamkeit für William Shakespeare erst deutlich zu zeigen, als er den Le roi se meurt erschuf. Während Heiner Müller William Shakespeares Dramen lediglich als Rohstoffe für die eigene Kreativität betrachtet, gilt sie Eugène Ionesco als der Prototyp des Absurden Theaters. In einem Interview erklärte er, dass er nicht damit einverstanden sei, seine Dramen einem Kunstgenre zuzuordnen, und dass sein Stück nicht als absurd definiert werden könne, es sei denn, William Shakespeare sei in das Konzept des Absurden eingeschlossen. [15] Daher erläutert er in der Rede anlässlich des First New York International Festivals of the Arts der Columbia University aus dem Jahre 1988: „[...] the ancestor of that theater, the great ancestor, could be Shakespeare, who has his hero say: ‚The world is a tale told by an idiot, full of sound and fury, signifying nothing‘[16]“[17]. Daher besteht der Zweck der Entlehnung des politischen Sujets aus William Shakespeares Stücken offensichtlich darin, die absurden Elemente in William Shakespeares Dramen zu radikalisieren. Dadurch werden sie mit den Problemen der gegenwärtigen Gesellschaft übereinstimmen.
Im Gegensatz zu Heiner Müllers Macbeth ist Macbett das einzige Drama von Eugène Ionesco, das William Shakespeares Vorlage adaptiert. Im Macbett wird die Absurdität der Macht und Geschichte dargestellt und verurteilt, doch es geht auf keinen Fall darum, einen Ausweg zu finden und diese Absurdität zu lösen, weil Eugène Ionesco diese Absurdität als unlösbar betrachtet. Aus diesem Grund will er nicht, dass die erzieherische Funktion des dialektischen Dramas in die Adaptionvon Macbett einfließt. Darüber hinaus ist es ihm besonders zuwider, dass das Drama als ein Instrument für Ideologie betrachtet wird. So äußert Eugène Ionesco seine Ansicht über die Bearbeitungen von Macbett folgendermaßen:
I don’tlike the idea of rewriting Shakespeare and Moliere, of sticking arms on the Venus de Milo. You have the right to give several interpretations of an author, to show his work in a new light, but not to distort the sense ofhis work to provide grist for your own ideological mill. [18]
Da Heiner Müller William Shakespeares Stücke als „einen Spiegel“ betrachtet, der die Hoffnung unserer Zeit nicht mehr reflektieren kann, weshalb der Zweck der Adaption von William Shakespeares Drama für Heiner Müller eigentlich darin besteht, einen Ausweg zu finden, allerdings sind William Shakespeares Stücke nach Eugène Ionescos Meinung ein Vexierspiegel des Zustands der menschlichen Existenz, dessen verzerrtes Bild aufgrund der endlosen politische Katastrophe noch schlimmer reflektiert. Deshalb hat Eugène Ionesco in Macbett die Irrationalität und die Absurdität des historischen Prozess radikalisiert: der Teufelskreis der Geschichte ist nie zu beenden.
1.2 Das Inhaltsresümee von Heiner Müllers Macbeth
Anders als William Shakespeares Vorlage beginnt Heiner Müllers Macbeth mit der Szene, in der ein verwundeter Soldat Duncan auf dem Schlachtfeld Bericht erstattet. Anschließend begegnen Macbeth und Banquo auf dem Rückweg vom Sieg den drei Hexen, die ihnen ihre zukünftigen Schicksale prophezeien. Es fällt auf, dass die in William Shakespeares Vorlage bestehende groteske Atmosphäre seitens der Hexen durch blutige Brutalität ersetzt wird, indem eine von ihnen erklärt, dass sie gerade eine Mahlzeit auf dem Schlachtfeld einnahm und deswegen Blut an ihrem Kleid habe. Gleichzeitig hält eine andere Hexe die blutigen Steuermannsdaumen in ihrer Hand. Anschließend zeigt der dritte Akt ein teuflisches Bild von Duncan: Während er den Bericht von Lenox über das Schlachtfeld hört, sitzt er auf einem Thron, der aus Knochen und einem Schädel besteht. Dann lässt er seinen Zorn auf die Rebellen an einem Schädel aus. Nach dem Sieg von Macbeth gibt Duncan Macbeth und Banquo für ihren Sieg nur eine mündliche Auszeichnung, ohne ihnen Titel zu verleihen oder Gehalt zu zahlen. In der Folge kündigt Duncan an, dass Malcolm sein Nachfolger werden wird, was Macbeths Unzufriedenheit auslöst. Nach Rücksprache mit Lady Macbeth beschließt Macbeth, Duncan zu töten, wenn er in ihrem Schloss übernachtet. Als Macbeth Duncan tötet, kommen Macduff, Macol und Banco in Macbeths Schloss. Im Zuge dessen nagelt Macduff den lahmen Pförtner grausam an die Tür, weil er ihm diese nicht rechtzeitig geöffnet hat. Dann entdeckt Macduff Duncans Tod und vermutet, dass Macbeth Duncan ermordet hat. Also fliehen Malcolm und Donalbain. Nachdem Malcolm und Donalbein geflohen sind, schickt Macbeth Banquo und seinen Sohn Florance, um Malcolm und Donalbein zu finden. Gleichzeitig schickt Macbeth zwei Mörder, die Banquo und seinen Sohn umbringen sollen. Im 13. Akt wird dargestellt, wie Mörder 1 und Mörder 2 Banquo und Florance auf halbem Weg aufgreifen. Hier fügt Heiner Müller eine verblüffende Szene hinzu: Mörder 1 kastriert Banquo und nimmt seine Genitalien mit. Auf dem Bankett, das Macbeth im 14. Akt abhält, verspotten die beiden Mörder ihn, indem sie ihm vor den Gästen Banquos Genitalien überreichen. Nachdem Macbeth auf diese Weise gedemütigt worden ist, sieht er Banquos Geist an seinem Platz sitzen. Gerade als Macbeth Angst vor der Zukunft hat, tauchen wieder drei Hexen vor ihm auf und Macbeth erhält von der „Großen Stimme“ abermals die Prophezeiung über seine eigene Zukunft. Allerdings muss Macbeth danach eine Reihe von Revolten gegenüberstehen. Zunächst reagiert Macbeth auf einen Adelsaufstand, der in 15. Akt tatsächlich angedeutet wird. Als Macbeths Soldaten einen rebellischen Adligen gefangen nehmen, enthäutet Macbeth ihn öffentlich und stimmt der Vergewaltigung der Frau dieses Adligen durch Lenox zu. Danach musst sich Macbeth mit Aufständen von Macduff und Malcolm auseinandersetzen und gerät nach und nach in eine Situation der Isolation: Lady Macbeth leidet unter Schlafwandeln und stirbt schließlich vor Angst, die Vasallen, die früher Macbeth treu ergeben waren, flüchten sich in Macduffs Armee und kämpfen gegen Macbeth. Schließlich wird Macbeth von Macduffs Soldaten gefangen genommen und dann von Macduff getötet. Doch kurz danach befiehlt Malcolm den Soldaten, Macduff zu töten. Das Stück endet mit dem Segen der drei Hexen, die nach dem Tod Macduffs Malcolm krönen. Es fällt auf, dass Malcolm zu diesem Zeitpunkt still zu weinen beginnt.
Neben dieser Haupthandlung gibt es auch einige Fragmente in Heiner Müllers Macbeth, die alle die miserable Situation der Menschen aus den untersten Schichten widerspiegeln, insbesondere die Bauern. Beispielsweise am Ende des 6. Akts enthäutet Macbeth einen Bauern, der das Pachtgeld nicht rechtzeitig abgegeben hat. Im 10. Akt wird dessen Leiche von seinem Sohn und seiner Frau heimlich aus dem Keller geschleppt, aber seine Frau macht den armen Bauern für ihre Witwenschaft verantwortlich und schlägt brutal auf die Leiche ein. Im 20. Akt wird ein unschuldiger Bauer von zwei Soldaten aus beiden Lagern zum Selbstmord gezwungen, weil er die Frage nach dem Namen des Machthabers stets nicht richtig beantwortet.
1.3 Das Inhaltsresümee von Eugène Ionescos Macbett
Im Vergleich zu William Shakespeares Macbeth werden der Handlungsablauf sowie die formelle Struktur von Eugène Ionescos Macbett anders realisiert. Im Gegensatz zu William Shakespeares Macbeth fängt Eugène Ionescos Macbett mit der Szene an, in der Candor und Glaimiss sich aus Zorn über Duncans unersättliche Gier zur Revolte gegen ihn verschwören, während eine ähnliche Szene nur im Hintergrund von William Shakespeares Vorlage steht. Danach folgt eine Szene der Massenvernichtung auf dem Schlachtfeld. An den fast identischen Monologen von Macbett und Banco ist zu erkennen, dass die Revolte von Glaimiss und Candor blutig unterdrückt wird. Anschließend treten Duncan und Lady Duncan auf. Aus Angst beauftragt Duncan Lady Duncan, die Situation auf dem Schlachtfeld zu inspizieren, dann trifft Lady Duncan Macbett und Banco auf dem Schlachtfeld. Kurz darauf kommt die Nachricht vom Sieg, woraufhin Duncan befiehlt, Candor und all seine Soldaten zu enthaupten. Zudem verleiht er Macbett den Adelstitel und spricht ihm das Eigentum von Candor zu. Da Glaimiss jedoch nicht lebend gefangen worden ist, befiehlt Duncan Macbett und Banco, ihn zu finden, und verspricht Banco, dass er ebenfalls einen Adelstitel und das Eigentum von Glaimiss erhalten wird, wenn Glaimiss am nächsten Tag zurückgebracht wird. Macbett und Banco machen sich auf den Weg, um Glaimiss zu finden. Unterwegs stoßen sie jedoch auf einen Schneesturm und werden gezwungen, sich voneinander zu trennen. Kurz darauf treffen sie jeweils die zwei Hexen. Die beiden Hexen erzählen Macbett und Banco, dass Glaimiss ertrunken ist, und sie teilen Banco absichtlich mit, dass Duncan Macbett den Titel und das Land von Glaimiss geben wird, das ursprünglich Banco gehören sollte. Daher warnen die Hexen Banco, dass Macbett sein Feind ist. Gleichzeitig machen sie ihnen jeweils die Vorhersage über ihre Zukunft, wonach Macbett Duncan ersetzen wird und Bancos Nachkommen irgendwann auch an die Macht kommen werden. Zunächst glaubt keiner von ihnen an die Prophezeiungen der Hexen, aber bald stellt sich heraus, dass Gleimiss tatsächlich ertrunken ist. Daraufhin eilt Banco zurück, um es Duncan zu melden, aber wie von den Hexen vorhergesagt, weigert sich Duncan, sein Versprechen einzulösen. Stattdessen gibt er Macbeth alles, was er eigentlich Banco versprochen hatte. Banco ist verärgert. Inzwischen haben die beiden Hexen Macbett verführt, indem The First Witch sich in Lady Duncan verwandelt und Macbett erfolgreich angestiftet hat, Duncan zu stürzen. Aus Wut auf Duncan und aufgrund des Begehrens von Lady Duncan beschließen Banco und Macbeth, sich mit Lady Duncan (in Gestalt der The First Witch) zu vereinen, um Duncan zu ermorden. Also nutzten die drei die Gelegenheit und töten Duncan bei einer Gebetszeremonie, bei der Duncan Patienten mithilfe seiner Gabe der Heilkraft behandelt. Nach Duncans Tod bekommt Macbett den Thron und hat vor, Lady Duncan bei dem Bankett nach seiner Krönung zu heiraten. Doch er hört Bancos Monolog von der Thronbesteigung. Um zu vermeiden, dass dieser die Macht an sich reißt, tötet Macbett Banco. Doch kurz nachdem das Bankett begonnen hat, erscheint Bancos Geist. Er verflucht Macbett, sodass Macbett am Ende nichts bekommen soll. Doch bald trifft die schlechte Nachricht ein: Lady Duncans Dienstmädchen tritt in Panik auf die Bühne und erzählt Macbett, dass seine Frau plötzlich verschwunden ist. Nachdem Macbett sich nach Lady Duncan (Lady Macbett) umgesehen hat, erscheint sie plötzlich vor den Gästen. Dann enthüllt sie das schockierende Geheimnis: The First Witch gibt sich als Frau Duncan aus und Frau Duncan hat früher von den Hexen entführt und in einer geheimen Höhle gefangen gehalten hat, erst kürzlich ist sie aus dieser Höhle entkommen. Dann beschuldigt sie Macbett, ihren Ehemann Duncan ermordet zu haben, und verrät noch ein Geheimnis: Macol ist eigentlich Duncans Adoptivsohn, dessen leiblicher Vater und leiblicher Mutter Banco und eine Antilope sind. Währenddessen hat Macol die Rebellen in die Innenstadt geführt. Im Chaos verschwindet Lady Duncan im Nebel, Macbett ist schockiert und wird schließlich von Macol getötet. Zu diesem Zeitpunkt erfüllte sich die letzte Prophezeiung der Hexen: Bancos Nachkommen gelangen endlich an die Macht. Aber gerade als die Menschen Macols Sieg feierten und hofften, dass er die Tyrannei beenden könnte, hält er eine lange Rede, die seine zukünftige brutale und unbarmherzige Herrschaft ankündigt, die sogar schlimmer als die Herrschaft von Duncan und Macbett werden soll. Dann verlässt ihn die Menge, und er selbst verschwindet im Nebel. Anschließend jagt der Schmetterlingsjäger Schmetterlinge auf der Bühne und das Stück endet.
2. Geschichtsbilder und die Dramaturgie von Heiner Müllers Macbeth
2.1 Die formelle Struktur und der Sprachstil von Heiner Müllers Macbeth
Zunächst liegt die einzigartige Konzeption der Dramaturgie von Heiner Müllers Macbeth in der Handlungsstruktur und dem Sprachstil. Während Shakespeares Macbeth in fünf Akte unterteilt ist, ist diese Unterteilung bei Heiner Müllers Macbeth aufgehoben. Trotz der Beibehaltung der Hauptfiguren und der Haupthandlung besteht dieses Stück aus 23 relativ unabhängigen Akten, die manchmal miteinander nicht kohärent sind. Damit hat Heiner Müller die Züge des Dramas die geschlossenen Form der Vorlage aufgehoben. Darüber hinaus hat Heiner Müller auch die Veränderung der Figurengestalten vorgenommen: die Anzahl der Figuren wird von 35 auf 23 reduziert, gleichzeitig werden einige neue Figuren wie Bauern, Soldaten, Mörder hinzugefügt.
In Bezug auf die Sprache unterscheidet sich Heiner Müllers Macbeth auch deutlich von Shakespeares Vorlage. Während Shakespeares Macbeth hauptsächlich im ungereimten fünfhebigen Jambus Blankvers verfasst ist (mit Ausnahme von drei Szenen (I.5,II.3,V.1) die in Prosa geschrieben wurden), verwendet Heiner Müller den Blankvers „dialektisch“, d.h. einerseits wird der Sprachstil keineswegs als radikaler Verzicht auf die klassische sprachliche Form verstanden, andererseits bricht Heiner Müller den ursprünglichen Rhythmus durch die bewusst unregelmäßige Handhabung des Metrums, damit eine neue streng rhythmisierte Verssprache geformt wird. Doch die Wortwahl macht Heiner Müllers Sprachstil völlig anders als den der Vorlage: einerseits sind viele umgangssprachliche und vulgäre Ausdruckweise in der Figurenrede vorhanden, andererseits kommen eine Reihe von modernen politischen und wirtschaftlichen Vokabeln vor, z.B. Staat, Arbeit, Lohn, Kommando usw. Außerdem haben die Dialoge der Figuren eine auffallende Gemeinsamkeit, nämlich die Satzzeichen im gesamten Text sind im Grunde nur Kommas und Punkte, also Fragezeichen, Ausrufezeichen und andere Satzzeichen, die starke Emotionen ausdrücken können, werden fast vollständig aufgehoben. Diese Veränderung lassen die LeserInnen durch diese Verfremdung auf kritischer Distanz zum Text halten. [19] Tatsächlich spiegelt diese Bearbeitung der Sprache die Idee von Heiner Müllers Dramaturgie wider: Während Bertolt Brecht den Blankvers für die Sprache der Arbeiter und Bauern verwendet, um die Umgangssprache rhythmisch zu verwandeln, [20] fordert die Kunst-Sprache nach Heiner Müllers Ansicht nach dem Abstand zur oberflächlichen Nachahmung, weshalb Heiner Müller die Blankverse in Shakespeares Stücken nicht so bewahrt hat wie Bertolt Brecht. Nach Ansicht von Heiner Müller ist der Knittelvers im Vergleich zum Blankvers der Pionier der deutschen Poesiekunst. Daher schätzt Müller diese sprachliche Tradition der deutschen Literatur, die man vielleicht als den Rhythmus der künstlerischen Grobheit bezeichnen könnte, d.h., das „Stolpernde und Unideale, das Unpolierte, Stockende, Schwunglose und sachlich Umstandslose“[21]. Sie sollte in den eleganteren Formen der Poesie gehalten werden. So dient die Vereinigung der umgangssprachlichen, vulgären, gleichgültigen und verfremdeten Ausdrucksweisen mit der prägnante und doch rhythmischen Verssprache der Darstellung dieser dramaturgischen Konzeptionen, wodurch diese oben erwähnte Merkmale der Sprache Müllers Macbeth kennzeichnen, obwohl das Knittelvers nicht wirklich für die Sprache der Figuren in Macbeth benutzt wurde.
2.2 Zur Figurenanalyse in Heiner Müllers Macbeth
2.2.1 Das Image von Duncan: Die Wiederkehr vom Alptraum der Tyrannei
Wie Shakespeares Macbeth gestaltet Heiner Müller in seinem Macbeth auch drei Herrscher: Duncan, Macbeth und Malcolm. Doch haben sich die Machtkämpfe auf die drei aufeinanderfolgenden an die Macht kommenden Herrscher ebenfalls ausgewirkt. Daher kennzeichnet die Art und Weise der Machtübergabe die diametral entgegengesetzten Geschichtsauffassung von Shakespeare und Heiner Müller.
Zunächst wechselt der Ort der Handlung in das Zeitalter der Industrialisierung, die mit der Einführung einer Reihe moderner politischer Vokabeln wie Staat, Staatsschatz, Kommando verknüpft wird. Dann wird mit die Metapher des Schlachthofs und das blutige Verhalten der Figuren der grundlegende Unterschied zwischen der Weltanschauung in Heiner Müllers Macbeth und der christlich-humanistischen Weltanschauung von Shakespeares Vorlage aufgezeigt. Die inhaltliche Bearbeitung von Shakespeares Macbeth beginnt vor allem mit der neuen Charakterisierung von Duncan. Während Shakespeares Vorlage mit den drei Hexen anfängt, tritt Duncans als die erste Figur in Heiner Müllers Macbeth auf. Im Vergleich zu Shakespeares Königstragödie nimmt Heiner Müller die qualitativen Kriterien (wie die moralische, ethische Substanze) nicht mehr in seinen Macbeth über, sondern verleiht Duncan die exakte Grausamkeit, wodurch Heiner Müller sein eigenes Verständnis über das Image von Duncan in Shakespeares Vorlage äußert: „Und dieser Duncan, nebenbei, sieht einem / Schnee schon so ähnlich, daß an seinen Klauen / Das Blut nicht mehr geglaubt wird. Und der Schnee schreit / Gegen die schwarze Bosheit seiner Schlachtung“[22]. Daher ist Duncan aus Heiner Müllers Sicht kein tugendhaftes Vorbild für die Herrscher, sondern der Prototyp des kalten und grausamen Machthabers. Auf diese Weise wird die Ablehnung der Dichotomie zwischen bösem Macbeth und gutem Duncan reflektiert, weil sowohl Macbeth als auch Duncan im Wesentlichen das Potenzial eines Tyrannen haben.
Diese Charakterisierung wird im 1. Akt präsentiert. Als Duncan erfuhr, dass Macbeth und Banquo den Aufstand erfolgreich niedergeschlagen hatten, zeigte Duncan seine starke Rache an Than von Cawdor, so dass er behauptete: „Nicht länger sollen uns dieser Than von Cawdor am Herzen fressen“[23]. Dann wird das Bild eines blutrünstigen Herrschers im 3. Akt weiter beschrieben: dort setzt Duncan sich auf den Thron, der sich auf einem Leichenhaufen befindet. Er wartete gespannt auf die Nachricht über den Tod des Than von Cadow, so dass er es kaum erwarten zu wissen, wo die Leiche nach der Hinrichtung begraben wird: „Ist Cawdor unterm Beil. Wo sind die wir / Mit seinem Tod begraben. Seinen Kopf“[24]. Nachdem er erfahren hatte, dass Than von Cawdor vor seiner Hinrichtung um Gnade bat, zeigte er eine unwiderstehliche Wut über den Verrat, so dass er seinen abscheulichen Zorn an einem Schädel ausließ: „Keine Kunst kann lesen / Was in den Schädeln umgeht, am Gesicht“[25]. Dann ohrfeigte er den Kopf. Im Gegensatz dazu zeigt Shakespeares Vorlage, dass Thane of Cawdor vor dem Tod seinen Verrat volle Reue gestanden hatte und von Duncans Barmherzigkeit tief bewegte, dann zeigte Duncan aufrichtiges Bedauern über seinen Tod (I.4, V.11-13): „There’s no art / To find the mind’s construction in the face: / He was a gentleman on whom I built /An absolute trust“[26]. Allerdings hat Heiner Müller die gleiche Szene durchaus geändert, dadurch verwandelt sich Duncans Image vom tugendhaften Herrscher zu einem blutrünstigen Diktatur. Ein weiteres Detail fällt hier auf: in Shakespeares Werk findet diese Diskussion über die Hinrichtung von Cawdor zwischen Duncan und dem Kronprinz Malcolm statt, aber in Heiner Müllers Macbeth findet dieser Dialog zwischen Duncan und Lenox statt, dadurch wird die Beziehung zwischen Duncan und Malcolm subtil verändert: die Vater-Sohn-Beziehung wird geschwächt, stattdessen ist nur die Über- und Unterordernungsbeziehung präsent. Denn hat diese Diskussion über Cawdors Schicksal nichts mehr mit der Bewährung der vernünftigen monarchischen Ordnung zu tun, sondern demonstriert nur die Willkür von Duncan. Wegen solcher Veränderungen wird Duncans Image als ein liebevoller Vater vollständig aufgehoben, was im Mittelpunkt steht ist nur seine Willkür und Tyrannei.
Aber angesichts des modernen historischen und politischen Diskurses hat diese Figur offensichtlich eine weitere symbolische Bedeutung. Erstens steht Duncans Thron auf einem Leichenhaufen, damit wird mit dieser Szene nicht nur die grausamen Eigenschaften der Figur unmittelbar umrissen, sondern offenbart auch die grundlegende Geschichtsauffassung von Heiner Müller. In seinem Schreiben beschäftigt er sich stets mit der Untersuchung der Vorgeschichte und der „Universal-Geschichte“[27]. Der Kampf zwischen Vorgeschichte und der „Universal-Geschicte“ bildet die geschichtlich philosophische Prämisse seiner Werke. [28] Unter dem Begriff der Vorgeschichte versteht man eine Tradition, die in der europäischen Kultur verwurzelt ist und keine Zukunftsperspektive und Fortschrittskomponenten erkennen lässt, sondern als Synonym von Barbarei und Terror verstanden wird. Walter Benjamin nennt sie in seinen Thesen Über den Begriff der Geschichte das „Grauen“[29]. Unter dem „Grauen“ wird die Schadenswirkung der Vorgeschichte als die Wiederkehr der immergleichen Katastrophe, der ewige Gewalt und den vernachlässigte Schrei der Toten begriffen. Daher ist es zu erklären, warum die Figur Duncan in Heiner Müllers Macbethnicht mehr der wohlwollende und aufgeklärte König Schottlands im elften Jahrhundert ist, sondern als der Prototyp der Tyrannei gebildet wird, weil er die Rückkehr des zerstörerischen Gespensts der Vorgeschichte ankündigt, die die „Menschliche innewohnende Roheit und Gewalt als Signum“ [30] bezeichnet. Das Bild von Duncans Throns, der auf dem Leichenhaufen steht, entspricht gerade dieser Konnotation der faschistischen Unterdrückung. Die Opfer solcher gewalttätigen Restaurationen sind die Toten, die die Verkörperung des kollektiven Gedächtnisses und des erlittenen Leidens sind. Und diese Rückkehr der faschistischen Gewalt schürt Heiner Müllers Ängste vor der Fortsetzung der Vorgeschichte, wodurch die Assoziation von Bertolt Brechts Antwort auf eine Frage von Heiner Müller im Interview hervorgerufen wird:
Das Weitermachen schafft die Zerstörung, die Kontinuität schafft die Zerstörung. Die Keller sind noch nicht ausgeräumt, und schon werden Häuser drauf gebaut. Man hat sich nie Zeit genommen, die Keller auszuräumen, weil immer neue Häuser über denselben Kellern stehen. [31]
Diese allegorische Antwort gilt auch für Heiner Müllers Überlegungen zur historischen Entwicklung: das Weitermachen und die Kontinuität der Vorgeschichte ist genau die Rückkehr der Katastrophe, weil die Geschichte, die sich auf dieser Grundlage entwickelt hat, verbirgt in ihrer Tiefe die Übel, die die Vergangenheit nicht beseitigt hat, und sie wird schließlich die neue Entwicklung der Geschichte in eine Zerstörung stürzen, die nicht anders ist als einst.
2.2.2 Das Image von Macbeth: Der Fleischer und Der verzweifelte Machthaber
Anders als William Shakespeares Macbeth ist Heiner Müllers Macbeth jedoch keine Charakter- oder Schicksalstragödie, sondern eine allegorische Tragödie, die den Teufelskreis der Machterhaltung und den Alptraum der Geschichte erklärt, die durch die Unverfügbarkeit der Zukunft endlich zum Zyklus wird. Daher ist Macbeth in Heiner Müllers Bearbeitung keine Figur, die von Gier und gleichzeitig vom schlechten Gewissen gequält wird, sondern als ein isoliertes Individuum gestaltet wird, das in der Maschine des grausamen Machtspiels verwickelt und schließlich in verzweifelter Isolierung endet.
Heiner MüllersMacbeth-Bearbeitung legt den Schwerpunkt auf die Diskussion des Verhältnis von Macht und Geschichte. Das Nachdenken über dieses Verhältnis wird vor allem durch den Zeitverlauf der Handlung und der Zeitwahrnehmung der Figuren impliziert. Einerseits ist der reale Zeitverlauf der Handlung in Heiner Müllers Macbeth wie bei Shakespeares Macbeth vage und nicht quantifizierbar und das apokalyptische Bild schafft die grundlegende Zeitdimension, die gleichsam ins Wanken gerät und in apokalyptischen Bildern die Ordnung von Himmel und Hölle, Tag und Nacht, Licht und Schatten ineinander stürzen lässt[32]. Auf dieser Grundlage fügte Heiner Müller durch die Änderung des Endes der Handlung noch eine weitere allegorische Zeitdimension hinzu, nämlich den Stilstand, der durch die mechanische Wiederholung der Machtkämpfe hervorgerufen wird und endgültig zur Stagnation der Zukunft führt. Daher kann die Figurenanalyse von Macbeth von seiner Zeitwahrnehmung ausgehen, die mit der „Unzeit der mechanischen Wiederholung und seriellen Mordens“ [33] der Handlung immer deutlicher übereinstimmt, weil sich Macbeth der Zeit am empfindlichsten bewusst ist, wenn es um die Zeitwahrnehmung der Figuren geht.
Zunächst sollte man nicht versäumen zu bemerken, dass sowohl bei Shakespeares Vorlage und als auch bei Heiner Müllers Macbeth die Figur Macbeth letztendlich eine spezifische nihilistische Ansicht zeigt, d.h., sie beiden haben eine klare Wahrnehmung des Zeitverlaufs, verzweifeln aber gleichzeitig an ihrer Unfähigkeit, um den Lauf der Zeit zu bremsen. Aber die Gründe für ihre Ohnmacht gegenüber dem Lauf der Zeit sind völlig unterschiedlich. In Shakespeares Macbeth ruft Macbeth im letzten Akt in einem Monolog aus (V.5, V 19-28):
Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow / Creeps in this petty pace from day / to day,To the last syllable of recorded time / And all our yesterdays have/lighted fools The way to dusty death / Out, out, brief candle / Life's but a walking shadow, a poor player / That struts and frets his hour upon the stage / And then is heard no more / It is a tale Told by an idiot / full of sound and fury, Signifying nothing. [34]
dadurch wird seine Verzweiflung am Vorabend seines Untergangs gezeigt. In diesem Moment spürt er deutlich die Vergeblichkeit der persönlichen Anstrengung. Der Hauptgrund für seine pessimistische Sichtweise ist jedoch immer noch, dass er im Kampf um Ehrgeiz und Gewissen verwirrt war und die Weltanschauung und die Lebensanschauung zusammenbrachen. Allerdings ist der Nihilismus von Macbeth nach Heiner Müllers Bearbeitung eng mit der Unverfügbarkeit der Zukunft verbunden, die durch den mechanischen Machtkampf verursacht wird. So geht es in Heiner Müllers Macbeth-Bearbeitung vor allem darum, wie der Machtkampf zum Zyklus der Geschichte führt. In Heiner Müllers Macbeth werden Macbeths Handlungen von einer Reihe Ereignisse beherrscht, die sein Bewusstsein von einer Zeitkette gesteuert, insbesondere hat Heiner Müller diese Szene hinzugefügt: Folter und Ausbeutung von Bauern (3,4,5), Entsendung von Mördern zur Ermordung von Banquo und Sohn (11), Folter von rebellischen Adligen (18), Gespräch mit Seyton vor der Ankunft von Malcolms und Macduffs Armee (21,23). In diesen Szenen drückt Macbeth mithilfe von Monologen und Dialogen mit anderen Figuren deutlich sein Verständnis von der Zeitlichkeit der Macht aus. Auf dieser Grundlage ist dieses Verständnis des Zwecks des politischen Subjekts zu einem wichtigen Ausgangspunkt für die Reflexion des Politischen und dessen Temporalität in Heiner Müllers Macbeth geworden. Denn macht dieser mechanische Machtkampf Macbeth allmählich klar, dass Macht die Form brutaler persönlicher und fraktioneller Kämpfe annimmt und die Selbsterhaltung im Jetztüber allem steht, [35] die Aufrechterhaltung der Macht letztlich unkontrollierbar ist, denn der sichtbare Feind, der seine Herrschaft bedroht, wird letztendlich durch einen unerwarteten Feind ersetzt, solange die Zeit vergeht. Daher steht Macbeth im zeitlichen Breitengrad der Gegenwart und nimmt die Erfahrung der Machtergreifung, die in der zeitlichen Dimension der Vergangenheit erzeugt wird, wachsam als den Friedensstörer der gegenwärtigen Machtstruktur wahr, dann entwickelt er wegen des Verlustes der absoluten Kontrolle über die Macht letztendlich eine nihilistischen Zerstörungswut. Daher wird der psychologische Druck auf Macbeth im Laufe der Zeit immer offensichtlicher, insbesondere als er weiterhin in mechanische Machtkämpfe geriet und sich nicht befreien konnte.
Wie wird Macbeths Sorge um die Aufrechterhaltung der Macht durch den Lauf der Zeit aktiviert? Zunächst spürt Macbeth vor der Ermordung Duncans trotz des überwältigenden Schocks keine Angst, sondern eher eine selbstverständliche Gleichgültigkeit, die auf die klare Erkenntnis von sich selbst und der blutigen Welt basiert: „Die Welt hat keinen Ausgang als zum Schinder / Mit Messern in das Messer ist die Laufbahn“[36]. Die Motivation, die Macbeth dazu veranlasst Duncan zu töten, ist nicht der Ehrgeiz, wie es in Shakespeares Werken zum Ausdruck kommt, sondern eine vom System geförderte mechanisierte Logik, nach der es für die Nachzügler vernünftig ist, die gegenwärtigen Machthaber blutig zu ersetzen. Daher sagt Macbeth vor der Mordtat: „Dolch / [...] / Von deinem Griff ist Schweiß an meiner Hand / Von Mördern vor mir. Wie lang zapfst du schon / Von Hand zu Hand gereicht wie eine Hure / Das Blut der Könige, rot wie andres Blut“[37]. Nach der Mordtat fühlt Macbeth sich nicht schuldig an dem Mord, sondern glaubt, dass die Tat seiner Identität entspricht: „Ich war sein Fleischer / Warum nicht sein Aas auf meinen Haken“[38], „Ich war sein Schwert / Ein Schwert hat keine Nase/ Für den Gestank aus offnen Leibern“[39]. Erst nach dem Königsmord akzeptiert Macbeth seine neue Identität unter dem Hinweis von Lady Macbeth: „Zum erstenmal dein eignes Schwert warst du“[40]. Mit diesem Identitätswechsel vom „Fleischer“ zum „Schwert“ verabschiedet er sich mit seiner Vergangenheit und fängt sein Leben als Machthaber an. Doch ist es auch der Beginn von Macbeths tragischem Schicksal, denn Duncans Tod und Macbeths Übergang vom „Fleischer“ zum „Schwert“ hat das Wesen der Machtkampf nicht verändert, im Gegensatz dazu hat die Missbildung der Macht sich jedoch von der Vergangenheit bis Gegenwart fortgesetzt. Schon bald nach seiner erfolgreichen Machtergreifung erkennt Macbeth die Brutalität des Kampfes um die Macht. In einem Gespräch mit Lady Macbeth offenbart er seine Einsicht über den Kampf um die Macht:
LADY MACBETH Wär ichs für dich noch.
MACBETH Meine Braut heißt Schottland.
LADY MACBETH entblößt ihre Brüste:
Die Euch das Bett bereitet hat war ich, Sir.
MACBETH Bedeckt Euch, Lady, denn die Macht ist kalt. [41]
Die Macht ist kalt, wie Macbeth sie versteht, das Machtmodell hat seine eigene inhärente Logik, was als Wahnsinn verstanden wird, ist keineswegs Einzelfall. [42] Daher gerät Macbeth allmählich in Angst vor der Zukunft, denn ist der unversöhnliche Widerspruch zwischen der Aufrechterhalteung der Macht und der mechanischen Wiederholung der Machtkämpfe wie das Damoklesschwert. Somit ist Macbeth wegen dieser allgegenwärtigen Bedrohung gezwungen seine Macht unbedingt durch Unterdrückung zu sichern. Dann wird vor allem die Skrupel gegenüber Banquo hergerührt, die offensichtlich durch die Prophezeiung der Hexen geweckt wird. So hat Macbeth den Mördern befohlen, Banquos und seinen Sohn umzubringen. Allerdings entkommt Fleance zufällig dem Angriff. Dies ließ die beiden Mörder das Gefühl haben, dass ihre Mission halb gescheitert sei:
Fleance befreit sich aus dem Griff des zweiten Mörders, flieht.
[...]
MÖRDER 1 Er war bessre die Hälfte unsrer Arbeit.
MÖRDER 2 Wie mach ich meine Arbeit mit dem Knochen.
MÖRDER 1 Weiß ichs. Gehn wir und melden, was getan ist.
Warte.
Schneidet Banquo das Geschlecht ab.
Ein Liebespfand für unsern Brotherrn.
Die Wurzel des Übels.
MÖRDER 2 Der steht nicht mehr auf.Lacht. [43]
Daher müssen sie etwas tun, um ihre Mission weiter zu erfüllen. Sie entscheiden sich daraufhin, Macbeth Banquos Genitalien als „Liebespfand“ zu schicken, jedoch ist dieses Handeln zweifellos eine Demütigung für Macbeth, und die beiden Mörder sind sich ihres beleidigenden Verhaltens bewusst:
MACBETH [...] Dieser Banquo, er ist ganz aus?
MÖRDER 1 Herr, wie der Schlauch hier der ihn fortgepflanzt hat.
MACBETH Verhöhnst du mich. Mensch, wer gab dir das ein.
MÖRDER 1 Jedes Handwerk hat seinen Humor, mein König.
MACBETH Die Schlange liegt. Dank dafür. Der Wurm der davon kam
Hat Gift davon der Geburt her, das die Zeit reift
Doch keinen Zahn für heute. [44]
Obwohl Macbeth weiß, dass das Verhalten des Mörders eine Beleidigung ist, ist er zu diesem Zeitpunkt besorgt darüber, ob Banquos Tod seine Sorgen lösen würde. Allerdings bringt Banquos Tod Macbeth keine Ruhe, denn nach der Vorhersage der Hexen werden Banquos Nachkommen in Zukunft an die Macht kommen. So spürt er, dass er allmählich die Kontrolle über die Zukunft verliert, denn die durch Banquos Nachkommen erzeugte Gefahr wird mit dem Lauf der Zeit immer größer. „Schlange“ und „Wurm“ sind Metaphern für männliche Genitalien bzw. Spermien, die als die Urschöpfer der zukünftigen Gefahr gilt. Und so wird Macbeths Vernichtungswillen gereizt, weil die Unverfügbarkeit der Zukunft Macbeth sehr wütend macht: „Ich will der Zukunft das Geschlecht ausreißen/ Wenn aus mir nichts kommt, komm das Nichts aus mir“. [45] Deshalb fürchtet er etwas Neues, denn das Neue bedeutet für den Lauf der Zeit leider nicht die Erreichbarkeit der Zukunft, sondern nur die unvermeidliche Zerstörung: „Mein Wahn und was mich quält / ist die Angst vor etwas Neuem“[46].
Außerdem sah sich Macbeth mit drei Problemen konfrontiert, die seine Herrschaft auch gefährdeten, nämlich die Rebellion der Adligen, der potenzielle Bauernaufstand und der Aufstand von Malcolm. Im 18. Akt wird gezeigt, wie die Unverfügbarkeit der Zukunft die Grausamkeit ausbrütet: nachdem die Soldaten den verratenen Edelmann gefangen genommen haben, befiehlt Macbeth den Soldaten ihn zu foltern, schließlich hat Macbeth ihn gehäutet. Hier fügt Heiner Müller eine abgewandelte Passage aus Ovids Metamorphosen hinzu: „Als hätte sie Ovid gelesen / Warum entziehst du mich mir selber? Schrie Marsyas / Aber im Schreien zog der Gott die Haut / Ihm über die Glieder und ganz Wunde war er / Mit Augen sehbar das Geflecht der Muskeln / Das Röhrenwerk der Adern aufgedeckt / Und mit den Händen greifen konnte man / Das Eingeweide“[47]. Hier setzt Macbeth seine Beziehung zum rebellischen Herrn mit der Beziehung zwischen Apollo und dem Marsyas gleich, so dass Macbeth angesichts eines rebellischen Edelmann fantasiert, dass er absolute Autorität hat, die von niemandem in Frage gestellt werden darf. Auf dieser Weise kann er sich sogar vergöttern, indem er sich mit Apollo gleichsetzt. Wenn Macbeth sich selbst vergöttert, drückt er einerseits den absoluten Machtwillen des Diktators aus, indem er auf sadistische Weise den rebellischen Edelmann foltert, wobei ein Szene erzeugt wird, in der überall Fäulnis, Blut, abgezogene Haut und blutige Eingeweide zu finden sind. Andererseits will er einen gottähnlichen Status gewinnen, der ein Symbol für Unsterblichkeit ist, weil nur Gott allmächtig ist und nicht von der Zeit gefangen ist, kann er somit seine Sorgen um die Zukunft lösen. In diesem Sinn hat dieser Mythos eine bedeutende metaphorische Bedeutung für Macbeth, wodurch sein Willen für die absolute Macht bezüglich des Musters der Herrschaft, Rivalität und Souveränität impliziert wird, nämlich offenbart es die Machtverhältnisse, die nicht nur in Macbeths realer Beziehung zu den Adligen und Bauern bestehen, sondern auch in Macbeths Kampf gegen die Zwänge der Zukunft. Dies ist also die ultimative Kontrolle der „Ewigkeit der Zeit“ und die „perfekte“ Lösung für die doppelten zeitlichen Zwänge der „Gegenwart“ und der „Zukunft“. Allerdings ist das nur seine unrealistische Fantasie, um die Zukunft zu ergreifen, indem er sich mit Apollo gleichsetzt. Der Grund liegt darin, dass „Erkenntnisse nach Heiner Müller nur aus einem langsamen Schmerztod kommt, aus einer in die Zeit gezogenen Marter“. Diese Erkenntnisse beziehen sich vor allem auf die mögliche Vorgehensweise, mit der Menschen die Utopie erreichen könnten. Daher bilden die Wunden bzw. der Schmerz nach Heiner Müller erst die Pole eines immer bedrohten Feldes, wo, wie Heiner Müller im Kommentar zur Philoktet schreibt, die „Utopie einer menschlichen Gemeinschaft aufscheint“[48]. Daher ist die Allegorie des Schreis von Marsyas die Totensbeschwörung, die durch die Gewalt des Schmerzes die Utopie der menschlichen Gemeischaft aufzeigt. In diesem Sinn ist Marsyas der Gewinner und Apollo der Verlierer[49], da „dem Gott und Schinder Apollo keine Erkenntnis zufällt, er verschafft sie aber seinem Opfer. Apollo der Zeitlose, der Unsterbliche, ist ein überflüssiger Rest“[50]. Dies erklärt auch, warum Macbeth allmählich dem existenziellen Nihilismus verfällt, denn die Gleichsetzung zwischen ihm und Apollo deutet an, dass er sich in den Ruinen seiner Tyrannein verlaufen hat. Daher zeigt er Angst vor dem Tod und Verwirrung über die Existenz, nachdem er die Prophezeiung von der Figur der Große Stimme erhalten hatte: „Mein Herz schlägt meine Rippen / jeder Schlag / Ein Tod“[51], „Was nicht mehr stirbt ist tot / Mein Leben ist nicht länger als mein Sterben“[52]. Doch verbirgt sich hinter dieser Verwirrung ein instinktives Verlangen nach Leben, dass die Kontinuität in einem verzweifelten, sterbenden Dasein zu versuchen. Dieser Instinkt spiegelt sich in Macbeths überwältigendem Vertrauen in Seyton nochmal wider, der der letzte Vertraute von Macbeth ist und sich der Verkörperung von Satan nähert:
MACBETH He. Liebst du deinem König, Seyton.
SEYTON Nein, Herr.
MACBETH Und warum willst du, dass ich lebe, Seyton.
SEYTON Weil wir ein Fleisch sind vor den Hunden Englands
MACBETH Wenn du den Speer in meinen Rücken steckst
Sind wir es nicht mehr.
SEYTON Ja, Herr.
MACBETH gibt ihm seinem Speer: Trag das für mich.
Ab, mit dem Rücken zu Seyton, der folgt. [53]
Hier demonstriert Macbeth offensichtlich ein Zeichen seines Vertrauens, indem er mit dem Rücken zu Seyton gewandt steht, zumal Seyton Macbeths Speer trägt, mit dem er Macbeth jederzeit töten könnte.
Als Macbeth von Lady Macbeths Tod erfährt, spürt er die Ernüchterung, die durch die Unverfügbar der Zeit noch einmal ausgelöst wird. Dieses nihilistische Gefühl reizt Macbeth, die letzte mögliche Bedeutung zu suchen, nämlich den Schmerz, der durch Trauer verursacht wurde und eine Befreiung von der Gefühllosigkeit verwirklichte, die wegen der Unverfügbarkeit der Zeit verharrt wurde. Allerdings erreicht er dieses Ziel nicht.:
MACBETH Sie konnte später sterben. Oder vordem.
Wenn Zeit war für ein Wort nichts bedeutet.
Hast du was zu betrauern, Seyton.
SEYTON Nein.
MACBETH Ich wollt, du könntest einen Schmerz mir ausleihn
Daß ich wüßte, mein Herz lebt. Seyton, warum
Willst du mich nicht verraten.
SEYTON Warum sollt ich. [54]
Als Macbeth erfährt, dass seine Armee die Tore für Macduffs Armee geöffnet hatte, wusste er, dass er zur Niederlage und Zerstörung verdammt ist. Überraschenderweise ist seine erste Reaktion, Seyton zur Flucht zu verhelfen. Allerdings hat Seyton mit seinem Suizid Macbeth rücksichtlos verlassen. Dann ist der Diktator, der versucht hat, brutal gegen den Untergang und die zukünftige Zerstörung vorzugehen, ein völlig isolierter und verzweifelter Vereinsamter geworden:
SEYTON Der Wald brennt und herauf nach Dunsinane
Steigt, was heraus kroch unter seiner Asche
Das Heer von England und das Heer von Schottland.
MACBETH Meine Armee --
SEYTON Öffnet dem Feind die Tore.
MACBETH Such dir ein Loch
Im Burgwall. Worauf wartest du.
SEYTON Auf nichts, Herr.
MACBETH Willst du nicht leben.
SEYTON Sir, es langweilt mich.
Stirbt.[55]
Seytons Tod löst in Macbeth die Angst aus. Die Angst ist einerseits die Angst vor Tod, andererseits basiert diese Angst auch auf der Verzweiflung, die durch die ultimative Unverfügbarkeit der Zukunft verursacht wird. Die Macht, die nur existiert, um die Macht selbst zu erhalten, wird irgendwann in der Zukunft aussterben, sodass ihr Verlust den Untergang von Macbeths Dasein als Subjekt der Macht bedeutet. Was Macbeth schließlich in seinem Kampf verwirrt ist die Verwandlung der ultimativen Machterfahrung zu einem sadistischen Verlangen nach Zerstörung und Vernichtung, weil er die Zeit nicht beherrschen kann:
Macbeth sagt Nein zur Zukunft, er hasst sie, weil er sie nicht beherrschen kann. Sie markiert den Rand der Sinngebung für sein Dasein. Die feudale Thematik der Dynastie zum Modell eines allgemeineren Problems der nicht nur revolutionären Macht. Zukunft stirbt im Bewusstsein der Handelnden ab, wenn sie nur als Kalkül besteht. [56]
Anschließend wird Macbeth von den Soldaten gefangen genommen, in dieser Szene hat Heiner Müller den Kampf zwischen Macbeth und dem Jungen Siward Macduff absichtlich ausgelassen. Außerdem modifizierte Heiner Müller Macduffs Monolog, der ursprünglich seine wahren Umstände seiner Geburt enthüllen sollte. Während die Shakespearesche Version erklärt, dass Macduff (VI.8, V. 17-18) „Untimely from his mother’s womb ripped“[57], sagt Macduff in Müllers Macbeth:„Keiner Mutter Leib / Wirft so viel Söhne wie bereit stehn hier / Ganz abzufordern endlich dein Blut dir“[58]. Eine solche Adaption schwächt die Auswirkung des kontingenten Elements von Macduffs Schicksal auf das Ende der Ereignisse aber hebt gleichzeitig das Wort „Söhne“ hervor. Damit ruft es die Assoziation des Themas über die Aufrechterhaltung der Macht mit der Frage der Zeitlichkeit heraus, wobei „Söhne“ auch eine metaphysische Bedeutung durch die zeitliche Dimension der Zukunft erhält. Sie bedeuten die Fortsetzung der Zeit in der Zukunft und spielt gleichzeitig auf den unvermeidlichen Trend der dynamischen Evolution von Machtsubjekten an. Aus diesem Grund bedeutet die Auflösung bestehender Machtstrukturen seinen eigenen absoluten Untergang in der Zukunftsdimension, und wird Macbeth im Text als unfruchtbar impliziert, daher muss er in der Zukunft im Stillstand geraten. So wird auch gezeigt, dass Macbeth vom Rad der Zeit zermalmt werden wird.
Daraus ergibt sich, dass die Erfahrung der absoluten Macht, die Macbeth gesucht hat, angesichts der vergehenden Zeit früher oder später durch Andere ersetzt werden wird, denn der mechanische Machtkampf bringt im Laufe der Zeit nicht die geradlinige Fortsetzung der Geschichte hervor, sondern den Stillstand, der die Wurzel der Unzugänglichkeit der Zukunft ist. Wenn Macbeth sagt: „Heute haben die Toten Zukunft“[59], dann sucht er eigentlich die Abschaffung der Zukunft, ansonsten kann seine absolute Machterfahrung irgendwann ins Wanken bringen. Jedoch ist dieser Versuch zum Scheitern verurteilt, denn mit dem Zeitverlauf steuert nicht nur der Diktator dem Untergang zu, sondern auch die auf Mord und grausame Unterdrückung gegründete Logik der Macht, die die Selbsterhaltung über alles stellt.
2.2.3 Lady Macbeth: Verkörperung der von der Macht ausgeschlossenen Frauen
Während die Analyse der Gestaltung von Lady Macbeth von Shakespeares Macbeth in den Schatten des männlichen Blickes steht, so dass sie in Shakespeares Macbeth ist stets weitgehend untrennbar mit dem patriarchalischen Diskurs in der Elisabethanische Zeit verbunden: „Masculine subjectivity constructed and sustained by a patriarchal culture infused with patriarchal assumptions about power, privilege, sexual desire, the body inevitably engenders varying degrees of anxiety in its male members“[60], lassen sich die Figurenanalyse von Lady Macbeth in Heiner Müllers Macbeth eng mit dem politischen Kontext der DDR und die allgemeine Frauenfigurengestaltung in Heiner Müllers Werken verbinden. Da in Heiner Müllers Dramen die Frauenfiguren eher abstrakte Modelle in Bedeutungsgefüge der dargestellten Fragestellungen als psychologisch komplexe Figuren sind[61], ist die Interpretation der Rolle von Lady Macbeth daher untrennbar mit der Analyse ihrer abstrakten allegorischen Bedeutung verbunden, die mithilfe der Frauenfigurengestaltung in Heiner Müllers anderen Werken einfacher zu erklären ist.
Ulrich Suerbaum hat vorgeschlagen, dass Lady Macbeth in ShakespearesMacbethals die „Gesprächspartnerin-Verführerin-Tathelferin-Repräsentantin des bösen Prinzips von Macbeths“ gelten sollte. [62] Doch entspricht diese Konstellation zwischen Lady Macbeth und Macbeth nur teilweise der in Heiner Müllers Macbeth-Bearbeitung. Denn erlebt die Funktion Lady Macbeth für Macbeth eher zur Gesprächspartnerin-Mittäterin-Werkzeug-Verlassene. Zunächst fungiert Lady Macbeth vom 5. bis zum 8. Akt als Gesprächspartnerin von Macbeth. In diesem Teil beschäftigt sie sich als die Hauptantriebskraft für das Handeln von Macbeth. Allerdings ist Lady Macbeth jedoch keine gleichberechtigte Dialogpartnerin von Macbeth. Sie tritt im Akt 5. auf und liest zunächst den Brief, den Macbeth ihr geschickt hat und überredet ihn daraufhin, den König zu ermorden. In Shakespeares Macbeth lautet dieser Brief so (I.5, V.11-15): „This have I thought good to deliver thee / my dearest partner of greatness / that thou might’st not lose the dues of rejoicing / by being ignorant of what greatness is promised thee / Lay it to thy heart, and farewell“[63]. Aber in Heiner Müllers Macbeth wurde er wie folgt geändert: „Das habe ich für gut gehalten dir zu vertrauen/ Partnerin meine Größe / Leg es an dein Herz und leb wohl“[64]. Durch den Vergleich ist es klar, dass in Shakespeares Vorlage Macbeth seine Frau als integralen Bestandteil ihrer Ehre und Zukunft betrachtet, so dass die beiden ein unzerbrechliches Bündnis teilen. Hingegen scheint in Heiner Müllers Macbeth der Brief an Lady Macbeth eher wie eine Anwerbung der Teamkollegin. Dies lässt Macbeth Lady Macbeth wie einen Anführer einordnet, dadurch wurde die gleichberechtigte Beziehung zwischen ihnen gebrochen. Gleichzeitig versteht Lady Macbeth den Mord an Duncan anders als Macbeth. Der Königmord ist ihrer Meinung nach immer eine Sache, die der Moral widerspricht, um das große Ziel zu erreichen muss Macbeth ohne Rücksicht und vor allem nicht von der „Menschenliebe“ gehindert werden: „Wär nicht dein Gemüt / Mit Milch der Menschenliebe allzu voll / Den graden Weg zu gehn/ [...] / Das, willst du haben, tu / Und was du mehr zu tun dich fürchtest als / Daß du er nicht gatan wünschst“[65]. Auf dieser Grundlage betont Lady Macbeth die Wichtigkeit des Verlusts der Menschlichkeit. Nur wenn die Menschlichkeit beseitigt wird, kann Macbeth Duncan töten. Allerdings hat Macbeth Moral nicht berücksichtigt, bevor er Duncan ermordet hat, weil für Macbeth die Ermordung von Duncan nichts mit der Moral zu tun hatte. Seiner Meinung nach wurde die Grundlage von Duncans Herrschaft mit seiner Hilfe errichtet, insbesondere als er ihm half, die Rebellion niederzuschlagen. Die Früchte dieses Sieges stehen ihm daher zu und Duncans Ermordung schien ihm nur die Arbeit eines Fleischers zu sein, wie er es immer getan hat. Daraus ist der Unterschied zwischen der Weltanschauung der beiden Figuren zu erkennen: Während Macbeth denkt, dass diese Welt nichts weiter als ein Schlachthof ist, zielen alle Bemühungen von Lady Macbeth immer noch darauf ab, sich zu entfremden. Als sie das Schmerzensgeheul der gefolterten Bauern hörte, bat sie daher diese brutale und blutige Szene anzusehen, um sich zu ermutigen, ihre Menschlichkeit zu beseitigen:
LADY MACBETH Was für ein Lärm.
MACBETH Ein Bauer, der den Pachtzins nicht gezahlt hat.
LADY MACBETH Ich will ihn bluten sehn, mein Aug zu üben.
Für das Gemälde das die Nacht uns aufgibt.
MACBETH Ich werd ihn holen lassen, da dus willst.
Ab
LADY MACBETH Macbeth. König von Schottland.
Zwei Knechte mit dem geschunden Bauern. Macbeth.
MACBETH Dein Bauer, Lady.
Lady Macbeth bedeckt die Augen mit den Händen. Macbeth lacht. [66]
Offensichtlich ist Lady Macbeth jedoch nicht so furchtlos, wie sie sich verhält. Wenn Macbeth seine Grausamkeit und sein Blutvergießen vor Lady Macbeth offenbart, bedeckt Lady Macbeth aus Angst ihre Augen mit den Händen. Auf der Jagd nach der Macht besteht Lady Macbeth zwar darauf, dass der Schlüssel zur Erlangung der Macht in der Entfremdung der Menschlichkeit sowie der Verhärtung der mütterlichen Natur liegt, indem sie Macbeth vor der Ermördung von Duncan ermutigt: „Ich hab gesäugt und weiß wie süß schmeckt Liebe / Zum Kleinen das dich melkt. Ich hätte, im / Gesicht sein Lächeln, aus den beinlosen Kiefern / Gerissen meine Brust und das Gehirn / Ihm ausgeschlagen, hätt ich so geschworen / Wie du geschworen hast dies“[67]. So betrachtet Lady Macbeth hier in Heiner Müllers Macbethdie Entfremdung der menschlichen Natur als die notwendige Bedingung für die Ermordeung, nämlich durch die Verhärtung der mütterlichen Natur. Um die mütterliche Natur vollständig zu eliminieren, muss sie die natürlichen Impulse wie Mutterinstinkt, Symphatie töten. Diese Betonung der Entfremdung der mütterlichen Natur erinnert hier an Dascha, die weibliche Protagonistin in Zement(1972): als ihr Mann Gleb aus den Kämpfen der Russischen Revolution zurückkehrte, wandt sie die kommunistische Forderung nach wirtschaftlicher Gleichberechtigung auch auf die Geschlechterverhältnisse radikal an, so dass sie nicht nur ihren eigenen Körper, sondern auch die Verantwortung als Mutter ablehnte: „Ich will kein Weib sein - Ich wollte ich könnte mir / Den Schoß ausreißen“[68], was damit auch unmittelbar zum späteren gemeinsamen Tod ihres Kindes führte. Auf die gleiche Weise zielt Lady Macbeth mit dieser Verhärtung auch darauf ab, Macbeth gleichgestellt zu sein. Doch bringt diese extreme Verhärtung Lady Macbeth jedoch keine Gleichberechtigung. Vom 10. bis zum 13. Akt verliert Lady Macbeth allmählich ihre Funktion als die Hauptantriebskraft für das äußere Handeln von Macbeth. In den Dialogen mit Macbeth ist es offensichtlich, dass Lady Macbeth sich allmählich auf die Macbeth untergeordnete Position reduziert und sie nicht mehr die Kontrolle über Macbeths Entscheidung hat. Macbeth spielt in ihrer Beziehung allmählich eine dominante Rolle, wobei er ihr kein Mitleid mehr zeigt. Dass Lady Macbeths Einfluss auf Macbeth immer weiter schwindet, wird nach Duncans Ermordung noch deutlicher. Beim Abendessen nach Macbeths Krönung erlässt Macbeth Lady Macbeth sogar auf eine machohafte Weise den Befehl:
MACBETH [...] Dein bestes Lächeln heute nacht für Banquo.
LADY MACBETH Was willst du tun.
MACBETH Sorg du nicht darum. Dein
Lächeln für Banquo.
LADY MACBETH Könnt ich ihn totlächeln.
MACBETH Von Männern, Frau, ist diese Welt gemacht
Nur Männer können ihren Bau erschüttern.
Geh und sei schön, ich wills, für unsre Gäste. [69]
Es ist klar, dass Macbeth hier Lady Macbeth nur als Werkzeug angesehen hat, um seine Ziele zu erreichen, und sich über Lady Macbeth gestellt hat und behauptet, dass die Welt von Männern gemacht wird und daher nur von Männern verändert werden kann. Unter einem solchen patriarchalischen Machismus ist Lady Macbeth nicht länger Macbeths Gattin, sondern degeneriert zunehmend zu Macbeths Werkzeug, um die Macht zu ergreifen. Und wenn Lady Macbeth ihre inneren Empfindlichkeiten vor Macbeth zeigt, antwortete er ihr gefühlslos:
LADY MACBETH Wär ichs für dich noch.
MACBETH Meine Braut heißt Schottland.
LADY MACBETH entblößt ihre Brüste:
Die Euch das Bett bereitet hat war ich, Sir.
MACBETH Bedeckt Euch, Lady, denn die Macht ist kalt. [70]
Es ist bemerkenswert, dass die Sinnlichkeit ein unverzichtbarer Bestandteil der Frauengestalten in Heiner Müllers Werk ist. Sie sind nicht eine intuitive Darstellungen der Erotik oder die Anspielung einer „Femme fatale“, sondern eine Allegorie für Frauen, die in den dunklen Zonen der Aufklärung lauern. Solche Symbole erscheinen häufig in Heiner Müllers Werken, wie Schoß, Brüste, Schenkel, Vagina und Gebärmutter etc. Diese sexuellen Symbole verbinden Sexualität mit mütterlicher Wärme und werden manchmal als personifizierte Verkörperung der Ersten Liebe angesehen, wie der Verrat in Der Auftrag: „Der Verrat zeigte lächelnd seine Brüste, spreizt schweigend die Schenkel, seine Schönheit trifft Debisson wie ein Beil. Er vergaß den Sturm auf die Bastille“[71]. Aber manchmal werden sie mit Unterdrückung und Niederlage in einer patriarchalischen Gesellschaft in Verbindung gebracht, hier markiert die emotionslose Ablehnung der Brüste von Lady Macbeth den Verlust ihrer Menschenwürde sowie die Degradierung zu einem Werkzeug, d.h. von Macbeth wird sie nicht mehr wie ein unabhängiges Individuum behandelt. So ist Lady Macbeth nach dem 11. Akt auf eine Figur reduziert, auf die sich Macbet verlassen kann. Danach bekommt Lady Macbeth ein tragisches Ende. Im 19. Akt wird die Szene des Schlafwandelns von Lady Macbeth jedoch gestrichen, so dass der Monolog des Schlafwandelns von Lady Macbeth aus dem Originalwerk von Shakespeare völlig fehlt. Die LeserInnen können nur aus dem Gespräch zwischen dem Arzt und der Hofdame erfahren, dass Lady Macbeth zu diesem Zeitpunkt todkrank war. Jedoch ist Macbeth nicht besorgt über ihren Zustand, so dass als Seyton ihr von Lady Macbeths Tod erzählte, er eine äußerst ruhige Gleichgültigkeit zeigte: „Sie konnte später sterben / Oder vordem / Wenn Zeit war für ein Wort das nichts bedeutet“[72].
Auf dieser Weise vollendet Lady Macbeth die Funktion als Gesprächspartnerin-Mittäterin-Werkzeug-Verlassene. Ein solches Image ist eigentlich eng mit der Entwicklung der Frauenfigurengestaltung in Heiner Müllers Stücken seit den 1950er Jahren verbunden. Zuerst sollte erörtet werden, dass das Image der Frauenfiguren von Heiner Müllers Stücken mindestens drei offensichtliche Entwicklungsphasen erlebt: In der ersten Phase werden sie normalerweise zwar als gutherzigen Charakteren präsentiert, aber sie sind nur in der Nebenrolle: nicht nur sind sie grob gestaltet, sondern dienen ausschließlich als schwangere Alternativmodelle zu männlichen Figuren. Zu dieser Zeit nehmen Frauenfiguren in Stücken immer eine zweitrangige Position ein, und ihre Rolle ist wie ein Spiegel, der „die Unzulänglichkeit der Männer im Kampf um die zu gestaltende ‚Neue Zeit‘ zurückwirft“[73]. Diese Situation hat sich jedoch seit Ende der sechziger Jahre dramatisch verändert. Danach gewinnen die Frauengestaltungen eine eigene dramatische Identität, die entweder die radikale weibliche Emanzipation bzw. die anarchische Revolution vertreten oder in Resignation versinken, wodurch sie als Opfer der historischen Entwicklung dienen. Die dritte Phase der Frauenfigur taucht ab den achtziger Jahren auf, die oft mit Kolonisierung in Verbindung gebracht werden. [74] Das Image von Lady Macbeth befindet sich im Übergang der ersten und zweiten Phasen, daher wird sie deutlich von Frauengestalten in diesen beiden Phasen beeinflusst. Sie ist zuerst ein Spiegel der die Grausamkeit Macbeths reflektiert, dann wird sie allmählich zur Nebenrolle des Stücks und wird zu einem Werkzeug für Macbeths Kampf um die Macht, schließlich wird sie von Macbeth als nutzlose überflüssige Figur im Machtkampf im Stich gelassen. Es ist klar, dass Lady Macbeth nach dem erfolgreichen Mord an Duncan allmählich aus dem politischen Kampf ausgeschlossen wird. Ein solches Ergebnis wird durch den Machtdiskurs bestimmt, der direkt auf das politische Umfeld der DDR anspielt:
Die Affinität zwischen Protestantismus besteht nach Müller vor allem in einer fatalen „Regementierung der Bedürfnisse“, die er selbstverständlich auch in der Vater- und Zensorfigur Stalin sieht und derzufolge „die Sinnlichkeit, das Erotische“ bzw. Die „Frau“ ausgesetzt wurde. [75]
Dadurch wird es erklärt, warum Lady Macbeth nach dem Tod von Duncan schließlich vollständig von politischen Ereignissen ausgeschlossen wird, weil Frauen in der realen Welt unter dem doppelten Ausschluss von Protestantismus und Stalinismus als Randgruppe angesehen werden, damit spiegelt es auch eine enttäuschende Ansicht von Heiner Müller auf die Frauen sowie ihre Funktion in der historischen Entwicklung wider: „Geschichtemachen bleibt eine Domäne der Männer, darüber können Racheengel oder Beschwörung eines zukünftigen mütterlichen Prinzips nur kurzfristig täuschen“. [76] Gerade wie Macbeth gesagt hat: „Von Männern, Frau, ist diese Welt gemacht / Nur Männer können ihren Bau erschüttern“[77], spielen Frauen, wie die Schwarzen, stets als die Unterdrückten anstatt die Geförderten im Prozess des politischen Kampfes und der historischen Entwicklung immer die untergeordnete Rolle. [78] Daher verhilft Lady Macbeth Macbeth zwar zu seiner Usurpation, stirbt jedoch am Vorabend des völligen Zusammenbruchs seiner Herrschaft, so dass sie keine Gelegenheit hat, die Tragödie des Umbruch der Geschichte zu sehen, geschweige denn die neue Geschichte zu schaffen.
2.2.4 Der Kronprinz Malcolm: Die Hoffnung oder Die schwarze Zukunft
Sowohl in Shakespeares Macbeth als auch in Heiner Müllers Macbeth steht der Kronprinz Malcolm neben dem König Duncan und Macbeth an der Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie, jedoch werden ihm offensichtlich unterschiedliche Funktionen hinsichtlich der Entwicklung der Handlung verliehen. Während er in Shakespeares Vorlage als rechtmäßiger Thronfolger und das Symbol für eine neue Ordnung und die Hoffnung für die Zukunft ist, ist er nur der Kronprinz, der brutalen Missbrauch an Bauern und Untergebenen begangen hat und gleichzeitig voller Angst vor der Zukunft und dem Tod ist.
Tatsächlich hat Heiner Müller diese Figur grundsätzlich neugestaltet, so dass Malcolm fast keine Ähnlichkeit mit der gleichnamigen Figur bei Shakespeare zu tun hat. Vor allem lässt sich die Anzahl seiner Auftritte in beiden Werken vergleichen: Während Malcolm insgesamt in 28 Szenen in Shakespeares Werk auftritt, handeln lediglich 4 Szenen in Heiner Müllers Macbeth von Malcolm. Daher strich Heiner Müller einige sehr wichtige Szenen von Shakespeares Macbeth, z.B. die dritte Szene im vierten Akt. In Shakespeares Vorlage spielt diese Szene ursprünglich eine unverzichtbare Rolle bei der Gestaltung des Images von Malcolms, wodurch die Unterschiede zwischen ihm und seinem Vater Duncan dargestellt wird, nämlich vertraut er niemand blind. Daher hat er Macduff getestet (IV.3, V. 57-65):
I grant him bloody / Luxurious, avaricious, false, deceitful / Sudden, malicious, smacking of every sin / That has a name: but there's no bottom, none, / In my voluptuousness: your wives, your daughters / Your matrons and your maids, could not fill up / The cistern of my lust, and my desire / All continent impediments would o'erbear / That did oppose my will: better Macbeth / Than such an one to reign. [79]
Mit diesem Monolog hat er sich absichtlich als einen abscheulichen Tyrann in der Zukunft beschreibt, und er deutet Macduff an, dass der Aufstand gegen Macbeth trotz der Unterstützung des Königs von England noch schwierig sein könnte. Damit versucht Malcolm herauszufinden, wie Macduff darauf reagiert und ob Macduff ihm wirklich treu ist. Nachdem Malcolm von Macduffs Loyalität überzeugt war, lässt er alle Zweifel los und kämpft mit Macduff zusammen gegen Macbeth. Schließlich stürzen sie gemeinsam die Herrschaft des Usurpators und beenden das chaotische und dunkle Zeitalter. Daher lässt sich feststellen, dass Malcolm in Shakespeares Macbeth nicht nur der rechtmäßige Nachfolger der orthodoxen Ordnung ist, sondern auch als ein weiser und weitblickender Prinz gestaltet wird.
Im Gegensatz dazu wird das Image von Malcolm in Heiner MüllersMacbethganz anders dargestellt: er ist nur der brutale und feige Kronprinz, der niemandem vertraut und vor der Zukunft und vor dem Tod ungeheure Angst hat. Vor allem gehört er zur blutig herrschenden Klasse, weswegen er die Kriegsgefangene und den Bauern gefoltert hat. Dann wird seine Gräueltat gegenüber den unbewaffneten Bauern im 3. Akt dargestellt:
SOLDAT Das ist der Rest.
MALCOLM Hängen sie.
SOLDAT Solln wir sie durch halb Schottland schleppen.
Die Gegend ist rasiert. Ein Sieg nach dem andern.
Hier wächst kein Gras mehr.
MALCOLM Werfen sie in den Sumpf.
Der liegt nahbei. Laßt trommeln, wenn sie brülln.
Solang der König Hof hält.
Die Soldaten schleppen die Bauern ab. Gebrüll der Ersaufenden während des Folgenden. Trommeln. [80]
So wird das Bild von Malcolm als ein Tyrann, wie sein Vater Duncan, porträtiert. Doch lehrt Malcolm noch aus dem Scheitern sowohl von seinem Vater als auch von Macbeth: nachdem Macbeth von Soldaten getötet wurde, nimmt Macduff die Gelegenheit, Macbeths Kopf Malcolm zu widmen, um damit seine Loyalität gegenüber Malcolm zu zeigen, zögert Malcolm aber nicht, diesen wichtigen Untertan zu enthaupten, um sein Regime zu festigen:
MACDUFF Der Kopf gehört der Krone.
Ein Soldat bringt einem Speer den Kopf von Macbeth.
Malcolm. Rosse und Lenox.
Heil Malcolm
König von Schottland. Seht wie hoch stieg ders
Vor Euch war. Lernt aus seinem Beispiel.
MALCOLM Wißt
Ihr könnt nicht spielen mit dem Knaben Malcolm.
Für Euren Kopf ist Platz auf meinem Speer
Malcolm lacht. Rosse und Lenox zeigen auf Macduff.
Soldaten töten ihn.
MALCOLM Hab ich gesagt, ich wills. Wär ich in England.
Malcolm weint. Soldaten setzen ihm die Krone auf. Hexen.
Hexen: Heil Malcolm. Heil König von Schottland Heil. [81]
Allerdings beschränkt sich Malcolms Image in Heiner Müllers Macbeth nicht nur auf das eines brutalen Kronprinzes, gleichzeitig wird er auch als Feigling bezeichnet, der große Angst vor der Zukunft und dem Tod hat. Im Gegensatz zu Malcolm in Shakespeares Macbeth, hält Malcolm in Heiner Müllers Macbeth keine inspirierende Rede, nachdem er den Thron zurückerobert hatte, stattdessen wird Malcolm wie eine Marionette von den Soldaten weinend zum Thron gebracht. Damit endet das ganze Stück nicht mit seinem zukunftsgerichteten, fleißigen majestätischen Gelübde als neugekrönter Königs, sondern endet in einem Chaos mit Hexenjubel. Die Szene, in der die Hexe ihn segnet, ist genau die gleiche wie vorher bei Macbeths Krönung, und durch ein solches Ende scheint die ganze Geschichte wieder an ihren Ursprung zurückzukehren. Ein solches Ende unterscheidet sich offensichtlich stark von der Vorlage Shakespeares, wodurch die unterschiedlichen historischen Ansichten von beiden Dramatikern deutlich dargestellt werden:
Anders als Shakespeares Drama hat Müllers Stück ein Ende, aber keine Schluß: das Personal wecheselt, das Spiel geht weiter. Damit ist Shakespeares (Er-)Lösungsdramaturgie, die Macbeths Terrorherrschaft ins Licht einer das ganze Volk befallenden und schließlich von den Kräften des Guten besiegten Krankheit rückt, endgültig aus dem Tritt geraten. [82]
Daher ist Malcolms Verhalten vom Weinen gut zu erklären, weil er sich nicht sicher, ob er wie Duncan und Macbeth von anderen ersetzt werden wird. Diese Angst rührt nicht nur von der Angst vor unkontrollierbarer Gewalt her, sondern auch von der Angst vor einer dunklen Zukunft. Während Duncan als der Prototyp der Tyrannei und des Faschismus betrachtet wird, zeigt Malcolm die tiefe Angst des Machthabers vor der Zukunft und dem Tod. In diesem Sinn ist Malcolm sowohl der Täter als auch das Opfer des Machtkampfes. Doch ist Malcolm in Heiner Müllers Macbeth eine wichtige Parallele für gegenwärtige feige Politiker, die von Heiner Müller hier so verspottet werden: „Diese ganze politische Scheiße - gerade in unserem Jahrhundert wird das besonders manifest - entsteht doch aus der Todesangst der Politiker“[83].
2.2.5 Die Edelleute: Die geschmeichelten Opportunisten
Sowohl bei Shakespeare als auch bei Heiner Müller sollte eine Gruppe von Figuren nicht außer Achten gelassen werden. Hierbei handelt es sich um die Edelleute aus Schottland. In Shakespeares Vorlage sind solche Figuren entweder die Untergebene Duncans und Malcolms, wie Lenox, Rosse, oder die Untertanen des Königs von England wie Sir Siward und sein Sohn. Diese Figuren zeigen in Dialogen nicht zu viele persönliche Gedanken, sondern dienen in den meisten Fällen nur als Boten oder Gefolge der Herrscher. Im Allgemeinen werden sie als vollständig positive Figuren voller Tugenden dargestellt, die als treue Verteidiger der feudalen Hierarchie dienen. Solche Qualität lässt sich auf das Prototyp der idealen Gesellschaft im Hintergrund der Elisabethanischen Zeit zurückführen.
Im Gegensatz dazu zeigt diese Figuren in Heiner Müllers Macbeth das entgegengesetzte Bild. Während sie in Shakespeares Werken moralische Vorbilder unter der absoluten Monarchie sind, werden sie in Müllers Macbeth als eine Gruppe von brutalen Schmeichlern und Opportunisten dargestellt. Angesichts der Tatsache, dass in Heiner Müllers Macbeth alle drei Herrscher zu kaltblütigen Henkern werden, werden die Adligen entsprechend zu Komplizen einer Reihe von Bösen. Im 9. Akt nageln Lenox und Macduff den Pförtner an die Pforte, anschließend hat Lenox im 16. Akt den gefangene Edelmann zu Tode gefoltert und seine Frau vergewaltigt. Andererseits zeigen sie auch wankelmütige Eigenschaften, weil sie nicht an der Spitze des herrschenden Gefüge stehen. Nachdem Macbeth Duncan ermordet hat, zeigt der Dialog zwischen Rosse und Macduff in der 10. Szene, wie Rosse Macduffs Einstellungen sorgfältig geprüft hat. Im Gespräch mit Macduff drückt Rosse seine Überraschung über die Tat aus, damit will er die Einstellung Macduffs gegenüber Macbeth testen.
ROSSE Wie geht die Welt, Sir.
MACDUFF Wie. Seht Ihrs nicht.
ROSSE Wer hat getan die mehr als blutige Tat.
MACDUFF Die nicht mehr leugnen können noch gestehn
Weil ihnen in die Grube half Macbeth.
[...]
ROSSE Geht Ihr nach Scone, Sir, mit dem neuen König?
MACDUFF Nein, Vetter. Ich geh nach Fife mit mir.
ROSSE Ich gehe
Den anderen Weg. [84]
Als Rosse erfuhr, dass Macduff nicht beabsichtigt, an Macbeths Krönungszeremonie teilzunehmen, ist ihm klar, dass es bald zum endgültigen Bruch zwischen Macduff und Macbeth kommen wird. Auch scheint seine letzte Antwort auf dieselbe Frage zwielichtig, dadurch wird seine schwankende Position dargestellt. Und dieser doppelzüngige Charakter wird im 13. Akt weiter gezeigt. In dieser Szene veranstaltet Macbeth ein Abendessen nach der Krönung, und bevor das Abendessen beginnt, spielt das stumme Gerangel um Sitzplätze unter den Adligen noch einmal die Themen des Macht- und Partisanenkampfes an, die sich durch das ganze Stück ziehen. Nachdem Macbeth erschienen war, schmeicheln die Edelleute Macbeth sofort. Während des Banketts von Macbeths Krönung ändert Rosse seine frühere Haltung gegenüber Macbeth, die er im Gespräch mit Macduff dargestellt hat, im Gegensatz dazu hat er Macbeth geschmeichelt: als Macbeth vorgab, wegen Banquos Abwesenheit unglücklich zu sein, beeilte sich Rosse, Macbeth zu trösten: „Sein Fehler, Herr, wirft Flecken / Auf sein Wort. Herr, beliebt es Euch, mit Eurer / Gesellschaft königlich uns zu begnaden“[85]. Und als Macbeth in seiner Illusion aufgeregt war, wo er den Geist Banquos gesehen zu haben behauptet, versuchten Lenox und Rosse durch ihre Sorgen für ihn seine Gunst zu gewinnen:
MACBETH Wie wir entbehren Banquo. Unsern Freund.
[...]
Was starrst du Kamerad, mit Augen, die
Nicht dir gehören mehr. Das Eigentum
Der Krähen sind sie. Geh, du hast kein Blut mehr
In deinen Adern, die der Regen wäscht.
Allein mit deinen Knochen bist du bald
Dein Hem die Erde. Geh, Aas, oder zieh dein
Fleisch wieder an und fordre Schwert gegen Schwert
Milch in die Wüste.
LADY MACBETH Die Sorgen um den Staat
Kürzt seinen Schlaf. Das Joch der Könige, Lords.
LENOX Herr, unsre Treue -
ROSSE Baut auf uns, Majestät. [86]
An dieser Stelle verhalten sich Rosse sowie Lenox wie hörige Vasallen, zwar kennen sie tatsächlich die Wahrheit über Duncans Ermordung durch Macbeth, trotzdem betrachten sie den Mord nicht als entsetzlichen Vorfall und zeigen keinen wirklichen Schock und Jammer. Was sie wirklich kümmert, ist nicht Moral und Gerechtigkeit, sondern nur ihre eigenen Interessen. Zur gleichen Zeit, haben sie das wahre Gesicht von Macbeths Heuchelei erkannt haben und zeigen sie ihre Ironie gegenüber Macbeth:
LENOX Wie wand Macbeth im Gram sich. Hat er sich gleich
Mit frommer Wut zerhackt die zwei Delinquenten
Die noch gefesselt lagen von Trunk und Schlaf.
[...]
Ihr schamloses Leugnen. So daß, sag ich, Macbeth
Alles gewandet hat zum Besten mit
Geborner Majestät, [...] Und zum Besten das auch
Wendet Macbeth, unser sehr gnädiger Herr.
Hat er nicht unsern Bauern unsre Pacht
Erleichtert, die schwer unsre Mägen drückte. [87]
Offensichtlich ist Lenox unzufrieden mit Macbeth und hat innerhalb dieses Gesprächs seine Klage mit Spott und Hohn gegenüber Macbeth zum Ausdruck gebracht. Allerdings beteuert er im folgenden Gespräch mit einem Lord die absolute Treue für Macbeth: „Für seinen König werf ich Schottland weg“[88] . Aber als er erfuhr, dass die Bauern kurz vor einem groß angelegten Aufruhr gegen Macbeth standen, um Macbeths Regime zu beenden und sich die von Malcolm angeführte Armee allmählich Macbeths Schloss näherte, entschied sich Rosse durch von Lenox überredet, Macbeth zu verraten und sich Malcolms Armee anzuschließen:
ROSSE Wohin, Lord.
LENOX Wo der Sieg ist.
ROSSE Hier geht der Weg
Nach Dunsinane.
LENOX Mein Weg nach Dunsinane
Geht über Birnam.
ROSSE Wo Englands Truppen stehn.
LENOX Und Schottlands König.
ROSSE Sir, das ist Verrat.
Die Soldaten machen Front gegeneinander.
LENOX An wem. Was schmeckt Ihr lieber, Lord,
Zu Rosses Soldaten:
und ihr:
Schottischen Staub oder englisches Bier.
SOLDATEN Nach Birnam. [89]
Hier ist ein Detail bemerkenswert, dass Lenox Rosses Soldaten die Frage stellte, ob sie sich für „englisches Bier“ oder „schottischen Staub“ entscheiden möchten. Da in Shakespeares Macbeth Macbeths Herrschaft durch die Hilfe des englischen Königs gestürzt und dann die politische Krise in Schottland ausgelöst hat, nennt Heiner Müller diese englische Rettungskraft spielerisch „englisches Bier“, während das letzterer eine Warnung an Macbeths Rosse ist, d.h. sie werden für Macbeths Niederlage bezahlen. Tatsächlich hat das „Bier“ noch eine einzigartige Konnotation. In Kombination mit den frühen Werken von Heiner Müller ist zu erkennen, dass „Bier“ nicht mehr nur ein gewöhnliches Getränk, sondern ein kulturelles Symbol, das eng mit der Massen der Menschen und dem Kommunismus verbunden ist. Zum Beispiel empfiehlt Fondrak von Die Umsiedlerin oder Das Leben auf dem Land dem Parteisekretär: „Ein Bier und vor dir steht ein Kommunist, Flint“[90]. In Analogie zu seinem kommunistischen Status setzte er Bier ein, so dass dieses Getränk als Symbol des kommunistischen Stolzes und als wichtiges Zeichen für die Unterscheidung zwischen Unterdrückern und Tätern galt. „[...] wer kein Bier trinkt, säuft bekanntlich Blut“[91]. Andererseits steht Biertrinken für einen augenblicklichen Genuss, dessen betrunkene Wirkung ein grenzenloses Erlebnis ermöglicht. Der Clinch zwischen verräterischen und loyalen Positionen löst sich durch diese augenblickliche Erfahrung auf und führt natürlich auch zu einer neuen Leere, die mit der Abwendung, dem Bruch, dem Grenzpunkt des bisherigen Konfliktfelds verbunden ist. [92] Daher ist das Biertrinken ein Ersatz für Gewalt, es gilt als das überzeugendste, aber gleichzeitig vage Versprechen, wodurch die gegnerische Soldaten für Rosse einsetzen lassen. So scheint das Bier wie ein Signal der Hoffnung, die die Soldaten von Rosse anziehen, für Kommunismus zu kämpfen, der nach Heiner Müllers Meinung aber nur wie die Theologie funktioniert, daher betrachtet er Kommunismus „als säkularisierte Bergpredigt“[93]. In diesem Sinn ist diese Ansicht vom Kommunismus widersprüchlich, da nach seiner Meinung der wahre Kommunismus einerseits wahrscheinlich ein ideales Heil für die Missbildung der Macht ist, aber andererseits der wahre Kommunismus zu schwer zu verwirklichen sei, sodass er zum Teil nur mit der Theologie gleichsetzt wird. Genau wie bei diesem deformierten Machtskampf ist der Kommunismus eher ein oberflächlicher Slogan der politischen Propaganda von Lenox, die die den Soldaten von Rosse eine vage Hoffnung bietet. .
Am Ende des Stücks, Lenox und Rosse und ihre Soldaten flüchteten zuerst zu Macduffs Armee, zögern sie auf Macduffs Befehl nicht, Macbeth zu töten. Doch befahlen die beiden Edelleute auf Befehl von Malcolm ihren Soldaten sofort, gnadenlos auch Macduff zu töten. Gerade als die Leser dachten, sie hätten sich vollständig Malcoms Herrschaft unterworfen, sind die beiden Edelleute nicht an der chaotischen Szene beteiligt, in der Hexen und Soldaten Malcolm krönten. Obwohl Heiner Müller sie nicht weiter beschrieben hat, wird die Vorstellungskraft des Lesers aktiviert: Vielleicht beobachten sie das alles still und schmieden in ihrem Herzen neue Pläne, um ihre eigenen Interessen zu maximieren.
2.2.6 Die Hexen: Das Symbol der ausgebrochenen Machtkrise und des politischen Terrors
Es besteht zwar keine Zweifel daran, dass sowohl bei Shakespeare als auch bei Heiner Müller die Hexengestalten eng mit dem Bösen und dem Chaos verbunden sind. Allerdings ist das Böse, das dieselben Figuren symbolisiert, nicht auf gleiche Weise zu interpretiert. Das Leitmotiv vom Schicksal zieht sich durch die ganze Handlung von Shakespeares Macbeth , dabei stehen die Prophezeiungen der drei Hexen mit diesem Thema in Verbindung. Als die übernatürliche Kräfte verkörpern sie die innere Gier von Macbeth, daher werden die Vorhersagen der Hexen zum Auslöser für Macbeths tragisches Schicksal. Bei Shakespeare ist die Analyse des Hexenbildes in Shakespeare Macbethoft nicht vom religiösen Hintergrund zu trennen. Sie vertreten die mytaphysische böse Kraft, die als ein Spiegel der dunklen Seite der menschlichen Natur fungiert und die Gier, Brutalität, Eitelkeit und Neid, bei denen es sich um vier der sieben Todsünden handelt, reflektieren können. Unter dieser mytaphysisichen Konzeptionen stehen sie am Gegensatz zum göttlichen Heil, und jeder, der an die Anstiftung der Hexen glaubt und damit von den christlichen Tugenden abweicht, wird durch die oben erwähnten dunklen Seiten dieser menschlichen Natur unvermeidlich zum Untergang geführt. Daher können die Hexen als externe Faktoren Macbeths Handeln nicht unmittelbar bestimmen. Die von ihnen geweckte innere Gier kann nur Macbeths Vernunft verwirren, aber sie kann ihn nicht direkt dazu bringen, die Entscheidung des Königsmords zu treffen. Daher gibt Macbeth seiner sündigen Begierde vor dem Königmord zu, die eigentlich nicht mit der Vorhersagen der Hexen zu tun (I.7, V. 23-26): „ I have no spur / To prick the sides of my intent, but only / Vaulting ambition, which o’erleaps itself / And falls on the other“[94]. Aus diesem Grund wird Macbeth also durch seinen eigenen Ehrgeiz in den Abgrund des Verderbens gestoßen. Allerdings spielen die Hexengestalten von Heiner Müllers in Macbeth offensichtlich eine andere Rolle. Sie sind die Verkörperung des politischen Terrors, da sie haben einerseits den gesamten Prozess des Auf- und Abbaus der Macht miterlebt und zeigen immer Schadenfreude über das Chaos. Andererseits scheinen sie Parasiten in einem Teufelskreis der Geschichte zu sein und ihre Existenz markiert die Zerstörung der Hoffnung sowie den Untergang der Zukunft. In diesem Sinn sind sie als Symbole der ausgebrochenen Klassenkrise die Verwirrenrinnen der Legitimität. [95] Daher zeigt die metaphorische Bedeutung dieses Hexenbildes eine gewisse Ähnlichkeit mit Heiner Müllers Verständnis von „Terrorismus“. Unter diesem Begriff versteht Müller Terrorismus weniger als ein politisches Phänomen sondern ein eindeutig religiöses Phänomen. Er schlägt eine antimoralische Interpretation des Terrorismus vor, den er als Alternative zur Religion und als gewalttätige Antwort auf das „Metaphysische Defizit“ der Postmoderne sieht. [96] Während die Kraft des christlichen Humanismus in Shakespeares Macbeth die Morgendämmerung andeutet, hat der Terrorismus die Kraft, Utopien zu zerstören. So glaubt Heiner Müller, dass „Der Terrorismus der einzige Mönchsorden ist, der zur Zeit Utopie besetzt, sie gleichzeitig aber auch verheizt“[97]. Und die Existenz der Hexe in diesem Stück ist ein Beweis für den Verlust der Zukunft. Diese Gesinnung wird durch die Hexengestalten zum Ausdruck gebracht. Das Image der Hexen als zerstörende Kraft wird vor allem durch die Betonung ihrer Grausamkeit präsentiert. Im 2. Akt treten die drei Hexen zum ersten Mal auf. Im Vergleich zu den grotesken Hexen in Shakespeares Vorlage werden die drei Hexen auf eine blutige und teuflische Art dargestellt:
HEXE 3: Schwester, woher das Blut an deinem Kleid.
HEXE 1: Auf dem Schlachtfeld hielt ich meine Mahlzeit.
HEXE 2 Schwester, was für ein Ding in deiner Hand.
HEXE 3 Ein Steuermannsdaumen. Ich warf sein Schiff auf den Strand.
HEXE 1 Was für ein Püppenchen, Schwester, in deinem Arm.
HEXE 2 Mein König, mein Schätzchen.
HEXE 3 Komm, Alter, wir machen dir warm.
Verbrennen eine Puppe: König Duncan. Macbeth und Banquo [98]
Wie aus dem ersten Auftritt der Hexen hervorgeht, ersetzt Heiner Müller die übernatürlichen Elemente in Shakespeares Vorlage durch die surreale Brutalität. Im Gegensatz zu Shakespeares Macbethwerden in Heiner Müllers Macbeth alle grotesken Zaubersprüche ausgeschlossen, die voher viel Platz in Shakespeares Vorlage eingenommen hat und das charakteristischste Merkmal der Figurenrede der Hexen ist. Anschließend wird die Figurenrede zur Erklärung der eigenen Brutalität in Shakespeares Volage komplett gestrichen. Im Gegensatz dazu passt Heiner Müller diesen Dialog der Hexen neu an, so dass die Hexen sich nicht aus Rache so verhalten, sondern ihre grausamen Taten ohne jeden Grund begehen. Ihr Verhalten kann nicht aus logischer Kausalität interpretiert werden, sondern eher wie böse Taten, die nach Belieben getan werden. Es fällt auf, dass beim Auftritt Hexe 2 eine Königpuppe im Arm hält. Die Symbolik dieser Szene besteht darin, dass Hexen als das Wesen der weltlichen Macht angedeutet werden, indem sie die Könige nach Belieben manipulieren können. Am Ende des Dialogs wird die Puppe, das Symbol des Königs, zu Asche verbrannt. Diese sehr metaphorische Szene deutet die Beziehung zwischen den Hexen und den Herrschern an. Die Herrscher scheinen Macht zu haben, aber in Wirklichkeit sind sie Marionetten, die der Willkür der Hexen ausgeliefert sind, machtlos gegenüber ihrem eigenen Überleben und ihrer eigenen Zerstörung. Danach treffen die Hexen sich mit Macbeth und prophezeien ihm sein zukünftiges Schicksal. Vor dem Treffen mit den Hexen sagt Macbeth: „So schön und häßlich sah ich keinen Tag“. [99] Die Hexen scheinen nur ein Spiegel der grausamen Menschenwelt zu sein, wodurch den Kontrast zwischen Schönheit und Hässlichkeit dargelegt wird, die als eine Einheit bereits im Menschen existiert:
Nicht die Prophezeiung der Hexen [...] bestimmt den Lauf der Ereignisse, sondern ein Weltgesetz, das Leben definiert als nur möglich, solange es Vernichtung anderen Lebens bedeutet und realisiert. [100]
Der zweite Auftritt der Hexen ist im 16. Akt. Zu diesem Zeitpunkt teilt der Bote Macbeth mit, dass die Rebellenarmee unter Führung von Macduff und Malcolm auf Dunsinane zumarschiert. An diesem Punkt erscheinen die drei Hexen automatisch vor Macbeth und überreichen ihm drei bizarre Geschenke:
Hexe 2 Dich auf dem Scheitels deines Glücks zu sehn.
Hexe 3 Geschenke bringen wir für deinen Tisch.
Hexe 1 Hand eines Neugebornen. Sie ist frisch.
Gestern hat seine Mutter es erstickt
Zwischen den Schenkeln. Selbst liegt sie zerstückt
Vom Henker heute.
Hexe 2 Einen Hundenmagen
Durch den ein Bauer ging vor wenig Tagen.
Hexe 3 Ein Königsbanner hier aus Menschenhaut
Für Dunsinane, auf Knochen fest gebaut. [101]
Jedes dieser drei blutigen Geschenke hat eine spezifische Bedeutung: das erste ist die Hand eines Neugeborenen, die von einer Mutter zerschnitten wird und sie den Hexe geopfert hat, allerdings kann das Neugebornen als Hoffnung gesehen werden, daher wird sein Leichnam als gnadenloser Angriff auf die Hoffnung der Zukunft angesehen. Das zweite Geschenk - der Hundemagen, an dem ein Bauer einige Tage zuvor vorbeigekommen war - ist eine klare Ironie über Macbeths grausame Unterdrückung der Bauern. Dann ruft das letzte Geschenk die Assoziation mit der Szene in 18. Akt hervor. Dort häutet Macbeth einen rebellischen Edelmann und setzt sich mit Apollo gleich, der einen Weinbehälter aus Marsyas Haut machen, wodurch die unantastbare Herrlichkeit der Götter aufgezeigt wird, allerdings ruft das Königsbanner - das aus menschlicher Haut gemacht wurde - eigentlich die Assoziation der brutalen Herrschaft Macbeths hervor. Diese drei Geschenke zeigen eindeutig den Spott der Hexen über Macbeths Herrschaft und ihre Verachtung für seine Zukunft. Dann begannen die Hexen, Macbeth auszulachen und spielen ihm einen Streich. Die Hexen spielen auf peinlichste Weise mit Macbeth: sie reiten auf ihm, reißen ihm die Haare aus und die Kleider in Fetzen, furzen ihm ins Gesicht usw. Am Ende lassen sie ihn halb nackt liegen und werfen einander die Krone zu; bis eine von ihnen sie aufsetzt. Es kommt zu einem Kampf um die Krone mit Klauen und Zähnen. Hier werden die drei von Hexen beschworenen Geister in Shakespeares MacbethdurchdieGroße Stimmeersetzt. Als eine unsichtbare Figur, gilt die Große Stimme einerseits als eine deutlich von der postmodernen dramatischen Kunst geprägte Figur, die nur auf akustische Weise auf der Bühne erscheint, andererseits fungiert diese Figur tatsächlich als eine Parodie auf Gott, der in der Bibel nie physisch erscheint aber immer allwissend ist. Durch diese Parallele wird andeutet, wie surrealistischer Gewalt einer metaphysischen Bedeutung, wie einer Religion verlieht wird, so dass sie die Essenz eines grausamen Weltbildes enthüllt, indem die Große Stimme Macbeth als „Salb dich mit Blut, sei wie du willst ein Schlächter“ [102] sagt. Danach treten die Hexen zum letzten Mal in 23. Akt auf. Als Malcolm Macbeth als neuer König von Schottland ablöste, erscheinen die Hexen, die ihn krönen und besingen: „Heil Malcolm Heil König von Schottland Heil“[103]. Während Shakespeares Macbeth mit einer leidenschaftlichen und großzügigen Rede von Malcolm beendet, durch die das Ende der Tyrannei und die Rückkehr der Ordnung symbolisiert wird, wird Malcolms Rede bei Heiner Müller durch den Segenspruch der Hexen ersetzt. Jetzt wird Malcolm nur auf eine hilflose Puppe der Hexen reduziert die bei der Krönung geweint hat, welches eine Parallele zur Königpuppe im 2. Akt, die von der Hexe im Arm gehalten wird, ist. Diese Wandlung scheint darauf hinzudeuten, dass der so genannte Sieg das Ergebnis von Manipulation ist und dass niemand wirklich im Spiel der Macht gewinnt. Es geht am Ende nicht um die Hoffnung, sondern nur darum, dass das Personal wechselt. Der letzte Akt, im dem die Hexen den neuen König Malcolm begrüßen, gleicht der Anfangsszene in Shakespeares Macbeth. So verschmilzt diese gewalttätige Reaktion auf das Defizit der Metaphysik in diesem Moment mit seinem religiösen Potenzial, und der darauf basierende Terrorismus verheizt die Utopie, nämlich die Zukunft in einem unendlichen Kreislauf der Gewalt und Blut gefangen ist, solange die inhärenten Regeln und die Geschichtsauffassung nicht gebrochen werden.
2.2.7 Die untere Volksmasse: Die Opfer und zugleich Die Täter
Während bei Shakespeares Macbeth die Handlung grundsätzlich auf dem Konflikt zwischen Königen und Adeligen beruht, gewinnt die unteren Volksmassen (Bauern und Soldaten) in Heiner Müllers Macbethbei der Entwicklung der Handlung an Bedeutung. In Heiner Müllers Macbethbesteht eine subtile Beziehung zwischen Bauern und Soldaten. Vor allem haben die beiden Arten von Figuren eine Gemeinsamkeit: solche Figuren sind die einzigartigen Gruppenfiguren in Heiner Müllers Macbeth . Im Gegensatz zu anderen Figuren werden sie nicht benannt, sondern nur durch ihren Beruf oder Status identifiziert, nämlich ohne ausgeprägte individuelle Merkmale. Jedoch spielen sie eine nicht übersehbare Rolle in der Rekonstruktion der Macht. Die Bauern dienen einerseits als Opfer der herrschenden Klasse, die auf willkürliche und skurrile Weise das „gewöhnliche“ Leben und die körperliche Unversehrtheit von Bauern kontrolliert. [104] Andererseits werden die Bauern in Soldaten verwandelt, die die Rebellion gestartet haben, nachdem sie genug unterdrückt und ausgebeutet wurden. Dann gelten sie nicht länger als schwache und hilflose Opfer, sondern werden zum Rückgrat der Zerstörung der bestehenden Machtstruktur. Dabei werden sie allerdings unweigerlich mit grausamen Eigenschaften ausgestattet und werden zu einem weiteren Übeltäter, die andere Bauern wieder schikanieren, obwohl sie einst Teil dieser Gruppe waren.
Zunächst besteht kein Zweifel daran, dass die Bauern in Macbett immer die unterdrückte und ausgebeutete Rolle gespielt haben. Laut Helmut Fuhrmann spielen von den 23 Szenen des Stücks nur fünf weder den Konflikt zwischen der Oberschicht und den Bauern noch den tragischen Bauerstand (7, 8, 11, 17, 20) wieder, während sieben Szenen, in denen es direkt um die Folterung und brutale Ermordung von Bauern geht: „sie werden ertränkt (3, 4), geschunden (5), im Block verharren (6, 10) oder bei der Fronarbeit (14) gezeigt oder sowie in den Selbstmord getrieben (22)“[105]. Obwohl Heiner Müller in zahlreichen Szenen die Misere der Bauern zeigt, fällt es zugleich auf, dass die Bauern zwar zur benachteiligten Gruppe unter der brutalen Herrschaft der Oberschicht gehören, sind sie aber auch mit den Eigenschaften der Brutalität und Kaltblütigkeit ausgestattet. Dies wird besonders in zwei Akte gezeigt: zum einen im 10. Akt, in der die verzweifelte Bäuerin und ihr Sohn versuchen, die Leiche ihres Mannes heimlich aus dem Block zu ziehen. Inzwischen wurde das Fleisch seines Körpers von Hunden abgenagt, so dass nur noch ein Skelett übrig ist. Als die Bäuerin die verstümmelte Leiche sah, die der Hund hinterlassen hatte, erzählte sie von ihrer Verzweiflung, danach schlug sie die Leiche erbarmungslos und beschuldigte ihn, dass er sie zur Witwe gemacht hat: „Gebt mir meinen Mann wieder / Was habt ihr mit meinem Mann gemacht / Ich bin nicht verheiratet mit einem Knochen / Warum hast du die Pacht nicht gezahlt, du Idiot“[106]. Nachdem ihr Sohn ihre Verhalten beobachtet hatte, zog er sie zur Seite und begann sie zurechtzuweisen. Anstatt traurig zu sein, warnte er seine Mutter:
Heul nicht / Der Rotz gefriert dir auf den Backen / Wenn du hin bist, wer macht mir den Gaul / Eine Frau krieg ich nicht mit dem Pachtschuld / [...] / Der König. Hörst du die Gäule / Das ist der Blutgeruch / Wir kriegen ihn nicht heil heraus / Es ist noch zu viel Fleisch an ihm. [107]
Dieses Handeln zeigt seine tiefe Angst vor Macbeth, so dass er befürchtet, dass das Wehklagen seiner Mutter ihm das Unglück des Todes bringen würde. Zugleich beschwerte er sich bei seiner Mutter: „Eine Frau krieg ich nicht mit dem Pachtschuld“[108]. Es ist klar, dieser junge Mann hat kein Mitgefühl für den Tod seines Vaters und die Trauer seiner Mutter, weil er sich nur um seine eigenen Interessen kümmert, so dass er sogar das Gefühl hat, dass der Tod seines Vaters nicht einen gebührenden Wert gespielt hat und betont: „Es ist noch zu viel Fleisch an ihm“. [109]
Wie oben erwähnt, werden die Bauern durch den Aufstand in Soldaten verwandelt. So deutet der 14. Akt auf den Beginn dieses Übergangs hin, wodurch sich die starke Unzufriedenheit der unterdrückten Bauern mit Macbeths Tyrannei zeigt:
Steinquader gehen vorbei, von kriechenden Bauern getragen. Zwei Gestalten.
Gestalt 1 Der Jüngste Tag ist nah. Die Steine gehn.
Gestalt 2 Nach Dunsinane. Schottlands König baut ein Schloß gegen
Schottland. [110]
Die Figurenrede von Gestalt 1 geht grundsätzlich auf die Apokalyptik zurück, wo die Vorstellung des allumfassend endzeitlichen Gerichts Gottes beschrieben wird. Mit dem endzeitlichen Gericht meint die Bibel die Ereignisse, dass Gott und Jesus die Toten auferwecken und sie richten werden, dann werden die Gottlosen und Übeltäter für immer umkommen. Mithilfe dieser religiösen Metaphern wird das tragische Ende der despotischen Herrschaft von Macbeth andeutet. Dann deutet die Figurenrede von Gestalt 2 hin, Macbeth sei dabei, weitere Maßnahmen zu treffen, um seine Herrschaft zu bewahren, aber diese werden letztendlich zu seiner eigenen Zerstörung führen. Hier zeigt sich, dass die wütende Macht der unteren Bevölkerungsschichten (Soldaten und Bauern) allmählich beginnt, die bestehende Machtpyramide aufzulösen, dabei sind sie aber auch mit den Eigenschaften der Brutalität ausgestattet. Im 18. Akt nehmen die Soldaten den Edelmann fest, der Macbeth verraten hat, und übergeben ihn an Macbeth. Nach einer langen Zeit der Folter übergibt Macbeth den Lord dem Soldaten und überlässt es ihnen, mit dem Edelmann zu tun, was sie wollen. Da zeigt Soldat 4 einen deutlichen Hass auf den gefangenen Edelmann, weil sein Vater von diesem Edelmann zu Tode gefoltert wurde: „Und ich. Mein Vater starb an einer Pachtschuld / Gnädiger Herr, und als sein treuer Sohn / Will seine Rechnung ich begleichen. Und / Nicht eh Ihr ausseht wie mein Vater aussah / Als Eure Hunde mit ihm fertig waren / Die ihn zerfleischten, Herr, auf Eurem Burghof“[111]. Die Aussage von Soldat 4 erinnert an den Sohn des Bauern im 10. Akt, aber es wird hier nicht empfohlen, die beiden Figuren miteinander zu verbinden, da ein solches trauriges Schicksal in der Bauernklasse zweifellos kein Einzelfall ist. Deswegen lässt er all seine Wut und seinen Hass an dem Edelmann aus. Auf seine Veranlassung hin beschlossen die anderen drei Soldaten, den Edelmann zu foltern, indem sie ihm vor seiner Dame bei lebendigem Leibe die Haut abzogen. Aus der Rache und Schadenfreunde provozierte der Soldat die Witwe des Edelmanns: „Kennt Ihr den Bauern wieder / Dame, der Bei Euren Hunden in die Schule ging“[112]. Jedoch erkannte Macbeth bald, dass der Hass des Soldaten gegen die Aristokratie auch potenziell gefährlich für seine Herrschaft war, deswegen befahl er nach der Hinrichtung der aufständischen Aristokratie Soldat 4 auch zu töten. Dadurch schien sowohl die Rebellion gegen die Aristokratie als auch die Unzufriedenheit der unteren Klassen unterdrückt. Aber die durch das Töten erzielte abschreckende Wirkung ist nur vorübergehend, denn die Soldaten haben einen großen Einfluss auf den Wiederaufbau der Machtstruktur ausgeübt, weil Macbeth schließlich von ihnen getöten werden würde. Zudem töten sie auf Malcolms Befehl auch Macduff. Im Anschluss daran setzen sie die Krone auf Malcolms Kopf, obwohl Malcolm bei seiner Krönung ungeheure Angst zeigt, dadurch vollenden diese Gruppenfigur direkt die Teilnahme an der Rekonstruktion der Macht in Heiner Müllers Macbeth . Gleichzeitig werden die Soldaten, die ursprünglich aus der Bauernklasse stammen, unmittelbar nach der Erlangung militärischer Fähigkeiten in die Stürzer des alten Regimes und die neuen Unterdrücker der Bauernklasse verwandeln. Im 22. Akt wird ein Bauer zuerst von schottischen Soldaten und dann von englischen Soldaten gezwungen, sich aufzuhängen, weil er den „richtigen“ Herrscher nicht rechtzeitig erkennt hat: er antwortet vor Macbeths Soldaten, dass Duncan der Herrscher von Schottland ist; als Macbeths Soldaten von britische Soldaten besiegt wurden, rief er vor den britischen Soldaten „Heil Macbeth“. Dann wollten sowohl Macbeths Soldaten als auch die britische Soldaten den Bauern hängen sehen, weil er ein Verräter in den Augen beider Parteien war. Schließlich beschloss der verzweifelte Bauer Selbstmord zu begehen: „Ich will mich aufhängen eh die Soldaten wiederkommen, die einen oder die andern / Die Welt geht auch zu schnell für meinen armen Kopf / Wenigsten werd ich nicht lang leiden, es ist ein guter Strick“[113].
Es lässt sich feststellen, dass in dieser kreisförmige Struktur von Unterdrückten und Tätern, die sich durch den Identitätswechsel zwischen Bauern und Soldaten offenbart, jeder zugleich Opfer und Täter ist. Gleichzeitig bedeutet die direkte Beteiligung der unteren Volksmasse am Wiederaufbau der Macht nicht das Ende der Tyrannei, im Gegenteil, der Alptraum der Geschichte ändert nur den Protagonisten und inszeniert weiter.
2.3 Der dramatische Kunststil von Heiner Müllers Macbeth: Die Schlachthaus Metaphers und die Katharsis-Wirkung
Während Shakespeares Macbeth sein Verständnis gegenüber dem Verhältnis zwischen der Ambition und der Moral erläutert, dass das unkontrollierte Begehren das absolute Gegenteil der Moral ist und dieses letztendlich zur Tragödie führt, spielt der Mangel an Moral in der blutigen Welt von Heiner Müllers Macbeth eine gewöhnte Rolle. In Heiner Müllers Macbeth wird ein Bild eines irdischen Fegefeuers dargestellt, indem er die Metapher des Schlachthauses benutzt, um die säkulare Ordnung, die durch die moralische Verkörperung im Macbeth ursprünglich etabliert wird, vollständig zu untergraben. In Shakespeares Stück bilden König Duncan, Prinz Malcolm und der edle Macduff die politischen Ideale einer aufgeklärten Monarchie und stehen daher im scharfen Kontrast zu Macbeths Tyrannei. Die übrigen Figuren des Stücks, wie Rosse und Lenox, werden auch mit feudalen aristokratischen Tugenden dargestellt. Trotzdem sind Macbeth und Lady Macbeth nicht vollständig ohne Menschlichkeit, in den Dialogen bzw. Monologen von Macbeth und Lady Macbeth ist es deutlich erkennbar, dass die beide Figuren ständig unter moralischer Folter leiden. Im Gegenteil dazu fehlt sämtlichen Figuren in Heiner Müllers Macbeth jegliche Menschlichkeit: allen Figuren, egal ob Adelige oder Bauern, werden mit brutalen und tyrannischen Eigenschaften in Verbindung gebracht. Tugend und moralische Ethik werden bei der Charakterisierung nicht mehr berücksichtigt: Duncans Thron liegt auf einem Leichenhaufen, Macbeth gilt als ein grausamer Tyrann; Macduff und Lenox nagelten den Pförtner an die Tür, weil er die Tür nicht rechtzeitig öffnet; Nachdem sie ihm grausam das Bein abgeschnitten haben, lachen sie aus vollem Halse. Auch die ursprünglich unterdrückten Bauern zeigen sich auch nicht weniger kaltblütig als die herrschende Klasse, so hat u.a. die Bäuerin rücksichtslos auf das Schädel ihres Mannes eingeschlafen und ihn beschimpft. Solche brutalen und blutigen Szenen sind in Heiner Müllers Macbeth üblich, welche die barbarischen und blutigen Bilder in Shakespeares Stücken weiter verstärken, die Welt als Schlachthaus stellt somit den Kern des Stücks dar.
Dieses voller Todesschrecken und blutiger Grausamkeiten dargestellte Weltbild kann LeserInnen von Heiner Müllers Macbeth auf den ersten Blick zutiefst schockieren. Allerdings dient dieses Weltbild jedoch nicht nur der allegorischen Darstellung des Faschismus und der Gesellschaft nach dem katastrophalen Krieg, sondern verweist auf die Rebellion gegen Bertolt Brechts moralische Lehre im didaktischen Theater. Einerseits zeigt ein solches grausames und fegefeuerartiges Weltbild in erster Linie die Geschichtsauffassung, die Heiner Müller seit den 1950er Jahren in seinen Werken anhaltend ausdrückte: „Man muss dich sehen, dass der Weg über den Feudalismus zum Bürgertum, vom Bürgertum bis in die heutigen Tag wirklich mit Leichen gepflastert ist und immer mehr mit Leichen gepflastert wird“[114], andererseits unterstützt die spezielle Dramaturgie durch die Darstellung der Entfremdung der Menschen die Vermeidung eines direkten Eingriffes des Regisseurs in den Denkprozess des Publikums. Daher hat Heiner Müller in der Macbeth-Bearbeitung alle zugrunde liegenden moralischen Disziplinen in Shakespeares Macbeth aufgegeben. Nachdem Heiner Müller die moralische Lehre vom Brechtschen didaktischem Theater abgelehnt hat, entwickelt er das Konzept vom Theater als „Krise“. Diese theatralische (und auch dramatische) Ästhetik zielt darauf ab, die Poetik des Schock zu schaffen, wobei die gewohnten Wahrnehmungsmuster, eingerasteter Vorstellungsbilder, Welt- und Denksysteme ins Wanken gebracht werden sollen. Die blutigen und grausamen Weltszenen wecken daher nicht nur Assoziationen mit historischen Katastrophen wie Schlachtfeldern und dem Holocaust, sondern auch die Darstellung der Leichen, Verstümmlung und Blut spiegelt weiterhin einen wichtigen dramatischen Aspekt der Ästhetik von Dramen der siebziger Jahre wider. Die blutigen und grausamen Elemente - die von Helmut Fuhrmann als grundlegende Bestandteil der „Fleischer-Philosophie“ [115] von Heiner Müllers Macbethbezeichnet wird - handeln daher nicht bloß von der Quantität der Brutalitäten, sondern auch von der Ästhetik des „Theaters als Fest des Todes“, die auf Heiner Müllers Auseinandersetzung mit Antonin Artaud zurückgeführt werden kann, wobei das Ritual, der Ort des Körpers, die Bühnensprache und Zeichensprache, die sich unmittelbar auf die Konzeption Theater als Fest des Todes auswirken. In dem Text die Sprache der Qual (1977) nähert sich Heiner Müller Antonin Artauds Vorstellung von Grausamkeit als einer Erfahrung von Schrecken und Schmerz, Leiden des Körpers und Spaltung des Bewusstseins, aber auch als Potential einer poetischen Sprache und einer historischen Erfahrung. [116] Nach der Ansicht von Antonin Artaud ist die Metaphysik und die Grausamkeit ebenso wie die Pest und höhere Realität des Theaters. [117] Und diese Sichtweise stimmt in gewissem Maße mit Heiner Müllers künstlerischen Methode in den 1970er Jahren überein. Gegen die damalige Behauptung, die die Betonung des Eigensinns des Ästhetischen als Formalismus anzusehen, insistiert Heiner Müller, dass Realismus nicht unbedingt die Übersetzung von Realität in eine andere Form ist. [118] Aus diesem Grund sträubt er sich gegen die Gleichsetzung des Realimuses und Naturalismuses. Daher vermeidet er seit etwa der siebziger Jahren die direkte Beschreibung des Kriegsbilds. Zwar beschäftigt sich sein Schreiben immer mit der Aufarbeitung des Faschismus, doch vermeidet er zutiefst affiziert vom Thema der Shoah direkt zu behandeln, [119] sondern widmet sich den grausamen Schatten des Kriegs auf eine metaphysische Weise indem er die Reflexion über allgemeine Fragen der Geschichtsphilosophie miteinbezieht. Diese Demontage des katastrophalen Kriegsbildes in grausame Symbole lässt Grausamkeit und Brutalität überfluten, und verschiedene Todessymbole zieht sich durch Macbeth, wodurh man die ästhetische Methode mit Antonin Artaud in Verbindung setzen kann.
Obwohl man darüber streiten kann, ob jedes blutige Detail notwendig ist, muss man zunächst die Untersuchung der dramaturgischen Funktion in den Vordergrund stellen. Während Bertolt Brechts Theater als „Lusthaus und Schreckenskammer“ [120] betrachtet wird, führt Heiner Müller Bertolt Brechts Gedanken eines Lernens durch Schrecken wieder an das aristotelische Katharsisverständnis heran. Die Darstellung der Welt als Schlachthaus zielt nicht auf das Schockieren des Publikums ab, sondern ruft wieder die Katharsis-Wirkung hervor. Wie Martin Linzer anmerkt, die Darstellung solcher grausamen Szenen ist nicht nur eine Frage der künstlerischen Delikatesse, sondern der künstlerischen Methode, die einmal der Härte des Vorgangs zeigt. [121] Und das Ziel der Katharsis-Wirkung ist keineswegs, den Zuschauer in die unterhaltsame Wirkung von Gewalt und Blut einzutauchen, stattdessen wird der „symbolische Tod“ als Grundlage der Katharsis Wirkung verwendet, denn nach Heiner Müllers Ansicht ist dieser symbolische Tod, der das Grundelement allen Theaters und Drama bildet, „Das einzige, worauf man ein Publikum einigen kann“[122]. Auf diese Weise wird einerseits der unbewusste Lustgewinn und die Halluzinationen des Publikums verhindert und andererseits ermöglicht es dem Publikum, von verschiedenen Todessymbolen überfluteten, autonom einen Denkweg zu wählen. Damit wird die Tradition des Brechtschen didaktisches Theater in den 1950er Jahren aufsprengt, wobei die Einmischung des Regisseurs in den Denkprozess des Publikums stets eine unentbehrliche Rolle spielt.
2.4 Das dialektische Geschichtsauffassung und die schwarze Utopie
Obwohl die Fabel in Heiner Müllers Macbeth im Grunde der Fabel von Shakespeares Vorlage entspricht, wird jedoch die Einzigartigkeit von Heiner Müllers Macbeth in Hinsicht auf die dramaturgischen Methoden durch seine fragmentarische, selbstbezogene Struktur und den Verzicht auf die Einheit von Handlung, Ort, Zeitaufgezeigt. Doch liegt der wichtigste Unterscheid zwischen den beiden Stücken vor allem in der unterschiedlichen Geschichtsauffassungen: nach Shakespeares Ansicht ist die Tragik der Gewalt, die durch Macbeths Machtgier verursacht nur vorübergehend. Sie wird unbedingt durch die aufgeklärter Monarchen ersetzt, die von Duncan, Malcolm und Macduff repräsentiert werden. Im Gegenteil dazu repräsentieren Duncan, Malcolm und Macduff in Heiner Müllers Macbeth nicht mehr die Hoffnung und glänzende Zukunft, sondern dienen nur als das Zubehör der mechanischen Fortsetzung der wilden und brutalen Machtmaschine. Der letzte Akt, im dem die Hexen den neuen König Malcolm begrüßen, gleicht der Anfangsszene in Shakespeares Macbeth. Dies soll zeigen, dass die Zukunft in einem unendlichen Kreislauf der Gewalt gefangen ist, solange die inhärenten Regeln der Geschichte nicht gebrochen werden. Auf diese Weise unterscheidet sich das Ende von Heiner Müllers Macbeth vom idealen Ende in Shakespeares Macbeth. Gleichzeitig zeigt sich die rücksichtslose und kaltblütige Natur in allen Charakteren, egal ob es sich um die Herrschenden oder die Unterdrückten handelt. Auf dieser Grundlage hebt die gesamte Handlung auch den Teufelskreis der Machterhaltung hervor. Dieser Zyklus zwingt die Geschichte in einen Zustand der Stagnation, so dass die Zukunft vollständig abgeschafft wird, die in diesem Fall das Synonym von Hoffnung ist.
Es lässt sich feststellen, dass Heiner Müllers Macbeth-Bearbeitung kein ideales Gesellschaftsbild bildet, sondern es vielmehr seine Sorge um Macht und Geschichte birgt. Anhand dieser Sorge sowie dieser Wahrnung vor dem Teufelskreis der Geschichte, ermöglicht im ganzen Stück mehr oder weniger die Tendenz einer postmoderner Geschichtsinterpretation zu erkennen: wenn Geschichte als individuelles oder kollektives Handeln von selbstbestimmten und vernunftgeleiteten Themen interpretiert wird, seien die Erfahrungen der chaotischen Machtkämpfen nicht zu erfassen, dadurch wird diese Vorstellung des Geschichtsbildes deutlich von der DDR-Historiographie unterschieden, die die Geschichte durch Klassengegensatz und Klassenkampf stets als ein rationalen und fortwährenden Aufstieg interpretiert. [123]
Doch unterscheidet sich Heiner Müllers einzigartige Geschichtsauffassung sowohl vom historischen marxistischen Materialismus als auch vom „großen Mechanismus“ von Jan Kott. Vor allem stimmt Heiner Müller weder mit der Teleologie der Geschichte noch mit der optimistischen Entwicklungstendenz hinsichtlich der marxistischen Lehre überein, [124] die die positive Zukunft als die endgültige Form der Geschichte betrachtet, stattdessen ist Heiner Müllers Geschichtesauffassung dialektisch. Obwohl Heiner Müller feststellte, dass er bei seiner Suche nach subversivem und kompromisslosem Widerstand gegen die „Vorgeschichte“ oft scheiterte, äußerte er seine Geschichtsauffassung aber „Ohne Hoffnung und Verzweiflung“[125], weil nach seiner Meinung der Begriff der Geschichte dynamisch ist, so dass die historischen Widersprüche umso mehr nicht als statisch oder gar grundlegend lösbar angesehen werden können. Daher ist die Geschichte nach seiner Ansicht nicht unbedingt linear und rational, sondern manchmal dramatisch und wird von einer gewissen Kontingenz ausgeprägt, weswegen Chaos und sogar eine kurze Stagnation im Verlauf der historischen Entwicklung unvermeidlich sind. Daher sagte Heiner Müller, dass es unmöglich sei, sich die Utopie innerhalb des historischen Prozesses vorzustellen, [126] weil die Veränderung, die als die geschichtstreibende Kraft angesehen wird, immer von Konflikten und Widersprüchen begleitet wird. Das ist der Grund, warum man den Weg zur idealen Utopie in der Macbeth-Bearbeitung nicht finden kann. Was Heiner Müller in diesem Stück erläutert, ist wie die Geschichte sich aus der mechanischen Wiederholung der Machtkämpfe ausbrechen kann und ob sie die Möglichkeit hat, sich vorwärts zu bewegen. Obwohl die Macbeth-Bearbeitung die Tragödie der Macht darstellt, vertritt Heiner Müller nicht die Sichtweise des historischen Nihilismus. Im Gegensatz dazu setzt er die Geschichte ständig der Gefahr der Stagnation aus, und daher ist es notwendig, um die Geschichte voranzubringen, den vorherrschenden Geschichtsdiskurs ständig und aktiv zu untergraben und zu stören. In diesem Sinne ist die Konzeption der Utopie eigentlich eine metaphysische Existenz, ein Zustand, dem sich die Geschichte erst annähern kann, nur nachdem sie ihre eigene Entwicklungsbahn überschritten hat, weshalb Heiner Müller immer wieder betont: „Die Utopie steht heute jenseits oder neben der Geschichte, jenseits oder neben der Politik“[127]. In seiner Rede bei der Verleihung des Büchner-Preises 1985 wies er darauf hin: „Nicht eh Geschichte passiert ist, lohnt der gemeinsame Untergang im Frost der Entropie, oder, politisch verkürzt, im Atomblitz, der das Ende der Utopien und der Beginn einer Wirklichkeit jenseits des Menschen sein wird“[128]. Diese Rede zeigt zwar, dass Heiner Müllers in den 1980er Jahren die Hoffnung auf Utopien allmählich in Verzweiflung umschlug, jedoch blieb er seinem Weg treu, da die Erforschung möglicher Wege in die Utopie etwas ist, das Müller in seiner Theaterarbeit und in seiner Theaterpraxis nie aufgegeben hat, obwohl ein Atomblitz irgendwann einen Utopieverlust verursachen würde.[129]Der wichtigste Versuch auf dem Weg zur Utopie ist daher seiner Meinung nach die Chancengleichheit, „der universale Diskurs, der nichts ausläßt“[130]. Aus diesem Grund fügt Heiner Müller Bauern und Soldaten als Kontrast zur herrschenden Klasse hinzu und integriert sie bewusst in die dynamischen Veränderungen der Machtstrukturen, um zu hinterfragen, ob die Geschichte damit dem Teufelskreis entkommen ist. Dieser Wunsch zeigt seine Identifikation mit dem reinen Kommunismus. Aber es ist klar, dass die kommunistische Vision das Stigma des bestehenden Machtmodells spätkapitalistischer Imperien nicht gebrochen hat, wodurch der Marxismus im politischen Kontext der DDR von Heiner Müller immer nicht weiter als die Säkularisierung der Bergpredigt angesehen wird. Die marxistische Philosophie als zeitgenössische politische Theologie zu betrachten, wird nicht nur als das Echo an Benjamins Überlegung zur Wesenheit der Geschichte angesehen, sondern spiegelt auch Heiner Müllers eigene Überlegung über die Funktion der Revolution, der europäische Vorgeschichte im Verlauf der historischen Entwicklung wider: obwohl die Revolution selbst notwendig ist, lässt der Klassenkampf die Geschichte nicht aus dem Kreislauf entkommen, denn die geschichtlichen Widersprüche hören mit dem Aufbau kommunistischer Staaten in Europa auf der Basis der patriarchalen Aufklärung nicht. [131] Das erklärt auch, warum bei Macbeth die Rekonstruktion des Machtgefüges unter Beteiligung der Bauern und anderer Unterschichten noch immer nicht dem Untergang entgeht. Es ist dann notwendig, die Geschichte von den unaufhaltsamen Klassenwidersprüchen zu befreien. Nur wenn werden „die Leerstellen“ [132] in den inhärenten historischen Gesetzen gebrochen, haben wir dann die Chance, eine Utopie zu erreichen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Obwohl Heiner Müllers Macbeth ein Fegefeuerbild von Macht und Geschichte zeichnet, will er hier eher die Notwendigkeit aufzeigen, die bestehenden Machtmodelle neu zu schreiben, als über die Dynamik der Geschichte zu verzweifeln. Dadurch wird seine dialektische Geschichtsauffassung wieder ausgezeichnet, wobei diese Geschichtsauffassung in einem starken Kontrast zum Geschichtsverständnis des Postmodernismus steht. Auf die Frage, wie man den leeren Raum in der Geschichte und dann den Zugang zur Utopie finden kann, antwortet Heiner Müller nicht. Im Gegensatz dazu versorgt er den Leser mit einer große Anzahl von mythosbeladenen Bildern, um damit eine Verwirrung zu wecken und den Leser gleichzeitig dazu zu veranlassen, um in Eigeninitiative einen möglichen Weg für die Entstehung von Utopien im Denken zu finden.
3. Die Analyse von Eugène Ionescos Macbett
3.1 Das Weltbild von Macbett:ewige politische Absurdität und großer Mechanismus
Eugène Ionescos Theaterstück Macbett zeichnet ein absurdes Weltbild, indem es die Machtkämpfe in Shakespeares Vorlage Macbeth parodiert. Wie auch andere dramatische Werke weist das Stück die Merkmale eines offensichtlich absurden Dramas auf. Martin Esslin hat die Eigenschaften und den Zweck dieser Form des Theaters folgendermaßen interpretiert:
Behind the satirical exposure of the absurdity of inauthentic ways of life, the Theatre of the Absurd is facing up to a deeper layer of absurdity - the absurdity of the human condition itself [...] The Theatre of the Absurd is intent on making its audience aware of man’s precarious and mysterious position in the universe. [133]
So zeigt Eugène Ionescos Mabett die Absurdität, die durch die Wiederkehr der Gewalt verursacht wird, dadurch schildert er seine Verzweiflung über die unvermeidliche Degradation des Geschichtsverlaufs in einen mechanischen Teufelskreis, wodurch die Existenz der Menschen sowie der Wert des Seins in Frage gestellt wird. In den Worten von Martin Esslin ist dies eine Suche nach unerreichbaren Dimensionen, die Menschen auf die ultimative Realität ihres Zustands aufmerksam macht. Aus diesem Grund verbirgt sich in Eugène Ionescos Dramen das Symptom, das in unserer Zeit dem wahren Streben am nächsten kommt. [134] Dieses Symptom befindet sich schließlich auch in Macbett, mit dem Stück wird es gezeigt , dass Eugè ne Ionesco auch nach dem ultimativen Wert und Sinn des Lebens strebt und von Dingen außerhalb der realen materiellen Welt angezogen wird.
Auf die Entstehung von Macbett haben Alfred Jarrys Ubu Roi und Jan Kotts Shakespeare Our Contemporaryeinen großen Einfluss ausgeübt . In einem Interview gab Ionesco zu, dass sein Macbett im Vergleich zu Shakespeares Vorlage eigentlich stärker von Jarry und Kott beeinflusst ist: „My Macbeth is somewhere between Shakespeare and Jarry; it is close to Ubu Roi[...] It was my friend Jan Kott’s book Shakespeare Our Contemporary which showed me the way“[135]. Aus Eugène Ionescos Sicht ist Ubu Roi ein erstaunliches Stück, in dem Papa Ubu die korrupte Politik und die materielle Gier symbolisiert und schließlich die universelle Autokratie vertritt:
Ubu is a character who’s so simplified that he becomes an archetype, an incarnation of the power and truth of myth. He’s dehumanized because he’s so human, human in the worst and lowest ways. I was possibly influenced by him when I made monsters of my own characters, when I turned them into rhinoceroses. [136]
Daher sind die Gestaltung der Figuren und der Sprachstil ihrer Rede in Eugène Ionescos Macbetts vielmehr von Ubu Roigeprägt.
Während der Einfluss von Alfred Jarryauf Ionescos Stück vor allem in der Figurengestaltung und dem Stil der Figurenrede zu erkennen ist, lässt sich die Macbett inhärente Geschichtsauffassung auf Jan Kotts Äußerungen in Bezug auf Shakespeares Dramen zurückführen. In seinem Buch Shakespeare Our Contemporary erklärt Kott Shakespeares historische Dramen und Tragödien aus der Perspektive der existenzialistischen Philosophie und des darauf basierenden absurden Dramas: Der wahre Verlauf der Geschichte, auf den diese Werken hindeuten, ist ein Kreislauf voller Gewalt, Mord und sündiger, sinnloser Absurdität. Deshalb bezeichnet Kott diesen mechanischen Zyklus als „Großen Mechanismus“, der in Shakespeares Macbeth noch grausamer und blutiger dargestellt wird: „Die Geschichte bei Shakespeare ist eine große Treppe, über die ununterbrochen der Zug der Könige schreitet. Jede Stufe, jeder Schritt nach oben ist von Mord, Treubruch oder Verrat gezeichnet“[137]. Diese Interpretation von Shakespeares Macbeth erinnert an Robert Brusteins Kommentar zu MacBird!: „It is a work in which all political leaders are seen as calculating, power hungry and bloody, and nobody comes off well“[138]. Sie entspricht zufällig der Gesinnung, die in Eugène Ionescos Macbett zum Ausdruck gebracht wird. In einem Interview äußerte er, dass sich sein Macbet tmit dem Holocaust und mit Fragen der politischen Macht befasst. [139] Demnach konzentriert sich Ionescos Adaption auf das Chaos und die Brutalität der Geschichte, indem er die endlose Gewalt und die Revolte auf satirische Weise verurteilt. Nach Ansicht des Autors ist diese Situation das unvermeidliche Ergebnis von Diktatur und Korruption durch die Macht, worin seine Interpretation von Shakespeares Macbeth mit Jan Kotts Behauptungen übereinstimmt.
3.2 Der dramatische Aufbau von Macbett: formelle und strukturelle Merkmale
Während der maßgebliche Handlungsstrang von Heiner Müllers Macbeth grundsätzlich noch mit der Vorlage Shakespeares übereinstimmt, steht Eugène Ionescos Versiondeutlich weniger im Zusammenhang mit dem klassischen Werk.Die Adaption Macbett ist eher als eine parodistische Ver-, vielleicht sogar Zerarbeitung von Shakespeares Drama zu bezeichnen, die sich zwar auf die Vorlage stützt, den Schwerpunkt jedoch verlagert.
Ioneso’s Macbett, a text that in itself can be described as a version of the Shakespearea play that Ionesco re-creatively updated in the “absurdist” tradition of the sixties.[...] Ionesco’s re-creation of the Macbeth story, its actions and characters, illuminates the essential (and usually unacknowledged) absurdity of Shakespeare’s story while revalidating it for the late twentieth century. [140]
Vor allem zeigt Macbett seine Abweichung zu der Vorlage in der äußeren Struktur: Die traditionelle Einteilung des Aktes wird hier aufgegeben. Während Shakespeares Macbeth eine äußerst klare Aufteilung in Aufzüge und Szenen aufweist, sodass die logische Folge im Handlungsverlauf deutlich zu erkennen ist, stellt sich die Ordnung des Handlungsgefüges in Eugène Ionescos Macbettäußerst kompliziert dar. Anstatt eine traditionelle Gliederung vorzunehmen, wurde das Stück ausschließlich durch kleine Sterne in sieben Abschnitte aufgeteilt. Dieser Unterschied hat schließlich eine weitere Änderung in Bezug auf die inhaltliche Struktur zu Folge: Die Skizzierung des Handlungsablaufs von Macbett gestaltet sich wegen der nicht der Tradition folgenden Aufteilungsweise äußerst kompliziert, da die Einheit der Handlung hier keine Rolle spielt. Außerdem weicht die Entwicklung des Geschehens bisweilen unerwartet von der linearen Erzählstruktur ab, wobei sowohl die zeitspezifische Kontinuität als auch die Kausalität des Handlungsablaufs durch die Szenenfragmente nicht mehr gewährleistet sind. [141] Gleichzeitig bleiben Zeit und Ort im Laufe der Handlungsentwicklung vage: Nirgends wird deutlich, dass sich das Geschehen in Schottland zugetragen hat, und die tertiäre gespielte Zeit ist auch nicht klar definiert. Während in Shakespeares Macbeth einige der militärischen Führer Könige aus primitiveren Fürstentümern sind, werden die Generäle in Macbett wie gegenwärtige Offiziere beschrieben. Gleichzeitig bildet die Mischung der Requisiten aus verschiedenen Epochen auf der Bühne mit Schwertern, Kanonen, Pistolen, Eau de Cologne, Bikinis, Guillotine, kulinarische Köstlichkeiten aus der ganzen Welt bei einem Hochzeitsbankett usw. ein einzigartiges Szenario. Werden all diese Gegenstände aus unterschiedlichen Zeiten miteinander vereint, wird dem Publikum sofort bewusst, dass sich die Handlung des Stückes überall und nirgends ereignen kann. Auf diese Weise ist der Ton der Szene von einem unaufhörlichen Aufeinanderstoßen von Ernst und Komik und einem plötzlichen Wechsel von Pathos zu Bathos geprägt. [142] Mithilfe einer solchen Adaption der Handlung und dem außergewöhnlichen Bühnenbild zeigt Eugène Ionescos ein einzigartiges dramaturgisches Konzept:
Mais je veux, moi, faire paraitre sur scene une tortue; la transformation en chapeau, en chanson, en cuirassier, en eau de source. On peut tout oser au theatre, [...]. Je ne veux avoir d´autres limites que celles des possibilite techniques de la machinerie.[...] Je me suis propose, pour ma part, de ne reconnaitre d’autres lois que celles de mon imagination. [143]
Vor allem sind die Figuren in Eugène Ionescos Macbett stark modifiziert, sodass sie trotz des gleichen Namens neu gestaltet werden. Sie werden entweder als willkürliche Tyrannen bzw. ihre Mittäter oder abhängige Mitläufer dargestellt, wodurch die vorherige Einteilung der Rollen nach moralischen Kriterien in Shakespeares Vorlage aufgehoben wird. Hier haben sich alle Figuren in dieser verzerrten Welt verirrt und werden auf Marionetten einer Maschinerie der autokratische Hierarchie reduziert, wodurch ihre Charakterisierung außer Kraft gesetzt wird. Gleich zu Beginn deuten die Namen auf die Eigenschaften der Figuren in Macbett hin: Die Schreibweise von Macbett enthält das französisches Wort bête, das so viel wie Idiot oder Narr bedeutet; Banquo wird zu Banco, ein Begriff aus dem Glücksspiel, der beim Baccarat verwendet wird. Cawdor wird zu Candor umgewandelt als ironische Anspielung auf seine Doppelzüngigkeit als Verräter und Verschwörer, und die Figur Malcolm wird hier zu Malcol, ein Name, der phonetisch an Macule (Fleck) und an Lady Macbeths verdammten Fleck in ihrer Hand in Shakespeares Vorlage erinnert. Zudem wird die Figurenrede im gesamten Stück in einer unrhythmischen Alltagssprache wiedergegeben – ein scharfer Kontrast zu dem Blankvers in Shakespeares Drama.
Darüber hinaus ist unschwer zu erkennen, dass die symmetrische Struktur sowohl den Handlungsablauf als auch die Figurenrede betrifft. Sie beinhaltet ein hohes Maß an inhaltlichen und strukturellen Wiederholungen, die die Handlung in ein kreisförmiges Gefüge drängt, sodass diese Symmetrie zu einem der augenfälligsten Merkmale des Stückes wird:
L’emploi immodéré de la répétition qui caractérise le théâtre de Ionesco atteint peut-être son paroxysme dans Macbett. Offrant un panorama de tous les types de répétition, pratiqués à toutes les échelles, Macbett est aussi une réécriture parodique du Macbeth de Shakespeare, plaçant ainsi une nouvelle répétition au fondement même du processus créateur. [144]
Insofern liegt in dieser symmetrischen Struktur der Schlüssel zur Interpretation von Eugène Ionescos Macbett, da sie durch die Wiederholung von Sprache und Handlung nicht nur einen possenhaften Effekt erzeugt, sondern auch die Substituierbarkeit der Figuren betont. Obwohl Ionesco diese Struktur hier nicht zum ersten Mal in seinen Stücken verwendet, scheint er diese dramaturgische Strategie in Macbett zu bevorzugen. Sie wird in diesem Stück hauptsächlich durch die folgende Technik erzielt: Als Erstes schwächt der Autor die Charakterisierung der Figuren ab, indem er ein Ebenbild für sie schafft. Das heißt, dass sie sowohl im Aussehen als auch in ihren Worten und Taten ein sehr hohes Maß an Ähnlichkeit zueinander aufweisen. Ein typisches Beispiel hierfür ist etwa die Beziehung zwischen Macbett und Banco. Als Zweites impliziert das zyklische Handlungsmuster den gewaltigen Kreislauf der Macht, so repräsentiert insbesondere Macols Rede am Ende des Stückes in vollkommener Weise den endlosen Kreislauf der Tyrannei. Darüber hinaus kann die ungewöhnliche Handlung als Gleichnis für die Substituierbarkeit der Figuren verstanden werden, wobei die Hexen durch ihre Verwandlung Lady Duncan und ihre Hofdame vortäuschen. Auf diese Weise zeigt diese Substituierbarkeit nicht nur das absurde Wesen des Machtkampfes auf, sondern auch wie die Geschichte durch die endlosen Revolten immer wieder in einen apokalyptischen Zyklus gerät.
Außerdem fällt auf, dass auch die Regieanweisungen in Eugène Ionescos Macbett eine bedeutende Rolle spielen. Während diese in Shakespeares Macbeth kaum in Erscheinung treten, ist ihr Anteil im Verhältnis zum Haupttext bei Eugène Ionescorelativ umfangreich. Anders als die Regieanweisungen von Shakespeares Macbeth,die hauptsächlich die Beschreibung des Schauplatzes sowie die Auftritte und Abgänge von Figuren beinhalten, sind die Licht- und Toneffekte und die Szenerie in Eugène Ionescos Anweisungen eingeschlossen, wodurch die Relevanz der aktuellen Bühnentechnik für die Entwicklung der Handlung deutlich hervorgehoben wird. Entsprechend hat der Autor die Bedeutung der nicht textuellen Elemente in Macbett folgendermaßen beschrieben: „Mais tout est langage au theatre: les mots, les gestes, les objets, l´action elle-meme car tout sert a exprimer, a signifier“[145].Auf diese Art und Weise wird die Eigenständigkeit der verschiedenen nicht textlichen künstlerischen Medien des Theaters wie Bühnenbild, Klangelemente, Lichteffekte, die Kostüme der Schauspieler und andere Elemente in den Vordergrund gerückt. In diesem Sinne wird der nicht dramatische Text zu einem weiteren Mittel für die Gestaltung der Handlungsablaufs, da Letzterer nicht mehr von der Figurenrede dominiert wird. Neben dem direkten Einfluss von Licht, Klang und Bühnenbild auf die Entwicklung der Handlung werden einige Nebenhandlungen in die Regieanweisungen integriert. Diese Nebenschauplätze sind zwar von der Figurenrede unabhängig, sie dienen jedoch nicht nur als Bestandteil der Haupthandlung, sondern weisen auch auf die Motivation der Figuren hin. So beschreibt z. B. die Regieanweisung, wie der Limonadenverkäufer schließlich von den Soldaten getötet wird oder wie die Rebellen nacheinander enthauptet werden. Es wird erwähnt, wie Duncan und Lady Duncan ihren Nachmittagstee genießen, während sie die Enthauptung auf der Guillotine beobachten, welche Bewegungen die Hexen während der Verwandlung konkret ausführen oder wie die Kranken reagieren, wenn Duncan sie heilt, usw. Daher sind die Regieanweisungen nicht nur als Hinweise für die Inszenierung zu sehen, sondern auch als unentbehrlicher Bestandteil der gesamten Handlung, indem sie dem Rezipienten mehr Details zur Nachvollziehbarkeit liefern.
3.3 Zur Figurenanalyse in Eugène Ionecos Macbett
3.3.1 Macbett und Banco: gegenseitige Ebenbilder und zugleich Schatten
In einem Interview erläutete Eugène Ionesco die Änderung des Titels seines Theaterstückes von Macbeth in Macbett dahin gehend, dass er durch diese kleine Modifikation sein Stück von Shakespeares Vorlage unterscheidbar machen wollte: „J’ai terminé ma pièce, Macbett, avec deux t, pour qu’on ne la confondes pas avec la pièce de Shakespeare“[146]. Damit wollte er zudem zum Ausdruck bringen, dass er das Image von Macbett abweichend von der gleichnamigen Figur in Shakespeares Vorlage gestalten wollte. Doch generell dient die Umbenennung der Figuren in dem Stück nicht nur dazu, sie von ihren Namensvettern bei Shakespeare zu unterscheiden, sondern sie impliziert die Merkmale der Figur in Macbett. Auf dieser Grundlage wird die Beziehung zwischen Macbett und Banco symmetrisch dargestellt, denn zunächst verbinden sich die beiden wie Zwillinge miteinander, doch im Verlauf der Handlung werden sie gegenseitig zu ihrem Schatten.
In Eugène Ionescos Macbett sind beiden Protagonisten unverheiratete Junggesellen. Vorerst zeigen sie sich als Duncans treue Anhänger und ihre nahezu übereinstimmenden Eigenschaften werden durch ihren fast identischen Monolog deutlich, mit dem Macbett und Banco die ausführlichen Szenen des Krieges beschreiben. Sie berichten auf die gleiche Weise von den brutalen Szenen: „The bloated bodies of the dead have sucked up all the water from the lakes in which they throw themselves“[147], während sie gleichzeitig ihre eigenen Erfahrungen mit dem Holocaust gelassen schildern:
I've had hundreds and hundreds of others executed by firing squad. Thousands of others were roasted alive when I set fire to the forests where they'd run for safety. Tens of thousands of men, women, and children suffocated to death in cellars, buried under the rubble of their houses which I'd blown up. Hundreds of thousands were drowned in the Channel in desperate attempts to escape. Millions died of fear or committed suicide. Ten million others died of anger, apoplexy, or a broken heart. [148]
Keiner von ihnen empfindet Reue oder Schuld, denn sie sind der Ansicht, dass alle, die sie töten, den Tod verdienen – egal ob Männer, Frauen oder Kinder: „They were all traitors, of course. Enemies of the people and of our beloved sovereign, the Archduke Duncan, whom God preserve“[149]. Beiden Figuren ist klar, dass sie Duncans Befehlen bedingungslos gehorchen sollten. Zu diesem Zeitpunkt sind sie sich in ihren Worten, den Taten und dem Aussehen äußerst ähnlich, sodass Lady Duncan sie miteinander verwechselt, als sie Macbett und Banco auf dem Schlachtfeld trifft. Nachdem die Revolte unterdrückt wurde, zeigen die beiden ihre Dankbarkeit für Duncans heuchlerische Belohnung auf dieselbe Weise:
MACBETT (to DUNCAN) Thank you, my lord.
BANCO (to DUNCAN) Thank you, my lord.
MACBETT (to DUNCAN) We would have been faithful.
BANCO (to DUNCAN) We would have been faithful.
MACBETT Even if you hadn't rewarded us.
BANCO Even if you hadn't rewarded us.
MACBETT Serving you is its own reward.
BANCO Serving you is its own reward. [150]
Jedoch hält diese Loyalität aufgrund von Duncans Gier und Selbstsucht nicht lange an. Mit der Verführung der Hexen gerät Macbetts Treue zu Duncan ins Wanken und er beschließt, seinen Herrn zu ermorden. Andererseits hat sich auch in Banco Zorn angestaut, als Duncan sein Versprechen bricht. Daher hat auch er nun vor, diesen zu stürzen, und stimmt zufällig mit Macbetts in dieser Idee überein:
MACBETT We'll use other arguments. More cogent ones. Then perhaps he'll understand. If not we'll try again. With even stronger arguments .
BANCO Duncan is stubborn.
MACBETT Very stubborn. Stubborn . . . ( He looks left and right. ) . . . as stubborn as a mule. Still, even the stubbornestmule can be made to budge.
BANCO Made to, yes.
[...]
MACBETT He owes us everything.
BANCO More than he can pay.
MACBETT Not to mention the rest.
BANCO My honor.
MACBETT My glory.
BANCO Our ancestral rights.
MACBETT My property.
BANCO The right to make more and more money.
MACBETT Self rule.
BANCO To run our own affairs.
MACBETT We must drive him out.
BANCO Lock, stock and barrel. Down with Duncan.
MACBETT Down with Duncan ! [151]
In dem Augenblick, in dem sich die beiden dazu entschließen, Duncans Herrschaft zu Fall zu bringen, zeigen Macbett und Banco eine erstaunliche Ähnlichkeit zum Glaimiss und Candor, die sich zu Beginn des Stückes heimlich verschwören und gegen Duncan rebellieren. An dieser Stelle erweist sich der Dialog zwischen Banco und Macbett als nahezu identisch zum Gespräch zwischen Glaimiss und Candor. Anhand einer solch symmetrischen Struktur ist zu erkennen, dass sie nicht nur zur Erheiterung dient, sondern auch den Kreislauf der Geschichte impliziert, verursacht durch die sich wiederholenden Revolten: „History is repeating itself in a predictable way: a sovereign is in power and the subjects rouse themselves to revolt with the same catch phrases as though learned by rote in school for just such an occasion“[152].
Jedoch kennzeichnet die Begegnung mit den Hexen auch den Beginn des Zusammenbruchs der Beziehung zwischen Macbett und Banco. Von nun an werden die beiden allmählich zu Schatten voneinander, denn sie müssen das Unbehagen und sogar die Angst ertragen, die der jeweils andere mit sich bringt. Zuerst hegt Banco eine ernsthafte Abneigung gegen Duncans Taten und wird allmählich misstrauisch gegenüber Macbett, weshalb er in dessen Schatten steht. Andererseits ist Macbett zwischen seiner Freundschaft zu Banco und der Prophezeiung der Hexe ihm gegenüber hin- und hergerissen. In dem Moment, in dem beide Figuren ihre inneren Überzeugungen preisgeben, fällt auf, dass beide zwar nicht gleichzeitig auf der Bühne auftreten, ihre Monologe jedoch inhaltlich miteinander verbunden sind. Das bedeutet, als Banco seine Zweifel äußert, antwortet Macbett im Monolog auf dessen Fragen, als ob sie sich miteinander unterhalten würden:
BANCO Well, how about that then? The witch was right. Where did she get her information? Does she have a contact at court? [...] Did Macbett plot to gain the title? Could my loyal friend and companion be a swindler? Is Duncan so ungrateful that he can disregard my efforts and the risks I've taken, the dangers I've undergone to defend him and keep him from harm? Is there no one I can trust? And shall I then suspect my brother, my faithful dog, the wine I drink, the very air I breathe?[...]
MACBETT [...] A messenger from the Archduke has summoned me to court. [...] I tried to tell Duncan that I didn't want him to dispossess Banco in my favor. I tried to tell him that Banco and I were friends and that Banco hadn't done anything to de serve such treatment, that he had served his sovereign loyally.[...] [153]
Auf diese Weise geht die Verbindung zwischen beiden Figuren allmählich von einer Zwillings- in eine gegenseitige Schattenbeziehung über, sie verwandeln sich sozusagen in eine Projektion der inneren unbehaglichen Gedanken des anderen. Doch diese Beziehung offenbart auch bald die Spaltung, denn als Macbett schließlich gekrönt wird, erreicht Bancos Unzufriedenheit einen neuen Höhepunkt. Genauso wie er sich einst über Duncan brüskiert hatte, ist er nun auch von Macbett verärgert, weil er für seine Leistungen nicht entsprechend entlohnt wird. Gleichzeitg ist er neidisch auf dessen Ruhm und seinen Erfolg, daher entschließt er sich Macbett zu kontrollieren:
BANCO [...] So Macbett is to be king; Baron Candor, Baron Glamiss, then king as from tomorrow. One by one the witches' predictions have come true. One thing they didn't mention was the murder of Duncan, in which I had a hand. [...] So Macbett gets everything while I get nothing. What an extraordinarily successful career: wealth, fame, power, a wife. He's got everything a man could possibly want. I struck down Duncan because I had a grudge against him. But what good has it done me? True, Macbett has given me his word. He said I could be chamberlain. But will he keep his promise? I doubt it. [...] I'm sorry nowand I haven't any of Macbett's advantages, his success, his fame, to stifle my remorse. [...] Now I'm consumed with envy and jealousy. They've taken the lid off my ambition and here I am carried away by a force. [...]Once I'm married, once I've started a family, once I'm chamberlain, I'll curtail Macbett's powers. I'll be his eminence gris. [...] [154]
Allerdings wird dieser Monolog zufällig von Macbett belauscht, und so tötet er Banco, um seine eigene Herrschaft aufrechtzuerhalten. Jedoch kehrt sich die Beziehung zwischen Macbett und Banco mit dessen Tod um: Der Verstorbene wird zum Schatten des Lebenden, der auf unerwartete Weise sein Schicksal beeinflusst. Bei Macbetts Bankett kommt es zu einem Streit zwischen ihm und Bancos Geist:
BANCO Scum ! All I can do now is curse you .
MACBETT You can't make me feel any remorse. If I hadn't killed you first, you'd have killed meas you did Duncan. You struck the first blow, remember? I was going to make you chamberlain, but you wanted to rule inmy place.
BANCO As you took Duncan's place, who made you Baron twice over.
MACBETT (to the GUESTS ) There's no cause for alarm. What are you so frightened of? To think I choose my generals from among these crybabies .
BANCO I trusted you, I followed you, then you and the witches put a spell on me.
MACBETT You wanted to substitute your progeny for mine. Well, you didn't get very
far. All your children, your grandchildren, your greatgrandchildren, died in your seed before being born . Why call me names? I just got there first, that's all.
BANCO You're in for some surprises, Macbett. Make no mistake. [155]
Anfangs sorgt sich Macbett nicht um Bancos Fluch, doch bald ereignen sich mehrere schwerwiegende Vorfälle: Zuerst erfährt Macbett, dass Lady Duncan tatsächlich von einer Hexe vorgetäuscht wird, und daraufhin enthüllt die echte Lady Duncan Macols wahre Identität: Er ist der Sohn von Banco und einer Antilope. Schockiert seufzt Macbett: „Accursed hags. The most cruelly ironic fate since Oedipus“[156]. Letztendlich wird er von Macol erstochen, sodass sich die Prophezeiung der Hexe erfüllt:„You won't be king. But you'll be greater than Macbett. Greater than Macbett. You will found a dynasty which will rule over our country for a thousand years. You will be greater than Macbett root and father of many kings“[157]. Auf diese Weise treibt Bancos Fluch auch Macbett in den Tod. Sein scheinbar unlogisches Ende verdeutlicht im Prinzip eine andere Form der Wiederholung, die eine brutale Wahrheit des Machtwechsels enthüllt: Angesichts des ewigen Machtkampfes in der mechanischen Bewegung der Geschichte stürzen die Machthaber in nur einem Augenblick von der Spitze der Macht auf den Grund der Zerstörung.
3.3.2 Der Erzherzog Duncan: Ein anderer Papa Ubu
Die Rolle des Duncan ist in Macbett völlig anders dargestellt als in Shakespeares Vorlage. Zwar stellen die beiden Figuren in der Tat den obersten Herrscher eines Staates dar, ihre sozialen Identitäten sind jedoch nicht identisch: Während Duncan bei Shakespeare eindeutig als König von Schottland definiert ist, wird er in Mabett nur als Erzherzog bezeichnet. Dieser Identitätswechsel vom „König“ zum „Erzherzog“ erinnert die LeserInnen an das politische Umfeld im Europa während Ersten Weltkriegs: Es setzte sich aus zahlreichen Herzogtümern zusammen, weshalb Rosette C. Lamont argumentiert, dass diese neue Identität Duncans als Erzherzog auf den Schatten des Ersten Weltkriegs hinweist. [158] Bis zu einem gewissen Grad ergibt diese Ansicht Sinn, zumal die Holocaust- und Kriegsszenen in Macbett immer wieder an die Brutalität des Zweiten Weltkriegs als Fortsetzung des Ersten erinnern. Allerdings ist die Gestaltung der Figur des Duncan in Eugène Ionesco Macbett eigentlich eng mit Papa Ubu in Alfred Jarrys Ubu Roiverbunden.Während er in Shakespeares Vorlage als wohlwollender und aufgeklärter König erscheint, ist er in Macbett ein Heuchler: Zuerst wird er von Macbett und Banco als großzügiger, wohlwollender und mutiger Herrscher wahrgenommen, doch in Wahrheit ist er ein willensschwacher Tyrann, dessen Feigheit durch den Krieg unmittelbar zum Vorschein kommt. Später sehen sich Macbett und Banco durch ihn verärgert, als er sein Versprechen aus boshafter Gier absichtlich bricht. In dieser Hinsicht ist Duncans Charakter eindeutig von Papa Ubu geprägt, der als Usurpator ebenso gierig und feige dargestellt wird.
Zuvor beginnt Macbett mit der Szene, in der Glaimiss und Candor im Geheimen eine Rebellion planen, doch dann offenbart sich Duncans Unersättlichkeit im Gespräch zwischen ihnen deutlich:
CANDOR The fat of our chickens.
GLAMISS Of our sheep.
CANDOR Of our pigs.
GLAMISS Swine.
CANDOR Of ourbread.
GLAMISS Ten thousand chickens, ten thousand horses, ten thousand recruits.What does he do with them? He can't eat them all. The rest just goes bad.
CANDOR And a thousand young girls.
GLAMISS We know what he does with them. [159]
Da Candor und Glaimiss Duncans unersättliche Gier und seine endlose Ausbeutung nicht mehr ertragen können, beschließen sie, dessen Tyrannei zu bekämpfen, doch die Revolte wird letztlich von Macbett und Banco brutal niedergeschlagen. Dazwischen tritt Duncan als feiger und benommener Diktator in Begleitung von Lady Duncan und dem Offizier auf. Kurz darauf zeigt er ungeheuere Angst, als würde er bald ums Leben kommen, und fängt sogar an, seine Flucht zu planen:
DUNCAN Has Candor been defeated. If so, have they executed him? Have they killed Glamiss as I ordered? [...] What if Macbett and Banco have been routed ? [...] If they've been beaten, where can I hide? The king of Malta is my enemy. So is the emperor of Cuba. And the prince of the Balearic Isles. And the kings of France and Ireland, and what's more, I've got lots of enemies at the English court. Where can I hide? [...] I don't seem to have much choice. In any case I'm going to take one or two precautions. Saddle my best horse, the one who doesn't kick, and get my launch ready, the most stable vessel on the seven seas, the one with all the lifeboats. If only I could give orders to the moonmake it full, and order the stars to come out. For I really should travel by night. That's the safest thing. Safety first, I always say. I better bring a little money along, just in case. But where shall we go? Canada perhaps, or the United States.
OFFICER just wait a little while. Don't lose heart. [160]
Offensichtlich kümmert sich Duncan gar nicht um den Kampf an vorderster Front und die Sicherheit seiner Soldaten, sondern ist zu jeder Zeit bereit zu fliehen. Kurz darauf trifft er auf einen verwundeten Soldaten, der jedoch nicht über die Kampfsituation an der Front informiert ist, da er nicht einmal weiß, welchem Lager er angehört. Nun befielt Duncan der Lady, an seiner Stelle an die Front zu gehen, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Mit sehr viel schwarzem Humor wird beschrieben, wie Duncan seine Feigheit zeigt, indem er Lady Ducan empfiehlt, dem Schlachtfeld nicht zu nahe zu kommen: „Quickly, take one of the horses, trot up to the front, then come back and tell me what's going on . Don't get too near though. I'll look through my telescope“[161]. Anhand seines Handelns kommt seine Mutlosigkeit noch deutlicher zum Ausdruck. Durch seinen anschließenden akribischen Fluchtplan treten die Parallelen zwischen ihm und Papa Ubu noch stärker hervor. Als Papa Ubu beispielsweise erfährt, dass der Zar eine Armee zusammengestellt hat, um ihn zu vernichten, behauptet er, wegen der fehlenden Finanzierung nicht in der Lage zu sein, sich rechtzeitig auf den Krieg vorzubereiten. Daher könne er dem Angriff des Zaren keinen Widerstand entgegensetzen, woraufhin er vor Angst aufschreit (III.7) :
Ho! Ho! I am afraid! Ha, I think I’m dying. Oh poor man that I am. What’s to become of me, great God? This mean man is going to kill me. Saint Anthony and all the saints, protect me! I will give you money and I will burn candles for you. Lord, what’s to be done? (He weeps and sobs) [162]
Aus Angst entscheidet sich Papa Ubu sofort zur Flucht (IV.4): „Ah, I’ve had enough. It rains lead and iron here and we could damage our precious person. Let’s descend“[163]. Als der feige Mann sieht, dass die polnische Armee von den Soldaten des Zaren angriffen wird, gerät er in Panik(III.8): „Hey, Mama Ubu, give me my breastplate and my swagger stick. I’m soon going to be so loaded down I won’t be able to walk if I’m pursued“[164]. In diesem Betragen zeigen Eugène Ionescos Duncan und Alfred Jarrys Papa Ubu eine verblüffende Ähnlichkeit.
Kurz darauf wird die Nachricht über den Sieg verbreitet. Als Duncan davon erfährt, ändert er sofort sein Verhalten und hält vor dem Publikum eine Rede, die in jeder Hinsicht heuchlerisch wirkt. Eugène Ionesco hat hier für den Erzherzog Duncan die Art von schwülstiger Rhetorik eingesetzt, die bei solchen Gelegenheiten häufig zu hören ist:
DUNCAN Thank you, my dear generals, and thank you, my gallant soldiers, who saved my country and my throne. Many of you laid down your lives in the struggle. Thank you all again, dead or alive, for having defended my throne . . . which, of course, is also yours. When you return home, whether it be to your humble villages, your lowly hearths, or your simple but glorious tombs, you will be an example to generations to come, now and in the future and, better still, in the past; they will keep your memory alive for hundreds and hundreds of years, in word and deed, voiceless perhaps but ever present, in fame or anonymity, in the face of an undying yet transient history. Your presence, for even though absent you will be present to those who, whether they can see you or not, shall gaze lovingly at your photographs your presence will serve as a pointer, tomorrow, and in the future, to all those who are tempted not to follow your example. As for the present, continue as you have done in the past, to earn your daily bread as gallantly as ever by the sweat of your brow, neath the sun's burning rays and under the watchful eye of your lords and masters who love you despite yourselves and whatever your shortcomings have a higher opinion of you than you might imagine. You may go. [165]
Mit ihrer zynischen Leidenschaft wirkt diese Rede auf den ersten Blick wie eine Trauerrede, mit der der wohlwollende Erzherzog an seine toten und verwundeten Soldaten erinnert. Doch während er die Opfer würdigt und ihnen die höchste Anerkennung zollt, nutzt er diese leere Huldigung absichtlich als Werkzeug zur Manipulation im Dienste einer Moral der Loyalität und des Patriotismus. Damit wird der Masse suggeriert, dass die höchste Ehre, die im Dienste eines Erzherzogs zu erlangen ist, darin besteht, dem Herrscher um jeden Preis zu dienen. Allerdings handelt es sich zweifellos um eine Ironie, dass dieser Sieg im Austausch gegen unzählige Leben erreicht wird, nur um den feigen und brutalen Herrscher zu schützen. Nach seiner Rede ist Duncan sehr mit sich zufrieden, so als hätte er gerade eine brillante Vorstellung gegeben, da ihm nichts mehr gefällt als das Gefühl, von seinen Untertanen umschmeichelt zu werden. Unter dem Applaus und dem Lob der Masse fragt er Lady Duncan stolz: „Nicely put, don't you think?“ [166] Eine solche Rede, die auf den ersten Blick sehr bewegend erscheint, ist kaum mehr als die Darbietung eines eitlen Herrschers. Doch nach dieser Rede ist Duncan vor allem darum bemüht, seinen Sieg zu sichern. Was für ihn tatsächlich zählt, sind die Gefangennahme und die Hinrichtung der Rebellenführer Glaimiss und Candor. Darauf folgt nun die Szene, in der Duncan und seine Lady die Enthauptung Candors und seiner Soldaten mitverfolgen. Dabei wird die Bühne in einem grotesk hybriden Stil dekoriert: Unweit der Guillotine bereitet der Kellner Sessel für Erzherzog Duncan und Lady Duncan sowie Tee und delikate Snacks vor. Somit erscheint die Betrachtung der Enthauptung der Rebellen für sie als eine Art von Unterhaltung zu ihrem Nachmittagstee. Danach werden 137.000 Soldaten nacheinander enthauptet, und Lady Duncan zählt nebenbei die Enthaupteten, bis sie sich am Ende langweilt. Doch Glaimiss flieht, sodass Duncan Macbett und Banco befiehlt, ihn am nächsten Tag zu verhaften. Die Hälfte der Ländereien, die Duncan Macbett und Banco zuvor geschenkt hatte, werden nun von ihm unter dem Vorwand der Steuerzahlung beschlagnahmt. Am folgenden Tag erfährt Duncan, dass Glaimiss ertrunken ist, und weigert sich nun, Banco sein vorheriges Versprechen zu erfüllen, womit er ihn sehr verärgert. Auf diese Weise wird Duncans Image als gerechter und aufrechter Herrscher in Bancos Wahrnehmung vollständig erschüttert. Letztlich führt dieser Schritt dazu, dass er später von Banco und Macbett ermordet wird. Ironischerweise wird Duncan schließlich während seiner Gebetszeremonie ermordet, bei der er Kranke heilt und für sie betet. In Eugène Ionescos Macbett wird Duncan mit einer Gabe zum Heilen versehen, wodurch er eindeutig als Parodie auf König Edward in Shakespeares Macbethdargestellt wird. In der Vorlage wird Edward als frommer und heiliger König präsentiert, doch im Gegensatz dazu ist Duncan in Macbett ein offensichtlich unersättlicher, selbstsüchtiger und feiger Tyrann. Als Duncan von Macbett, Banco und Lady Macbett, die sich als Patienten verkleidet hatten, angegriffen wird, gerät er in Panik und ruft mehrmals „Murder“ – seine letzten Worte vor seinem Tod. Nach seiner Ermordung zieht Duncan sich jedoch nicht aus der Handlung zurück. Beim Bankett etwa bringt Macbett seine Wut und sein Unbehagen zum Ausdruck, indem er beobachtet, dass sich sein Porträt in Duncans Abbild verwandelt, doch niemand außer ihm bemerkt diese Veränderung. Dies kann nach der Regieanweisung so verstanden werden, dass entweder Macbett sein eigenes Porträt mit Duncans verwechselt oder dass dessen Geist beim Bankett erscheint. Auffällig ist, dass Duncan in Macbett im Gegensatz zu Shakespeares Vorlage die Figur ist, die sich durch die gesamte Handlung hindurchzieht. Infolgedessen ist Macbett vom Anfang bis zum Ende derart stark von ihm beeinflusst, dass der neue Herrscher, Macbett, auch nach seinem Tod in dessen Gewalt steht, seinem Terror unterworfen ist und unweigerlich zu einem Tyrannen wie ihm wird. Insofern lohnt sich die folgende Schlussfolgerung: In den mechanischen Ketten der Macht findet die neue Tyrannei ihren Ursprung stets im alten Terror, der sich wie Krebszellen ausbreitet und letztendlich das neue Regime tötet.
3.3.3 Lady Duncan und die Hexen: Symbol der Verirrung bzw. Verwirrung
In Eugène Ionescos Macbett werden Frauenfiguren als gefährlich und böse beschrieben, und zwar nicht nur wegen des grausamen und kaltblütigen Charakters der Lady Duncan, sondern auch wegen der besonderen Beziehung zwischen ihr und der ersten Hexe: Durch die Verwandlung verwirren die Hexen Macbett, indem die Hexe vortäuscht, Lady Duncan zu sein, und schließlich ihn und Banco davon überzeugt, Duncan zu ermorden. Doch am Ende führen die Hexen Macbett in die Irre und zerstören seine Hoffnung, Lady Duncan heiraten zu können. Dadurch wird die einzelne Frauenfigur durch die Verwandlung der ersten Hexe mit den gefährlichen und bösen Hexen gleichgesetzt. Ob Eugène Ionesco so weit gegangen wäre, mit Nancy Lane anzunehmen, dass „The strongly misogynistic bent that pervades Ionesco’s theater is quite evident in this play“[167], mag dahingestellt bleiben. Es ist jedoch nicht zu leugnen, dass nicht der politische Ehrgeiz im Mittelpunkt steht, sondern Lady Duncans sexuelle Verführung, die als die ursprüngliche treibende Kraft zu Duncans Ermordung führt. Auf dieser Grundlage sind die Frauengestalten in Macbett sehr negativ gekennzeichnet.
Obwohl eine untrennbare Verbindung zwischen Lady Duncan und den Hexen besteht, ist es dennoch wichtig zu erwähnen, dass die Lady Duncan nicht mit den Hexen verwechselt werden sollte, zumal sie eine völlig eigenständige Figur ist, bevor die Hexen die Bühne betreten. Nachdem Macbeth und Banco die Revolte niedergeschlagen haben, erscheint Lady Macbeth in auffällige Weise auf dem Schlachtfeld: „She is wearing a crown and a long green dress with a flower on it. She is the only character in the play who dresses with a certain flair“[168]. Im Gegensatz dazu fallen die anderen Figuren in Bezug auf die Kostüme und ihr Aussehen gar nicht auf, sodass sie unter den vielen Personen auf der Bühne absichtlich hervorsticht und Macbett und Banco sofort von ihr angezogen werden. Dies ist der Auslöser für Macbetts sexuelle Begierde nach Lady Duncan, die jedoch später von der ersten Hexe imitiert wird. Ironischerweise spielt die Lady aufgrund von Duncans Feigheit vielmehr seine persönliche Wächterin und hilft ihm bei der militärischen Aufklärung. In der Szene, in der Duncan mit dem verwundeten Soldaten spricht, zeigt die Lady außerdem zum ersten Mal ihre Grausamkeit und Kaltblütigkeit: Als der Herrscher den verwundeten Soldaten trotz seines Stöhnens für einen Verräter hält, zieht Lady Duncan sofort den Dolch heraus, um ihn zu töten und ihn so zum Schweigen zu bringen. Ihre einzige Bemerkung, als er zum Sterben von der Bühne stolpert, lautet: „Well, at least he is polite. Unusual for a soldier“[169]. In der anschließenden Szene von Candors Hinrichtung wird den LeserInnen jedoch plötzlich wieder bewusst, dass sich Lady Duncan völlig von Lady Macbeth aus Shakespeares Drama unterscheidet: In Eugène Ionescos Macbett genießt sie anmutig ihren Nachmittagstee auf der Guillotine, und der Kellner stellt ihr Handtücher, Waschbecken und Seife bereit. Danach benutzt die Lady sogar Eau de cologne, um sich die Flecken an den Händen abzuwaschen. Diese Szene ist eine eindeutige Parodie auf den Augenblick, in dem Lady Macbeth in Shakespeares Vorlage nach Duncans Ermordung ungeheuere Angst empfindet (V.5, V. 57-60): „What, will these hands ne'er be clean?—No more o' / that, my lord, no more o' that. You mar all with this / starting.Here’s the smell of the blood still. All the perfumes of / Arabia will not sweeten this little hand“[170]. Insofern zeigt sich der Unterschied darin, dass Lady Duncan in Macbett überhaupt nicht von schlechtem Gewissen geplagt wird, sondern genüsslich die Guillotine beobachtet. Entsprechend werden die Gleichgültigkeit und die Grausamkeit von Lady Duncan kontrastiert, denn die Symbolik des Händewaschens soll nicht den Wahnsinn der Figur suggerieren, sondern den „Wahnsinn der Macht“[171], wodurch die Tragik von Shakespeares Vorlage von Absurdität abgelöst wird.
Obwohl Lady Duncan bis zu dieser Szene eine völlig eigenständige Figur ist, gilt die darauf folgenden absurde Ehebruchszene als Ausgangpunkt für die Verbindung zwischen ihr und der ersten Hexe. Während der Enthauptung der Rebellen zählt die Lady die abgetrennten Köpfe und legt gleichzeitig ihre Hand auf Macbetts Knie, eine Geste, die ihn völlig überrascht. Jedoch gelingt es ihr, Macbett zu betören und seine Begierde zu wecken. Genau aus diesem Grund verwandelt sich die erste Hexe später in Lady Duncan, um Macbett zu verführen, da ihr dessen Begierde nach der Lady Duncan bekannt ist. Während Macbett und Banco nach dem entflohenen Glaimiss suchen, treffen sie in der Heide auf die Hexen, die ihre Zukunft vorhersagen. Dadurch verlocken sie Macbett dazu, Duncan zu ermorden, und provozieren zugleich absichtlich gegenseitiges Misstrauen zwischen ihm und Banco. Zunächst werden Macbett und Banco durch den Schneesturm voneinander getrennt, sodass sie den zwei Hexen jeweils allein begegnen. Dies verschafft den Hexen die Gelegenheit, mit den beiden Figuren einzeln zu sprechen, wobei sie sich fast auf die gleiche Weise mit ihnen unterhalten. Erst sagen sie Macbett seine Zukunft vorher und teilen ihm mit, dass Glaimiss tot ist. Darüber hinaus enthüllt ihm die erste Hexe seinen wahren inneren Zustand: ängstlich, aber ehrgeizig:
FIRST WITCH I heard you. I can read your thoughts. I know what you're thinking now and what was going through your mind a few moments ago.[...]. You ad mitted you were afraid. [...] Our knowledge is limited, but I can see that, whether you are aware of it or not, your ambition has been kindled. Whatever explanations you may give yourself they are false; they only conceal your true intent. [172]
Es gelingt ihnen, in Macbett die Gier und die Unzufriedenheit mit Duncan zu wecken. Gleich darauf geben sie vor, Gerechtigkeit für Macbett zu suchen, indem sie wiederholt betonen, dass Duncan ihn benutzt und ausbeutet:
FIRST WITCH We're here to open your eyes.
SECOND WITCH We only want to help you.
FIRST WITCH It's for your own good.
SECOND WITCH Justice is all we ask.
FIRST WITCH True justice. [173]
Kurz danach begegnen sie Banco und sagen ihm ebenfalls seine Zukunft voraus. In diesem Dialog teilen sie ihm obendrein mit, dass Glaimiss ertrunken ist und Duncan Macbett nun dessen Titel und sein Land übergeben wird, was ursprünglich Banco zugesagt worden war. Der Zweck dieser Prophezeiungen liegt darin, Bancos Hass auf Duncan und Macbett zu schüren, zumal sie ihm mitteilen, dass Macbett an seiner Stelle zum Thane of Glaimiss ernannt werden wird:
BANCO The title alone would have been enough. Why should Duncan wish to deprive me of it? No, Duncan is loyal. He keeps his promises. Why should he give the title to Macbett. Why should he punish me? Why should Macbett have all the favors and al the privileges ?
SECOND WITCH Macbett is your rival. Your successful rival.
BANCO He is my companion. He is my friend. He is my brother. He is loyal.
THE TWO WITCHES He thinks he's loyal. He thinks he's loyal. (They laugh.) [174]
Damit beginnen sie, Zwietracht zwischen Banco und Macbett zu säen. Die Hexen erzählen Banco schließlich von der Prophezeiung, dass Macbett Duncan als Erzherzog ablösen wird. Ihr Ziel ist es, ihm trotz der Ungerechtigkeit und des Verrats, die er zu diesem Zeitpunkt erlitten hat, zu suggerieren, dass seine Nachkommen Macbett als Machthaber ablösen werden. Auch wenn diese Prophezeiung weitgehend mit der in Shakespeares Vorlage übereinstimmen mag, ist sie in diesem Kontext als ein Komplott der Hexen zu verstehen, um Banco anzustacheln. Obwohl Banco ihnen anscheinend nicht glaubt, erwecken die Worte der Hexen in ihm einen Verdacht, wie in seinem späteren Monolog deutlich wird:
BANCO Did Macbett plot to gain the title? Could my loyal friend and companion be a swindler? Is Duncan so ungrateful that he can disregard my efforts and the risks I've taken, the dangers I've undergone to defend him and keep him from harm? Is there no one I can trust? And shall I then suspect my brother, my faithful dog, the wine I drink, the very air I breathe? [175]
Im Gegensatz dazu lehnt Banquo in Shakespeares Drama die Vorhersage der Hexen zweifellos ab, doch in Eugène Ionescos Macbett erreichen sie ihr Ziel, eine Spaltung zwischen Macbett und Banco herbeizuführen. Daher wird das von den Hexen gezeichnete boshafte Bild zunächst durch das Provozieren der Abkehr vervollständigt. Bald darauf erscheinen die Hexen zum zweiten Mal vor Macbett, und zu diesem Zeitpunkt planen sie eine noch größere Überraschung: Die Hexen sind sich der wahren Absichten Macbetts folglich sehr wohl bewusst. Infolgedessen vollziehen die Hexen eine unerwartet groteske Verwandlung: Mit einer Reihe lateinischer Zaubersprüche macht die erste Hexe mit übertriebenen Bewegungen einen Striptease und wird schließlich zu Lady Duncan, die einen glänzenden Bikini und einen schwarz-roten Umhang trägt, mit einem Zepter in der einen Hand und einem Dolch in der anderen. Ein großer Teil der Figurenrede in dieser Szenen ist auf Latein verfasst, um zu demonstrieren, dass Eugène Ionescos Fokus über die Geschäfte zwischen Königsmord und Sex hinausreicht. Was ihn wirklich beschäftigt, ist das endgültige Schicksal der Menschen, die von Macht getrieben werden. Während der Verwandlung der Hexen werden viele lateinische Adverbien und Präpositionen verwendet, die hauptsächlich Alliterationen verfolgen und größtenteils Zeilen aus der Genesis und Virgils Werken darstellen, die den Eindruck von zufälligen, albernen Spielereien erwecken. Zwar haben die meisten dieser Ausdrücke keine besondere Bedeutung, doch ein paar lateinische Worte bilden den Schlüssel zum Verständnis dieser absurden Metamorphose. So enthält diese Szene zwei lateinische Zaubersprüche, die die Hexen zu Beginn der Verwandlung aufsagen: „ad augusta per angusta“ und „alter ego surge“[176]. Jedoch dienen die beiden Maximen hier eindeutig als Mittel, um Macbett zu manipulieren, denn sie entsprechen eigentlich dem, was die Hexe zuvor zu Macbett gesagt hat:„We're here to open your eyes“[177]. Auf dieser Grundlage hat der erste lateinische Ausdruck nicht mehr die Bedeutung, „Schwierigkeiten zu überwinden und Ehre zu erlangen“, sondern die Hexen erinnern Macbett auf diese Weise vielmehr daran, dass er nur durch die notwendigen Maßnahmen Macht erlangen kann. Gleichzeitig impliziert „alter ego surge“ Macbett, dass er sein gegenwärtiges Selbst aufgeben muss, um zu einem anderen werden zu können. Jedoch stellt sich heraus, das es die innere Gier nach Sex und Macht ist, die das „andere Selbst“ zeigt. Anschließend beginnt die Verwandlung der ersten Hexe in Lady Duncan, begleitet von der zweiten Hexe und Macbett, wobei alle „video meliora, deteriora sequor“ [178] singen. Dieser Satz ist ein Zitat aus Ovids Metamorphosen (Buch 7), gesprochen von Medea. Als einziger lateinischer Zauberspruch, der von Macbett und den Hexen siebenmal wiederholt wird, führt er die Verwandlungsszene der Hexe zum Höhepunkt. Daher kann dieser Zauberspruch nicht einfach als klassisches Symbol für das unnatürliche Böse und die Hexerei angesehen werden, sondern impliziert vielmehr ständig das Bedauern darüber, dass bessere Entscheidungen möglich wären, aber Macbett wählt ausgerechnet den schlechteren Weg. Nach der vollendeten Verwandlung der ersten Hexe meint Macbett zu ihr: „Let me be your slave“[179], danach endet die Szene damit, dass Macbett sich ihr unterwirft: „Macbett rolls at Lady Duncan’s feet“[180]. Zu diesem Zeitpunkt ist er gänzlich zu einem Sklaven geworden, der von den Hexen gesteuert wird. Eine Hofdame fasst diese Szene auf satrische Weise mit einem lateinischen Satz zusammen:„Omnia vincit amor“[181]. Darin zeigt sich eine deutliche Abweichung von Shakespeares Drama, in dem Lady Macbeth ihren Ehemann dazu drängt, die Macht zu ergreifen. Im Gegensatz dazu ist in Eugène Ionecos Stück die Verlockung der weiblichen Sexualität die treibende Kraft hinter Macbetts Usurpation anstatt des politischen Ehrgeizes. Dabei fällt auf, dass der lateinische Zauberspruch „video meliora, deteriora sequor“ den Schlüssel der grotesken Verwandlungsszene darstellt, durch den Eugène Ionesco auch seine Sichtweise andeutet: Obwohl der blutige Zyklus der Macht ein schrecklicher Weg ist, gibt es stets viele, die diesen unglücklichen Schritt wählen. Danach beginnt diese Szene, in der zu sehen ist, wie Macbett endgültig den Weg der Zerstörung einschlägt.
Angestiftet von den Hexen ermordet Macbett Duncan, doch gerade als er in der Vorfreude auf seine Krönung und die bevorstehende Hochzeit schwelgt, erscheinen die Hexen als hässliche und schmutzige Gestalten und decken die Wahrheit auf. Daraufhin fliegen sie auf einem Koffer davon und lachen aus Schadenfreude darüber, ihre Mission erfüllt zu haben, sodass „der Boss“ (der Teufel) sich freuen wird und darauf wartet, ihnen ihre nächste Mission zuzuweisen. [182] Nachdem die Hexen verschwunden sind, enthüllt die echte Lady Duncan als weiterer schwerer Schlag für Macbett Macols Identität, sodass er versehentlich von Macol getötet wird.
Somit ist festzustellen, dass sowohl die Hexen als auch Lady Duncan das Schicksal von Macbett stark beeinflussen. All ihre Taten verstärken das Misstrauen, die Spaltung und das Chaos. Falls die unvermeidliche Abwärtsspirale der Geschichte dazu führt, die Männer im Stück zu zerstören, sind die Frauen die Komplizinnen, die diesen Untergang herbeiführen. Folglich werden die Frauenfiguren in Macbettim Grunde negativ dargestellt.
3.3.4 Die symbolischen Figuren
Als Eugène Ionescos einziges Stück, das auf Shakespeares Macbeth basiert, gilt Macbett als das wichtigsten politische Werk unter allen seinen Stücken. [183] Jedoch sind Diskussionen über Politik und Geschichte nicht die einzigen darin aufgegriffenen Themen, denn auch die Einstellung zur menschlichen Existenz ist ein zentraler Gegenstand des Stückes. Zwar hat die Absurdität, die in Eugène Ionescos Werk demonstriert wird, zu Vorwürfen vonseiten der Theaterkritiker geführt, doch Ionesco erklärt sein Schöpfungskonzept wie folgt:
I should say that the true society, the authentic human community, is extra-social - a wider, deeper society, that which is revealed by our common anxieties, our desires, our secret nostalgias. The whole history of the world has been governed by these nostalgias and anxieties, which political action does no more than reflect and interpret, very imperfectly. No society has been able to abolish human sadness, no political system can deliver us from the pain of living, from our fear of death, our thirst for the absolute. [184]
Insofern stehen Humanismus, Angst, Schmerz und das Dilemma der menschlichen Existenz im Mittelpunkt aller seiner Theaterstücke. In Macbett ist die Diskussion dieses Themas nicht nur untrennbar mit Eugène Ionescos Ansichten zu Politik und Ideologie verbunden, sondern kann auch auf sein Interesse an der Religion zurückführt werden.
So dient Eugène Ionescos standhafter Widerstand gegen den Totalitarismus in Macbett als Grundlage seines Machtverständnisses. Seiner Ansicht nach kann Macht nur einen endlosen Wahnsinn erzeugen, der vom verrückten und dummen Verhalten der Figuren im Kampf um die Macht deutlich repräsentiert wird. Wie oben gezeigt, werden der Machtmissbrauch und der Ehrgeiz, die Herrschaft zu übernehmen, durch die zwei Verbindungen der Figuren Candor-Glaimiss sowie Macbeth-Banco zum Ausdruck gebracht: Zu Beginn des Stückes verurteilen Candor und Glaimiss Duncans Gier und seine Ausbeutung und halten ihn für hilflos und gefährlich:
CANDOR He won't lead me up the garden path or sell me down the river.
GLAMISS Sell me up the river or lead me down the garden path.
CANDOR Even in my dreams.
GLAMISS Even in my dreams he haunts me like a living nightmare.
CANDOR We must get rid of them. [185]
Somit beschließen die beiden, Duncans Herrschaft zu stürzen, und zwar nicht nur wegen seiner unersättlichen und verabscheuungswürdigen Gier, sondern auch, weil nur sie ihrer Meinung nach dazu in der Lage sind, eine ideale Herrschaft zu verwirklichen: „We’ll establish justice“[186]. Doch in den folgenden blutigen Szenen bestätigt es sich: Unabhängig davon, wer an der Macht ist, stellen die immerwährenden Instrumente der Macht Gewalt und Unterdrückung dar. Eugène Ionesco zufolge geben die Usurpatoren vor, Pioniere der Gerechtigkeit zu sein, womit ihre wahre Gier nach Macht verschleiert wird. Daher vertritt Ionescos die Ansicht, dass Machtaneignung – egal wie edel die Motive auch sein mögen – nur zur Korruption des neuen Befehlshabers führt. Der Grund, weshalb jedes Machtideal unweigerlich zu Bestechlichkeit führt, ist „Because men personify them, that is to say they personify their own subjective passions, whose theoretical objectivity doesnt fool me. The official position, the decorations, the honors, the reputation of such personages merely mask abominations and profound stupidity [bêtise]“[187]. Dies erklärt auch, warum Macbett und Banco, die ursprünglich Duncan gegenüber loyal waren, schließlich von Machthunger korrumpiert den gleichen Weg einschlagen wie Candor und Glaimiss. Obwohl sie den perfekten Vorwand für ihre Usurpation gefunden haben, kann es sie nicht davon abhalten, von der Spitze der Macht zu stürzen. So zeigt Eugène Ionesco die satirische Szene bei Macbetts Hochzeitsbankett, in der die Ignoranz der Machthaber als Verwirrung über die Wahrheit der Macht gezeigt wird: In dem Moment, in dem Macbett sein eigenes Porträt mit Duncans Konterfei verwechselt und seine Untertanen der Untreue beschuldigt, flüstern diese miteinander: „If myopia is brought on by power?“ [188] und fassen schließlich zusammen:, dass „It happens quite frequently“[189]. Auf diese ironische Weise wird hier angedeutet, dass die Oberbefehlshaber die Wahrheit über die Macht nicht erkennen können und dass sie kurzsichtig sind, wenn sie ihr gegenüberstehen. Doch wecken die Substituierbarkeit des Machtssubjekts und dessen Periodizität Ängste, die ans Gesetz des Dschungels erinnern. In diesem Verlauf der Geschichte gibt es keine Gerechtigkeit, wie es Candor vor der Hinrichtung formuliert:
DUNCAN (to CANDOR) You're going to pay for your treachery.
CANDOR And pay dearly. I have no illusions. If only I had won. The victor is always right. Vae victis.
[...]
CANDOR History is right, objectively speaking. I'm just a historical dead end. I hope at least that my fate will serve as an example to you all and to posterity. Throw in your lot with the stronger. But how do you know who the stronger is, before it comes to the crunch? The masses should keep out of it until the fighting is over and then throw in their lot with the winner. The logic of events is the only one that counts. Historical reason is the only reason. There are no transcendental values to set against it. [190]
Was Candor vor der Hinrichtung behauptet, gilt als Analogie zum Gesetz des Dschungels. Gleichzeitig ist seine Aussage „The victor is always right“ eine ironische Variante der Einleitung von La Fontaines Fabel Le Loup et l’Agneau mit ihrem berühmten Sprichwort: „La raison du plus fort est toujours la meilleure“. Eine solche Behauptung offenbart, dass Macht ein Ausscheidungsspiel ist: Außer ihr selbst wird alles in einem solchen mechanischen Kreislauf ersetzt, aufgegeben und schließlich vernichtet. Aus diesem Grund verschwindet die Masse, die vorher Macols Sieg gefeiert hat, nach der Rede von Macol plötzlich von der Bühne, da die Gewalt als ewige Wiederkehr des Bösen die Angst der Menschen hervorruft. Dies geschieht, indem sie das kollektive psychologische Trauma in Form eines politischen Albtraums aktiviert, der die ultimative Todesangst vor extremen Ereignissen wie dem Holocaust widerspiegelt. Allerdings symbolisiert eine solche Angst gleichzeitig die Verzweiflung angesichts einer düsteren Zukunft und dem Untergang der Geschichte, wie auch Eugène Ionesco in seinem Interview mit seinem Blick auf die apokalyptische Historie beweisen hat: „Violence goes forever beyond the necessity of violence, since, once it has asserted itself, it turns out to be more violent than the violence it has overthrown“[191]. Auf der anderen Seite wird die Erforschung der tragischen und tiefsten Ängste und Leiden auch durch einige spezielle Figuren repräsentiert, vor allem etwa durch Gestalten wie die Schmetterlingsjäger, den Limonadenverkäufer, verwundete Soldaten und die Szene, in denen Duncan die Kranken heilt. Diese eben erwähnten Figuren und die Szene scheinen zwar nicht in Zusammenhang mit der Entwicklung der Handlung zu stehen, doch sie stellen wichtige Beauftragte dar, mit denen Eugène Ionescos seine Ansicht über Angst, Trauer und Schmerz usw. Preis gibt. Dadurch werden der Wahnsinn der Macht und das gemeinsame Erbe des Primitiven und Irrationalen in der Geschichte noch stärker enthüllt, um die Dunkelheit aufzudecken, die in jedem lauert:
To discover the fundamental problem common to all mankind I must ask myself what my fundamental problem is, what my most ineradicable fear is. I am certain then to find the problems and fears of literally everyone. That is the true road into my own darkness, our darkness, which I try to bring to the light of day. [192]
Als erste dieser Figuren tritt der Limonadenverkäufer auf der Bühne auf, er erscheint auf dem Schlachtfeld und verkauft Limonade an verwundete Soldaten. Offensichtlich macht er in diesem blutgetränkten Szenario Geschäfte und versucht sogar, von der Kriegssituation zu profitieren. Dies ruft Assoziationen zu Bertolt Brechts Mutter Courage und ihre Kinder hervor, denn auch dort ist die Protagonistin eine Händlerin, die vom Krieg lebt. Beim Verkauf seiner Limonade behauptet der Mann, dass sein Getränk in der Lage ist, verschiedene Verletzungen zu heilen: „Cure the wounded, scratches, keep soldiers from getting frightened. Good for the heart. Good for the shakes. The willies. The heebeejeebees and so on“[193]. In diesem Moment tritt ein Soldat auf, der jedoch keine Schmerzen zu haben scheint, sondern den Eindruck vermittelt, Gefallen an seiner Arbeit auf dem Schlachtfeld zu finden: „We fought well. With this (he shows his club). And this (he shows his sword). But above all with this (He shows his dagger). To plunge this in a belly, right in the guts [...] that's what I like best. Look, it's still covered with fresh blood. I use it to cut my bread and cheese“[194]. Im anschließenden Gespräch mit dem Limonadenverkäufer weigerte sich der Soldat zu bezahlen, weil er mit dem Geschmack der Limonade nicht zufrieden ist. Stattdessen droht er dem Verkäufer, sodass dieser ihn nach seinem Abgang heftig beschimpft: „Whew, he really scared me. I hope the other side wins and cuts him up into little piecesminced meat and mashed potatoes. Bastard. Swine. Shithead“[195]. Neben dem drastischen humoristischen Effekt, der durch die Flüche erzeugt wird, enthält diese Szene tatsächlich eine Diskussion zu einem ernsteren Thema: der „Banalität des Bösen“. Dieses Konzept bezieht sich darauf, offensichtlich an den bösen Taten zu partizipieren oder sie nicht einzudämmen. [196] Demnach zeigt sich das banale Böse in der Person des Limonadenverkäufers in Macbett, der ursprünglich wie die unbewaffnete Masse ein Opfer gewalttätiger und grausamer Soldaten ist. Zwar ist ihm die Wahrheit des Krieges bewusst, er profitiert jedoch von der blutigen Auseinandersetzung und unterstützt sie durch seine Geschäfte.
Hinzu kommt eine andere Kategorie von Kriegsopfern: Soldaten, die zum Kampf gezwungen werden. Kurz nach Duncans Auftritt erscheint ein im Krieg schwer verwundeter Soldat auf der Bühne. In Shakespeares Macbeth berichtet der verletzte Sergeant, was er im Kampf gesehen hat, und lobt Macbeths Heldenmut im Kampf gegen die Rebellen. In Macbett hingegen wird Duncan dieser Kampf zufällig von einem unwissenden, schwer verwundeten Soldaten gemeldet. Duncan hält ihn bei seinem ersten Auftritt sogar für betrunken, und als er ihn dann fragt, welches Lager siegreich sei, meint der Soldat nur: „Does it matter?“[197]. Schließlich weiß er nicht einmal, für wen er eigentlich kämpft. Diese Soldatenfigur ist offensichtlich eine ironische Parodie auf Bertolt Brechts Soldat Schweik oder Voltaires Candide[198], wobei seine Ignoranz auch Paralellen zu Zanne oder dem Clown in der Commedia dell'arte aufweist. [199] Allerdings deutet diese Gestalt auch auf Eugène Ionescos Denkweise über den Krieg hin: Während der Limonadenverkäufer, der vom Krieg profitiert, das banale Böses darstellt, repräsentiert der schwer verletzte Soldat das Gleichnis vom Opfer der Ideologie, da er keine Ahnung von seiner Lagerangehörigkeit hat. Demnach impliziert diese Figur Ionescos Ansichten über die Ideologie: So wie Soldaten nicht wissen, welchem Lager sie angehören, meint der Autor, dass Gerechtigkeit keinem ideologischen Lager angehört, ebenso wie kein Krieg je für Gerechtigkeit kämpft, denn tatsächlich ist jede Ideologie nur eine Maske, die den persönlichen Hass und die Leidenschaft verbirgt: „Les idéologics ne sont que les masques permettant l'explosion de l'irrationalité ou de l'extra-rationalité du crime inscrit dans notre nature“[200]. Insofern werden die Soldaten durch den Krieg zu unempfindlichen Geschöpfen, die jederzeit zum Kanonenfutter der Machtmaschine werden können.
Darüber hinaus kommt der Szene, in der Duncan einen Kranken heilt, eine starke symbolische Bedeutung zu, denn sie führt als satirische Parodie auf die Heilkräfte von König Edward in Shakespeares Vorlage in das Thema Heilung ein. Allerding wird Duncan in Eugène Ionescos Adaption von Macbett, Banco und Lady Duncan ermordet, die sich als Mönch und Patienten ausgeben. Die Szene zeigt demnach, wie ein böser Machthaber durch seinen eigenen Betrug zerstört wird. Die Patienten, die sich zur Behandlung an Duncan wenden, sind als anthropomorphe Darstellung der menschlichen Angst, der Verzweiflung und des universellen Schmerzes zu betrachten. Im Laufe der gesamten Zeremonie erscheinen insgesamt dreizehn solcher Personen, deren Anzahl sofort Assoziationen zu Unglück und sogar zu Katastrophen weckt, sodass dieser Prozess Unglück und Tod impliziert. Zwei dieser Patienten werden konkret dargestellt: Während der erste unter Geschwüren leidet und von seiner Familie verlassen wurde - „I'm covered in scrofula, in tumors and pustules which break out everywhere. My body is a running sore. I stink. My wife and children can't bear me to come near them“ [201] -, hat der zweite große Angst. Voller Unruhe betrachtet er die Welt um sich herum: „For me, the universe is a prison. It pains me to look at the world. I can't bear the light nor sit in the shade. Other people fill me with horror, yet I can't bear to be alone. My eyes wander restlessly over trees, sheep, dogs, grass, stars, stones. I have never had a single happy moment“[202]. Von einem ähnlichen Gefühl wurde Eugène Ionesco einst selbst zutiefst gequält: „Danger means life; anxiety is deadly. It is the fear of unknown dangers. I am threatened, but by what, by whom, which way am I to face? I hit out blindly into the void. Danger is the fear of dying, of being killed. Anxiety is the fear of death itself“[203]. Allerdings geht Duncans Heilungsprozess jedoch sehr oberflächlich vonstatten: Nachdem der erste Patient lediglich sein Zepter berührt und dadurch geheilt wird, folgt der zweite Duncans Befehl „Forget that you exist. Remember that you are“ [204] und gesundet daraufhin. Anders als der erste Kranke, der auf einfache Weise geheilt wurde, führt der zweite Duncans Befehl nur unter Mühen und mechanisch aus, sodass von hinten an seinen zuckenden Schultern abgelesen kann, dass er eigentlich nicht in der Lage ist, dem Befehl zu folgen. Doch schließlich verlassen die beiden zunächst gebrechlichen Patienten nach der Heilung erfrischt und voller Energie die Bühne. Insofern reicht diese Szene weit über den Humor und die übertriebener Rhetorik hinaus. Was ist es also, das diese betroffenen Menschen im Handumdrehen wieder zum Leben erweckt? Die Ursache liegt eindeutig nicht in Duncan selbst, sondern an seiner „Heilkraft“, die eigentlich nichts mit einer gottgegebenen Gnade zu tun hat, vielmehr ist sie eine Metapher der Macht. Ob Duncans Zepter oder ein mysteriöser hypnotischer Befehl, beide können als Requisiten der Diktatur angesehen werden: repressive Abschreckung und Gehirnwäsche. Damit ist auch zu erklären, weshalb der zweite Patient während der Behandlung zappelt, denn die Gehirnwäsche in Form der Propaganda des Herrschers ist im Prinzip ein qualvoller Prozess, bei dem das eigenständige Selbstbewusstsein eliminiert wird. In diesem Sinne liegt die heilende Kraft der Macht darin, dass sie als eine Zufluchtsstätte dient, in der alle sich von temporär von ihren Ängsten, ihrer Verzweiflung und dem Schmerz lösen können und mit der Zeit sogar fanatisch und blind der Macht folgen. Auf diese Weise äußert Ionesco seine Besorgnis über den politischen Fanatismus. Er betrachtet die Politik als Opium und Ausnutzung des Mangels an spirituellem Glauben an die Metaphysik, da die Menschen von einer tiefen metaphysischen Sehnsucht nach Integrität und Harmonie derart gequält, dass sie sich ihr voller Leidenschaft widmen. Wenn sie der Illusion einer politisch transformierten Welt folgen, werden sie von der grundlegenden metaphysischen Frage der Existenz und der Suche nach individueller Identität abgelenkt. Währenddessen ist ihnen nicht bewusst, dass ihre Unzufriedenheit nicht auf ihre Umstände, sondern auf ihre persönliche Identität zurückzuführen ist, und sie versuchen, die Situation zu korrigieren oder sich durch irrelevante politische Agitation abzulenken. Diesbezüglich weist Eugène Ionesco auf Folgendes hin: „La politique est une derivation, une fuite qui fait oublier l'essentiel, la question metaphysique. [...] On se jette dans la politique comme on bait de l'alcool, comme on se noie“[205]. Gleichzeitig sieht sich die Menschheit mit einer größeren Gefahr konfrontiert, nämlich jener, in die Fänge eines politischen Fanatismus zu geraten und vom Schein politischer Aktivitäten berauscht zu werden. Da die Politik ein unpersönliches, abstraktes Konzept wie einen Staat oder ein Glaubensbekenntnis voraussetzt, lässt sie dem Individuum keine Freiheit zur Selbstdefinition, und so warnt Eugène Ionesco „La politique est alienation [...] qui font de nous les pantins“[206]. Die beiden Kranken stellen folglich die Verkörperung einer großen verzweifelten und kämpfenden Masse dar, die nicht nur sich selbst und ihren Glauben verloren hat, sondern auch ihre ganze Begeisterung der Politik überlässt, um Angst, Verzweiflung und Schmerz zu widerstehen. Dies ist in Eugène Ionescos Augen ein äußerst bedauerlicher Zustand.
Daneben ist jedoch noch die humanistische Sehnsucht nach Hoffnung in Macbett zu erkennen, auf die hauptsächlich durch das Erscheinen von Schmetterlingen und Schmetterlingsjägern angespielt wird. Sie treten insgesamt zweimal im Verlauf des Stückes auf, einmal bei der Begegnung zwischen Macbett, Banco und den beiden Hexen, das andere Mal ganz am Ende. Im Rahmen der bestehenden Analysen der Bilder von den Schmetterlingen und den Schmetterlingsjägern in Macbett herrschen drei Ansichten: Einerseits werden diese Figuren als Zeichen der Absurdität interpretiert, weil Schmetterlinge als Symbole für eine schwer fassbare Macht gelten[207], darüber hinaus werden sie mit Besessenheit und (Selbst-)Zerstörung in Verbindung gebracht. Gleichzeitig weisen andererseits einige Artikel darauf hin, dass der Schmetterling von den alten Griechen als Symbol des Herzens und der Seele (ψυχή) verstanden wird, sodass die Schmetterlingsjäger zu Verfolgern der menschlichen Seele werden:
Understanding the chased-after butterfly as the psyche in the ancient Greek sense of soul or mind deftly gestures toward the transcendent, without any heavy-handed religiosity or moralism. Giving the butterfly hunter the final moment on stage allows Ionesco to theatrically draw attention to what has been missing along the treacherous path of revolving absolutist sovereigns Macbett charts. [208]
All diese Ansichten sind bis zu einem gewissen Grad durchaus gerechtfertigt, doch auch die religiöse Metapher des Schmetterlings sollte bei der Analyse nicht ausgeschlossen werden. Obwohl Eugène Ionesco den größten Teil seines Lebens nicht an eine institutionalisierte Religion glaubt, wird er vom Mystizismus und dem Gnostizismus angezogen. Insbesondere seine Werke am Ende der 1960er-Jahre und in der folgenden Zeit demonstrieren deutlich sein Interesse an Mysterien wie etwa dem Zen-Buddismus, der Mythologie, der Parapsychologie usw. Nachdem Ionesco im Jahr 1967 schrieb, dass er immer versucht hatte, an Gott zu glauben[209], konvertiert er schließlich zum christlichen Glauben. Demzufolge sollten seine Bilder von Schmetterlingen und Schmetterlingsjägern im Rahmen von religiösen Metaphern untersucht werden. Obwohl Schmetterlinge in der Bibel nicht explizit erwähnt werden, symbolisiert ihr Lebenszyklus eine bemerkenswerte Illustration der Verwandlung Jesu Christi im Bewusstsein der Gläubigen. Die Metamorphose von der Raupe zum Schmetterling weist auffällige Parallelen zur christlichen Bekehrung, der Auferstehung und Verklärung auf. So werden der Tod, das Begräbnis und die Auferstehung Jesu oft mit dieser Verwandlung verglichen, die eine Raupe vollzieht, wenn sie aus ihrem Kokon schlüpft, um ein Schmetterling zu werden. Unterdessen versinnbildlicht ein Gott, der eine Raupe in einen Schmetterling umformt, auch die Verwandlung von Sündern in Heilige. Als Teil der natürlichen Schöpfung repräsentieren Schmetterlinge Ausdauer, Veränderung, Hoffnung und Leben und stellen ein schönes Bild dar für die spirituelle Transformation. Damit deuten die Szenen, in denen Schmetterlinge und Schmetterlingsjäger die Bühne betreten, auf eine große Veränderung hin: Als sich Macbett und Banco zunächst in einem Schneesturm verirren und auf die Hexe treffen, überquert der Schmetterlingsjäger die Bühne. Indem sie sich im Schnee verlaufen, beweisen Macbett und Banco nicht nur ihren Verlust der geografischen Orientierung, sondern auch eine Orientierungslosigkeit innerhalb ihres eigentlichen Lebens. Insofern wird durch die Anwesenheit der Hexe nicht nur auf den Verbleib von Glaimiss hingedeutet, sondern auch auf die Zukunft von Macbett und Banco. Ein weiterer Auftritt der Schmetterlinge und ihrer Jäger erfolgt am Ende des Stückes. Nachdem Macol eine Rede gehalten hat, die die bevorstehende Tyrannei kennzeichnet, verlässt die Menge die Bühne, während die Schmetterlinge und die Jäger erscheinen. Anstatt den Schmetterling als Symbol der Macht zu sehen, schlägt der Vefasser dieser Arbeit vor, den Schmetterling als Sinnbild der metaphysischen Hoffnung zu betrachten. Obwohl diese Ansicht unangemessen erscheint, um die Charakteristik in einem Stück voller absurder Elemente auf diese Weise zu erklären, stellt der fundamentale Kontrast zwischen Überraschung und Schmerz, Freude und Verzweiflung doch immer das zentrale Thema aller Arbeiten von Eugène Ionesco dar. In seinem einzigen Roman schrieb er nämlich Folgendes: „Joy is suddenly realizing in a way that could be called supernatural that the world is there and that we are in the world, that we exist, that I exist“[210]. Während die Welt seiner Meinung nach auf die absurde Machtkette des großen Mechanismus reduziert ist, existiert mithilfe einer Hoffnung dennoch die Sehnsucht nach dem Jenseits. Obwohl diese Hoffnung vage und unsicher ist, bedeutet sie eine Chance und eine Veränderung und bietet in einer chaotischen und düsteren Welt der Gewalt daher eine Gelegenheit für den Menschen, um sich nach dem Jenseits zu sehnen. Insbesondere wenn die Autorität übermäßig ist, wird die individuelle Freiheit in Ionescos Augen der am meisten ersehnte Zustand. Daher stellt der Schmetterlingsjäger ein Individuum dar, das nach Hoffnung sucht. Er folgt ihr und freut sich darauf, sie endlich zu erlangen.
3.4 Bedeutung der Sprache: Die Welt als Farce und die Geschichte als Tragödie
„The world is noting but a farce [...]a kind of trick God plays on men“[211], hat Eugène Ionesco einst in einem Interview gesagt. Anders als die inhaltliche Absurdität, die in der Literatur des Modernismus oder in avantgarditsischen literarischen Werken präsentiert wird, finden sich in Ionescos dramatischen Werken sowohl inhaltlich als auch formell sehr deutliche Anzeichen dafür. Daher dekonstruiert er einerseits gänzlich die künstlerischen Form des traditionellen Dramas, indem die einheitliche dramatische Handlung, die Logik der Sprache und die Charakterisierung der Figuren vollständig aufgegeben werden, andererseits werden symbolische Metaphern verwendet, um das Dilemma der menschlichen Existenz und die Absurdität der Welt anzudeuten. Wie oben analysiert wurde, ist Macbett eine radikale Ver- oder sogar Zerarbeitung von Macbeth, da die absurden Elemente von Shakespeares Drama deutlicher hervorgehoben und gleichzeitig alle Figuren neu gestaltet wurden. Damit steht Eugène Ionescos Adaption in völligem Gegensatz zu der humanistischen Geschichtsauffassung in Shakespeares Macbeth: Während Letzterer zeigt, dass Gewalt und Chaos schließlich durch Vernunft und Aufrichtigkeit des legitimen Herrschers beendet werden, führt Eugène Ionesco eigentlich die Verzweiflung darüber vor Augen, dass sich die Geschichte durch endlosen Revolten und Tyranneien in einem Teufelskreis befindet.
Trotz der pessimistischen Geschichtsauffassung ist Macbett keine traditionelle Tragödie. In einem Interview sagte der Autor einmal: „Macbett is a comedy nonetheless. I hope that people will laugh“[212]. Dieser Erklärung zufolge sind Macbett und Shakespeares nahezu gleichnamige Tragödie vollständig unterschiedlich aufzufassen. In Bezug auf das Genre gilt Ionescos Stückalseine Mischung aus Tragödie und Farce. Einerseits bezeichnet die Wiederkehr der Gewalt das tragische Ende, andererseits wird der Handlungsablauf mit eindeutig possenhaften Effekten ausgestattet. Tätsachlich befinden sich alle dramatischen Werke von Eugène Ioneco an der Schnittstelle zwischen klassischer Tragödie und Farce. [213] Während die antiken griechischen Tragödien es dem Publikum ermöglichen, von dem tragischen Schicksal zu erfahren und daraufhin die Katharsis zu durchleben, bringt die Farce durch den grotesken Humor Wahnsinn und Absurdität zum Ausdruck. Daher scheint es vielmehr angebracht, Macbett als Farce zu betrachten, da hier im Mittelpunkt steht, die Absurdität der Macht und der Geschichte zu demonstrieren. Gleichzeitig entspricht deren künstlerischer Stil Eugène Ionescos Erwartung an die theatralische Schöpfung: „Si donc la valeur du théâtre était dans le grossissement des effets, il fallait les grossir davantage encore, les souligner, les accentuer au maximum [...] Pas de comédies de salon, mais la farce, la charge parodique extréme“[214]. So wird Shakespeares Macbeth auf possenhafte Weise adaptiert und schließlich die pessimistische Geschichtsauffassung des Autors Eugène Ionesco dargestellt.
Die Wirkung der Farce wird vor allem durch die Sprache zum Ausdruck gebracht. In Macbett wird das Pathos, wie es in den Stücken von Shakespeare gezeigt wird, völlig durch das Absurde ersetzt. Dies wird vor allem durch die Subversion der sprachlichen Ausdrucksformen umgesetzt. Auf der einen Seite erzielt der komische, grobe Sprachstil eine humorvolle Wirkung, so setzt sich beispielsweise der Dialog zwischen Macbeth und Macol im Kampf tatsächlich aus Schimpfwörtern zusammen, und das letzte Wort, das Macbeth vor seinem Tod sagt, ist „Merde“ [215] ist. Auf der anderen Seite wird durch die sprachlichen Mittel eine sinnlose und unlogische Kommunikation erzeugt, indem durch spezielle rhetorische Mittel eine intuitive Absurdität zum Ausdruck kommt. Auch die Übertreibungen und der Parallelismus dürfen in dem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden. Zum Beispiel werden in den Gesprächen zwischen Candor und Glaimiss zu Beginn des Stückes die Beweise für Duncans Gier nacheinander aufgezählt:
Who fat themselves on the sweat of our brow/The fat of our chickens/Of our sheep/Of our pigs/Swine/Of ourbread/Ten thousand chickens, ten thousand horses, ten thousand recruits. What does he do with them? He can't eat them all. The rest just goes bad/And a thousand young girls. [216]
Außerdem zählt Lady Macbeth die abgeschnittenen Köpfe auf dem Hinrichtungsgelände:
Four, five, six, seven, seventeen, twenty-three, thirty-three, thirty-three! think I missedone/[...]A hundred and sixteen, a hundred and eighteen, what a moving sight/[...]Three hundred. I'm getting dizzy. Nine thousand three hundred/[...]Twenty thousand. [217]
Die gleiche Rhetorik der Übertreibung und des Parallelismus kommt in der Szene zum Ausdruck, in der die beiden Dienstmädchen das Essen auf dem Bankett aufzählen: Wein, Bier, Gin, Kuh, Hirsch, Rehbuck, Hai, Wal, Wodka, ein riesiges Omelett aus 130.000 Eiern, chinesische Pfannkuchen, spanische Melone, Wiener Gebäck, Wurst, Senf, Frankfurter Wurst, Sauerkraut usw. Auf diese Weise dient die Sprache als dramatisches Instrument, um die Übertreibung zu demonstrieren. Außerdem lassen die Methoden der verbalen Repetition und der Wiederholung von Monologen und Dialogen die Figurenrede austauschbar werden. Der nahezu identische lange Monolog, den Macbett und Banco nach der Niederschlagung der Revolte von Candor und Glaimiss führen, ist das repräsentativste Beispiel für diese Wiederholung. Ähnlich verhält es sich mit dem Dialog zwischen Macbett und Banco, die nach Anstiftung der Hexen Unzufriedenheit über Duncans Herrschaft äußern. Er verläuft genau so wie das Gespräch zwischen Candor und Glaimiss am Anfang des Stückes, wodurch die Struktur der Handlung kreisförmig wird und sie zu stagnieren beginnt.
Dieser besondere Sprachstil und die Rhetorik haben den Verlust der Charakterisierung der Figuren zur Folge. So hat J. H. Donnard etwa festgestellt:
Le langage se decompose parce que l'homme se decompose. La crise de la parole est le symptome de la crise de l'intelligence, c'est-a-dire de la crise de la societe qui ne sait plus designer les chases par leur vrai nom ni leur donner leur vraie valeur. [218]
Anschließend werden die Figuren durch den Zusammenbruch der Sprache in Eugène Ionescos Macbett rekonstruiert, indem sie sich durch die folgenden drei Aspekte zu Shakespeares Macbeth unterscheiden: den Verlust der Eigenschaften, die Verwirrung der Existenz der Individuen und das Absurdum der Beziehung zwischen den Menschen. Obwohl die Ansicht herrscht, dass Sprache Sinn erschaffen kann, stellt sie tatsächlich nur ein Abbild des Daseins dar. Dem Individuum, das sein Identitätsgefühl verloren hat und eine innere Leere empfindet, scheint die Sprache einen Existenz- und Kohärenzbeweis zu bieten. Tätsachlich aber stirbt die Sprache, wenn das Individuum den Kontakt zu seiner individuellen Identität verliert und die kollektive Sprache nicht mehr zu dem persönlichen Element durchdringt, somit funktioniert die Sprache nach ihren eigenen Mechanismus. Dies führt unmittelbar zum Charakterverlust der Figuren, da all ihre persönlichen Merkmale durch Klischees und bedeutungslose Wiederholungen in der Sprache ersetzt werden: „toute la sincerité, toute l'authenticité, toute la vérité, tout ce que j'ai vécu tout seul et senti disparaît déjà dans les clichés, les expressions qui appartient au patrimoine public et à la généralité“[219]. Anhand der symmetrischen Struktur der Gestalten von Macbett und Banco findet sich dies vollständig bestätigt. Die Wiederholung in ihren Dialogen kann nur oberflächliche Informationen übermitteln und die Dialektik der Identitätssuche des Individuums und seiner einzigartigen Intuition des Seins niemals wirklich beschreiben. Darüber hinaus betont Eugène Ionesco insbesondere, wie Sprache lügt, wenn sie zu einem Instrument der politischen Propaganda wird und somit die Wahrheit von Gewalt und Absurdität verbirgt: „Dans la propagande politique, à taus les niveaux, le langage est fait pour cacher la vérité, tricher, duper. On ment done fondamentalement si l'on est ‚politisé‘“[220]. Hier wird an Duncans scheinbar leidenschaftliche Rede erinnert, als er erfährt, dass die Revolte niedergeschlagen wird, es sich jedoch tatsächlich um heuchlerische politische Propaganda handelt. Schließlich äußert sich das Absurdum der menschlichen Beziehungen im gegenseitigen Verdacht, den Missverständnissen und unerwarteten Vorfällen. Dazu gehört vor allem die Szene, in der die Hexen Macbett und Banco gegenüber Vorhersagen treffen. Schließlich gestaltet sich dieses Ereignis völlig anders als in Shakespeares Vorlage, denn bei Ionesco erfahren die beiden nicht gemeinsam von den Vorhersagen, sondern nachdem sie durch den Schneesturm getrennt wurden. Nach diesen Prophezeiungen beginnen Macbett und Banco allmählich, aneinander zu zweifeln.
Es lässt sich feststellen, dass das Wesen eines solch besonderen Sprachstils darin besteht, die Existenz des Individuums, die menschliche Vernunft und die Authentizität der Welt infrage zu stellen. Die Trennung von individueller Existenz und Vernunft erzeugt die Absurdität, die in der Automatisierung der Sprache reflektiert wird, erstarrt in bedeutungslosen Klischees und Binsenweisheiten. Aufgrund der Entfremdung von sich selbst wird die Kommunikation mit anderen gestört, indem die Sprache absichtlich verzerrt wird, um die Wahrheit eher zu verbergen, als sie zu vermitteln. Worte können, wie oben erwähnt, als Instrument der Propaganda, Aggressionswerkzeuge oder Symbole der antispirituellen Präsenz dienen, die den Menschen zermalmen. Daher bringt die Absurdität der Sprache letztlich das Selbstbewusstsein der Figuren ins Wanken. Eugène Ionesco trägt bewusst zu der totalen Zerstörung der persönlichen Identität seiner Figuren inMacbettbei, indem er den Zerfall der Sprache in seinem Theaterstück darstellt. Sprache und Denken sollten Hand in Hand gehen, aber wenn das Individuum das wichtigste Kommunikationsmittel verliert, bricht die gesamte Identität zusammen. Es ist zu erkennen, dass sich Ionescos Verständnis für die Funktion der Sprache sehr speziell gestaltet und in einem engen Zusammenhang mit seinen Jugenderfahrungen steht. Das Erlernen von Fremdsprachen hat ihn seit seiner Jugend dazu veranlasst, eine besondere Kenntnis von Sprache zu entwickeln. Seiner Ansicht nach kann sie die Funktion der Kommunikation nicht erfüllen, da die Unsicherheit der Aussagen durch ihre Mehrdeutigkeit verstärkt wird, sodass Sprache auf eine stilisierte soziale Formel und ein Mittel reduziert wird, um die wahren Absichten zu verbergen. Dies bedeutet, dass die Sprache seiner Meinung nach die Wahrheit nicht vermitteln kann. Demnach wird die Absurdität der Welt durch ihre Form und den Inhalt zum Ausdruck gebracht.
Doch die besondere dramatische Sprache, die possenhafte Handlung, die rhetorische Form und der parodistische Inhalt spiegeln letztlich die Demonstration von Eugène Ionescos Geschichtsauffassung wider. Insofern verbindet Macbett die Absurdität der Geschichte eng mit dem unvermeidlichen Kreislauf politischer Gewalt, indem er artikuliert, was Jan Kott als „Großen Mechanismus“ bezeichnet. In der Reihe von durch Brutalität gekennzeichneten Figuren in Ionescos Dramen stechen Erzherzog Duncan, Macbett und Macol deutlich hervor. Duncan ist ein gieriger, feiger und blutrünstiger Tyrann, während Macbett ein dummer und rücksichtsloser Diktator ist und Macol der mörderischste und prinzipienloseste Herrscher zu sein scheint, der am Ende des Stücks den Thron besteigt. Seine letzte Rede offenbart sein Versprechen, und so endet Macbett mit der tyrannischen Ankündigung von „confineless harms“. Zudem macht sich der Autor keine Illusionen und Hoffnungen über die Ideologie. Stattdessen ist er der Auffassung, dass die starre politische Ideologie, die von einer Gruppe oder einem Land vertreten wird, in Wirklichkeit nur eine Maske ist, die den persönlichen Hass und die Leidenschaft verbirgt: „Les idéologics ne sont que les masques permettant l'explosion de l'irrationalité ou de l'extra-rationalité du crime inscrit dans notre“[221]. Darüber hinaus werden diejenigen, die sich von ideologischen Lügen täuschen lassen, schließlich die Opfer sein:
Tout plonge dans l'irrationalité et la magie. Les hommes font autre chose que ce qu'ils pensent vouloir faire. Ils disent qu'ils veulent la liberté et le bonheur, ils font tout pour aboutir à la tyrannie, au malheur, à la catastrophe. Je pense qu'ils veulent secretèment punir les autres et se punir euxmêmes. [222]
Es ist klar zu erkennen, dass Eugène Ionescos zufolge keine Ideologie im Laufe der Geschichte gerechtfertigt werden kann. Daher kann zusammenfassend behauptet werden, dass er in Macbettseine Verzweiflung über den absurden Zyklus von Tyrannei und Revolten ausdrückt. Darin spiegelt sich seine pessimistische Geschichtsauffassung wider, denn er betrachtet die Geschichte als die ewige Wiederkehr des Bösen. Allerdings sehnt sich Ionesco trotz dieser dunklen Realität und der Albträume immer noch nach einer Hoffnung, indem er mittels der Symbolik von Schmetterlingen und deren Jägern die Sehnsucht nach dem Jenseits demonstriert. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Tatsache, dass sich Ionescos Macbett von anderen absurden Stücken unterscheidet, indem es nicht in absoluter Verzweiflung versinkt.
Schluss
In der vorliegenden Arbeit wird darauf abgezielt, die Geschichtsauffassung in Heiner Müllers Macbeth und Eugène Ionescos Macbett durch sorgfältige Dramenanalyse zu zeigen. Zunächst einmal haben die beiden Dramatiker in Bezug auf die Rolle von Shakespeares Stücken in ihrem Schöpfungsprozess unterschiedliche Ansichten: Nach Heiner Müller sollten Shakespeares Stücke als Spiegel betrachtet werden, der die Hoffnung unserer Zeit nicht mehr reflektieren kann. Damit besteht der Zweck der Adaption von Shakespeares Drama eigentlich darin, einen Weg zu finden, um diesem langjährigen Schatten in der menschlichen Gesellschaft zu begegnen und ihn aufzuheben. Im Gegensatz dazu betrachtet Eugène Ionesco Shakespeare als Vorfahren des Absurden und radikalisiert die absurden und blutigen Elemente von Shakespeares Macbeth mithilfe von Jan Kotts Interpretation von Shakespeares Stücken, um seine Verzweiflung über den absurden Zyklus von Tyrannei und Revolte in Macbett auszudrücken. Damit zeigt er seine pessimistische Geschichtsauffassung.
Im Prozess der Analyse werden zunächst die dramaturgischen Merkmale der beiden Stücke bezüglich der formalen und inhaltlichen Struktur mit derjenigen von Shakespeares Macbeth ausführlich verglichen. Es lässt sich feststellen, dass die beiden Werke sich inhaltlich und formal erheblich von Shakespeares Vorlage unterscheiden. Während die Haupthandlung von Heiner Müllers Macbeth grundsätzlich noch mit der Vorlage Shakespeares übereinstimmt, weist Eugène Ionescos Macbett einen deutlich reduzierten Zusammenhang zu Shakespeares Macbeth auf. Macbett könnte eher als eine parodistische Ver- oder sogar Zerarbeitung von Shakespeares Macbeth bezeichnet werden. Jedoch weisen beide Stücke in manchen Aspekten gewisse Ähnlichkeiten auf, insbesondere wenden sie sich beide gegen die Ansicht, Dramen eine moralische Dimension zuzuweisen, weshalb sie die moralischen und ethischen Faktoren in Shakespeares Macbeth total aufgehoben haben. In Bezug darauf finden sich in beiden Stücken symbolische Bedeutungen sowohl in Bezug auf die Figurengestaltungen als auch auf die blutigen brutalen Szenen, die die Tyrannei und endlosen Machtkämpfe präsentieren. Damit werden ihre politischen Stellungnahmen und die damit verbundene Geschichtsauffassung aufgezeigt, die sich offensichtlich von der christlich-humanistischen in Shakespeares Macbeth unterscheiden. Während Shakespeare glaubt, dass Tyrannei und Chaos durch eine aufgeklärte herrschende Ordnung beendet werden könne, sind Heiner Müller und Eugène Ionesco offensichtlich nicht so optimistisch. Allerdings sind ihre jeweiligen Geschichtsauffassungen nicht gleich.
Zwar präsentieren die beiden Stücken den Albtraum von endlosen Machtkämpfen, doch zeigen sie unterschiedliche Ansichten in Bezug auf den Teufelskreis der Geschichte. Während Heiner Müllers Macbeth ein Fegefeuerbild von Macht zeichnet, will er eher die Notwendigkeit aufzeigen, den Status quo der Politik neu zu schreiben. Daher warnt er letztlich vor der Stagnation der Geschichte. Gleichzeitig zeigt er auch die Möglichkeit auf, dass diese Situation durch einen wirklichen Fortschritt (Chancengleichheit in einem marxistischen Sinn) ersetzt werden könnte. Und er glaubt, dass die Geschichte keine endgültige Form besitzt. In ihrem Entwicklungsprozess gibt es definitiv neue Konflikte und Verwirrungen. Das ist das unvermeidliche Gesetz der historischen Entwicklung. Daher stimmt Heiner Müller weder mit der optimistischen Geschichtsauffassung noch mit der absoluten pessimistischen postmodernen Geschichtsinterpretation überein, stattdessen ist seine Geschichtsauffassung dialektisch. Im Gegensatz dazu stimmt Eugène Ionescos Geschichtsauffassung grundsätzlich dem großen Mechanismus der Geschichte von Jan Kott zu, sodass die einzige Wahrheit der Geschichte nach seiner Meinung die Wiederkehr von ewiger Gewalt und Hass ist. Dabei ist Eugène Ionesco völlig gleichgültig, wie der politische Status quo verändert werden kann, um die Geschichte aus dem blutigen Kreislauf zu befreien. Aus seiner Sicht ist jede Ideologie, ja sogar die Politik selbst, die Hauptschuldige an der Zerstörung der Geschichte. Allerdings sehnt sich Eugène Ionesco trotz der dunklen Realität und des Albtraums der Geschichte immer noch nach einer Hoffnung, indem er anhand der Symbolik von Schmetterlingen und Schmetterlingsjägern die Sehnsucht nach dem Jenseits schildert. Dies ist auch ein wichtiger Faktor geworden, der Macbett von Eugène Ionescos anderen absurden Stücken unterscheidet, da es nicht in absoluter Verzweiflung versinkt. In diesem Punkt ist die Utopie, die Heiner Müller in Macbeth suggeriert, völlig anders als das Jenseits, nach dem sich Eugène Ionesco sehnt. Nach Heiner Müllers Ansicht existiert Utopie nicht in der Zukunft, sondern in der Lücke der Geschichte, durch die diese selbst vorwärtsbewegt wird.
Im Gegensatz dazu gilt das Jenseits für Eugène Ionesco auch als Synonym der Utopie, aber fungiert als Symbol für absolute geistige Freiheit, die offensichtlich nicht durch politische Fortschritte und historische Entwicklungen erreicht werden kann.
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Danksagung
Mein herzlicher Dank gilt allen, die mich während meines Studiums und während der Masterarbeit mit Rat und Tat unterstützt haben. Einen wichtigen Beitrag leistete besonders meine Erstbetreuerin Frau apl. Prof. Anke Detken, indem sie stets ein Verständnis für meine Fragestellungen zeigte und mich immer wieder mit der richtigen Hilfestellung auf den richtigen Weg führte. Damit konnte ich mich besser auf die zentralen Fragestellungen der Arbeit konzentrieren. Darüber hinaus bin ich ihr sehr dankbar für ihre Ermutigung und Toleranz, die es mir ermöglicht haben, während meiner Krankheit an der Fertigstellung der Masterarbeit festzuhalten.
Das gilt auch für meine Zweitbetreuerin, Frau Dr. Katja Freise, die mit ihrem umfassenden fachlichen Wissen in den Bereichen Literaturwissenscahft eine unentbehrliche Stürze war, um aus der oft unüberschaubaren Vielfalt von Theorie und Ansätzen die für meine Arbeit geeignete Variante zu indentifizieren. Außerdem bin ich ihr sehr dankbar für ihre Ermutigung und Geduld bei meinem Deutsch, was für eine Nicht-Muttersprachlerin unschätzbar ist.
Bedanken möchte ich mich auch bei meinem warmherzigen Studienkollegen Martin Dominik Draband, der die Rohfassung der Arbeit sorgfältig korrekturgelesen hat und mir dabei wertvolle Hinweise und Anregungen gab.
Zu guter Letzt gebührt jedoch der größte Dank meines Vater Herr Zhao Cunshun und meiner Mutter Frau Luyan, die mich als Einzelkind unter nicht immer einfachen Umständen auf eine akademische Laufbahn vorbereiten und nach bestem Vermögen unterstützt und gefördert haben.
Zhao Zhao
Lanzhou 05.06.2022
[1] Michel Foucault: Vom Licht des Krieges zur Geburt der Geschichte. Berlin 1986, Verlag, S. 10.
[2] Vgl. Sven Rank: Twentieth-century adaptations of Macbeth: writing between influence, intervention, and cultural transfer. Frankfurt a. M. 2010, S. 78.
[3] Eck Norbert: Das Theater als Wunschmachine. Ästhetik und Geschichte im Werk Heiner Müller. In: Macbeth. Stuttgart 1999, S. 37.
[4] Vgl. Lehmann Hans-Thies: Macbeth. In: Hans-Thies Lehmann/ Patrick Primavesi (Hg.): Heiner Müller Handbuch. Leben-Werk-Wirkung. Stuttgart/ Weimar 2003, S. 246-252.
[5] Vgl. Eke Norbert Otto: Macbeth. In: Macbeth. Stuttgart 1999, S. 146-150.
[6] Vgl. Lily Leder/Angela Kuberski: Aus Gesprächen mit dem Regieteam von Macbeth 1985/86. In: Theaterarbeit in der DDR. 17. Macbeth von Heiner Müller nach Shakespeare. Berlin 1991, S.215-238, hier: S. 216.
[7] Eugène Ionescos Macbett wurde im Januar 1972 im Théâtre de Ia Rive Gauche in Paris uraufgeführt und zwei Monate später (im März 1972) Heiner Müllers Macbeth im Brandenburger Theater in Berlin.
[8] Vgl. Carl Schmitt: Hamlet oder Hekuba. Der Einbruch der Zeit in das Spiel. Stuttgart 1985, S. 64.
[9] Vgl.Eke Norbert Otto: Frühe Biographie/Prägungen. In: Hans-Thies Lehmann/Patrick Primavesi (Hg.): Heiner Müller Handbuch. Leben-Werk-Wirkung. Stuttgart/Weimar 2003, S. 1-9, hier: S. 3.
[10] Gregor Edelmann/Renate Ziemer: Gesammelte Irrtümer 1. Interviews und Gespräche. Frankfurt a. M.1986, S. 145.
[11] Gregor Edelmann/Renate Ziemer: Gesammelte Irrtümer 1. Interviews und Gespräche. Frankfurt a. M.1986, S. 168.
[12] Heiner Müller: Shakespeare Factory 2. Berlin 1989, S. 228.
[13] Ebd. S. 230.
[14] Vgl. Alexander Karschnia: William Shakespeare. In: Hans-Thies Lehmann/ Patrick Primavesi (Hg.): Heiner Müller Handbuch.Leben-Werk-Wirkung. Stuttgart/ Weimar 2003, S.164-171, hier: S. 168.
[15] Vgl. Ahmad Kamyabi Mask: Eugène Ionesco et son théâtre. Paris 1992, S. 68f.
[16] Eigentlich sagt Macbeth: „Life [...] is a tale told by an idiot, full of sound and fury, signifying nothing.“(William Shakespeare: Macbeth. In: ders.: The Works of William Shakespeare. Bde: 7, hg. von William George Clark/William Aldis Wright. Cambridge/London 1865, S.421-520, hier: S. 478.)
[17] Eugène Ionesco: Theatres of the Absurd, Translated by Edith Kurzweil, Aufl. 3, New York 1989, S. 46.
[18] Claude Bonnefoy: Conversations with Eugène Ionesco. Übers. von Jan Dawson. Aufl. 1. New York/Chicago/San Francisco 1971, S. 159.
[19] Vgl. Rolf Jucker: Heiner Müllers „Macbeth“: sozialer Realismus als Mehrwert gegenüber Shakespeare/Tieck. In: Prof.
Dr. Gerd Labroisse/Prof. Dr. Gerhard P. Knapp/Prof. Dr. Anthonya Visser (Hg.): Heiner Müller: Probleme und
Perspektiven. Bath-Symposion 1998. Amsterdam/Atlanta 2000, S. 189-202, hier: S. 194.
[20] Vgl. Wolfgang Schivelbusch: Sozialistisches Drama nach Brecht. Drei Modelle: Peter Hacks-Heiner Müller-Hartmut
Lange, Darmstadt/Neuwied 1974, S. 258.
[21] Hans-Thies Lehmann: Deutsche Literatur. In: Hans-Thies Lehmann/ Patrick Primavesi (Hg.): Heiner Müller
Handbuch.Leben-Werk-Wirkung. Stuttgart/ Weimar 2003, S. 123-129, hier: S. 125.
[22] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 275.
[23] Ebd. S. 264.
[24] Ebd. S. 269.
[25] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 269.
[26] William Shakespeare: Macbeth. In: ders.: The Works of William Shakespeare. Bde: 7, hg. von William George Clark/William Aldis Wright. Cambridge/London 1865, S.421-520, hier: S. 430.
[27] Heiner Müller: Rotwelsch. Berlin 1982, S. 95.
[28] Vgl. Thomas Eckardt: Geschichtsbilder. In: Hans-Thies Lehmann/ Patrick Primavesi (Hg.): Heiner Müller Handbuch.
Leben-Werk-Wirkung. Stuttgart/ Weimar 2003, S. 93-97, hier: S. 93.
[29] Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte. In: der.; Werke in sechs Bände. Bd.1: Abhandlungen, hg. von Rolf Tiedemann/Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a. M. 1972.S. 696.
[30] Wolfgang Heise: Notwendige Fragestellung „Macbeth“ im Gespräch. In: Theater der Zeit (1972), H. 9, S. 45f.
[31] Gregor Edelmann/Renate Ziemer: Gesammelte Irrtümer 2. Interviews und Gespräche, hg. von , Frankfurt a. M.1990.
S. 32.
[32] Vgl. Hans-Thies Lehmann : Macbeth. In: Hans-Thies Lehmann/ Patrick Primavesi (Hg.): Heiner Müller Handbuch.
Leben-Werk-Wirkung. Stuttgart/ Weimar 2003, S. 246-252, hier: S. 249.
[33] Ebd. S. 249.
[34] William Shakespeare: Macbeth. In: ders.: The Works of William Shakespeare. Bde: 7, hg. von William George Clark/William Aldis Wright. Cambridge/London 1865, S.421-520, hier: S. 502.
[35] Vgl. Hans-Thies Lehmann: Macbeth. In: Hans-Thies Lehmann/ Patrick Primavesi (Hg.): Heiner Müller Handbuch.
Leben-Werk-Wirkung. Stuttgart/ Weimar 2003, S. 246-252, hier: S. 248.
[36] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 279.
[37] Ebd. S. 279.
[38] Ebd. S. 274.
[39] Ebd. S. 280.
[40] Ebd. S. 280.
[41] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 296.
[42] Vgl: Friedemann Krusche: Das Theater der Grausamkeit. Shakespeare/ Müllers furioser Macbeth in Rostock - im
Spiegel einer handfesten Theaterkrise. In: Theater heute (1997). H. 2, S. 28.
[43] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 307.
[44] Ebd. S. 299f.
[45] Ebd. S. 293.
[46] Ebd. S. 303f.
[47] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 313.
[48] Heiner Müller: Brief an den Regisseur der bulgarischen Erstaufführung von Philoktet. In: Ders.: Herzstück. Berlin 1983, S. 102-110, hier: S. 104.
[49] Alexander Kluge / Heiner Müller: Ich bin nur ein Landvermesser. Gespäche. Neue Folge. Berlin 1996, S. 105.
[50] Schneider Manfred: The Management of Pain: Nietzische und Heiner Müller. In: Renner Ursula/Schneider Manfred (Hg.): Häutung: Lesarten des Marsyas Mythos. München 2006, S. 217-234, hier: S. 233.
[51] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 309.
[52] Ebd. S. 309.
[53] Ebd. S. 318.
[54] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 321.
[55] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 323.
[56] Hans-Thies Lehmann: Macbeth. In: Hans-Thies Lehmann/ Patrick Primavesi (Hg.): Heiner Müller Handbuch.
Leben-Werk-Wirkung. Stuttgart/ Weimar 2003, S. 246-252, hier: S. 251.
[57] William Shakespeare: Macbeth. In: ders.: The Works of William Shakespeare. Bde: 7, hg. von William George Clark/William Aldis Wright. Cambridge/London 1865, S.421-520, hier: S. 518.
[58] Ebd. S. 323.
[59] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 301.
[60] Mark Breitenberg: Anxious Masculinity in Early Modern England. London 1996, S. 15.
[61] Janine Ludwig: Frauenfiguren. In: Hans-Thies Lehmann/ Patrick Primavesi (Hg.): Heiner Müller Handbuch.
Leben-Werk-Wirkung. Stuttgart/ Weimar 2003, S. 69-75, hier: S. 69.
[62] Vgl. Ulrich Suerbaum: Shakespeares Dramen. Tübingen/Basel 1996, S. 113.
[63] William Shakespeare: Macbeth. In: ders.: The Works of William Shakespeare. Bde: 7, hg. von William George Clark/William Aldis Wright. Cambridge/London 1865. S.421-520, hier: S. 425.
[64] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 271.
[65] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 271f.
[66] Ebd. S. 273.
[67] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 276.
[68] Ebd. S. 434.
[69] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 296.
[70] Ebd. 296.
[71] Heiner Müller: Der Auftrag. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 3 Aufl.1. Frankfurt a.M. 2019, S. 12-98, hier: S. 41.
[72] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 321.
[73] Janine Ludwig: Frauenfiguren. In: Hans-Thies Lehmann/ Patrick Primavesi (Hg.): Heiner Müller Handbuch.
Leben-Werk-Wirkung. Stuttgart/ Weimar 2003, S. 69-75, hier: S. 69.
[74] Vgl. Marianne Streisand: Frauenfiguren in den Theatertexten Heiner Müllers, in: Theater der Zeit 44 (1989) 1,
S. 52-56.
[75] Frank M. Raddatz: Jenseits der Nation. Heiner Müller im Interview mit Frank M. Raddatz. Aufl. 1. Berlin 1991, S.
14f.
[76] Petra Waschescio: Vernunftkritik und Patriarchatskritik. Mythische Modelle in der deutschen Gegenwartsliteratur.
Heiner Müller, Irmtraud Morgner,Botho Strauß, Gisela von Wysocki. Bielefeld 1994, S. 50.
[77] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 296.
[78] Janine Ludwig: Frauenfiguren. In: Hans-Thies Lehmann/ Patrick Primavesi (Hg.): Heiner Müller Handbuch.
Leben-Werk-Wirkung. Stuttgart/ Weimar 2003, S. 69-75, hier: S. 74.
[79] William Shakespeare: Macbeth. In: ders.: The Works of William Shakespeare. Bde: 7, hg. von William George Clark/William Aldis Wright. Cambridge/London 1865. S.421-520, hier: S. 498.
[80] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 270.
[81] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 324.
[82] Harich Wolfgang: Der entlaufene Dingo, das vergessene Floss. Aus Anlass der „Macbeth“ - Bearbeitung von Heiner Müller. In: Sinn und Form 25 (1973), H. 1, S. 189-218, hier: S. 208.
[83] Frank M. Raddatz: Zur Lage der Nation. Heiner Müller im Interview mit Frank M. Raddatz, Berlin 1990, S. 73f.
[84] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 289.
[85] Ebd. S. 300.
[86] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 302.
[87] Ebd. S. 304f.
[88] Ebd. S. 306.
[89] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 315.
[90] Heiner Müller: Die Umsiedlerin oder Das Leben auf dem Land. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 1, Aufl.1. Frankfurt a.M. 2000, S. 232-303, hier: S. 252.
[91] Ebd. S. 266.
[92] Vgl. Olaf Schmitt: Verausgabung, Opfer, Tod. In: In: Hans-Thies Lehmann/ Patrick Primavesi (Hg.): Heiner Müller
Handbuch. Leben-Werk-Wirkung. Stuttgart/ Weimar 2003, S. 62-69, hier: S. 63.
[93] Gregor Edelmann/Renate Ziemer: Gesammelte Irrtümer 3. Texte und Gespräche. Frankfurt a. M. 1994, S. 108.
[94] William Shakespeare: Macbeth. In: ders.: The Works of William Shakespeare. Bde: 7, hg. von William George Clark/William Aldis Wright. Cambridge/London 1865. S.421-520, hier: S. 430.
[95] Vgl. Friedrich Dieckmann: Heiner Müller und die Legtimität. In: Theater der Zeit 27 (1972), H.9, S. 47.
[96] Vgl. Wolfgang Emmerich: Antike Mythen auf dem Theater der DDR.Geschichte und Poesie, Vernunft und Terror. In:
Ulrich Profitlich(Hg.): Dramatik der DDR. Frankfurt am Main 1987, S. 223–265.
[97] Frank M. Raddatz: Zur Lage der Nation. Heiner Müller im Interview mit Frank M. Raddatz, Berlin 1990, S. 10.
[98] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 265.
[99] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 265.
[100] Peter Iden: Uns verändernd. Über Ionescos, Bonds, Müllers Stücke nach Shakespeare. In: Theater heute
Jahressonderheft 1972, S. 38.
[101] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 307.
[102] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 308.
[103] Ebd. S. 324.
[104] Nadi Siegfried: Meldungen Veränderer - lonesco, Bond, Müller und Shakespeare - kein Vergleich. In: Theater heute,
Jahressonderheft 30 (1972), S. 226.
[105] Helmut Fuhrmann: Where Violent Sorrow Seems a Modern Ecstasy. Über Heiner Müllers „Macbeth nach
Shakespeare“. In: Arcadia. Zeitschrift für vergleichende Literaturwissenschaft 13 (1978), H. 1, S. 56.
[106] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 289.
[107] Ebd. S. 289.
[108] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 289.
[109] Ebd. S. 289.
[110] Ebd. S. 304.
[111] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 312.
[112] Ebd. S. 312.
[113] Heiner Müller: Macbeth. In: ders.: Werke 4. Die Stücke 2, Aufl.7. Frankfurt a.M. 2019, S. 263-324, hier: S. 319f.
[114] Ernst Schumacher: „Macbeth“ in der Diskussion. Rundtischgespräch über die Heiner Müller-Inszenierung an der
Volksbühne Berlin. In: Theater der Zeit 38 (1983), H. 1, S. 11.
[115] Helmut Fuhrmann : Where Violent Sorrow Seems a Modern Ecstasy. Über Heiner Müllers „Macbeth nach
Shakespeare“. In: Arcadia. Zeitschrift für vergleichende Literaturwissenschaft 13 (1978), H. 1, S. 59.
[116] Vgl. Patrick Primavesi: Heiner Müllers Theater der Grausamkeit. In: Mayer, Brigitte Maria/Christian Schulte, (Hg.): Der Text ist der Coyote. Heiner Müller Bestandsaufnahme. Frankfurt a. M. 2003, S. 2004.
[117] Vgl. Artaud, Antonin: Brief an Jean Paulhan vom 25. 1.1936. In: ders.: Das Theater und sein Double, übers. von Gerd Henninger, Frankfurt a.M. 1969, S. 196.
[118] Vgl. Heiner Müller: Theaterabeit. Berlin 1975, S. 117.
[119] Vgl. Alexander Karschnia / Hans-Thies Lehmann: Zwischen den Welten. In: Hans-Thies Lehmann/ Patrick Primavesi (Hg.): Heiner Müller Handbuch.Leben-Werk-Wirkung. Stuttgart/ Weimar 2003, S. 9-15, hier: S. 10.
[120] Heiner Müller: Herzstück. Berlin 1983, S. 103.
[121] Vgl. Martin Linzer: Historische Exaktheit und Grausamkeit. Einige Notizen zu Heiner Müllers „Macbeth“ und zur Uraufführung in Brandenburg. In: Theater der Zeit 27 (1972), H. 7, S. 23.
[122] Alexander Kluge/Heiner Müller: Ich bin ein Landvermesser: Gespräche, neue Folge. Hamburg 1996, S. 176.
[123] Johannes Streisand: Deutsche Geschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. Eine marxistische Einführung. Köln 1976, S. 10f.
[124] Vgl. Marianne Streisand: Theater der Sozialen Phantasie und der Geschichtlichen Erfahrung. In: Sinn und Form 35 (1983), H.5, S. 1058-1067, hier: S. 1061.
[125] Gregor Edelmann/Renate Ziemer: Gesammelte Irrtümer 3. Texte und Gespräche. Frankfurt a. M. 1994, S. 181.
[126] Ebd. S. 84.
[127] Gregor Edelmann/Renate Ziemer: Gesammelte Irrtümer 3. Texte und Gespräche. Frankfurt a. M. 1994, S. 84.
[128] Heiner Müller: Shakespeare Factory 2. Berlin 1989, S. 236.
[129] Horst Domdey: Mythos als Phrase oder Die Sinnausstattung des Opfers. In: Merkur 40 (1986a) 5, S. 98.
[130] Heiner Müller: Rotwelsch. Berlin 1982, S. 98.
[131] Moray McGowan: Geschichtsbild und Dramatische Form bei Heiner Müller. In: Kurz bevor der Vorhang fiel. Zum Theater der DDR. London Symposium. Amsterdem Atlanda u.a. 1990, S. 75.
[132] Gregor Edelmann/Renate Ziemer: Gesammelte Irrtümer 3. Texte und Gespräche. Frankfurt a. M. 1994, S. 108.
[133] Martin Esslin: The Theatre of the Absurd. London 1974, S. 391f.
[134] Ebd. S. 390.
[135] Rossette C. Lamont: Ionesco’s Imperatives: The Politics of Culture. Michigan 1993, S.182.
[136] Claude Bonnefoy: Conversation with Eugène Ionesco. Translated by Jan Dawson. 1. Edition. New York 1971, S. 159.
[137] Jan Kott: Die Könige. In: Shakespeare heute. München 1970, S. 22.
[138] Robert Brustein: The Third Theatre. 1. edition. New York 1970, S. 10.
[139] Rosette C. Lamont: Ionesco's Imperatives: The Politics of Culture. Ann Arbor 1993, S. 182.
[140] Les Essif: The French play: exploring theatre „re-creatively“ with foreign language students. Calgary 2006, S. 164f.
[141] Vgl. Wehle Winfreid: Franzözischer Roman der Gegenwart. Erzählstruktur und Wirklichkeit im Nouveau Roman.
Berlin 1972, S. 120f.
[142] Vgl. Broich Ulrich: Present-day Version of „Macbeth“ in England, France and Germany. In: German Life & Letters. A Quarterly Review. New series 28 (1975), H. 3, S. 223.
[143] Eugène Ionesco: Notes et contre-notes. Aufl.1. Paris 1962, S. 83f.
[144] Véronique Lochert: Macbeth / Macbett : répétition tragique et répétition comique de Shakespeare à Ionesco. Laval 2007, S.60.
[145] Eugène Ionesco: Notes et contre-notes. Aufl. 1. Paris 1962, S. 194.
[146] Eugène Ionesco: A propos de Macbett: Figaro Littéraire (7. 1 1972).
[147] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 15.
[148] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 15.
[149] Ebd. S. 15.
[150] Ebd. S. 30.
[151] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 66f.
[152] Nicole Jerr: Pretenders to The Throne Sovereignty and Modern Drama, phil. Diss. Baltimore 2014, S. 127.
[153] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 45f.
[154] Ebd. S. 81.
[155] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 92.
[156] Ebd. S. 100.
[157] Ebd. S. 43.
[158] Rosette C. Lamont: From Macbeth to Macbett. In: Modern Drama (1975), H.15, S. 231-253, hier: S. 238.
[159] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 3.
[160] Ebd. S. 20f.
[161] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 23.
[162] Alfred Jarry: Ubu Roi. Translated by Patrick Wittaker. Smashwords 2007, S. 40.
[163] Ebd. S. 50.
[164] Ebd. S. 42.
[165] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 28f.
[166] Ebd. S. 29.
[167] Vgl. Nancy Lane: Understanding Eugène Ionesco. Columbia 1994, S. 178.
[168] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 19.
[169] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 23.
[170] William Shakespeare: Macbeth. In: ders.: The Works of William Shakespeare. Bde: 7, hg. von William George Clark/William Aldis Wright. Cambridge/London 1865. S.421-520, hier: S. 492.
[171] Vgl. Eugène Ionesco: Tous dans le même sac! In: Le Monde (2.3.1972).
[172] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 49.
[173] Ebd. S. 52.
[174] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 42.
[175] Ebd. S. 45.
[176] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 51.
[177] Ebd. S. 50.
[178] Ebd. S. 55.
[179] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973. S. 54.
[180] Ebd. S. 58.
[181] Ebd. S. 58.
[182] Ebd. S. 86.
[183] Vgl. Marie-Claude Hubert: „Le politique de plus en plus affirmé“ Eugène Ionesco: Classicisme et modernité. Aix-en-Provence 2011, S. 112.
[184] Eugène Ionesco: Fragments of a Journal. Translatede by Jean Sterward. New York 1968. S. 72.
[185] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 4.
[186] Ebd S. 4.
[187] Claude Bonnefoy: Conversations with Eugène Ionesco. Translated by Jan Dawson. 1. Edition. New York/Chicago/San Francisco 1971, S. 162.
[188] Ebd. S. 89.
[189] Ebd. S. 89.
[190] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 32.
[191] Eugène Ionesco: Journal de mon dearroi. In: 3. Figaro Littéraire (6. mai 1972). S. 18.
[192] Eugène Ionesco: The Playwright’s Role. In: Observer (6. July 1958)
[193] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 12.
[194] Ebd. S. 11.
[195] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 12.
[196] Dieser Konzept stammt aus Hannah Arendts »Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen«.
[197] Ebd. S. 7.
[198] Vgl. Rosette. C. Lamont: From Mabeth to Macbett. In: Modern Drama (1975), H.15, S. 231-253, hier: S. 239.
[199] Vgl. Kern Edith: Ionesco and Shakespeare: "Macbeth" on the Modern Stage. In: South Atlantic Bulletin (01.1974), H. 39, S. 3-16, hier: S. 7.
[200] Eugène Ionesco: Antidotes. Paris 1977, S. 322.
[201] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 73.
[202] Ebd. S. 74.
[203] Eugène Ionesco: Fragments of a Journal. New York 1968, S. 92.
[204] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 74.
[205] Eugène Ionesco: Nous avons la manie des revolutions. Interview with Sandra Stolojan. In: Journal de Geneve. H. 180 (4-5 August 1973), S. 2.
[206] Eugène Ionesco: Antidotes. Paris 1977, S. 328.
[207] Ruby Cohn: Modern Shakespeare Offshoots. Princeton 1976, S. 85.
[208] Ellyn Isabelle Bradly: The search of individual identitity in the works Eugène Ionesco. 1950-1985, phil. Diss. Durham 1985, S. 152.
[209] Vgl. Eugène Ionesco: Présent passé. passé Présent. Paris 1976, S. 40.
[210] Eugène Ionesco: The Hermit. Translated by Richard Seaver. New York 1987, S. 111.
[211] Eugène Ionesco: Theatres of the Absurd, Translated by Edith Kurzweil, Aufl. 3, New York 1989, S. 46.
[212] Rosette C. Lamont: Ionesco's Imperatives: The Politics of Culture. Ann Arbor 1993, S. 183.
[213] Vgl. Lamont C., Rosette: The Metaphysical Farce: Beckett and Ionesco. In: French Review H. 32 (1959) , S. 321.
[214] Eugène Ionesco: Notes et contre-notes.Aufl. 1. Paris 1962, S. 59.
[215] Eugène Ionesco: Macbett. In: Exit the King, The Killer, and Macbett: Three Plays by Eugène Ionesco. Translated by Charles Marowitz and Donald Watson. New York 1973, S. 26.
[216] Ebd. S. 4f.
[217] Ebd. S. 34.
[218] Jean-Herve Dennard: Ionesco dramaturge ou l'artisan et le demon. Paris 1966, S.46.
[219] Eugène Ionesco: Présent passé. Passé Présent. Paris 1976, S. 280f.
[220] Ebd. S. 59f.
[221] Eugène Ionesco: Antidotes. Paris 1977, S. 322.
[222] Ebd. S.74f.