Die „Postkoloniale Theorie“ ist ein konzeptioneller Ansatz innerhalb der Politischen Geographie. Sie sucht nach persistenten kolonialen Strukturen in heute formal dekolonisierten Gesellschaften. Der Geograph Derek Gregory spricht deshalb von einer „Colonial Present“ seiner Untersuchungsräume. Zu diesen gehören demnach aber nicht nur die ehemals kolonisierten Räume, sondern auch die ehemals kolonisierenden Gesellschaften. Das Kolonialzeitalter hinterließ also seine Spuren nicht nur in den von den europäischen Mächten kontrollierten Räumen. Die Europäer selbst erfuhren ebenfalls aufgrund ihrer selbst auferlegten Rolle als „Kolonialherren“ Prägungen durch die Handlungen und die Umstände in jener Zeit. Rollen nämlich generieren sich nicht nur aus Weltbildern, sie produzieren sie auch neu oder pflegen sie.
Gregory fasst diese Phänomene unter dem Begriff der „imaginative geographies“ zusammen. Es soll untersucht werden, inwieweit die koloniale Vergangenheit von Okkupierten und Okkupanten bis heute Weltbilder erhält, aufgrund derer sich die Beteiligten zu etwaigen Handlungen motivieren lassen. Die Präsenz, oder zumindest die direkte Einflussnahme dieser der USA und Großbritanniens,hat eine lange Tradition im Nahen und Mittleren Osten. Irak und Afghanistan blicken auf eine lange koloniale Vergangenheit zurück. Damals wie heute sind diese Räume einem hohen Maß an Fremdbestimmung von außen ausgesetzt. Daraus ergibt sich Frage, inwieweit hinsichtlich der Motive, der Legitimation und der Ausprägung dieser Fremdbestimmung Parallelen zwischen der damaligen Zeit und der Gegenwart bestehen.
Die Verantwortlichen für das Engagement in Irak und Afghanistan sprechen von „Nation Building“. Demnach sei man vor Ort engagiert, um die Konflikte in den instabilen Räumen zu lösen und selbstständig funktionierende Staatengebilde zu hinterlassen. Zweifellos haben die früheren Kolonialherren viele dieser Konflikte hinterlassen. Die Suche nach Zusammenhängen zwischen den entsprechenden kolonialen und den gegenwärtigen Auffassungen hinsichtlich der kolonialen „white mens burden“ sind Gegenstand dieser Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das koloniale Erbe im Irak und in Afghanistan
- Die „Bürde des weißen Mannes“
- Irak und Afghanistan im Zeitalter des Kolonialismus
- Hinterlassene Konflikte
- Imaginative Geographien
- Nation Building
- „Liberaler Imperialismus“ und Nation Building
- Das Konzept des Nation Building
- Nation Building Eine Auswertung von Fallstudien
- Afghanistan
- Irak
- Fazit: Die postkoloniale Prägung des Nation Building
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der „Postkolonialen Theorie“, die nach anhaltenden kolonialen Strukturen in heute formal dekolonisierten Gesellschaften sucht. Es soll untersucht werden, inwieweit die koloniale Vergangenheit von Okkupierten und Okkupanten bis heute Weltbilder erhält, die zu Handlungen motivieren. Insbesondere werden die Konflikte im Irak und in Afghanistan im Kontext des „Nation Building“ im Hinblick auf eine mögliche Fortsetzung der „weißen Last“ beleuchtet.
- Die „weiße Last“ und die Konstruktion von Weltbildern
- Die koloniale Vergangenheit im Irak und Afghanistan
- Imaginative Geographien und die koloniale Prägung
- Nation Building und die Kontinuität kolonialer Strukturen
- Die Rolle des „Great Game“ und des Kalten Krieges in der Region
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die „Postkoloniale Theorie“ vor und erläutert die Bedeutung von „imaginativen Geographien“ im Kontext des kolonialen Erbes. Sie führt außerdem das multinationale militärische Engagement im Irak und in Afghanistan ein und stellt die Frage nach den Parallelen zwischen dem Kolonialismus und der Gegenwart.
- Das koloniale Erbe im Irak und in Afghanistan: Dieses Kapitel beleuchtet das „Great Game“ als Wettlauf um Einfluss und Kontrolle im 19. Jahrhundert und analysiert die Rolle des Kolonialismus in der Gestaltung der Region. Es erklärt, wie die „weiße Last“ als Rechtfertigung für die Ausbeutung und Unterdrückung fremder Kulturen herangezogen wurde. Das Kapitel geht dann auf die spezifische Geschichte des Irak und Afghanistans im Kontext des Kolonialismus ein, beleuchtet die Folgen der künstlich geschaffenen Staatsgrenzen und die anhaltende Fremdbestimmung.
- Imaginative Geographien: Dieses Kapitel untersucht die Konstruktion von „imaginativen Geographien“ als theoretisches Bindeglied zwischen der kolonialen Vergangenheit und der postkolonialen Gegenwart. Es geht der Frage nach, wie das Weltbild der ehemaligen Kolonialmächte die Wahrnehmung der ehemaligen Kolonisierten beeinflusst hat und welche Auswirkungen dies auf das heutige Verständnis der Region hat.
- Nation Building: In diesem Kapitel wird das Konzept des „Nation Building“ analysiert und diskutiert, inwieweit es als Fortsetzung der „weißen Last“ betrachtet werden kann. Anhand von Fallstudien aus Afghanistan und dem Irak wird die Frage untersucht, ob die gegenwärtigen Interventionen tatsächlich auf die Lösung von Konflikten oder eher auf die Sicherung eigener Interessen ausgerichtet sind.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse des kolonialen Erbes im Irak und in Afghanistan. Dabei werden „imaginative Geographien“, das „Great Game“, der „Kalte Krieg“, „Nation Building“ und die „weiße Last“ als zentrale Begriffe und Themenfelder untersucht. Die Arbeit befasst sich mit der Konstruktion von Weltbildern und deren Auswirkungen auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung in der Region.
- Citar trabajo
- Stefan Reiß (Autor), 2009, Nation Building und die Bürde des weissen Mannes in Afghanistan und Irak, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143407