Die Arbeit beschäftigt sich mit vertikaler und horizontaler Gewalt in den Erzählungen "El hombre" und "En la madrugada" Rulfos. Juan Rulfo (i.e. Juan Nepomuceno Carlos Pérez Rulfo Vicaíno) wurde am 16. Mai 1918 in Apulco (Jalisco, Mexiko) geboren. Er stammte aus einer bäuerlichen Familie und verlor seinen Vater mit sieben Jahren zu Beginn des cristero-Aufstandes. Zwei Jahre später starb auch seine Mutter.
Mit zehn Jahren kam Rulfo in ein von Nonnen geführtes Waisenhaus in Guadalajara, danach, mit sechzehn nach Mexiko Stadt, wo er ein Jurastudium begann, das er aber bald wieder abbrach.
Mit siebzehn begann er verschieden Berufe auszuüben, unter anderem war er Angestellter bei der Einwanderungsbehörde, arbeitete bei einer Autoreifenfirma, gehörte einer staatlichen Kommission an, die ein Bewässerungsprogramm in Veracruz vorbereiten sollte, und wurde schließlich Drehbuchautor. Ab 1962 war er Mitarbeiter des Instituto Nacional Indigenista und leitete dessen Publikationsabteilung.
Zu schreiben begann Juan Rulfo um 1935. Damals entstand ein Roman, den er aber später wieder vernichtete. Ab 1942 publizierte er Erzählungen in den Zeitschriften Pan und América. Diese Erzählungen wurden später zusammen mit anderen in dem Band El llano en llamas (1953) publiziert. Sein zweiter großer Erfolg war der Roman Pedro Paramo (1955), die Geschichte vom Aufstieg und Fall eines skrupellosen Großgrundbesitzers. Sowohl die Erzählungen wie auch der Roman handeln vom Elend der Menschen, die an der unbarmherzigen Natur und den ungleichen sozialen Verhältnissen leiden. Beeindruckend ist auch die Erzähltechnik Rulfos, die durch rasche, filmartige Schnitte, innere Monologe, wobei die Sprecher nicht immer (gleich) erkennbar sind, und mehrere Erzählebenen gekennzeichnet ist.
Rulfo arbeitete mehrere Jahre an einem weiteren Roman, La Cordillera“, von dem einige Ausschnitte in Zeitschriften veröffentlicht wurden, der jedoch als Gesamtes nie publiziert wurde. 1980 veröffentlichte er noch das Filmdrehbuch El gallo de oro.
Rulfos Werk fand große internationale Anerkennung und wurde in mehrere Sprachen übersetzt, sein Roman und einige Erzählungen wurden darüber hinaus verfilmt. 1970 erhielt Rulfo den Premio Nacional de Letras der Stadt Mexiko, 1983 den Premio Príncipe de Asturias in Madrid.
Juan Rulfo starb am 7. Jänner 1986 in Mexiko Stadt.
Inhaltsverzeichnis
1. Autor und Werk
2. Tod und Gewalt
2. 1. Biographische Aspekte
2. 2. Vertikale und horizontale Gewalt
2. 3. Die literarische Darstellung
2. 2. 1. Rätsel und Aufklärung
2. 2. 2. Gewalt und Gesellschaft
2. 2. 3. Schuld und Sühne
3. En la madrugada
3. 1. Inhalt
3. 2. Struktur
3. 3. Elemente der Kriminalgeschichte
3. 4. Elemente des (Neo-) Naturalismus
3. 5. Elemente des magischen Realismus
4. El hombre
4. 1. Inhalt
4.2. Struktur
4. 3. Elemente der Kriminalgeschichte
4. 4. Elemente des (Neo-)Naturalismus
4. 5. Elemente des magischen Realismus
5. Literatur
1. Autor und Werk
Juan Rulfo (i.e. Juan Nepomuceno Carlos Pérez Rulfo Vicaíno) wurde am 16. Mai 1918 in Apulco (Jalisco, Mexiko) geboren. Er stammte aus einer bäuerlichen Familie und verlor seinen Vater mit sieben Jahren zu Beginn des cristero -Aufstandes. Zwei Jahre später starb auch seine Mutter.
Mit zehn Jahren kam Rulfo in ein von Nonnen geführtes Waisenhaus in Guadalajara, danach, mit sechzehn nach Mexiko Stadt, wo er ein Jurastudium begann, das er aber bald wieder abbrach.
Mit siebzehn begann er verschieden Berufe auszuüben, unter anderem war er Angestellter bei der Einwanderungsbehörde, arbeitete bei einer Autoreifenfirma, gehörte einer staatlichen Kommission an, die ein Bewässerungsprogramm in Veracruz vorbereiten sollte, und wurde schließlich Drehbuchautor. Ab 1962 war er Mitarbeiter des Instituto Nacional Indigenista und leitete dessen Publikationsabteilung.
Zu schreiben begann Juan Rulfo um 1935. Damals entstand ein Roman, den er aber später wieder vernichtete. Ab 1942 publizierte er Erzählungen in den Zeitschriften Pan und América. Diese Erzählungen wurden später zusammen mit anderen in dem Band El llano en llamas (1953) publiziert. Sein zweiter großer Erfolg war der Roman Pedro Paramo (1955), die Geschichte vom Aufstieg und Fall eines skrupellosen Großgrundbesitzers. Sowohl die Erzählungen wie auch der Roman handeln vom Elend der Menschen, die an der unbarmherzigen Natur und den ungleichen sozialen Verhältnissen leiden. Beeindruckend ist auch die Erzähltechnik Rulfos, die durch rasche, filmartige Schnitte, innere Monologe, wobei die Sprecher nicht immer (gleich) erkennbar sind, und mehrere Erzählebenen gekennzeichnet ist.
Rulfo arbeitete mehrere Jahre an einem weiteren Roman, La Cordillera“, von dem einige Ausschnitte in Zeitschriften veröffentlicht wurden, der jedoch als Gesamtes nie publiziert wurde. 1980 veröffentlichte er noch das Filmdrehbuch El gallo de oro.
Rulfos Werk fand große internationale Anerkennung und wurde in mehrere Sprachen übersetzt, sein Roman und einige Erzählungen wurden darüber hinaus verfilmt. 1970 erhielt Rulfo den Premio Nacional de Letras der Stadt Mexiko, 1983 den Premio Príncipe de Asturias in Madrid.
Juan Rulfo starb am 7. Jänner 1986 in Mexiko Stadt.
2. Tod und Gewalt
Rulfos literarische Welt ist die bäuerliche Welt der Provinz Jalisco vor, während und nach der mexikanischen Revolution. Er beschreibt aber keine ländliche Idylle, kein exotisches mañana-Klischee, sondern eine Welt, in der Natur und Menschen grausam und unbarmherzig sind. Als Hintergrund seiner Texte sind die feindliche Natur zu nennen, deren Kargheit das Leben der Menschen zur Qual macht, die Wirren der mexikanischen Revolution und des cristero -Aufstands und schließlich die gesellschaftliche Struktur des damaligen Mexikos, die durch eine starke Rolle der autoritären katholischen Kirche, archaische Verhaltensweisen und ungerechte sozial Verhältnisse gekennzeichnet ist.
2.1. Biographische Aspekte
Juan Rulfos Biographie enthält zwei Faktoren, die immer wieder Themen seiner literarischen Arbeit sind: Gewalt und Einsamkeit. Seine Kindheit ist geprägt durch die Erfahrung der mexikanischen Revolution und der cristero -Aufstände:
Rulfo vivió en una época de violencia desenfranada; a las desgracias familiares se unieron los crímenes, saqueos y venganzas de las que fue testigo directa o indirectamente y, aunque no haya escrito memorias, sus relatos son, sin duda, resultado de sus experiencias vitales.[1]
Die allgegenwärtige Gewalt hat auch ihre Spuren in der Familie hinterlassen: Juan Rulfos Vater wurde 1923 von dem Sohn des presidente municipal von Tolimán, Guadalupe Nava, ermordet:
Mi papá había hablado con él sobre un asunto des unas reses de ellos que se habían metido en el labor de mi padre. Como él tenía que ir arreglar un asunto, le pidió a Nava que arreglara esa cuestión con el mayordomo. Sin discusiones se despidieron y mi papá se dirigió a llevar unas medicinas a una enferma.
Allí se encontró de nuevo con Guadalupe Nava, que se ofreció para acompañarlo de regreso. Iban para San Pedro mi papá, el peón que lo acompañaba y Nava, que platicaba con mi padre tranquilamente. Al llegar a donde tenía que abrir la puerta, el peón se adelantó a hacerlo, mientras el otro se retrasaba y disparaba por la espalda a mi padre.[2]
Außer seinem Vater starben ebenfalls einige Onkel des Schriftstellers unter tragischen Umständen. Einer von ihnen, Jesús, ertrank bei einem Schiffsunglück, ein anderer, José, wurde auf der Straße in La Barca ermordet, ein dritter, Rubén, wurde ebenfalls erschossen. Diese Gewalt, deren Opfer viele seiner Familienmitglieder geworden sind, steht in direktem Zusammenhang mit dem Erlebnis der Einsamkeit. Mit zehn Jahren kam Rulfo in ein Waisenhaus; ab diesem Zeitpunkt war er mehr oder weniger auf sich selbst gestellt.
Im literarischen Werk werden Gewalt und Einsamkeit immer wieder miteinander verbunden: Täter und Opfer sind einsame, schweigsame Menschen; auch wenn sie in Gesellschaft sind, handeln sie so, als ob sie im Grunde genommen allein wären.
2.2. Vertikale und horizontale Gewalt
Ariel Dorfman[3] unterscheidet zwei Typen der Gewalt als Thema der lateinamerikanischen Literatur. Zum einen spricht er von einer vertikalen und gesellschaftlichen Gewalt (violencia vertical y social) und einer horizontalen und individuellen Gewalt (violencia horizontal e individual). Der erste Typus ist charakterisiert durch „entrar en combinación una masa amplia de personas oprimidas (social) y un oponente de clase social alta (vertical)“[4]. Der zweite Typus hingegen „no tiene un sentido social, refleja al hombre que muchas veces, aparentemente de forma gratuita, mata, como si el mundo fuese una tremenda selva en la que hay que luchar contiuamente por sobrevivir.“[5]
Anders als beispielsweise Mariano Azuelas Los de abajo behandeln sowohl En la madrugada als auch El hombre – zumindest vordergründig - nicht das Thema der vertikalen Gewalt, sondern das der horizontalen: „[...] ninguna obra literaria nos parece mejor equipada para representar a ‚los de abajo‘, a los que sufrieron las consecuencias de esas maquinaciones, que la obra de Juan Rulfo. Rulfo, en efecto, trata del pueblo, del campesino especialmente, del que inició y ‚perdió‘ la revolución.“[6] Obwohl der historische Hintergrund, die mexikanische Revolution, viele Erfahrungen sozialer Gewalt beinhaltet, wird Gewalt als Thema der Literatur bei Rulfo in der Regel individualisiert, auch wenn, wie bei Pedro Paramo oder auch in En la madrugada Angehöriger verschiedener sozialer Schichten einander gegenüberstehen.
2. 3. Die literarische Darstellung
Es gibt wohl wenige Autoren, bei denen das Verhältnis zwischen Primär- und Sekundärliteratur so krass wie bei Juan Rulfo ist. Einem sehr kleinen Œvre stehen unzählige Deutungsversuche gegenüber. Das liegt wohl an der Vielschichtigkeit, an den vielen möglichen Lesarten des literarischen Werks:
Claro está que estas lecturas sociológicas, formales, semiológicas, míticas y hasta polifónicas son posibles y válidas. La grandeza y modernidad del texto de Rulfo reside precisamente en el hecho que exige o sugiere distintas lecturas al mismo tiempo que resiste a todas. A la cuestión que necesariamente se plantea la crítica literaria ¿dónde ubicar el texto de Rulfo?, estamos obligados a contestar: en todas partes y en ninguna.[7]
So gibt es auch verschiedene Lesarten der Darstellung von Gewalt in Rulfos Werk. In meinem Beitrag versuche ich zu analysieren, wie weit es möglich ist, En la madrugada und El hombre als Kriminalgeschichten, als naturalistische Gesellschaftsschilderung oder als Beschreibung eines Mythos zu lesen.
Rulfo wurde und wird von der Kritik gerne als (Neo-)Naturalist, aber auch als Vertreter des magischen Realismus bezeichnet. Für beide Zuordnungen gibt es natürlich Beispiele: Die von Gespenstern oder Untoten bevölkerte Welt Pedro Paramos lässt sich kaum anders als dem Magischen Realismus zuordnen; Es que somos muy pobres wirkt hingegen wie ein Musterbeispiel einer naturalistischen Erzählung. In den von mir gewählten Erzählungen lassen sich m. E. sowohl Merkmale des Magischen Realismus als auch des (Neo-) Naturalismus nachweisen. Sowohl En la madrugada als auch El hombre wirken darüber hinaus wie – unfertige – Kriminalgeschichten. Jedem Typus lässt sich darüber hinaus eine bestimmte Darstellungsweise der Gewalt und eine bestimmte Funktion im Text zuweisen. Im Folgenden möchte ich dazu grundlegende Überlegungen skizzieren, die ich später an Hand der Textbeispiele zu belegen versuche.
2.3.1. Rätsel und Aufklärung
In der Kriminalgeschichte werden Gewalttat, Tod und Aufklärung als Teil einer kausalen Kette gesehen. Jede Gewalttat hat in der Kriminalgeschichte ihr Motiv, das die Detektivfigur in ihrer Aufklärungsarbeit erfahren muss, um schließlich die Ursache für den Mord erfahren und den Mörder stellen zu können. Red herings, falsche Hinweise, dienen dazu, die Detektivfigur, und vor allem den Leser, auf eine falsche Fährte zu locken. Mit seiner Arbeit bringt der Detektiv einer an sich stabilen Welt, die durch das Verbrechen kurzzeitig aus dem Gleichgewicht geraten ist, wieder ihre Ordnung zurück.
[...]
1 Sylvia Lorente-Murphy, Silvia: Juan Rulfo: Realidad y mito de la Revolución Mexicana. Madrid: Editorial Pliegos 1988, S. 16
[2] Aguilera Lozano, Guillermo C.: Así era Juan Rulfo. Http://www.eureka.com.mx/ecsa/ga/rulfo/index.htm,S. 2
[3] Ariel Dorfman: Imaginación y violencia en América. Barcelona: Anagrama 1972
[4] J. C. Gonzáles Boixo: Claves narrativas de Juan Rulfo. Leon: Universidad de Leon 1983, S. 57
[5] Ebda
[6] Lorente-Murphy, S. 24
[7] Anthony M. Stanton: Incesto y parricidio: estructuras antropológicas en Pedro Paramo. In: Juan Rulfo. Un mosáico crítico. Mexico Stadt: Universidad Nacional Autónoma de México 1988, S. 157
- Arbeit zitieren
- Karl Mellacher (Autor:in), 2001, Lesarten der Gewalt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142743
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