Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem theoretischen Ansatz der Sozialen Arbeit "Lebensbewältigung" nach Lothar Böhnisch. Inhaltlich wurden historische Begriffsbestimmung, Wissenschaftscharakter, Gegenstand, Gesellschaftliche und soziale Voraussetzungen und notwendige Entwicklungen zur Begegnung der sozialen Frage nach Böhnisch verarbeitet.
Bewältigungsorientierung und –theorie von Lothar Böhnisch
Anke Brückner
Lebensbewältigung
Die Begriffsbestimmung für den Ansatz von Böhnischs „Lebensbewältigung“ geht zurück auf ein Konzept von Neurath. In den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts versuchte dieser mit der Bestimmung von Lebenslagen „als ein Instrument zur katasterartigen Schaffung der Planungsgrundlagen einer zentral organisierten und nach Wirtschaftsplan gelenkten Naturalwirtschaft“ (May 2008, S. 55), erstmalig eine soziologische Kategorie dafür zu entwickeln. Zur Erweiterung zitiert May Chassé, der neben der objektivistischen Veranlagung des Paradigmas auch eine subjektive Tendenz benennt, die sich über die Möglichkeit von Lebensgestaltung ausdrückt (vgl. ebd.). May zitiert Böhnisch, der von einer Veränderung des Bedeutungsinhaltes von „Lebenslagen“ seit den 1980er Jahren spricht. Er beklagt das Verlorengehen der historisch- prozesshaften Logik, da gegensätzliche Zusammenhänge zwischen genannter gesellschaftlicher Entwicklung gegenüber individueller Lebensbedingungen im Spannungsfeld der Ökonomie und der Weiterentwicklung von gelebter Unabhängigkeit (Emanzipation) als paradigmatische Vorstellung abgelöst wurde (vgl. May 2009, S. 1). Zu diesem Punkt äußert Chassé, die Verbindung drei theoretischer Perspektiven zu erkennen, die von der Vergangenheit bis hin zum aktuellen Paradigma Bestand haben. Er charakterisiert sie als Verbindung von „objektiven Lebensbedingungen“, „subjektiven Orientierungen, Einstellungen, Präferenzen“ und „vermittelnden Instanzen von Milieu, Kultur, Lebenswelt“ (ebd.). Das Konzept der Lebensbewältigung wird zum besseren Verständnis an den acht Kristallisationspunkten von Füssenhäuser und Thiersch orientiert. Dies ist nicht im vollen Umfang von mir vorgesehen, so dass schließlich genügend Platz für Kommentare verbleibt.
Wissenschaftscharakter des Lebensbewältigungsansatzes nach Böhnisch
Die wissenschaftliche Fundierung des Lebenslagenparadigmas kann nach Böhnisch nicht auf seinen prozesshaften, also an historischen Dimensionen orientierten sowie fluiden, keine Anlegung von Typologien und Mustern, Charakter verzichten (vgl. ebd., S. 2 f.). Demzufolge legt die Ausprägung seines Konzeptes sehr viel Wert auf die Beibehaltung des historischen Bezugsrahmens. So steht es historisch betrachtet in wissenschaftlicher Tradition der systematischen Bearbeitung der Lebenswelt sowie der Bewältigungslast von Mennicke, der sich Anfang des neunzehnten Jahrhunderts grundlegend damit auseinandersetzte (vgl. Thole 2005, S. 200). Schröer fasst Mennicke wie folgt zusammen: der Einzelne wird seiner sozialen Sicherheit enthoben und sieht sich inmitten der modernen Welt frei und im sozialen System unvermittelt (vgl. ebd.). Diese gesellschaftliche Desintegration entsteht laut Böhnisch aus der industriellen Arbeitsteilung. Mit ihr entwickelte sich eine „latent sozialstrukturelle Dauerkrise“ (ebd., S. 199) in der Gesellschaft. Schon Durkheim (auch von Böhnisch aufgegriffen) betrachtete zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die Arbeitsteilung als Ursache für veränderte Integration und bestehende Desintegration von ganzen Schichten oder Klassen. Er nahm an, dass die aus ihr entstehende Individualisierung eine neue Form von „aufeinander angewiesen sein“ benötigt. Diese Erscheinungsform bezeichnete er als „epochales Vergesellschaftungsmuster der industriellen Moderne“ (ebd., S. 200 f.). Während Böhnisch seine Theorie der Lebenslagen und -bewältigung mit Hilfe der Anomietheorie von Durkheim bekräftigt sieht, versucht May mittels hermeneutischer Betrachtungsweise verschiedene andere Konzepte zu unterlegen. So greift er auf ein sozialwissenschaftliches Jugendforschungskonzept von Prondczynsky (britisches Modell nach Cohen) zurück. Dieser unterscheidet vier Dimensionen der Lebensweise, als „Einheit von kultureller und materieller Reproduktion“ (May 2009, S. 3). Kurz zusammengefasst, besteht das Konzept aus vier gegensätzlichen Polen, die eine Art Gitter bilden. Anhand dieser Kriterien (Reproduktionscodes: Erbe, Werdegang/Karriere, Berufung, Lehre) lassen sich Kombinationen und Konstellationen für unterschiedliche Lebenslagen modellhaft konstruieren (vgl. ebd., S. 3 ff.). Zudem lässt es sich auf alle traditionellen und modernen Klassenkulturen übertragen, da die Anlegung mit vier Polen, mehrdimensionale Flexibilität gewährleistet.
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- Citation du texte
- Anke Brückner (Auteur), 2009, Theorie der Bewältigungsorientierung und -theorie nach Lothar Böhnisch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142511