Oskar Bätschmann vereinte die Ansätze verschiedener Methoden integrativ in einer Theorie, die mit Hilfe einer schrittweisen Herangehensweise die Interpretation eines Kunstwerks ermöglicht. Sein hermeneutischer Ansatz ist kein werkimmanenter, jedoch werden hierbei Erkenntnisse immer wieder auf das Werk zurückbezogen. Ein methodisch korrektes Vorgehen soll dazu führen, dass Vorwürfe nach Subjektivität verdrängt werden.
Ich werde in dieser Seminararbeit diesen Ansatz Bätschmanns auf ein Kunstwerk von Duchamp „Fountain“ anwenden und mich dabei kritisch mit ihm auseinandersetzen. Dabei gehe ich erst auf die theoretische Idee des Auslegungsprozesses ein, bevor ich beginne, mit Hilfe dessen das ausgewählte Kunstwerk zu interpretieren. Die theoretischen Inhalte entnehme ich seinem Aufsatz Anleitung zur Interpretation: Kunstgeschichtliche Hermeneutik., welcher in Kunstgeschichte. Eine Einführung. Von Martin Warnke veröffentlicht wurde.
Ich werde auf der einen Seite herausstellen, welche Möglichkeiten sich hierbei in Bezug auf die Interpretation eröffnen, aber auf der anderen Seite jedoch auch, an welche Grenzen ich bei der Anwendung der Theorie stoße. Bätschmann selbst schreibt nicht, dass eine Anwendung auf bestimmte Kunstgattungen unmöglich ist, er schreibt nur: „Die Übertragung auf andere Kunstgattungen (Architektur, Skulptur, Kunstgewerbe, Design) würde einen größeren Aufwand erfordern.“
Der Kunsthistoriker Dieter Daniels behauptete 1992 sogar,
„dass bei Duchamp viele der traditionellen kunstgeschichtlichen Methoden nicht mehr angewendet werden können. Die Verfahren der Stilanalyse und der Ikonographie, die von Cézanne über den Kubismus bis zur Abstraktion noch funktionieren, greifen bei Duchamp nicht.“
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Anleitung zur Interpretation: Kunstgeschichtliche Hermeneutik nach Oskar Bätschmann und die Anwendung der Interpretation Oskar Bätschmanns auf Marcel Duchamp: Fountain (1917)
2.1 Einstieg
2.2 Feststellung der Unverständlichkeit des Werks
2.3 Analyse, kreative Abduktion und Validierung
2.3.1 Die kunstgeschichtliche Einordnung und Biografie Duchamps
2.3.2 Die Auswahl
2.3.3 Zur Signatur R. Mutt
2.3.4 Zur Benennung des Kunstwerks als Fountain
2.3.5 Der Zettel
2.3.6 Ausstellungen des Fountain
2.3.7 Und das soll Kunst sein?
3 Fazit und Kritik
4 Literaturnachweis
5 Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
Oskar Bätschmann vereinte die Ansätze verschiedener Methoden integrativ in einer Theorie, die mit Hilfe einer schrittweisen Herangehensweise die Interpretation eines Kunstwerks ermöglicht. Sein hermeneutischer Ansatz ist kein werkimmanenter, jedoch werden hierbei Erkenntnisse immer wieder auf das Werk zurückbezogen. Ein methodisch korrektes Vorgehen soll dazu führen, dass Vorwürfe nach Subjektivität verdrängt werden.
Ich werde in dieser Seminararbeit diesen Ansatz Bätschmanns auf ein Kunstwerk von Duchamp „Fountain“ anwenden und mich dabei kritisch mit ihm auseinandersetzen. Dabei gehe ich erst auf die theoretische Idee des Auslegungsprozesses ein, bevor ich beginne, mit Hilfe dessen das ausgewählte Kunstwerk zu interpretieren. Die theoretischen Inhalte entnehme ich seinem Aufsatz Anleitung zur Interpretation: Kunstgeschichtliche Hermeneutik., welcher in Kunstgeschichte. Eine Einführung. Von Martin Warnke veröffentlicht wurde.
Ich werde auf der einen Seite herausstellen, welche Möglichkeiten sich hierbei in Bezug auf die Interpretation eröffnen, aber auf der anderen Seite jedoch auch, an welche Grenzen ich bei der Anwendung der Theorie stoße. Bätschmann selbst schreibt nicht, dass eine Anwendung auf bestimmte Kunstgattungen unmöglich ist, er schreibt nur: „Die Übertragung auf andere Kunstgattungen (Architektur, Skulptur, Kunstgewerbe, Design) würde einen größeren Aufwand erfordern.“[1]
Der Kunsthistoriker Dieter Daniels behauptete 1992 sogar,
„dass bei Duchamp viele der traditionellen kunstgeschichtlichen Methoden nicht mehr angewendet werden können. Die Verfahren der Stilanalyse und der Ikonographie, die von Cézanne über den Kubismus bis zur Abstraktion noch funktionieren, greifen bei Duchamp nicht.“[2]
2 Anleitung zur Interpretation: Kunstgeschichtliche Hermeneutik nach Oskar Bätschmann und die Anwendung der Interpretation Oskar Bätschmanns auf Marcel Duchamp: Fountain (1917)
2.1 Einstieg
Erste Informationen über das Kunstwerk entnehme ich einem Ausstellungskatalog Duchamp. Eine Ausstellung im Museum Ludwig, Köln. 27. 6. – 19. 8. 1984:
Marcel Duchamp, Fountain: durchsichtiges Urinierbecken, 60 cm hoch. Original ist verloren. Inschrift: R. Mutt/1917. 1. Replika: Sidney Janis, New York, 1951. 2. Replika: Galleria Schwarz, Mailand, 1964. Auflage von 8 Stück, nummeriert und signiert. Privatsammlung, Paris.
In einem Einstieg wird die Voraussetzung zum Verständnis eines Werkes geschaffen.
Jeder Interpretation liegen Fragen an die Unverständlichkeit des Werkes und nicht etwa die wissenschaftliche Lektüre zugrunde. „Wir können das Verstehen von Werken der bildenden Kunst allgemein als jene Tätigkeit umschreiben, durch die wir unser Unverständnis beseitigen wollen.“[3], so Bätschmann.
Viele verschiedene Fragestellungen führen dazu, dass das Kunstwerk später aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und hinterfragt wird. So werden neben Fragen an die Biografie des Künstlers auch etwa die sozialen Zustände berücksichtigt oder aber der Vergleiche zu anderen, zur gleichen Zeit entstandenen Werke angeleitet. Bätschmann unterstreicht, dass hier trainiertes und gelerntes Sehen gefordert wird. Eine Beschreibung, die jedoch nicht mit in die Interpretation integriert werden soll, kann die distanzierte Sicht auf das Werk unterstützen.
Die erste Schwierigkeit besteht hierbei darin, dass es sich bei dem Kunstwerk um eine Skulptur handelt, die von allen Seiten in ihrer Dreidimensionalität wahrgenommen werden sollte, um das gesamte Kunstwerk zu erfassen. Das originale Kunstwerk ist leider verschwunden; also gehe ich zunächst von einer Fotografie aus.
Das Bild zeigt die wohl bekannteste Fotografie, veröffentlicht in der Zeitschrift The Blind Man, des heute verlorenen Kunstwerks Fountain, welches 1917 erstmals in einer Ausstellung ausgestellt werden sollte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1
2.2 Feststellung der Unverständlichkeit des Werks
Nun beginne auch ich sämtliche Fragen an das Kunstwerk zu notieren, denen ich später, in der Interpretation folgen werde:
Warum wählte der Künstler ausgerechnet einen Alltagsgegenstand/Urinal?
Hat er eine bestimmte Beziehung zu diesem Gegenstand?
Wie ist er auf diese Idee gekommen; oder hat er hierfür einen Auftrag bekommen?
Warum ist das Urinal nicht angeschlossen?
Wurde es also nie benutzt, oder zierte es einst das Badezimmer des Künstlers?
Besteht das Kunstwerk nur aus dem Pissoir, oder sind noch andere Dinge montiert?
Wer hat auf dem Urinal unterschrieben und warum? In welcher Verbindung steht er mit dem Künstler?
Wie kam der Künstler zu dem Namen Fountain und warum wählte er einen englischen Begriff? Kommt Duchamp aus England?
Was steht auf dem Zettel, der am Urinal befestigt ist?
Vor welchem Hintergrund wurde das Urinal fotografiert?
Wo wurde es überall ausgestellt und wie hat die Gesellschaft darauf reagiert und wie haben sich die Betrachter dazu geäußert?
Gab es viele ähnliche Objekte?
Konnte jeder Künstler einen Gebrauchsgegenstand als Kunst in ein Museum stellen?
Wie reagierten die Betrachter, denen das Objekt vorgestellt wurde?
Wurde das Kunstwerk sehr berühmt?
Warum ist das Pissoir auf dem Foto ausgerechnet so positioniert?
Kann man diesen Gegenstand überhaupt als „Kunstwerk“ bezeichnen?
Diesen ersten Schritt kann man auf jede Kunstgattung, gar jedes Objekt, welches man wahrnimmt, anwenden. Besonders bei Duchamps Fountain entsteht eine Frage nach der anderen. Ist es ein Urinal? Ist es Kunst? Ich kann scheinbar das gesamte Kunstwerk als solches in Frage stellen. Beim Anblick eines impressionistischen Bildes, dem man nahezu alltäglich begegnet, ist es schwieriger mit einer distanzierten Sichtweise an das Kunstwerk heranzutreten. Wir werden später sehen, in wieweit es uns gelingt, Antworten auf die Fragen zu finden. Bilden sie eine nützliche Grundlage und Voraussetzung für die Interpretation? Zumindest lässt sich feststellen, dass hiermit eine bestimmte Neugier gegenüber dem Kunstwerk entsteht, welche interne Motivation bewirkt. Ich möchte nun den Fragen nachgehen und entsprechende Antworten finden.
2.3 Analyse, kreative Abduktion und Validierung
Der weitere Vorgang der Interpretation wird von Bätschmann in drei Teile unterteilt, nämlich die Analyse, die kreative Abduktion und die Validierung. Diese Teile können in unbestimmter Reihenfolge behandelt, und immer wieder aufeinander bezogen werden, was Bätschmann mit der „unbestimmten Fläche“ bezeichnet. Auch ich werde also im Folgenden die Inhalte der drei Bereiche miteinander verknüpfen und sie nicht nacheinander abarbeiten.
Unter der Analyse versteht Bätschmann die zerlegende Untersuchung und Bildung von Reihen von Werken und Teilen. Es kann nicht auf einmal das gesamte Werk an sich analysiert werden; nach und nach werden einzelne Aspekte beleuchtet und verschiedene Vergleiche gezogen. Dabei ist die Qualität vom Umfang der vorliegenden Materialien abhängig. Der Begriff der kreativen Abduktion meint, dass die verschieden dargelegten Elemente und Sachverhalte auf eine Deutung schließen lassen. Gefundene Zusammenhänge lassen auf Vermutungen schließen.
Der dritte Teil, die Validierung, schließt dabei die Sicherung der Argumentation in die Interpretation mit ein. Das geschieht durch das Vergleichen mit anderen Werken, der Feststellung, dass die befolgten Regeln des Werkes der dem Werk zugeordneten Gattung entsprechen, aber auch, dass die Funktion des Werkes zeitgenössisch ist. Auch kann dem Künstler die Interpretation vorgelegt werden, sodass er die Möglichkeit hat, dieser zuzustimmen.
Mit Hilfe von Bibliographien und Zeitschriften wird sich im Rahmen der Analytik zunächst ein Eindruck über die gesamte Literatur gemacht. Bätschmann empfiehlt, die jüngste Literatur als Erste heranzuziehen, da diese den besten Forschungsstand aufweist. Eventuell bezieht sich das zu interpretierende Kunstwerk gar auf einen Text? Wenn ja, kann auch das Verhältnis zwischen Bild und Text genauer untersucht werden.
[...]
[1] Bätschmann, Oskar : Anleitung zur Interpretation: Kunstgeschichtliche Hermeneutik. In: Belting, Hans/ Dilly, Heinrich/ Kemp, Wolfgang/ Sauerländer, Willibald/Warnke, Martin (Hrsg.): Kunstgeschichte. Eine Einführung. Bonn 2003, S. 202.
[2] Daniels, Dieter: Duchamp und die anderen. Der Modellfall einer künstlerischen Wirkungsgeschichte in der Moderne. Köln 1992, S. 236.
[3] Bätschmann, Oskar : Anleitung zur Interpretation: Kunstgeschichtliche Hermeneutik. In: Belting, Hans/ Dilly, Heinrich/ Kemp, Wolfgang/ Sauerländer, Willibald/Warnke, Martin (Hrsg.): Kunstgeschichte. Eine Einführung. Bonn 2003, S. 199.
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.