E-Learning ist zum größten Teil immer noch eine Männerdomäne. Wie aber kriegt man auch Frauen dazu, sich mit den neuen multimedialen Lehrformen vertraut zu machen? Die Genderforschung ermittelt die Ursachen der weiblichen Kompetenz- und Motivationsdefizite im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien. Diese Erkenntnisse geben nun die Grundlage dafür, gleichwertige Voraussetzungen zu schaffen, die es ermöglichen, dass Männer sowie Frauen gleichermaßen sich in der elektronischen Medienwelt bewegen können. Somit lassen sich neue geschlechterneutrale Bildungskonzepte im Bereich des E-Learning erstellen, mit denen sich Frauen oder Personen mit
unterschiedlichen Lernstilen das vermittelbare Wissen besser neignen können.
Inhalt
1 Einleitung
2 Was ist Genderforschung?
3 Unterschiede der Geschlechter
4 Ursachen des Gendering
4.1 Ursachen aus der Kindheit und der Jugendphase
5 Nutzung der neuen informations- und kommunikationstechnischen Medien
5.1 Quantitative und qualitative Nutzungsübersicht des Computers und des Internets
5.2 Internet als Männerdomäne
6 Unterschiede in den Lernstilen von Frauen und Männern
6.1 Alleinlernen contra kooperatives Lernen
6.2 Ursachen für weibliche Motivierungsdefizite
6.3 Die Bedeutung von Design und Präsentation von Lerninhalten
6.4 Motivationshilfen
7 Neue Bildungskonzepte und spezielle gendersensitive Didaktik
7.1 E-Learning: Bereicherung der Lehre durch Computer
7.2 Vor- und Nachteile beim Einsatz von Multimedia in der Lehre
7.3 Blended Learning: Kombination von Präsenzlehre mit E-Learning
7.4 Forderungen an eine gendersensitive Mediendidaktik
7.5 Praxisbeispiel für E-Learning im Primarbereich
8 Zusammenfassung
9 Literatur
1 Einleitung
E-Learning ist zum größten Teil immer noch eine Männerdomäne. Wie aber kriegt man auch Frauen dazu, sich mit den neuen multimedialen Lehrformen vertraut zu machen? Die Genderforschung ermittelt die Ursachen der weiblichen Kompetenz- und Motivationsdefizite im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien. Diese Erkenntnisse geben nun die Grundlage dafür, gleichwertige Voraussetzungen zu schaffen, die es ermöglichen, dass Männer sowie Frauen gleichermaßen sich in der elektronischen Medienwelt bewegen können. Somit lassen sich neue geschlechterneutrale Bildungskonzepte im Bereich des E-Learning erstellen, mit denen sich Frauen oder Personen mit unterschiedlichen Lernstilen das vermittelbare Wissen besser aneignen können.
2 Was ist Genderforschung?
Die Genderforschung, auch genannt Geschlechterforschung (englisch: Gender Studies), ist eine interdisziplinäre Forschungsrichtung, die das Verhältnis zwischen Männern und Frauen als soziale, geschlechtsspezifische Beziehung untersucht (Brockhaus 2003). Dieses Verhältnis hat sich im Laufe der Zeit herausgebildet und lässt sich in verschiedenen Kulturen dieser Welt beobachten. Die Genderforschung ist dabei ein wissenschaftlicher Forschungsansatz, der die wahrgenommene Ungleichheit in den Geschlechterbeziehungen zu seinem Forschungsgegenstand erhoben hat.
Die Genderforschung liefert u. a. das Ergebnis, dass Frauen im Gegensatz zu Männern andere Lernstrategien auch im Hinblick auf neuartige Medien gebrauchen. Frauen haben andere Interessen als Männer und orientieren sich in andere Richtungen. Sie bevorzugen unterschiedliche kognitive Stile, mit denen sie die aufgenommenen Informationen verarbeiten und verinnerlichen.
Diese Erfahrungen aus der Genderforschung sind wichtig zur Herstellung einer gendersensitiven Mediendidaktik, die sich zur Aufgabe machen sollte verschiedene kognitive Stile, Orientierungen, Perspektiven und Lernstrategien zu berücksichtigen. Es sollte hierbei jedoch nicht der Fehler gemacht werden, spezielle Didaktiken für die einzelnen Geschlechter zu entwerfen, da dadurch das typisierte Rollenverhalten beider Geschlechter nur noch wachsen würde. Diese neue Form der Didaktik sollte sogar noch weitergehen und nicht nur die Geschlechter, sondern auch unterschiedliche Kulturen, Ethnien und Schichten mit berücksichtigen.
3 Unterschiede der Geschlechter
„Frauen und Technik“ - auch heute scheint dies immer noch ein sich häufig ausschließendes Paar zu sein, was sich auch in vielfältigen Untersuchungen manifestiert. Schon im Schulalter zeichnen sich deutliche Unterschiede nach Geschlecht auf. Nachweislich weniger Mädchen als Jungen beschäftigen sich sowohl in der Schule als auch in der Freizeit mit dem Computer. Während Mal-, Zeichen-, Textverarbeitungs- oder Lernprogramme intensiver von Mädchen genutzt werden, wenden sich Jungen bevorzugt Computerspielen zu, rechnen oder nutzen CD-ROMs. (vgl. Schinzel/Ruiz Ben, 2002)
„Diese Differenzen zwischen den Geschlechtern sind allerdings wesentlich bildungsabhängig; am geringsten sind diese bei bestimmten Nutzungsbereichen im Gymnasium. Am stärksten zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in den in der Freizeit genutzten medialen Bereichen.“ (Schinzel/Ruiz Ben, 2002)
Die Ergebnisse der Forschungen zur Geschlechterproblematik im Zusammenhang mit
Computern und Lernen lassen sich in den folgenden Themen zusammenfassen (Volmerg, 1996):
- Mädchen geht es beim Umgang mit dem Computer (zunächst) mehr darum, Zusammenhänge zu begreifen; Jungen sind (zunächst) eher an einem konkreten Umgang mit der Maschine interessiert.
- Mädchen zeigen einen weniger spielerischen und experimentellen Umgang mit dem Computer als Jungen. Ihre Aneignungsweise ist mehr am Anwendungs- und Gebrauchswert der Computer orientiert.
- Mädchen haben (zumindest anfänglich) ein starkes Bedürfnis nach kooperativer Zusammenarbeit. Jungen arbeiten lieber alleine mit dem Computer.
- Mädchen haben keinen signifikant unterschiedlichen Wissensstand, was Aufbau und Funktion eines Computers betrifft. Jungen haben jedoch sehr viel häufiger ein eigenes Gerät als Mädchen. Dementsprechend schätzen Jungen ihre Kenntnisse auf dem Gebiet der Neuen Technologien sehr selbstbewusst ein, während Mädchen ihre eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten eher unterbewerten, solange sie noch keine praktischen Erfahrungen mit dem Computer haben.
- Mädchen haben es aufgrund ihrer Sozialisation schwerer als Jungen, sich „unbelastet“ Kompetenz und Wissen im Bereich der Neuen Technologien zu erwerben.
Auch Männer zeigen eher den heute geforderten spielerischen Umgang mit Technologie, während Frauen stärker Sinn und Zweck bezogen mit Technik arbeiten. Die spielerischen
Kompetenzen sind aber auch nicht einfach anzueignen, denn diese Umgangsformen entstehen unter bestimmten Voraussetzungen, die für Frauen nicht unbedingt gegeben sind: Etwa im Zusammenhang mit den für Jungen gemachten aggressiven Computerspielen oder für den Multimedia-Bereich im Zusammenhang mit Cyberpornographie, mit deren Hilfe auch der selbstverständliche Umgang mit Technologie erworben wird (Schinzel, 2002). Somit wird es Frauen nicht gerade leicht gemacht, sich die für ein Agieren am Computer notwendigen Kompetenzen anzueignen.
4 Ursachen des Gendering
Die Rolle, Status und soziale Beziehungen des Menschen sind in der Gesellschaft wesentlich durch das Geschlecht definiert und geschichtlich in den Formen fest gefügter Männer- und Frauenbilder (Geschlechterrollen) verankert.
Eine Erklärung für die Distanz der Frauen und Mädchen zur Technik könnte also die durch die Geschlechtersozialisation eingeübte Rollenverteilung sein. Bei Jungen ist die Computernutzung ins männliche Selbstbild integriert. Bei Mädchen führt eine intensive Computernutzung zum Konflikt mit dem sich entwickelnden weiblichen Rollen- und Selbstbild. Für sie ist es daher einfacher sich mit der Rolle des Laien zu identifizieren.
4.1 Ursachen aus der Kindheit und der Jugendphase
Besonders während der Pubertät benutzen Jungen ihr durch Spiele, technische Ausstattungen, neue Produkte gewonnenes Wissen innerhalb ihrer Referenzgruppe als Macht- und Prestigemedium und als Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen, speziell gegenüber Mädchen. In dieser Zeit kristallisiert sich Computerkompetenz als Stabilitätsfaktor für Maskulinität in den Kategorisierungsprozessen während der sozialen Interaktionen. Dass Mädchen in der Freizeit weniger Erfahrungen mit Computern haben, wirkt sich im Unterricht aus, was die Interaktionsmuster während des Unterrichts prägt (Schinzel, 2002).
Die Schulausbildung unterstützt zudem den Erwerb der Fachkompetenz für Mädchen nicht in ausreichendem Maße. Sie verläuft heute in der Regel sehr stark nach den von den Jungen bevorzugten Schwerpunkten, deutlich mehr technik- als anwendungs- und nutzungsorientiert. Dies führt dazu, dass viele Mädchen Defizite in der Nutzung des Computers empfinden, sich zurückziehen und kein Interesse für die Ausbildung entwickeln (Oechtering, 1998). Aber auch viele Lehrer und Lehrerinnen sind zu wenig mit geschlechtsspezifischen Sichtweisen und Problemen vertraut und unterstützen bei der Vermittlung des Wissens stärker die Jungen als die Mädchen.
Geschlechtsspezifische Unterschiede werden auch durch das Wahlverhalten in der gymnasialen Oberstufe bestätigt. Während Mädchen sich eher auf sprachliche Fächer konzentrieren, interessieren die Jungen sich eher für die naturwissenschaftlichen und mathematischen Fächer. Nach wie vor werden somit Schulfächer nach traditionellen geschlechtertypischen Normen gewählt.
Als entscheidend für diese Distanz zu den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern (Ausnahme: Biologie) werden angesehen:
- die geringe Technik-Vorerfahrung der Mädchen
- eine Kapitulation der Mädchen vor dem „Technik-Vorsprung“ der Jungen und
- eine selbstkritischere Beurteilung der eigenen Leistung.
Nach wie vor fehlt es den Mädchen im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich an weiblichen Vorbildern, die ihnen dadurch eine Berufsperspektive aufzeigen könnten (Volmerg, 1996).
Schon in der Schule werden die Weichen für die Ausbildung und spätere Berufswahl gelegt. Wie eine nichtrepräsentative Erhebung an Berliner Schulen im Rahmen des Studienprojektes "Frauen in der Informationsgesellschaft" erbrachte, nimmt der Anteil von Mädchen an Informatikkursen von der 8.-11. bis zur 12.-13. Klasse von 44 % auf 34 % deutlich ab. Eine Ursache für das abnehmende Interesse der Mädchen könnte in fehlenden Rollenmodellen liegen. So zeigte sich in der gleichen Erhebung, dass der Informatikunterricht überwiegend in männlicher Hand ist: Nur jede fünfte Lehrende im Informatikunterricht war weiblich (Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Geschlechterverteilung im Informatikunterricht an vier Berliner Schulen Quelle: PD Dr. M. Sieverding
5 Nutzung der neuen informations- und kommunikationstechnischen Medien
Wie bereits erwähnt, weisen die Computernutzungsprofile von Frauen und Männern deutliche Unterschiede auf (Kapitel 2 und 3.1). Dies ist auch durch die unterschiedlichen Arbeitsbereiche bedingt. Das meist von Männern ausgefüllte Berufsfeld der Programmierer nutzt den Computer anders als z.B. eine Sekretärin. Auch die Doppelbelastung vieler Frauen (Beruf und Mutter/Hausfrau) lässt oft keine Potentiale für die spielerische Annäherung an einen neuen Gegenstand übrig. Damit sind Frauen die Möglichkeiten entzogen, die für ein Agieren am Computer und im Netz Voraussetzung sind.
5.1 Quantitative und qualitative Nutzungsübersicht des Computers und des Internets
Quantitativ gesehen, haben Frauen und Mädchen insgesamt weniger Umgang mit Computern und Neuen Medien als Männer und Jungen, trotzdem arbeiten sie inzwischen gleich viel und gleich lange mit ihm. Ein entscheidender Unterschied besteht darin, dass Jungen erheblich länger mit dem Computer spielen. In der Schule nutzen Mädchen und Jungen den Computer etwa gleich, in der Freizeit aber unterschiedlich. Auf welche Art und Weise Mädchen und Jungen den Computer benutzen, ist auch oft verschieden, wie manche Untersuchungen gezeigt haben: Jungen experimentieren öfters mit Computern als Mädchen, die Computer als ein praktisches Werkzeug betrachten. Frauen benutzen andere Applikationen als Männer und sie programmieren auch weniger in ihrer Freizeit.
In den letzten Jahren hat die Kommunikation über Netzwerke insbesondere für die junge Generation stetig an Bedeutung zugenommen. Dabei hat sich auch die Unterrepräsentanz von Frauen und Mädchen im Internet verringert oder aufgelöst (Abbildung 2). In den USA haben die Frauen die Männer bereits zahlenmäßig als Netz-User überholt, dennoch bleibt die Zurückhaltung von Frauen und Mädchen gerade in Bezug auf dessen intensive Nutzung auffällig.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Frauenanteil an Internet-Nutzern
In einer Erhebung zu Computerbesitz und Computernutzung bei Berliner Studierenden, die Anfang 2000 durchgeführt wurde (Sieverding, 2002), zeigte sich, dass Studentinnen deutlich seltener als ihre männlichen Kommilitonen mit leistungsstarken Computern ausgestattet waren (s. Abbildung 3). Während bei den Männern fast 70 % einen Pentium I bis III besaßen, waren es bei den Frauen nur die Hälfte (51 %). Auch war bei Frauen der Anteil größer, die den PC zusammen mit anderen nutzten. Eine geringere technische Medienkompetenz der Studentinnen zeigte sich daran, dass ein beträchtlicher Teil (14 %) nicht wusste, was für einen Computer sie überhaupt besitzen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Computerbesitz bei Studierenden
Bei der inhaltlichen Nutzung von PC und Internet zeigte sich, dass männliche Studierende beides vielfältiger nutzen: sie programmieren mehr und nutzen den PC für Musik und Grafik. Im Internet surfen sie mehr, spielen mehr Spiele, nutzen mehr Service-Angebote und rufen häufiger Erotik- oder Sexseiten auf (Abbildungen 4 und 5).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Inhaltliche Nutzung des Computers
- Citar trabajo
- Dipl.-Wirt.-Inf. Jochen Kohlhaas (Autor), 2003, Genderforschung zu E-Learning, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142418
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