01 Einleitung
Bei der Betrachtung einer Zeittafel der Ereignisse im klassischen Griechenland fallen besonders die häufigen kriegerischen Auseinandersetzungen der verschiedenen Völker ins Auge. Die Zeiten waren unruhig, und immer wieder kam es zu Feldzügen, bei denen es zumeist um Herrschaftsansprüche und die Eroberung neuer Herrschaftsgebiete ging. Diese Konflikte, deren Kern also entweder das Streben nach Herrschaft oder aber der Wunsch, sich aus einer solchen zu lösen (im Falle von Aufständen der Bevölkerung gegen die Regierenden) war, ziehen sich wie ein roter Faden durch die ca. acht Jahrhunderte vor Christi Geburt.
Die politische Situation im klassischen Europa und Kleinasien, aber ganz besonders auch in Griechenland, war also offensichtlich geprägt vom Hegemonialstreben der einzelnen Völker. Man wollte sich selbst als herrschende Macht über die anderen durchsetzen.
Dies wirft nun natürlich die Frage nach der Identität der jeweiligen Völker auf, danach, wie sie sich selbst sahen und wer „die Anderen“ in ihren Augen waren. Wer waren die so genannten „Barbaren“ und wie positionierten die Hellenen sich selbst ihnen gegenüber? Was lässt sich über das Verhältnis von Europa und Asien (nach dem damaligen Verständnis natürlich) aussagen? Und wie begründeten die Griechen ihren Herrschaftsanspruch? Warum war man der Auffassung, über die anderen Völker herrschen zu können, ja, sogar die einzigen zu sein, die dazu wirklich in der Lage wären?
Die Frage ist also, wie die Griechen sich im Kontext des antiken Europas und Kleinasiens selbst positionierten, welches Selbstbild sie hatten und welche Art der Beziehung zu den anderen Völkern dies zur Folge hatte.
Daher wird bei der folgenden Analyse und Interpretation der vorliegenden Quelle, einem Ausschnitt aus Aristoteles´ staatsphilosophischer Schrift „Politik“ (7,7), nicht im Vordergrund stehen, welche Art der Verfassung er für die beste hält und wie ein Staat beschaffen sein sollte, sondern vielmehr die Begründung des griechischen Anspruchs, die Nachbarvölker beherrschen zu können. Auf welche Art der Argumentation baut Aristoteles hier diese Forderung auf und was sagt das über das Selbstverständnis der Hellenen und ihr Verständnis von gerechter, guter Herrschaft aus? Welche Vorstellungen hatte man ganz offensichtlich davon, wer herrschen und wer beherrscht werden sollte, und welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen in Bezug auf die Frage nach der Identität und der Alterität im klassischen Griechenland? (...)
01 Einleitung
Bei der Betrachtung einer Zeittafel der Ereignisse im klassischen Griechenland fallen besonders die häufigen kriegerischen Auseinandersetzungen der verschiedenen Völker ins Auge. Die Zeiten waren unruhig, und immer wieder kam es zu Feldzügen, bei denen es zumeist um Herrschaftsansprüche und die Eroberung neuer Herrschaftsgebiete ging. Diese Konflikte, deren Kern also entweder das Streben nach Herrschaft oder aber der Wunsch, sich aus einer solchen zu lösen (im Falle von Aufständen der Bevölkerung gegen die Regierenden) war, ziehen sich wie ein roter Faden durch die ca. acht Jahrhunderte vor Christi Geburt.
Die politische Situation im klassischen Europa und Kleinasien, aber ganz besonders auch in Griechenland, war also offensichtlich geprägt vom Hegemonialstreben der einzelnen Völker. Man wollte sich selbst als herrschende Macht über die anderen durchsetzen.
Dies wirft nun natürlich die Frage nach der Identität der jeweiligen Völker auf, danach, wie sie sich selbst sahen und wer „die Anderen“ in ihren Augen waren. Wer waren die so genannten „Barbaren“ und wie positionierten die Hellenen sich selbst ihnen gegenüber? Was lässt sich über das Verhältnis von Europa und Asien (nach dem damaligen Verständnis natürlich) aussagen? Und wie begründeten die Griechen ihren Herrschaftsanspruch? Warum war man der Auffassung, über die anderen Völker herrschen zu können, ja, sogar die einzigen zu sein, die dazu wirklich in der Lage wären?
Die Frage ist also, wie die Griechen sich im Kontext des antiken Europas und Kleinasiens selbst positionierten, welches Selbstbild sie hatten und welche Art der Beziehung zu den anderen Völkern dies zur Folge hatte.
Daher wird bei der folgenden Analyse und Interpretation der vorliegenden Quelle, einem Ausschnitt aus Aristoteles´ staatsphilosophischer Schrift „Politik“ (7,7), nicht im Vordergrund stehen, welche Art der Verfassung er für die beste hält und wie ein Staat beschaffen sein sollte, sondern vielmehr die Begründung des griechischen Anspruchs, die Nachbarvölker beherrschen zu können. Auf welche Art der Argumentation baut Aristoteles hier diese Forderung auf und was sagt das über das Selbstverständnis der Hellenen und ihr Verständnis von gerechter, guter Herrschaft aus? Welche Vorstellungen hatte man ganz offensichtlich davon, wer herrschen und wer beherrscht werden sollte, und welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen in Bezug auf die Frage nach der Identität und der Alterität im klassischen Griechenland? Was verstand man damals unter „uns“ und „den anderen“?
Diese Fragen will ich versuchen, anhand der mir vorliegenden Quelle zu klären, wobei ich mich in
der Hauptsache auf Aristoteles´ eigenes Werk berufen und die Quelle im Gesamtkontext der
„Politik“ interpretieren werde, da es in erster Linie um dieses Werk gehen soll und nicht um die Geschichte seiner Rezeption. Aufgrund des beschränkten Rahmens dieser Arbeit ist es außerdem angebracht, möglichst textimmanent zu arbeiten und die von der Quelle selbst gegebenen Informationen (sozusagen die Informationen aus erster Hand) vollständig zu erfassen und analysieren, und dabei eventuell einige Aspekte unberücksichtigt zu lassen, anstatt möglichst viele Punkte nur unvollständig zur Sprache zu bringen.
02) Bestimmung des Quellenwertes
a) Zur Person des Autors Aristoteles
Bevor ich mich näher mit der Quelle beschäftige, zunächst ein paar Worte über den Verfasser Aristoteles, und seinen biographischen Hintergrund.[1]
Geboren wird der griechische Philosoph und Gelehrte 384 v. Chr. in Stagira, einer Stadt im damaligen Makedonien. Im Alter von 17 Jahren zieht es Aristoteles nach Athen, wo er Platons Akademie aufsucht und dort die nächsten 20 Jahre verbringt – erst als Student, später als Lehrer. Als Platon im Jahre 347 v. Chr. stirbt, verlässt auch Aristoteles Athen und zieht nach Assos (Kleinasien), wo er die Nichte/Adoptivtochter des dortigen Herrschers Hermias, mit dem ihn ein freundschaftliches Verhältnis verband, heiratet. 345 v. Chr. wird Hermias jedoch von den Persern ermordet und Aristoteles´ Weg führt in in die Hauptstadt Makedoniens, Pella, wo er die Stellung des Erziehers von Alexander dem Großen übernimmt. Als dieser 335 v. Chr. König wird, kehrt der Philosoph wieder nach Athen zurück, wo er seine eigene Schule gründet, das Lykeion, oft auch Schule der Peripatetiker genannt, da der Unterricht oft während langer Spaziergänge von Schülern und Lehrern stattfand.
323 v. Chr. stirbt Alexander der Große, was eine starke anti-makedonische Gesinnung in Athen nach sich zieht, sodass Aristoteles sich letzten Endes dazu gezwungen sieht, sich auf sein Landgut in Euböa zurückzuziehen, wo er ein Jahr später, 322 v. Chr. stirbt.
b) Art der Quelle, Einordnung in das Gesamtwerk und Tendenz
Um die Quelle in einen Kontext einzuordnen, muss zunächst einmal festgehalten werden, dass es sich um einen Auszug aus Aristoteles´ Werk „Politik“ handelt, seiner großen staatsphilosophischen
Schrift. Das Gesamtwerk ist in acht Bücher aufgeteilt, der vorliegende Abschnitt entstammt dem siebten.
In diesem Werk werden diverse sowohl real existierende, als auch imaginierte Verfassungen behandelt, und im Laufe dieser Untersuchungen stellt Aristoteles vier Kernthesen auf:[2]
Als erstes ist der Mensch für ein zoon politikon – ein soziales Wesen, das schon von Natur aus auf Gemeinschaft ausgelegt ist und diese daher dann auch bildet. Diese These bedeutet erst einmal generell eine Klassifizierung des Menschen als Herdentier, und zwar als Herdentier politischer Natur (ähnlich den Bienen, Ameisen etc.). Das Zusammenleben mit anderen ist für Aristoteles die Grundbestimmung des Menschen. Allerdings hat die Natur ihn – im Unterschied zu Bienen und Ameisen – mit Sprache und Vernunft ausgestattet, wodurch es dem Menschen ermöglicht ist, Recht von Unrecht zu unterscheiden (beziehungsweise sich überhaupt eine Vorstellung davon zu machen). Dem Menschen ist es nach dieser Auffassung also schon von Natur aus vorherbestimmt, in einer staatenähnlichen Gemeinschaft zu leben. Außerhalb eines Staates, so Aristoteles, können nur Tiere oder Götter leben.
Die zweite der vier Kernthesen besagt, dass die Polis die vollkommenste Form einer solchen menschlichen Gemeinschaft ist. Laut Aristoteles ist ein Staat der Zusammenschluss mehrerer kleinerer Gemeinschaften mit dem Ziel der Selbstgenügsamkeit (autarkeia). Zu Beginn des Staates steht also die kleinste Gemeinschaft: Das Haus, mit den Beziehungen zwischen Mann und Frau und Herr und Sklave. Diese bilden Dörfer und Städte, und aus diesen wiederum setzt sich dann der Staat zusammen.
[...]
[1] Hellmut Flashar (Hrsg.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike Band 3: Ältere Akademie. Aristoteles. Peripatos. 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, von Hellmut Flashar, Hans Krämer †, Fritz Wehrli, Georg Wöhrle, Basel 2004, S. 213–219.
[2] Otfried Höffe: polis, in: Otfried Höffe (Hg.): Aristoteles-Lexikon, Stuttgart 2005, S. 474–478
und
Fred Miller: Aristotle’s Political Theory, in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2002 Edition), Edward N. Zalta (Hg.).
- Citar trabajo
- Christine Numrich (Autor), 2008, Identität und Alterität - Aristoteles´ “Politik“, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142624
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