Die Sterbehilfe-Diskussion hat in den letzten Jahren in Deutschland zugenommen. Hierfür gibt es verschieden Gründe. Zum einen hat die Intensivmedizin sich technisch immer weiter verbessert, so dass es heutzutage vermehrt möglich ist, einen Menschen am Leben zu halten, und zum anderen entwickelt sich in Deutschland eine überalternde Bevölkerung. „Die Zahl alter und chronisch kranker Menschen hat zugenommen.“ Diese Entwicklungen sind mitverantwortlich für eine entstandene Wertepluralität innerhalb der Bevölkerung. Es stellt sich die Frage, ob für bestimmte Patienten, die am Leben gehalten werden, die Situation überhaupt noch ein lebenswertes Leben darstellt. Das, was von einem als Wohl empfunden wird, kann von einem Anderen als Schaden gesehen werden und der Auftrag des Arztes, dass Wohl von Patienten zu fördern, ist interpretationsbedürftig geworden. Die Verfechter der Sterbehilfe sind der Meinung, dass es am sinnvollsten erscheint, so weit wie möglich die Entscheidungsgewalt des Patientenwohls dem Patienten selbst zu überlassen. Hat dieser den Wunsch, sein Leben besonders in auswegslosen Situationen zu beenden, sind dem behandelnden Arzt für eine aktive Beendigung des Lebens gesetzlich die Hände gebunden. In einigen Fällen scheint es aber für alle Beteiligten die beste Alternative zu sein. Gegen diese Gedanken stellt sich besonders die Kirche, die von der Heiligkeit des menschlichen Lebens spricht und eine Tötung massiv ablehnt. Es ist zwar gesetzlich möglich, eine passive Beendigung des Lebens anzustreben, doch kann dieser Sterbensprozess für den Patienten mit einer unnötigen Qual verbunden sein. Verfechter der aktiven Sterbehilfe versuchen die Sinnlosigkeit dieser zu erläutern und sind der Meinung, dass es keinen moralischen Unterschied zwischen Tun und Unterlassen gibt.
Inhaltsverzeichnis
1. Gibt es einen bedeutsam moralischen Unterschied zwischen Tun und Unterlassen?
2. Begriffsbestimmungen
3. Die Rechtslage in Deutschland
4. Die niederländische Praxis
5. Tun und Unterlassen
6. Fazit
7. Literaturangabe
1. Gibt es einen bedeutsam moralischen Unterschied zwischen Tun und Unterlassen?
Einleitung
Die Sterbehilfe-Diskussion hat in den letzten Jahren in Deutschland zugenommen. Hierfür gibt es verschieden Gründe. Zum einen hat die Intensivmedizin sich technisch immer weiter verbessert, so dass es heutzutage vermehrt möglich ist, einen Menschen am Leben zu halten, und zum anderen entwickelt sich in Deutschland eine überalternde Bevölkerung. „Die Zahl alter und chronisch kranker Menschen hat zugenommen.“[1] Diese Entwicklungen sind mitverantwortlich für eine entstandene Wertepluralität innerhalb der Bevölkerung. Es stellt sich die Frage, ob für bestimmte Patienten, die am Leben gehalten werden, die Situation überhaupt noch ein lebenswertes Leben darstellt. Das, was von einem als Wohl empfunden wird, kann von einem Anderen als Schaden gesehen werden und der Auftrag des Arztes, dass Wohl von Patienten zu fördern, ist interpretationsbedürftig geworden. Die Verfechter der Sterbehilfe sind der Meinung, dass es am sinnvollsten erscheint, so weit wie möglich die Entscheidungsgewalt des Patientenwohls dem Patienten selbst zu überlassen. Hat dieser den Wunsch, sein Leben besonders in auswegslosen Situationen zu beenden, sind dem behandelnden Arzt für eine aktive Beendigung des Lebens gesetzlich die Hände gebunden. In einigen Fällen scheint es aber für alle Beteiligten die beste Alternative zu sein. Gegen diese Gedanken stellt sich besonders die Kirche, die von der Heiligkeit des menschlichen Lebens spricht und eine Tötung massiv ablehnt. Es ist zwar gesetzlich möglich, eine passive Beendigung des Lebens anzustreben, doch kann dieser Sterbensprozess für den Patienten mit einer unnötigen Qual verbunden sein. Verfechter der aktiven Sterbehilfe versuchen die Sinnlosigkeit dieser zu erläutern und sind der Meinung, dass es keinen moralischen Unterschied zwischen Tun und Unterlassen gibt.
Im so genannten „Johns-Hopkins-Fall“ wurde ein Kind mit Down-Syndrom und einem Verschluss im Verdauungssystem geboren. Die Mutter, selber Krankenschwester, entschied sich gegen einen operativen Eingriff zur Behebung des defekten Verdauungssystems und das Kind blieb unbehandelt. Nahrung, die durch den Mund aufgenommen wurde, konnte es nicht verdauen und es wurde nicht versucht, das Kind über einen anderen Weg zu ernähren. Es starb 15 Tage nach der Geburt an Dehydrierung und Hunger. Ein Film mit dem Namen „Who Should Survive“ brachte diese Geschichte in die Öffentlichkeit. Die Reaktion dieser war ein großer Schock und es stellte sich die Frage, warum der Sterbeprozess nicht beschleunigt werden konnte. Bei dem Kind haben sich die Beteiligten gegen eine lebensverlängernde Behandlung entschieden und Ärzten wird in solchen Fällen immer wieder die Frage gestellt, ob nicht eine Unterstützung des Sterbens barmherziger und ethisch wünschenswerter wäre, wenn einmal beschlossen ist, das Leben eines schwerstgeschädigten Neugeborenen sowie vergleichbaren Patienten nicht zu verlängern. Bewusst ist, dass eine tödliche Injektion in den meisten Staaten eine Mordanklage riskiert. Rechtlich trifft dies auch für einen Arzt zu. Da die Gesetzestexte sehr komplex und verschieden sind, sollen sie nicht teil dieser Arbeit sein. Es soll die problematische Frage gestellt werden, ob es einen bedeutsamen moralischen Unterschied zwischen Tun und Unterlassen gibt.
2. Begriffsbestimmung
Unter Sterbehilfe (Euthanasie) versteht man eine ärztliche Maßnahme zur Erleichterung von todkranken Menschen. Der Begriff umfasst zum einen die Hilfe zum Sterben als eine Handlung und zum anderen die Hilfe im Sterben als Begleitung und Unterstützung. Der historische Begriff wird Euthanasie genannt und die Bundesärztekammer benutzt den Begriff der Sterbebegleitung. In erster Linie sollen bei der Sterbehilfe weitere Leiden der aussichtslos unheilbaren Patienten beendet werden. Es wird unterschieden zwischen aktiver, passiver und indirekter Sterbehilfe.
Euthanasie liegt vor, wenn diese Kriterien vertreten sind:
„1. Der Tod ist mindestens durch eine weitere Person, deren Handlung zum Tod beiträgt, gewollt.
2. Die Person, die stirbt, ist entweder schwer krank oder irreversibel komatös (oder wird es bald sein); die Beendigung dieses Zustandes ist allein der ausschlaggebende Punkt für die Lebensbeendigung.
3. Die angewendeten Mittel müssen so schmerzlos sein wie möglich, oder dann müssen genügend moralische Gründe für eine schmerzhafte Methode gegeben sein.“[2]
Bei der aktiven Sterbehilfe wird dem Patienten beispielsweise ein tödliches Mittel verabreicht. Der Patient nimmt dieses Mittel nicht selbst zu sich, was den Unterschied zum assistierenden Suizid darstellt. Das Mittel wird dem Patienten von außen aktiv zugeführt. Die aktive Sterbehilfe ist fast weltweit verboten.
Mit der passiven Sterbehilfe meint man den Verzicht oder die Beendigung von lebensverlängernden Maßnahmen. Hier entsteht demzufolge keine tödliche Fremdeinwirkung durch einen Arzt, die zum Tod führt. Der Sterbeprozess wird geschehen gelassen und benötigt eine Einwilligung des Patienten. Für den Fall, dass dieser dazu nicht mehr in der Lage ist, bedient sich der Arzt einer Patientenverfügung, die den vorher geäußerten Willen darstellt. Ist diese nicht vorhanden, muss der mutmaßliche Wille festgestellt werden. Dafür können gerichtlich verantwortliche Personen, Vorsorgebevollmächtigte, Angehörige etc. mit einbezogen werden. Passive Sterbehilfe ist ein Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts und nicht strafbar.
Der assistierte Suizid ist eine Beihilfe zur autonomen Selbsttötung eines Menschen. Das tödliche Mittel wird der Person nicht aktiv verabreicht, sondern nur zur Verfügung gestellt, um es selbst einzunehmen. Dies ist in Deutschland nicht strafbar, doch gibt es durch die Bundesärztekammer für Ärzte ein Verbot, da der assistierte Suizid gegen den ärztlichen Ethos verstößt.
Eine indirekte Sterbehilfe ist beispielsweise eine Überdosierung von Medikamenten, die zum Tod führt. Der Unterschied zur aktiven Sterbehilfe ist aber, dass der Tod nicht das Ziel ist. Er wird nur durch den Gebrauch von Medikamenten in Kauf genommen. Der Arzt ist hier zu der Tat sogar verpflichtet, da er sonst unterlassene Hilfeleistung durch Nicht-Behandlung vollbringen würde.
Des Weiteren fallen noch die Begriffe der freiwilligen, nicht-freiwilligen und unfreiwilligen Sterbehilfe. Bei der freiwilligen Sterbehilfe äußert der Patient vor dem Prozess den Wunsch der Sterbehilfe. Bei der nicht-freiwilligen müssen andere Beteiligte für den Patienten entscheiden, da er dazu nicht mehr oder noch nicht in der Lage ist und bei der unfreiwilligen Sterbehilfe wird diese gegen seinen Willen oder ohne seine Erlaubnis praktiziert.
Eines der größten Probleme dieser Debatte sind die Fragen, ob diese Begriffseinteilung der Sterbehilfe dem medizinischen Alltag gerecht werden kann und „inwieweit sind diese Unterscheidungen für die moralische Bewertung relevant?“[3]
3. Die Rechtslage in Deutschland
Die deutsche Rechtssprechung bewertet die aktive und passive Sterbehilfe unterschiedlich. Die aktive Sterbehilfe gilt als grundsätzlich verboten und die passive und indirekte Sterbehilfe gilt unter bestimmten Bedingungen als erlaubt und moralisch geboten.
Ein häufig benutztes Argument innerhalb der Sterbehilfe in Deutschland ist die menschliche Würde. Der Sterbeprozess muss demzufolge mit dem Selbstbild des Patienten vereinbar sein und hier steckt auch ein Verbot der differenziellen Bewertung von menschlichem Leben. Stimmt aber das Selbstbild mit dem Sterbeprozess überein, müsste es demzufolge auch möglich sein, aktive Sterbehilfe zu leisten. Ein Argument gegen die aktive Sterbehilfe ist der Vertrauensverlust gegenüber den Ärzten. Ein Gegenargument ist, dass einige Patienten gern mit dem Arzt über aktive Sterbehilfe reden würden, was diesem in der Praxis aber verwehrt wird. Ein weiteres Argument gegen aktive Sterbehilfe ist das Argument der „schiefen Ebene“, auch „Dammbruchargument“ genannt. Hier besteht die Gefahr der unweigerlich unkontrollierten Ausweitung der aktiven Sterbehilfe. Um diesen Dammbruch zu verhindern, wird in Deutschland die aktive Sterbehilfe grundsätzlich verboten. „ Aktive Sterbehilfe ist unzulässig und mit Strafe bedroht, auch dann, wenn sie auf Verlangen des Patienten geschieht. Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos und kann strafbar sein.“[4] Das Dammbruchargument basiert in Deutschland oft auf einem historischen Vergleich, dem des Nationalsozialismus. Hier stellt sich aber die Frage, ob dieser Vergleich der heutigen Praxis gerecht werden kann. Das Ziel des heutigen Arztes ist eine Erlösung von Leid. Das Ziel des Nationalsozialismus war in der ausgeprägtesten Gestalt die Vernichtung von lebensunwertem Leben, wobei die lebensunwerte Einstufung sehr willkürlich ablief und nicht auf einem würdevollen Umgang mit den Patienten basierte.
Es stellt sich in der Sterbehilfedebatte die zentrale Frage, wie man das Fremdtötungsverbot mit dem Recht auf Selbstbestimmung in Einklang bringen kann.
In Deutschland dürfen Ärzte „Maßnahmen zur Verlängerung des Lebens in Übereinstimmung mit dem Willen des Patienten unterlassen oder nicht weitergeführt werden, wenn diese nur den Todeseintritt verzögern und die Krankheit in ihrem Verlauf nicht mehr aufgehalten werden kann.“[5] Wenn der Patient es wünscht, können Angehörige mit einbezogen werden. Dies gilt aber nicht gegen seinen Willen. Ist der Patient nicht fähig seinen Wunsch zu äußern, kann ein zuständiger Betreuer in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden. Bei Verdacht auf Missbrauch hat der Arzt die Möglichkeit, sich an ein Vormundschaftsgericht zu wenden.
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[1] Ethik in der Medizin Ein Studienbuch . Hrsg. v. Urban Wiesing. S. 194 Stuttgart 2000
[2] Das medizinisch assistierte Sterben. Zur Sterbehilfe aus medizinischer, ethischer, juristischer und theologischer Sicht. Sammelband hrsg. v. A. Holderegger. S. 129 Freiburg/ Wien 1999
[3] Ethik in der Medizin Ein Studienbuch. Hrsg. v. Urban Wiesing. S. 196 Stuttgart 2000
[4] Ethik in der Medizin Ein Studienbuch. Hrsg. v. Urban Wiesing. S. 203 Stuttgart 2000
[5] Ethik in der Medizin Ein Studienbuch. Hrsg. v. Urban Wiesing. S. 204 Stuttgart 2000
- Citation du texte
- Michael Dathe (Auteur), 2010, Sterbehilfe - Gibt es einen bedeutsam moralischen Unterschied zwischen Tun und Unterlassen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143480
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