Im zweiten Abschnitt der vorliegenden Arbeit werden Muster identifiziert, die die wirtschaftliche Entwicklung von Volkswirtschaften kennzeichnen und immer wieder in ähnlicher Form auftreten.
Im dritten Abschnitt wird eines dieser wiederkehrenden Muster – der Konjunkturzyklus – näher untersucht und es werden Instrumente gefunden, die genutzt werden können, um die Schwankungen der Wirtschaftsentwicklung während des Konjunkturzyklus´ zu beeinflussen.
Im vierten Abschnitt werden ökonomische Größen im Hinblick auf ihre Eignung als Vorlaufgröße für andere Größen untersucht. Danach werden die wichtigsten Konjunkturbarometer für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland vorgestellt.
Der fünfte Teil befasst sich mit der Entwicklung von teilweise schon in den vorherigen Abschnitten untersuchten Größen seit der Rezession des Jahres 2001 in den USA bis heute.
Im sechsten Teil werden mögliche Ursachen für die Finanzkrise identifiziert und Unterschiede zwischen einer gewöhnlichen Rezession und derjenigen in Folge der Finanzkrise aufgezeigt.
Im siebten Abschnitt wird das Fazit gezogen.
Inhaltsverzeichnis
II Abkürzungsverzeichnis
III Abbildungsverzeichnis
IV Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Aufbau
2. Änderungen der wirtschaftlichen Aktivität
2.1 Saisonale Änderungen
2.2 Konjunkturelle Änderungen
2.3 Strukturelles Wachstum
3. Phasen im Konjunkturzyklus
3.1 Gründe für die zyklische Entwicklung der Konjunktur
3.2 Instrumente der Konjunktursteuerung
4. Konjunkturindikatoren
4.1 Allgemeine Indikatoren
4.2 Die wichtigsten deutschen Konjunkturbarometer
5. Entwicklungen nach dem Boom im Jahr 2000
6. Ursachen und Besonderheiten der Finanzkrise
6.1 Ursachen für die Finanzkrise
6.2 Besonderheiten der Rezession in Folge der Finanzkrise
7. Fazit
Literaturverzeichnis
Internetquellenverzeichnis
II Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
III Abbildungsverzeichnis
Abb.1 : BIP der BRD
Abb.2 : BIP und Konjunkturzyklen der BRD
Abb.3 : BIP der BRD
Abb.4 : Phasen des Konjunkturzyklus
Abb.5 : BIP und privater Konsum der BRD
Abb.6 : BIP und Ausrüstungsinvestitionen der BRD
Abb.7 : BIP und Außenhandelssaldo der BRD
Abb.8 : BIP und Leitzinssatz der USA
Abb.9 : BIP, Staatseinnahmen und Staatsausgaben der BRD
Abb.10: BIP und Haushaltsüberschuss der BRD
Abb.11: BIP und Baubeginne in den USA
Abb.12: BIP und Arbeitslosenquote der BRD
Abb.13: BIP und Verbrauchervertrauen der BRD, Eurozone und G7
Abb.14: ifo Geschäftsklimaindex
Abb.15: BIP der BRD und ifo Geschäftsklimaindex
Abb.16: BIP der BRD und ZEW Index
Abb.17: Dax, DJIA und Nikkei
Abb.18: DJIA, Finanzdienstleistungsaktien und Industrieaktien
Abb.19: Leistungsbilanzen von Japan, UK, USA und Eurozone
Abb.20: Wechselkurse von Yen, Pfund und Euro
Abb.21: BIP, Leitzinssatz und Kreditwachstum in den USA
Abb.22: Anteil notleidender Kredite in den USA
Abb.23: Baubeginne in den USA
Abb.24: BIP der USA, G7 und EU
Abb.25: Differenz LIBOR/US-Staatsanleihen
Abb.26: BIP, Kreditwachstum und Kreditvolumen in den USA
IV Tabellenverzeichnis
Tab.1 : Bestimmungsfaktoren des Potentialwachstums
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes berührt jeden, der am Wirtschaftsleben teilnimmt. Dies trifft in Industrieländern auf fast jeden Mensch zu. Es ist wünschenswert mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Doch was ist die „wirtschaftliche Entwicklung“ überhaupt? Die vorliegende Arbeit gewährt einen Blick auf das, was darunter verstanden wird. Ziel ist es, einen Überblick über die Gründe und Auswirkungen von Änderungen der Wirtschaftslage zu erhalten. Darüber hinaus werden Zusammenhänge zwischen verschiedenen ökonomischen Größen beleuchtet. Hierdurch kann ein besseres Verständnis über den Einfluss dieser Größen auf die Wirtschaftslage und umgekehrt über den Einfluss der Wirtschaftslage auf diese Größen erlangt werden.
Im Zuge der im Jahr 2007 ausgebrochenen Finanzkrise veränderte sich das wirtschaftliche Umfeld in Deutschland und anderen Ländern stark. So erhöhte sich in Deutschland die Zahl der Beschäftigten, die kurzarbeiten, zwischen Dezember 2008 und Juni 2009 von ca. 200.000 auf über 1,4 Millionen1. Die Staatsschuld der BRD stieg - auch aufgrund der Konjunkturpakete und der Hilfsprogramme für Banken - im ersten Halbjahr 2009 um 5,7% auf 1,6 Billionen Euro2. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen legte im ersten Quartal 2009 um 10% auf über 7700 zu3.
In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, inwieweit diese außergewöhnlichen Entwicklungen nur ein Extremfall typischer zyklischer Veränderungen sind und inwieweit sie durch herkömmliche Indikatoren erfasst werden können. Darüber hinaus wird auf die Frage eingegangen, ob die Finanzkrise bereits im Vorfeld hätte vorhergesehen werden können.
Das Ergebnis der vorliegenden Arbeit ist, dass es einerseits Indikatoren gab, die darauf hindeuteten, dass die Stabilität der US-Wirtschaft seit Beginn des Jahrtausends abnahm. Hier sind der Wertverlust des US-Dollars gegenüber anderen wichtigen Währungen und die hohen Leistungsbilanzdefizite der USA zu nennen. Andererseits gab es Indikatoren wie das Kreditwachstum und das hohe Maß an Vertrauen der Banken untereinander, die auf eine besonders große Stabilität schließen ließen. Die Kreditschrumpfung des Jahres 2009 stellt einen qualitativen Unterschied der Finanzkrise zu anderen Krisen dar.
1.2 Aufbau
Im zweiten Abschnitt der vorliegenden Arbeit werden Muster identifiziert, die die wirtschaftliche Entwicklung von Volkswirtschaften kennzeichnen und immer wieder in ähnlicher Form auftreten.
Im dritten Abschnitt wird eines dieser wiederkehrenden Muster - der Konjunkturzyklus - näher untersucht und es werden Instrumente gefunden, die genutzt werden können, um die Schwankungen der Wirtschaftsentwicklung während des Konjunkturzyklus´ zu beeinflussen.
Im vierten Abschnitt werden ökonomische Größen im Hinblick auf ihre Eignung als Vorlaufgröße für andere Größen untersucht. Danach werden die wichtigsten Konjunkturbarometer für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland vorgestellt.
Der fünfte Teil befasst sich mit der Entwicklung von teilweise schon in den vorherigen Abschnitten untersuchten Größen seit der Rezession des Jahres 2001 in den USA bis heute.
Im sechsten Teil werden mögliche Ursachen für die Finanzkrise identifiziert und Unterschiede zwischen einer gewöhnlichen Rezession und derjenigen in Folge der Finanzkrise aufgezeigt.
Im siebten Abschnitt wird das Fazit gezogen.
2. Änderungen der wirtschaftlichen Aktivität
Die wirtschaftliche Aktivität einer Volkswirtschaft kann durch viele ökonomische Größen näher beschrieben werden. So sind die Beschäftigungshöhe, Aktienkurse, die Gewinne von Unternehmen, die Auslastung der Industriekapazität etc. Variablen, die von der wirtschaftlichen Aktivität beeinflusst werden und umgekehrt4. Die umfassendste Beschreibung liefert jedoch die Änderung der mengenmäßigen Produktion von Gütern und Dienstleistungen, das reale Wachstum des BIP5. Die Aktivität unterliegt Schwankungen. Diese verlaufen nach bestimmten Mustern, mit deren Hilfe die Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung gut beschrieben werden können. Die Veränderungen unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht, z.B. Intensität und eventuell vorhandenen zyklischen Eigenschaften. Häufig wird im Hinblick auf die zeitliche Ausdehnung zwischen saisonalem, konjunkturellem und strukturellem Wachstum unterschieden.
2.1 Saisonale Änderungen
Die jahreszeitlichen Schwankungen des Wirtschaftswachstums sind kurzfristige Änderungen des BIP. Sie treten zyklisch auf. Im Laufe eines Jahres erreicht die Produktion in Deutschland normalerweise im vierten Quartal ein Maximum, im ersten Quartal des folgenden Jahres geht sie spürbar zurück6.
In Abb.1 erkennt man, dass das BIP im Jahr 2005 zwei Quartale wächst und im letzten Quartal stagniert. 2006 und 2007 wächst es jeweils drei Quartale, das erste Quartal eines Jahres ist das einzige, in dem das BIP schrumpft. Das Wachstum ist größer als die Schrumpfung, so dass die jeweiligen Quartalswerte größer sind als die entsprechenden Werte des Vorjahres. Eine Ausnahme stellt das Jahr 2008 dar: Hier schrumpft die Wirtschaftsleistung im ersten und im vierten Quartal, außerdem ist das BIP Ende 2008 geringer als ein Jahr zuvor. Dies ist eine Folge der Subprime-Krise, die Ende des dritten Quartals 2008 die Realwirtschaft voll erfasste.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Entwicklung des realen BIP in Deutschland, Originalwerte, Quelle: Statistisches Bundesamt
Eine Ursache für die gewöhnliche saisonale Änderung des Outputs sind die Witterungsbedingungen. Im Winter muss teilweise die Bautätigkeit unterbrochen werden, dadurch sinkt der Output. Auch die Lage der Betriebsferien spielt eine Rolle7. In Deutschland dominiert die eingeschränkte Bautätigkeit im Winter, in anderen Ländern können der Tourismus und die Gastronomie die wichtigsten Komponenten sein.
Eng mit der saisonalen Schwankung des BIP verbunden ist die saisonale Arbeitslosigkeit. Diese kann sowohl produktionsseitig, wie im Baugewerbe, als auch nachfrageseitig, wie im Tourismus oder Weihnachtsgeschäft entstehen8.
Um jenseits der kurzfristigen Änderungen der wirtschaftlichen Aktivität Vergleichbarkeit zwischen den Quartalsdaten zu erlangen, werden ökonomische Daten meistens saison- und kalendertagbereinigt veröffentlicht9.
Kalendertagbereinigung eliminiert die Schwankung der Daten aufgrund einer unterschiedlichen Anzahl von Arbeitstagen in den Quartalen/Monaten. Es wird die kurzfristige Komponente eliminiert10. So kann man die Schwankungen der Wirtschaftsleistung über den Konjunkturverlauf ohne die verzerrenden Einflüsse der Saison betrachten. Eine andere Möglichkeit ist der Vergleich von Monats- oder Quartalsdaten mit dem Vorjahresmonat oder Vorjahresquartal. So erfolgt automatisch eine Saisonbereinigung, aber keine Kalendertagbereinigung.
2.2 Konjunkturelle Änderungen
Der Begriff „Konjunkturzyklus“ suggeriert fälschlicherweise, dass es sich dabei um ein Phänomen handelt, das stets im gleichen Rhythmus, im gleichen zeitlichen Abstand auftritt11. Das ist aber nicht der Fall. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Seit dem Jahr 1945 gab es in den USA 10 abgeschlossene Zyklen, die durchschnittlich 67 Monate dauerten. Der kürzeste (von Januar 1980 bis Juli 1981) dauerte nur 18 Monate, der längste (von Juli 1990 bis März 2001) hingegen 128 Monate12.
Dennoch weisen die Zyklen Parallelen auf. Es ist möglich, diese jeweils in vier Phasen einzuteilen, auf die später noch näher eingegangen wird: Im Aufschwung wächst die Wirtschaft moderat, im Boom erreicht sie die größten Wachstumsraten, im Abschwung verlangsamt sich das Wachstum und in der Rezession wächst sie nur sehr geringfügig, stagniert oder schrumpft sogar13.
Die Änderung der konjunkturellen Lage entspricht der schwankenden Auslastung der Produktionskapazitäten, nicht dem Wachstum der Produktionskapazitäten an sich14.
In Abb.2 sind zur Verdeutlichung die letzten zwei Konjunkturzyklen in Deutschland dargestellt. Man erkennt, dass die einzelnen Zyklen durchaus unterschiedlich verlaufen: Im ersten Zyklus von 1996 bis 2002 sind die Zuwachsraten des BIP schon im Aufschwung bis zu 2% groß, der Abschwung erfolgt sehr abrupt. Im zweiten Zyklus von 2003 bis 2007 ist der Aufschwung durch niedrige Wachstumsraten gekennzeichnet, im Jahr 2005 ist das BIP sogar etwas kleiner als 2004. Der Abschwung nach dem Boom erfolgt weniger drastisch, der dargestellte Zyklus ist aber noch nicht abgeschlossen. In grau eingezeichnet ist die ideale Vorstellung eines Zyklus als gleichmäßige Schwingung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2, Zwei Konjunkturzyklen in Deutschland, reales BIP Wachstum, Quelle: Letzgus (2008), S.124
Wenn man den Begriff „Konjunkturzyklus“ gebraucht, muss man sich also bewusst sein, dass das zyklische Element der Konjunktur die wiederkehrenden Phasen der Entwicklung sind und nicht das Zeitintervall, in dem ein Zyklus stattfindet.
Konjunkturelle Schwächephasen werden von Seiten der Politik oft durch Nachfragepolitik bekämpft. Diese setzt meistens im Bausektor an, da man sich dort die größten Multiplikatoreffekte verspricht. Nachfragepolitik wird von der keynesianischen Wirtschaftstheorie empfohlen. Es steht die kurz- bis mittelfristige Wirtschaftsentwicklung im Vordergrund15.
2.3 Strukturelles Wachstum
Der Begriff „strukturelles Wachstum“ ist eng mit dem Produktionspotential einer Volkswirtschaft verknüpft. Das Produktionspotential ist dasjenige BIP, das bei normaler Auslastung der Produktionskapazitäten erreicht werden kann. Erhöhung des BIP kann demnach sowohl durch eine gleichbleibende AuslastungEine der Kapazitäten bei gestiegenem Produktionspotential, als auch durch eine zunehmende Auslastung bei gleichbleibendem Produktionspotential erreicht werden (oder durch Kombinationen beider Varianten)16. Eine „normale“ Auslastung der Produktionskapazitäten bedeutet, dass keine inflationären Effekte aufgrund knapper Kapazitäten auftreten17.
Strukturelles Wachstum ist der Anstieg der Produktionskapazitäten, unabhängig davon, ob diese genutzt werden oder nicht18. Es ist der langfristige Wachstumstrend einer Volkswirtschaft, über mehrere Konjunkturzyklen hinweg. Dieser langfristige Trend wird auch „Potentialwachstum“ genannt. Im Euroraum liegt das Potentialwachstum ungefähr bei 2%, mehr als einen Prozentpunkt niedriger als in den USA. Dies liegt teilweise an der wachsenden US- Bevölkerung19.
Wachstumspolitik soll die Rahmenbedingungen innerhalb einer Volkswirtschaft dahingehend gestalten, dass es zu einer Erhöhung des Potentialwachstums kommen kann. Einige Faktoren, die das Potentialwachstum positiv und negativ beeinflussen, sind in Tab.1 angeführt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Bestimmungsfaktoren des Potentialwachstums, Quelle: Letzgus (2008), S. 127
Insbesondere sind auf der linken Seite der Tabelle die Punkte „Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter“ und „Humankapital“ zu erwähnen. Wachstumspolitik beschränkt sich nicht auf Themengebiete, die unmittelbar der Wirtschaftspolitik zuzurechnen wären. Ebenso spielen die Familien - und Bildungspolitik entscheidende Rollen20.
Die Punkte „staatliche Investitionen“, „staatliches Haushaltsdefizit“ und „Abgabenquote“ sind nicht unabhängig voneinander zu betrachten. Das Haushaltsdefizit steigt (zumindest kurzfristig) mit zunehmenden staatlichen Investitionen und sinkenden Abgaben. Die Zielkonkurrenz verlangt ein Abwägen, welches Ziel wie weit auf Kosten eines anderen erfüllt werden soll.
Wachstumspolitik hat nicht zum Ziel, die Nachfrage zu stimulieren, sondern das Angebot zu verbessern. Das ist die Grundidee der neoklassischen Wirtschaftstheorie. Der Staat soll demnach gute Rahmenbedingungen für eine funktionierende Wirtschaft schaffen und sich ansonsten möglichst aus dem Wirtschaftsleben heraushalten21.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3, langfristige Entwicklung des realen BIP in Deutschland, Quelle: Bofinger (2007) S.288
In Abb.3 ist die Entwicklung des realen BIP von Deutschland seit 1870 dargestellt. Konjunkturzyklen spielen über einen solch langen Zeitraum nur eine untergeordnete Rolle - die großen Rückgänge des BIP in der ersten Hälfte des 20.Jhr. sind nicht auf eine schlechte Konjunkturlage zurückzuführen. Entscheidend ist vielmehr das Potentialwachstum der Volkswirtschaft. Das „deutsche Wirtschaftswunder“ der 1950er Jahre erscheint in Abb.3 weniger als Wunder, sondern eher als ein wirtschaftliches Aufholen Deutschlands bis zu demjenigen Niveau, das bei gleichbleibenden Wachstumsraten ohne den 2. Weltkrieg vermutlich erreicht worden wäre.
Vermeintlich geringfügige Änderungen der Wachstumsraten machen über einen langen Zeitraum große Unterschiede: Bei einem durchschnittlichen Wachstum von 2% erhöht sich das BIP innerhalb von 130 Jahren (von 1870 - 2000) um den Faktor 13, bei einem Wachstum von 3% um den Faktor 46.
Neben den beschriebenen saisonalen, konjunkturellen und strukturellen Eigenschaften der Wirtschaftsentwicklung gibt es „lange Zyklen“, die auch „Kondratieff22 Zyklen“ genannt werden. Sie sind Folge von verbesserten Rahmenbedingungen für die Wirtschaft. Der erste Kondratieff Zyklus (von 1780 - 1842) war ein Ergebnis des umfangreichen Schutzes des Privatbesitzes. Der zweite Kondratieff Zyklus (1842 - 1897) wurde durch die Einführung einer Form der GmbH ermöglicht. Der dritte Kondratieff Zyklus (von 1898 - 1929) war eine Folge der Einführung eines Patentrechts. Seit 1929 gab es möglicherweise weitere Kondratieff Zyklen, es scheint jedoch angemessener zu sein, mit ihrer Einordung noch zu warten23.
3. Phasen im Konjunkturzyklus
Unterschiedliche Schematisierungen von Konjunkturzyklen gliedern einen Zyklus in unterschiedlich viele Phasen. Das einfachste Schema ist ein zwei-Phasen- Modell, in dem nur Aufschwung und Abschwung (Expansion und Kontraktion) auftreten. Andere Modelle enthalten drei, vier oder sechs Phasen24. Je mehr Phasen ein Modell enthält, desto genauer kann beschrieben werden, welche Verhaltensweisen der Marktteilnehmer in der jeweiligen Situation dominieren. Auch die Ursachen für eine eintretende Änderung der wirtschaftlichen Aktivität lassen sich besser identifizieren. Nachteile von vielphasigen Modellen sind dagegen die weniger starke Differenzierung der einzelnen Phasen. Außerdem wird das Modell unübersichtlich und verfehlt damit eine zentrale Funktion.
In der vorliegenden Arbeit wird ein vier-Phasen-Konjunkturmodell vorgestellt. Es ist gegliedert in Aufschwung (1), Boom (2), Abschwung (3) und Rezession (4).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Phasen des Konjunkturzyklus, Quelle: Letzgus (2008), S.123
In Abb.4 ist ein idealer Konjunkturzyklus zu sehen. Im Boom liegt die Auslastung der Produktionskapazität über der Normalauslastung, in der Rezession darunter. Aufschwung und Abschwung sind die Phasen, in denen die Wirtschaft von Unter- in Überauslastung (Aufschwung) bzw. von Über- in Unterauslastung (Abschwung) wechselt. Man erkennt darüber hinaus, dass der Anstieg des Produktionspotentials unabhängig vom Konjunkturverlauf ist. Auch im Abschwung und in der Rezession sind dort Zuwächse zu verzeichnen.
3.1 Gründe für die zyklische Entwicklung der Konjunktur
Es stellt sich nun die Frage, welche Faktoren die zyklische wirtschaftliche Entwicklung herbeiführen: Was leitet einen Aufschwung ein? Was führt vom Aufschwung zum Boom? Welche Marktkräfte beenden den Boom und leiten den Abschwung ein? Was führt schließlich in die Rezession25 ?
Hierfür ist es sinnvoll, zunächst die Zusammensetzung des BIP zu betrachten. In Deutschland ist der private Konsum (C) mit einem Anteil von 56,8% die mit Abstand größte Komponente des BIP. Die Bruttoinvestitionen (I) und der staatliche Konsum (G) haben jeweils einen Anteil von etwa 18%. Der Außenbeitrag, berechnet als Differenz von Exporten und Importen, macht immerhin 6,9% aus26.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der private Konsum ist zwar großen jahreszeitlichen Änderungen unterworfen, über den gesamten Konjunkturzyklus ist er jedoch wenig schwankungsanfällig. Das könnte damit zu tun haben, dass viele Haushalte versuchen, ein einmal erreichtes Konsumniveau möglichst lange zu halten. Der Konsum verhält sich proportional zum langfristig erwarteten Einkommen. Die „life-cycle-hypothesis“ besagt, dass das erwartete Lebenseinkommen die Konsumausgaben bestimmt, unabhängig von der Verteilung des Einkommens in den einzelnen Jahren27. Somit ist der Konsum kein zyklischer Faktor, der die Auf - und Abwärtsbewegungen des Wirtschaftswachstums beschleunigt. Aufgrund seines relativ gleichförmigen Verlaufs dämpft er die Ausschläge eher.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: reales BIP und Wachstum des privaten Konsums in Deutschland (jeweils saisonbereinigt und gegenüber dem Vorquartal), Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an: Statistisches Bundesamt
In Abb.5 stehen sich die Änderungsraten des BIP und des privaten Konsums gegenüber. Die Änderungsraten des Konsums sind vom Betrag meistens (in 14 von 17 Quartalen) kleiner als die des BIP. Es ist keine eindeutige Korrelation erkennbar. In acht von 17 Quartalen haben die Wachstumsraten des BIP und des Konsums sogar unterschiedliche Vorzeichen. Insbesondere wächst der Konsum im ersten Quartal 2009, in dem das BIP fast um 5% gegenüber dem Vorquartal schrumpft.
Anders verhält es sich mit den Investitionen: Sie unterliegen größeren Schwankungen28. Ein Unternehmen wird investieren, wenn es sich davon höhere Gewinne in der Zukunft verspricht. Da Investitionen oft nicht allein aus Eigenmitteln finanziert werden können, sind ebenso die Gewinnerwartungen aus Sicht der Kreditgeber relevant. Die zukünftigen Gewinne hängen wiederum von den Kreditkonditionen ab29. Bei niedrigem Zinsniveau sind auch Investitionen lohnenswert, die bei höheren Zinsen nicht gewinnbringend wären. Zinsen sind einKostenfaktor der Investitionen. Die großen Schwankungen der Investitionen könnten eine Ursache für Konjunkturschwankungen sein30.
Die Anlage - und Bauinvestitionen fließen oft in sehr langfristig ausgelegte Projekte. Unternehmen tätigen diese teilweise auch in konjunkturellen Schwächephasen, in der Erwartung, dass der nächste Aufschwung irgendwann einsetzt31. Sie sind weniger volatil als die Ausrüstungsinvestitionen, die meistens kürzere Planungshorizonte beinhalten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: reales BIP und Wachstum der Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland (jeweils saisonbereinigt und gegenüber dem Vorquartal), Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an: Statistisches Bundesamt
In Abb.6 stehen sich das Wachstum des BIP und dasjenige der Ausrüstungsinvestitionen gegenüber. Die Ausrüstungsinvestitionen sind wesentlich volatiler (rechte Skala beachten). Es gibt nur ein Quartal, in dem das Wachstum des BIP und der Ausrüstungsinvestitionen verschiedene Vorzeichen hat. Im Jahr 2005 sind (zumindest in den ersten drei Quartalen) jeweils niedrige Wachstumsraten zu sehen. Die ersten beiden Quartale 2006 zeichnen sich durch höheres Wachstum aus. 2007 sind in den ersten drei Quartalen beiderseitig steigende Wachstumsraten zu erkennen.
[...]
1 Vgl. Bundesagentur für Arbeit
2 Vgl. Statistisches Bundesamt
3 Vgl. Statistisches Bundesamt
4 Vgl. Schumpeter, Joseph A., Konjunkturzyklen I, Göttingen 1939, Vandenhoeck & Ruprecht, S.21ff
5 Vgl. Mankiw, N. Gregory und Taylor, Mark P., Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart 2008, Schäffer-Poeschel, S.820
6 Vgl. Mankiw, N. Gregory, Makroökonomik, Stuttgart 2000, Schäffer-Poeschel, S.34
7 Vgl. Mankiw (2000), S.34
8 Vgl. Letzgus, Oliver, Ökonomisches Basiswissen, Wirtschaftszyklen, Geldpolitik, Konjunkturindikatoren, Zahlungsbilanz, Stuttgart 2008, Schäffer-Poeschel, S.137
9 Vgl. Letzgus (2008), S.147f
10 Vgl. Mankiw, (2000), S.34
11 Vgl. Mankiw, Taylor (2008), S.820
12 Vgl. NBER
13 Vgl. von Assenmacher, Walter, Konjunkturtheorie, München 1998, R. Oldenbourg Verlag, S.10
14 Vgl. Abels, Heiner; Klemmer, Paul; Schäfer, Heinz; Teis, Wolfgang, Konjunktur und Arbeitsmarkt, Göttingen 1975, Otto Schwartz&Co., S.12
15 Vgl. Letzgus (2008), S.129
16 Vgl. Komphardt (1977), S.10
17 Vgl. Letzgus (2008), S.123
18 Vgl. Abels, Klemmer, Schäfer, Teis (1975), S.12
19 Vgl. Letzgus (2008) S.128
20 Vgl. Molzahn, Alexander, Optimale Fiskalpolitik und endogenes Wachstum, Tübingen 2004, Tübinger Diskussionsbeitrag Nr.285, S.22
21 Vgl. Letzgus (2008), S.129
22 Nikolai D. Kondratjeff(1892-1938), russischer Wirtschaftswissenschaftler, gilt als einer der ersten Vertreter der zyklischen Konjunkturtheorie
23 Vgl. Kingston, William, Schumpeter, Business Cycles and Co-evolution, School of Business Studies, Dublin 2006, Trinity College S.100ff
24 Vgl. Assenmacher (1998), S.10f
25 Vgl. Kromphardt (1977), S.141
26 Vgl. Letzgus (2008), S.122
27 Vgl. Kromphardt (1977), S.151
28 Vgl. Letzgus (2008), S.122
29 Vgl. Kromphardt (1977), S.154
30 Vgl. Kromphardt (1977), S.148
31 Vgl. Kromphardt (1977), S.178
- Citation du texte
- Maximilian Höly (Auteur), 2009, Konjunkturindikatoren und deren Entwicklung im Vorfeld der Finanzkrise von 2007, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143114
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