Der strategische Umgang mit Wissen als Wettbewerbsfaktor und mit IT-Infrastruktur als Kommunikationsmittel beschäftigt Organisationen, Manager und Wissenschaftler gleichermaßen. Vor diesem Hintergrund untersucht die vorliegende Arbeit die Auswirkungen von Web-Applikationen auf das Wissensmanagement in Unternehmen.
Aktuelle Anwendungen des „Web 2.0“ erlauben es Benutzern, selber Inhalte zu generieren und mit Anderen zu teilen. Auch Corporate Wikis gehören dieser Kategorie an und ermöglichen jedem berechtigten Anwender das freie Bearbeiten von Content. Wikis bilden so eine umfassende Plattform, die verschiedene Formen von Wissen bereitstellen und darüber hinaus weitere Technologien des Web 2.0 in Form von Mashups integrieren kann.
Diese Arbeit begleitet eine unternehmensweite Wiki-Einführung bei einem mittelständischen IT-Systemhaus mit etwa 40 Mitarbeitern in Mainz, um die Folgen einer entsprechenden Implementierung empirisch zu untersuchen. Die Angaben der Mitarbeiter erweisen sich dabei als höchst verschieden, das Wiki wird von Person zu Person sehr unterschiedlich wahrgenommen und bewertet. Als gemeinsamer Trend zeigt sich, dass fast jeder Angestellte die Vorteile eines Wikis schnell erkennt und das System schon nach kurzer Zeit regelmäßig zur täglichen Informationsverwaltung verwendet.
Je häufiger Mitarbeiter das Wiki nutzen, desto höher schätzen sie den Mehrwert des Systems ein. Die Hemmschwelle für das Editieren von Artikeln hingegen ist sehr hoch, nur ein geringer Prozentsatz der Nutzer bearbeitet Inhalte im Wiki aktiv. Einen Zusammenhang zwischen Technikbegeisterung und Nutzungsintensität konnte die Studie nicht nachweisen. Auch eine Steigerung der individuellen Selbstwirksamkeitserwartung von Mitarbeitern durch die Arbeit mit dem Corporate Wiki ist nicht erkennbar. Die Ergebnisse der Studie zeigen weiterhin, dass ein Wiki auch bei einer häufigen Nutzung die vorhandenen Kanäle zur Informationsbeschaffung und -speicherung einige Monate nach der Einführung nur in sehr geringem Maße verdrängen kann. Eher nutzen die Anwender das Wiki als zusätzlichen Kanal zur Verbesserung von Arbeitsprozessen sowie zur Optimierung der internen und externen Kommunikation.
Quantitative Nutzungsdaten aus einer Webanalyse-Applikation sowie strukturierte
Interviews mit den für die Einführung verantwortlichen Personen bestätigen
die in der Umfrage gewonnenen Erkenntnisse und vervollständigen diese Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Konzeptionelle Grundlagen
2.1. Wissen und Wissensmanagement
2.1.1. Gesellschaftliche Bedeutung von Wissen und Wissensmanagement
2.1.2. Begriffsabgrenzungen von Wissen und Wissensmanagement
2.1.3. Formen von Wissen in Unternehmen
2.1.4. Nutzung von Wissen im organisationalen Kontext
2.2. Aktuelle Web-Technologien als Wissensspeicher
2.2.1. Die Ideen des Internets 2.0
2.2.2. Aktuelle Web-Technologien im Überblick
2.2.3. Mediennutzung als Treiber von Veränderungen in Organisationen
2.3. Corporate Wikis als Werkzeug zur Wissensspeicherung
2.3.1. Wissensmanagement durch Wikis
2.3.2. Unterschiede öffentliches Wiki - Einsatz in Unternehmen
2.3.3. Implementierung in der Unternehmenspraxis
2.3.4. Corporate Wikis: Stand der Forschung
2.4. Ableitung von Hypothesen und Forschungsfragen
2.4.1. Grundsätzliche Fragestellungen
2.4.2. Intensität der Wiki-Nutzung
2.4.3. Qualität der Daten im Wiki
2.4.4. Bedeutung eines Wikis für die tägliche Arbeit
2.4.5. Zusammenhang zwischen Nutzung und gefühltem Mehrwert
2.4.6. Unterschiedliche Nutzergruppen des Wikis
2.4.7. Verbesserung der Auffindbarkeit von Informationen
2.4.8. Befähigung zur Aufgabenbewältigung durch das Wiki
3. Methode
3.1. Betriebliche Problemstellung
3.1.1. Beschreibung der Vorher-Situation
3.1.2. Projektkonzeption und Planung
3.1.3. Durchführung und Kommunikation an die Mitarbeiter
3.1.4. Probleme bei der Einführung
3.1.5. Änderungen gegenüber dem Pflichtenheft
3.2.1. Beschreibung der angewandten Methoden
3.2.2. Kontrolle von möglichen Störvariablen
3.2.3. Fragebogendesign
3.2.4. Interviews
3.2.5. Quantitative Auswertung der Nutzungsdaten
3.3. Datenaufbereitung
3.3.1. Angaben zur befragten Population
3.3.2. Statistische Daten
3.3.3. Technikaffinität
3.3.4. Produktivität
3.3.5. Nutzung von Medien und Informationsspeichern
3.3.6. Intensität und Mehrwert der Wiki-Nutzung
3.3.7. Selbstwirksamkeitserwartung
3.3.8. Daten aus Webanalyse
4. Darstellung der Ergebnisse
4.1. Beantwortung der Forschungsfragen und Hypothesen
4.1.1. Überblick
4.1.2. Beantwortung der Forschungsfragen
4.1.3. Überprüfung der Forschungshypothesen
4.2. Ergänzende Befunde aus qualitativen Interviews
5. Diskussion
5.1. Interpretation der Ergebnisse
5.2. Generalisierbarkeit der Ergebnisse
5.3. Handlungsimplikationen
5.3.1. Generelles
5.3.2. Handlungsimplikationen im Fallbeispiel
5.3.3. Implikationen für das innerbetriebliche Wissensmanagement
5.3.4. Implikationen für die weitere Forschung
5.4. Fazit
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Stufen der Wissenstreppe
Abbildung 2: Kernprozesse des Wissensmanagements
Abbildung 3: Externalisierung von Wissen in der Wissensspirale
Abbildung 4: Einsatzzwecke von Blogs in Unternehmen
Abbildung 5: Größe der untersuchten Population
Abbildung 6: Technikaffinität
Abbildung 7: Einflüsse auf Produktivität
Abbildung 8: Durchschnittliche Bedeutung von Informationsquellen
Abbildung 9: Durchschnittliche Bedeutung von Informationsspeichern
Abbildung 10: Nutzungsintensität des Corporate Wikis
Abbildung 11: Qualität der Daten des Corporate Wikis
Abbildung 12: Selbstwirksamkeitserwartung
Abbildung 13: Anzahl der Wiki-Zugriffe pro Tag
Abbildung 14: Anzahl der eindeutigen Benutzer pro Tag
Abbildung 15: Anzahl der Aktionen im Wiki pro Tag
Abbildung 16: Zugriffszeiten im Tagesverlauf
Abbildung 17: Corp. Wikis und die Stufen der Wissenstreppe
Abbildung 18: Corp. Wikis und die Kernprozesse des Wissensmanagements
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht über unterschiedliche Wissensformen
Tabelle 2: Technologien und Beziehungsstärke
Tabelle 3: Wissen managen nach Wikimanagement
Tabelle 4: Informationsspeicher bei REDNET
Tabelle 5: Alter
Tabelle 6: Abteilung
Tabelle 7: Vertrautheit mit Computeranwendungen
Tabelle 8: Nutzung des Computers in der Freizeit
Tabelle 9: Nutzung von Technologien im privaten Umfeld
Tabelle 10: Bewertung der Infrastruktur am Arbeitsplatz
Tabelle 11: Wiki-Nutzung
Tabelle 12: Mehrwert der Wiki-Nutzung
Tabelle 13: Vorteile einer unternehmensweiten Wiki-Nutzung
Tabelle 14: Kommentare zum Wiki-System
Tabelle 15: Übersicht über Hypothesen und Forschungsfragen
1. Einleitung
„Die Globalisierung des Wissens und der Kultur der Menschheit durch Digitalisierung und Vernetzung stellt deren bisherige rechtliche, wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen ausnahmslos auf den Prüfstand.“1 In diesem Punkt reflektiert das Parteiprogramm der deutschen Piratenpartei die Chancen und Schwierigkeiten, die eine steigende Vernetzung und Transparenz von Informationen für Unternehmen, Politik und Menschen mit sich bringt.
Weltweit ist das Volumen an verfügbarem Wissen in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen.2 Für viele Unternehmen ist der Umgang mit dieser nahezu unendli- chen Menge an verfügbarem Know-how daher zu einem entscheidenden Kriterium geworden, um am Markt zu bestehen und sich von seinen Wettbewerbern abgren- zen zu können. In diesem Zuge entstehen immer neue Werkzeuge, die den Um- gang mit Wissen vereinfachen sollen. Die Suchmaschine Google durchsucht Web- seiten, Landkarten, wissenschaftliche und unwissenschaftliche Bücher, Bildarchive und E-Mails in Bruchteilen von Sekunden. Die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia gilt als qualitativ ebenbürtig mit Lexika aus renommierten Verlagen, die mit ihren ge- druckten Werken über viele Jahrzehnte hinweg das Wissen dieser Welt archiviert haben.3 Die eigentliche Revolution bei der globalen Informationsbereitstellung findet aber hinter den Kulissen statt. Die Schaffung, Recherche und Bestätigung von Wis- sen erfolgt immer häufiger nicht mehr im Rahmen der wissenschaftlichen Erkennt- nissuche oder in den unternehmenseigenen Forschungsabteilungen. Stattdessen arbeiten verteilte Experten und Arbeitsgruppen gemeinsam an länderübergreifenden Online-Datenbanken, die kollektive Intelligenz von Anwendern liefert häufig präzise- re Ergebnisse als die zentrale Vorgabe von Wissen durch etablierte Institutionen.4 Informationen zu den verschiedensten Ereignissen weltweit verbreiten sich über neue Kanäle wie den Kurznachrichtendienst twitter ohne das Zutun von professio- nellen Nachrichtenagenturen oder staatlichen Instanzen.5 Die Vorteile der verteilten Wissensgenerierung für unternehmerische Zwecke zu nutzen, ist eine wichtige Auf- gabe für das intraorganisationale Wissensmanagement des frühen 21. Jahrhun- derts.
Die Implementierung von Möglichkeiten zur gemeinsamen Erstellung und Bearbei- tung von Know-how im Betrieb ist jedoch alles andere als einfach und stellt verant- wortliche Wissensmanager vor neue Herausforderungen. Der freizügige Umgang mit Wissensressourcen widerspricht dem klassischen Selbstverständnis von einzel- nen Managern und Angestellten, die durch die Preisgabe von individuellem Know- how um ihr innerbetriebliches Alleinstellungsmerkmal fürchten.6 Darüber hinaus ha- ben Mitarbeiter in Unternehmen bereits heute eine Vielzahl an unterschiedlichen Kommunikationswegen zu bearbeiten, müssen neben E-Mails und Telefonaten auch mit Faxen, Briefen, Office-Dokumenten, Videokonferenzen, Chats, Meetings und den informellen Gesprächen an der Kaffeemaschine umgehen. Jedes zusätzliche Medium muss in diesem heterogenen Nutzungsumfeld erst seinen festen Platz fin- den, um im Konkurrenzkampf der Informationen am Arbeitsplatz zu bestehen. Die Einführung zusätzlicher Werkzeuge in betriebswirtschaftlichen Organisationen steht dabei immer unter dem Zugzwang der kaufmännischen Wirtschaftlichkeit. Erst ein messbarer Return On Investment rechtfertigt eine Implementierung. Vorschnelles Handeln und unausgereifte Versuche, neue Systeme in den betrieblichen Alltag zu integrieren, führen daher schnell zu unrentablen Investitionen und häufig auch zu einer Überforderung der vermeintlich Profitierenden - der Mitarbeiter.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Auswirkungen aktuell verfügbarer Web-Applikationen auf das Wissensmanagement in Organisationen. Sie berücksich- tigt dabei die Implikationen für den täglichen Arbeitsablauf, die durch eine Nutzung erreichbaren Vorteile sowie die existierenden Hemmschwellen und Probleme bei der Wiki-Nutzung. Um diese Auswirkungen genauer untersuchen und beschreiben zu können, wird die produktive Einführung eines Wiki-Systems in einem mittelständi- schen Mainzer Unternehmen mit etwa 40 Mitarbeitern im Rahmen einer empirischen Fallstudie analysiert. Alle Mitarbeiter werden vor der Einführung des Wikis zu ver- schiedenen Aspekten ihres Arbeitsalltags befragt. Etwa ein halbes Jahr später wird die Umfrage wiederholt und mit zusätzlichen Fragen zum mittlerweile eingeführten Wiki-System ergänzt. Strukturierte Interviews mit den für die Einführung verantwort- lichen Mitarbeitern und eine Analyse der Nutzungsdaten mit Hilfe eines Webanaly- setools ergänzen die Befragung.
Als Einstieg in die konzeptionellen Grundlagen beschreibt die vorliegende Arbeit zu- erst die gestiegene Bedeutung von Wissen und Wissensmanagement in Unterneh- men. Anschließend grenzt sie den Wissensbegriff von anderen unternehmerischen Konstrukten wie Daten und Informationen ab, bevor die unterschiedlichen Formen von Wissen in Betrieben diskutiert werden. Grundsätze für die Nutzung, also das Erschließen von Wissen im organisationalen Kontext, runden das erste Kapitel zu „Wissen und Wissensmanagement“ ab.
Im nächsten Abschnitt stellt die Arbeit aktuelle Web-Technologien dar, die als Wis- sensspeicher in Unternehmen zum Einsatz kommen können. Sie reflektiert dafür die Ideen des Web 2.0 und gibt einen Überblick über aktuell häufig verbreitete Applika- tionen, um anschließend die Bedeutung von Medien als Treiber von Veränderungen in Organisationen darstellen zu können. Da Wikis den Umgang mit Informationen von diesen Technologien am nachhaltigsten beeinflussen können, konzentriert sich die Arbeit exemplarisch auf die Einführung von Corporate Wiki-Systemen. Sie diffe- renziert dafür zwischen der Einführung eines Wikis im unternehmerischen Kontext und Wikis im frei zugänglichen Internet und fasst Voraussetzungen für eine erfolg- reiche Implementierung in Unternehmen zusammen. Außerdem wird der aktuelle Forschungsstand zum Thema Wikis dargestellt und im Hinblick auf die Fragestel- lung dieser Arbeit überprüft. Auf Basis dieser Überlegungen zum Wiki-Einsatz in Un- ternehmen werden nachfolgend Hypothesen und Forschungsfragen abgeleitet, die im Rahmen der empirischen Studie untersucht werden. Die Thesen fokussieren vor allem die Intensität der Nutzung durch die Mitarbeiter und die Auswirkungen auf den betrieblichen Alltag der Befragten.
Der Methodenteil beschreibt zunächst die betriebliche Problemstellung in der Fall studie und untersucht die Gründe für die Entscheidung, ein unternehmensinternes Wiki einzusetzen. Wichtige Meilensteine bei der Implementierung waren neben der Inbetriebnahme des Systems auch die Kommunikation mit den Mitarbeitern und die Diskussion von Problemen und Konzeptänderungen gegenüber dem ursprünglichen Pflichtenheft. Einer Beschreibung der methodischen Vorgehensweise folgt die Dar- stellung der Ergebnisse aus der Befragung und der erhobenen Daten aus dem Webanalysetool. Diese Resultate beantworten die Hypothesen und Forschungsfra- gen und bilden gemeinsam mit drei zusätzlich durchgeführten Leitfadeninterviews die Grundlage für eine Interpretation der Befunde. Nachfolgend werden die mögli- che Generalisierung der Ergebnisse auf einen breiteren Kontext diskutiert und Handlungsimplikationen für Fallstudie, Praxis und Wissenschaft dargestellt. Das abschließende Fazit zeigt, ob die Einführung eines unternehmensweiten Wikis der gestiegenen Bedeutung von Informationen in der Wissensgesellschaft gerecht werden kann.
2. Konzeptionelle Grundlagen
2.1. Wissen und Wissensmanagement
2.1.1. Gesellschaftliche Bedeutung von Wissen und Wissensmanagement
„Die gesellschaftlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen zur Generie- rung und effektiven Nutzung von Wissen werden in der nahen Zukunft die Wettbe- werbsfähigkeit von Unternehmen und Volkswirtschaften bestimmen.“7 Mit einer der- art drastischen Formulierung unterstreichen Wissenschaftler die in den letzten Jah- ren gestiegene Bedeutung des Faktors Wissen in Unternehmen und in der Gesell- schaft. Investitionen in die Wissensbasis eines Unternehmens gelten bereits als pro- fitabler als die Förderung materiellen Anlagekapitals.8 Der langfristige Wandel hin zu einer innovationsfördernden Unternehmenskultur ist deshalb eine der wichtigsten Kernaufgaben des Top-Managements von Betrieben in der heutigen Informations- gesellschaft. Ziel dieser „wissensorientierten Unternehmensführung“ ist die Steige- rung der Effizienz in sämtlichen Prozessen eines Unternehmens und die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit.9 Herausforderungen wie ein steigender Konkurrenzdruck am freien Markt und komplexere, technisch anspruchsvollere Produkte stellen per- manent neue Anforderungen an eine auf Wissensmanagement ausgerichtete Unternehmensführung.10
Der Begriff „Wissen“ wird aufgrund seiner gewachsenen Bedeutung häufig als neu aufgetretener, vierter Produktionsfaktor neben den konventionellen Ressourcen Ar- beit, Boden und Kapital angesehen. Relevantes Wissen im organisationalen Kontext gilt als kontinuierlich revidiert, permanent verbesserungsfähig, wird prinzipiell eher als Ressource denn als Erkenntnis bewertet und ist untrennbar mit Nichtwissen verbunden.11 Allerdings war Wissen schon immer ein elementarer Bestandteil der Warenproduktion und kann daher nur schwer als neuer Produktionsfaktor betrachtet werden. Neu ist vor allem die Ausweitung der Verwertungsansprüche auf weitere Bereiche des Wissens als den der reinen Warenproduktion. Wissen ist nicht mehr nur Mittel zum Zweck sondern per se ein verwertbares Gut. Auch die zunehmende Entkopplung von Wissen und materiellen Wissensträgern wie Büchern und Zeit- schriften ist ein neuartiges Phänomen des 20. Jahrhunderts und ermöglicht erst das hohe Volumen von in Unternehmen gespeichertem Wissen.12
Für die Bedeutungssteigerung der Ressource „Wissen“ gibt es vor allem drei Grün- de. Zum einen wird die Unternehmensumwelt durch den strukturellen Wandel„von arbeits- und kapitalintensiven zu informations- und wissensintensiven Aktivitäten“ immer dynamischer.13 Der Tausch von immateriellen Wissensgütern und Ideen er- folgt in Bruchteilen von Sekunden und ist nicht mehr auf den physischen Transport von Gegenständen angewiesen. Eine hohe Zahl an Informationen ist so kontinuier- lich verfügbar und ermöglicht eine Entscheidungsfindung in bisher unbekannter Ge- schwindigkeit. Zum anderen verändern die Vorgänge der Globalisierung die interna- tionale Arbeitsteilung grundlegend. Durch das Outsourcing von Produktionsverfah- ren beschleunigt sich die weltweite Nachfrage nach Wissen drastisch. Unternehmen agieren häufig weltweit und benötigen neue Formen der Kollaboration und des Aus- tauschs von Wissen, Informationen und Erfahrungen. Erfolgsgeschichten wie die Unternehmensbiographien von CNN oder Microsoft dokumentieren die Entwicklung hin zu einem globalen Dorf, in dem Zeit oder geographischer Distanz nur noch eine geringe Bedeutung zukommt.14 Drittens ermöglichen aktuelle Informations- und Kommunikationstechnologien schnelle und günstige Transaktionen und stellen so eine nahezu weltweite Informationstransparenz her.15 Diese Technologien ordnen den exponentiell steigenden Umfang an Wissen und Informationen in der Mensch- heitsgeschichte und systematisieren die Inhalte für die Nutzer.16 Die Mehrheit der Angestellten in Wissensgesellschaften ist heute nicht mehr mit der Erbringung von Routinearbeiten befasst. Stattdessen liegt der Schwerpunkt selbst bei einfachen Tä- tigkeiten wie der Aushilfe in einem Callcenter auf dem Management von Ausnahme- situationen in Geschäftsprozessen.17 Neue Probleme müssen mit vorhandenen Ressourcen gelöst werden, was insbesondere in wissenszentrierten Betrieben einen stärkeren Einsatz von IT-Technologien erfordert.
Diese Wissensunternehmen zeichnen sich vor allem durch eine veränderte Einstel- lung zu Wissen als Wettbewerbsfaktor aus. Sie gestalten für die intraorganisationale Wissensgenerierung förderliche Rahmenbedingungen und Unternehmensleitbilder oder bewerten das im Unternehmen vorhandene Wissen im Rahmen einer Wis- sensbilanz und honorieren so den Wert von entwickelter Kompetenz.18 In der visio- nären Vorstellung eines perfekten Wissensunternehmens erleichtern existierende Kompetenznetzwerke und ein vorhandener Wettbewerb um Daten und Wissen die
Bereitstellung für den Geschäftserfolg notwendiger Informationen. Solche funda- mentalen Neuerungen gleichen jedoch häufig einer Pionierarbeit. Controller müssen bisher nicht gekannte Indikatoren entwickeln und die Geschäftsleitung hat interne wie externe Skeptiker von der Notwendigkeit eines systematischeren Umgangs mit Wissen zu überzeugen. Nur mit einem höheren Grad an Professionalisierung kön- nen Wissensmanager brach liegende Potenziale erschließen und die erforderlichen Wettbewerbsvorteile erlangen. Im Gegensatz zu einem kontinuierlich verbesserten Einsatz klassischer Produktionsfaktoren wie Arbeit, Kapital und Boden fand die Op- timierung des Wissenseinsatzes in Unternehmen bisher aber nur sehr spärlich statt. Erst in den letzten Jahren beginnen Wirtschaft und Wissenschaft mit der systemati- schen Erschließung des Potenzials von Wissensmanagement. Die Schaffung neuer, innovativer Stellenbeschreibungen im Wissenssegment wie der des „Chief Know- ledge Officers“ illustriert diesen Gesinnungswechsel.19 Das gewandelte Machtver- hältnis hin zu einer Dominanz von Wissen und Informationen nehmen viele konser- vativ orientierte Unternehmen als Bedrohung wahr. Moderne, innovative Firmen nut- zen die sich bietenden Chancen hingegen für intelligentere Produkte, die traditionel- le Produktnutzen um neue Funktionen erweitern. Die Weitervermarktung von ur- sprünglich für den Eigenbedarf entwickelten Diensten kann für Unternehmen sogar bisher unbekannte Geschäftsbereiche erschließen. Gerade im IT-Umfeld liegt der Vertrieb interner Leistungen an externe Kunden durch die hohe Anpassungsfähigkeit von Lösungen nahe. So konnte Lufthansa Systems durch die Lizenzierung des neu geschaffenen Online-CheckIn-Systems an andere, teilweise konkurrierende Flugge- sellschaften nennenswerte Umsätze in einem bisher nicht erschlossenen Geschäfts- feld erwirtschaften.20
Ein medienpräsentes Beispiel für ein modernes Wissensunternehmen ist die Ent- wicklung des Internetkonzerns Google. Dessen Geschäftsmodell besteht nahezu ausschließlich in der Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen, die den Online- Markt in vielen Bereichen prägen konnten. Der Finanzmarkt belohnt ein solches, ausschließlich auf Wissen beruhendes Modell, mittlerweile mit einer deutlich höhe- ren Bilanzsumme als der eines vergleichsweise konventionell arbeitenden Unter- nehmens wie General Electrics.21 Diese nicht nur an den Börsen immer mehr be- rücksichtigte Bedeutung von Wissen illustriert den Paradigmenwechsel in der Öko- nomie. Entgegen früherer Generationen ist nicht mehr die universitäre Forschung der primäre Ort der Wissensproduktion.22 Wirtschaftsorganisationen entwickeln un- ter dem ökonomischem Druck des Marktes permanent neue Produkte und Ideen, um damit eine langfristige Sicherung von Wettbewerbsvorteilen erreichen zu können.23 Dem Wissen kommt deshalb eine hohe Bedeutung als Erfolgspotenzial zu, weil „der Ursprung unternehmerischen Handelns in einer asymmetrischen Ver- teilung von Informationen liegt“.24 Die Relevanz von Wissen hat dabei eine lange Tradition und lässt sich bis weit vor die Erfindung des Buchdrucks zurückverfolgen. Die Institution Kirche versuchte schon im späten Mittelalter, Wissen exklusiv in La- tein als Gelehrtenwissen zu bewahren und kämpfte mit allen Mitteln gegen eine flä- chendeckenden Verbreitung. Lange vor der fortschreitenden Informatisierung des späten 20. Jahrhunderts war Wissen bereits zu dieser Zeit ein wichtiges und gut ge- hütetes Alleinstellungsmerkmal.25
Vieles deutet darauf hin, dass der Anteil an Wissensunternehmen wie Beratungsfir- men, Ingenieurbüros und Forschungseinrichtungen am Markt weiter zunehmen wird. Diese Entwicklung steht in engem Zusammenhang mit einer immer weiter voran- schreitenden „Tertiarisierung, Dezentralisierung und Informatisierung“ der gesamten Arbeitslandschaft.26 Das Konzept der Wissensgesellschaft wird daher häufig mit den Begriffen „Wissenswirtschaft“, „wissensbasierter Ökonomie“ oder „Wissensöko- nomie“ gleichgesetzt.27 Die quantitative Zunahme an Dienstleistungen allein reicht für eine Erklärung des Begriffs „Wissensgesellschaft“ jedoch nicht aus. Vertreter der „reflexiven Moderne“ weisen im Hinblick auf die epochalen Veränderungen durch die gestiegene Bedeutung des Wissens auch auf das steigende Maß an Unwissenheit und verlorener Handlungssicherheit hin.28 Im betriebswirtschaftlichen Umfeld stehen Unternehmen so auch vor neuen Herausforderungen, da Wissensarbeiter erst ler- nen müssen, mit der gestiegenen Vielfalt des vorhandenen Wissens und Nichtwis- sens umzugehen.29 Die Überwindung dieser neuen Unsicherheit des Angestellten durch die Schaffung einer neuen Vertrauensbasis („Trust“) ist eine wesentliche Auf- gabe des Managements von Wissensunternehmen.30 Eine „Umverteilung der Macht“ oder eine „Demokratisierung des Wissens“ kann nur erfolgen, wenn auch eine Kodifizierung von Wissen durch den Lesenden gegeben ist und der Nutzer die vorliegenden Inhalte mit Hilfe einer kritischen Reflexions- und Lernfähigkeit zu neu- em Wissen verarbeiten kann.31 Dieser Effekt des demokratischen Wissens geht ein- her mit der Veränderung einer Firmenkultur hin zu einem transparenten Wissensbe- trieb, in dem Mitarbeiter von Synergieeffekten durch die Zusammenarbeit mit Kolle- gen profitieren können.32 Um einen Umgang mit Wissen professionell gestalten zu können, muss der breite Begriff „Wissen“ von anderen Konzepten abgegrenzt wer- den.
2.1.2. Begriffsabgrenzungen von Wissen und Wissensmanagement
Zur Definition des abstrakten Begriffs „Wissen“ gibt es unterschiedliche Ansätze.33 Üblich ist die Erklärung der Begriffsbedeutung durch die Abgrenzung von Wissen zu anderen Konstrukten wie „Daten“, „Informationen“ und „Kompetenz“. North hat vor diesem Hintergrund das begriffshierarchische Bild der Wissenstreppe kreiert (vgl. Abbildung 1), das den begrifflichen Bedeutungszuwachs auf jeder Stufe einer Trep- pe symbolisiert.34
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Stufen der Wissenstreppe
Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an North 2005, S. 32
Auf der untersten Stufe sieht North reine Zeichen, die sich erst im organisationalen Kontext zu Daten und erst durch die Ergänzung einer Bedeutung zu Informationen entwickeln. Vernetzt mit Erfahrungen und Erwartungen des individuellen Mitarbeiters entwickelt sich aus Informationen dann organisational nutzbares Wissen. Die An- wendung von Wissen führt auf einer weiteren Stufe der Wissenstreppe zu Handeln, das sich schließlich im positiven Fall zur Kompetenz entwickelt. Die Summe aller dieser Schritte führt für ein Unternehmen zu der Eigenschaft, durch den Einsatz von Wissen „besser als andere“ zu sein und so durch die Stärkung von Kernkompeten- zen die eigene Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu verbessern.35 Bei der Gestaltung eines organisatorischen Wissensmanagements muss das Management jede einzel- ne Stufe gesondert beachten. Die Komplexität im Umgang mit den einzelnen Begrif- fen steigt dabei kontinuierlich von Stufe zu Stufe an. North unterscheidet in Verbin- dung mit seinem Konzept der Wissenstreppe das Diktat der einzelnen Stufen Top- Down („Strategisches Wissensmanagement“) und die Anreicherung der Stufen von der Basis her („Operatives Wissensmanagement“). In seinem Konzept der Wissens- treppe integriert North sowohl Begriffsdefinitionen als auch generelle Ausrichtungs- möglichkeiten des Wissensmanagements und beschreibt damit die Realität in Un- ternehmen. Das Konzept ist jedoch sehr theoretisch und liefert für eine Integration in die Praxis nur unzureichende Umsetzungsideen.36
Der auf den unteren Stufen der Wissenstreppe skizzierte Bedeutungszuwachs findet sich analog in der Sprachtheorie, die die einzelnen Termini den drei Betrachtungs- ebenen Syntax, Semantik und Pragmatik zuordnet.37 Erst die Pragmatik „behandelt
(…) die zweckgerichtete Interpretation beziehungsweise Wirkung einer Information und damit die Handlungsorientierung“ und verleiht Informationen so betriebswirt- schaftliche Relevanz.38 Der Begriff „Wissen“ vernetzt im organisationalen Zusam- menhang sowohl kontextungebundene Zeichen als auch Daten und Informationen mit einem zusätzlichen Kontext, aber auch mit Erfahrungen und Erwartungen der Mitarbeiter. Gilbert et al. sehen Daten, Information und Wissen gemeinsam als die „organisationale Wissensbasis“und somit als die Grundlage für einen betriebswirt- schaftlichen Umgang mit Wissen.39 Dieser Annahme folgend definieren sie sieben Kernprozesse des Wissensmanagements, die sich permanent wechselseitig beein- flussen (vgl. Abbildung 2).40 Von der Wissensidentifikation in einem Unternehmen über Erwerb, Entwicklung, Verteilung und Nutzung bis zur Bewahrung von Wissen sollen sämtliche Kernprozesse des Wissensmanagements als eigenständige Bau- steine betrachtet werden, die in ein Praxiskonzept integriert werden müssen. Neben diesen Kernprozessen sehen Gilbert et al. die Prozesse der Erfolgsmessung („Wis- sensbewertung“) und der strategischen Richtungsvorgabe („Wissensziele“) als we- sentliche Bestandteile eines Managements von Wissen an. Der Ansatz der sieben Kernprozesse bietet einen einfachen und häufig verwendeten Einstieg in ein Wis- sensmanagement für Unternehmen, geht jedoch nicht auf eventuell notwendige Vorbereitungsmaßnahmen ein.41
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Kernprozesse des Wissensmanagements.
Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an Probst, Raub & Romhardt 2006, S. 32
Um den umfassenden Begriff „Wissen“ greifbarer und operationalisierbar zu gestalten, unterteilt North das Konstrukt in drei Dimensionen:42
- Die Natur des Wissens als Frage, was überhaupt als Wissen angesehen wird
- Der Wert des Wissens oder die Frage nach dem „Intellectual Capital“, das in einer Bilanz ausgewiesen werden kann
- Die Verfügbarkeit des Wissens als Unterschied zwischen implizitem und explizit dokumentiertem Wissen
Zur Frage nach der Natur des Wissens verweist North auf drei gängige Logiken zur intraorganisationalen Definition: Die Informationsverarbeitungs-Epistemologie sieht Wissen, Informationen und Daten als in etwa gleich an und führt deshalb in der Praxis häufig zu einer Steigerung der Informationsverarbeitungskapazität des Unternehmens. Die Netzwerk-Epistemologie hingegen „geht davon aus, dass Wissen Ergebnis der Interaktion von Menschen in Netzwerken ist“ und resultiert in vermehrten Kommunikationsmöglichkeiten der Mitarbeiter untereinander. Die selbstbezogene Epistemologie schließlich definiert Wissen als privaten, erfahrungsabhängigen Prozess in jedem einzelnen Mitarbeiter.43
Das Zuweisen eines monetären Wertes zum vorhandenen Wissen ist hilfreich für die Beschreibung von Wissen beispielsweise im Rahmen einer jährlichen Wissens- bilanz. Die organisationale Wissensbasis ist Teil der immateriellen Vermögenswerte („intangible assets“). Problematisch bei der Integration in wertmäßige Betrachtungen ist jedoch die Bewertung von Wissen als ein objektiver Bestandteil der Unterneh- mensbilanz. Diese Ansicht vernachlässigt durch die fehlende Messgenauigkeit häu- fig den umfassenden Prozesscharakter des Wissens und den damit verbundenen Wert für ein Unternehmen. Auch wenn eine konkrete und zuverlässige Messung des Wertes große Schwierigkeiten verursacht, gilt die Wertsteigerung eines Unterneh- mens durch exklusiv vorhandenes Wissen als signifikant.44
Eine häufige Barriere beim organisationalen Umgang mit Wissen ist die dritte Wis- sensdimension. Die Verfügbarkeit von Wissen ist eine wichtige Voraussetzung für die Nutzung von Systemen zum Wissensmanagement und somit eine Grundlage für die Akzeptanz dieser Wissensträger.45 Nur expliziertes, also kodifizierbares und do- kumentierbares Wissen, kann Mitarbeitern im Zuge einer Initiative zum Wissensma- nagement bereitgestellt werden. Implizites Wissen („tacit knowledge“) hingegen be- ruht als das persönliche Wissen eines Individuums auf „Idealen, Werten und Gefüh- len“ einzelner Personen.46 Der Begriff „Implizites Wissen“ geht auf Polanyi zurück: „I shall reconsider human knowledge by starting from the fact that we can know more than we can tell“.47 Einen Fokus auf die Explizierung von internem Wissen findet sich im Konzept der Wissensspirale von Nonaka und Takeuchi. Die Wissensforscher sehen die Überführung von internem zu explizitem Wissen als die Kernaufgabe des Wissensmanagements, denn erst nach der Externalisierung ist Wissen für ein Un- ternehmen zugänglich und wertvoll. In einer Grafik unterscheiden sie vier Arten der Wissenserzeugung und der Wissenstransformation (vgl. Abbildung 3).48 Implizites Wissen kann nach diesem Verständnis in pragmatisch nutzbare Informationen umgewandelt werden, wenn es „kodifizierbar im Sinne einer sprachlichen Formalisierbarkeit, Systematisierbarkeit und Kommunizierbarkeit“ vorliegt.49
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Externalisierung von Wissen in der Wissensspirale.
Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an Nonaka & Takeuchi 1995, S. 72
Der Gedanke der notwendigen Externalisierung von Wissen ist ein Zeichen für eine objektivistische Sicht auf Wissen, er nimmt eine Übereinstimmung zwischen Wissen und Wirklichkeit an. Wissen gilt als Abbild einer unabhängig vom Menschen existierenden Realität, die unternehmerisch nutzbar gemacht werden kann. Dem gegenüber steht eine konstruktivistische Sicht auf Wissen, die Wissen als Konstrukt der menschlichen Erfahrung sieht. Erfahrungen sind dabei Sinneserfahrungen, die Wirklichkeit ist dem Menschen nicht direkt zugänglich.50
Eine ähnliche Unterscheidung findet sich bei Schneider im Paket- und Interaktionsmodell.51 Auf der einen Seite besteht Wissen in Form von vordefinierten Paketen, die beliebig angewandt und eingesetzt werden können. Diese Paketsicht definiert Wissen als fixes Abbild der Realität. Mit einem Fokus auf Rationalisierung und Informationsmanagement kann dieses rationale Wissen zur Optimierung der Effizienz in einem Unternehmen beitragen. In der zweiten Sicht entsteht Wissen in dem Prozess der Interaktion zwischen Menschen und wird als Konstruktion über die Realität verstanden. Hier liegt der Fokus auf der Beziehungspflege, dem Manage- ment von Prozessen und der menschlichen Intelligenz.52 Durch die Berücksichti- gung beider Ebenen wird Wissen „nicht mehr als zeit- und ortlose, objektive, beobachterunabhängige und stabile Entität“ betrachtet, sondern gilt als das Ergebnis eines sozialen Konstruktionsprozesses.53 Eine Reinform einer dieser beiden Sicht- weisen ist in der Praxis nicht zu finden, nur die Kombination beider Denkweisen spiegelt sich in Ansätzen zum Wissensmanagement wider. In moderneren Perspek- tiven findet auch der gemeinsame Kontext von implizitem und explizitem Wissen eine größere Bedeutung, die Extremformen gelten auch hier als nicht-existent.54 Diese Erkenntnis führt häufig zu einer Kritik an dem theoretischen Modell der Wis- sensspirale als Grundlage für ein erfolgreiches Wissensmanagement.55
Die unterschiedlichen Ansätze zur Operationalisierung von Wissen deuten bereits an, welche Schwierigkeiten bei der Entwicklung einer Strategie zum Management dieses Wissens entstehen. Durch die Vielzahl an Definitionen und Blickrichtungen existiert bisher kein einheitlicher Weg zu einem erfolgreichen Wissensmanagement- ansatz. Ein umfangreiches Modell, um Wissensmanagement in der täglichen Unter- nehmenspraxis zu leben, findet sich im Wissensmarkt-Konzept bei North.56 Dieses grundlegende Verständnis konzentriert sich nicht auf einzelne Aspekte des Wis- sensmanagements, sondern fordert eine Gesamtkonzeption aller Aktivitäten zum Wissensmanagement mit der Berücksichtigung von Wissen als „knappes Gut“. Or- ganisationale Rahmenbedingungen beeinflussen dieses knappe Gut ebenso wie die Spieler und Spielregeln oder die Instrumente und Prozesse in einem Betrieb.57
Für die vorliegende Arbeit ist die Bedeutung von Wissen mit einer mehrdimensiona- len Rolle für eine Organisation entscheidend. Im Gegensatz zum wissenschaftlichen Wissensbegriff ist nicht nur die Bedeutung von Wissen im Sinne von Erkenntnis ausschlaggebend, sondern auch die „Nützlichkeit des produzierten Wissens für das Handeln einer Organisation“.58 Das Wissen einer Organisation soll deshalb in dieser Arbeit neben seiner Rolle als ökonomisches Gut und als Bindeglied zwischen Ele- mentar- und dispositiven Faktoren vor allem in seiner Bedeutung als strategisches Erfolgspotenzial verstanden werden.59 Die Nutzung von Wissen kann ein Alleinstel- lungsmerkmal für ein Unternehmen bilden und so die Wettbewerbsfähigkeit gegen- über der Konkurrenz stärken. Die Speicherung und der Umgang mit diversifizierten Formen von Wissen gelten vor diesem Hintergrund als wichtige Herausforderungen für Wissensmanager.
2.1.3. Formen von Wissen in Unternehmen
Der Umgang mit dem komplexen und abstrakten Wissensbegriff ist für viele Unter- nehmen nicht oder nur sehr schwierig zu bewältigen, durch das Fehlen eines ein- heitlichen Begriffsverständnisses richtet sich die Definition in der Regel stark nach der Themenstellung des jeweiligen Autors.60 Wissen wird deshalb in der Praxis häu- fig in unterschiedliche Fraktale unterteilt, um den verschiedenen Formen von Wis- sen die korrekten Managementmethoden gegenüber zu stellen. Wissen kann kodiert oder verborgen, verinnerlicht oder sozial konstruiert sein. Es kann als Prozesswis- sen, Produktwissen, Expertenwissen oder Inhaltswissen bestehen. Je nach Tätig- keitsfeld können Betriebe die für ihren Geschäftsablauf notwendigen Wissensberei- che prioritär behandeln. Wie real und wie präsent die einzelnen Wissensformen in einem Unternehmen sind, hängt allein von der dort vorherrschenden Struktur ab. Die folgenden Wissensformen sind in der Literatur häufiger zu finden:
Quelle Wissensform Merkmale
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Unterschiedliche Wissensformen. Quelle: Eigene Darstellung
Als wichtigste und zentrale Unterscheidung beim Umgang mit intraorganisationalem Wissen wird im Folgenden die Abgrenzung zwischen implizitem und explizitem Wis- sen näher betrachtet, die bereits in dem Konzept der Wissensspirale von Nonaka und Takeuchi vorgestellt wurde. Der Zusammenhang zwischen explizitem und impli- zitem Wissen wird häufig mit einem Eisberg verglichen. Ein Großteil des Wissens- vorrates eines Unternehmens schlummere unter der Oberfläche versteckt in den einzelnen Mitarbeitern.61 Explizit vorhandenes Wissen ist in Unternehmen in Form von Daten formalisiert und gespeichert.62 So dokumentiertes Wissen können Betrie- be den Mitarbeitern in Ordnern, Datenbanken oder Systemen zum Wissensmana- gement zugänglich machen.
Die Sicherung und die Verwaltung von implizitem Wissen ist weit schwieriger. Die- ses in den Köpfen der Mitarbeiter verankerte Know-how hat in Unternehmen vor al- lem einen Zweck: die Nutzung als Problemlösungspotenzial, das „die Lücke zwi- schen theoretischem Planungswissen und praktischem Handeln schließen muss“.63 Dieser Prozesscharakter des Wissens ist meist nicht oder nur unzureichend expli- zierbar und daher eng mit einzelnen Mitarbeitern verbunden.64 Ein Beispiel für diese Trennung zwischen formalisiertem und implizitem Wissen ist die in der Personalab- teilung gespeicherte Personalakte eines Mitarbeiters. Hier sind formale Merkmale wie Ausbildung, Lebenslauf und Weiterbildungen gespeichert. Weitere Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten sind jedoch häufig unbekannt. Für ein Management dieser Merkmale müssten das implizite Wissen des Angestellten ebenso wie die Kenntnisse seiner Kollegen und Vorgesetzten über seine Arbeitsleistung mit berück- sichtigt werden.65
Die Definition von in den Köpfen gespeichertem Wissen ist nicht widerspruchsfrei. Porschen spricht statt implizitem Wissen von Erfahrungswissen, welches „allgemein als Wissen zu betrachten ist, das im praktischen Handeln erworben und angewandt wird“.66 Eine tiefere Unterscheidung in„technisch-funktionales Erfahrungswissen“ und „organisationales Erfahrungswissen“ erlaubt eine nähere Betrachtung. So bein- haltet die technische Ebene den Umgang mit Maschinen und Materialien, zu denen Facharbeiter häufig eine tiefe empathische Beziehung entwickeln und auf diese Weise die Eigenschaften des Geräts erlernen.67 Seit den 90er Jahren reicht dieses technische Wissen für eine „Selbststeuerung in den flexiblen Arbeitsorganisationen“ allein aber nicht mehr aus. Es wird in zunehmendem Maße durch ein organisationa- les Erfahrungswissen ergänzt, das eine sinnliche Erfahrung mit der Organisation mit einbezieht. Unternehmen können als „starr oder lebendig, als unpersönlich oder persönlich, übermächtig und vereinnahmend oder transparent, zugänglich und be- einflussbar erlebt werden“.68 Diese Kombination zwischen rationaler Wahrnehmung und subjektivem Empfinden ist ein wichtiges Merkmal, aber auch ein Kernkonflikt des Managements von Erfahrungswissen. Einhergehend mit modernen Manage- mentkonzepten kommt es zu einer immer stärkeren Anerkennung des nicht-wissen- schaftlichen Wissens in den Köpfen des Personals. Angestellte haben sich aus der Rolle des reinen Ausführers hin zum wissenden Mitarbeiter emanzipiert.69 Unter dem gängigen Begriff „implizites Wissen“ verstehen Wissensmanager oft umfassend „nicht-wissenschaftliche, leibgebundene, affektive und affirmative, emotionale und evaluative, erfahrungsgeleitete und handlungsorientierte Wissensformen“.70 Ob die- ses implizite Wissen überhaupt Wissen sein kann - wo es doch eben nicht einfach explizierbar ist - ist ein permanenter Gegenstand der Forschung. Schreyögg und Geiger sprechen daher auch statt von implizitem Wissen von „Können“, das sich jedem sprachlichen Zugang verschließt.71 So findet sich in der Literatur allenfalls der Konsens, dass es keinen Konsens für die Definition von „implizitem Wissen“ gibt.
Im Gegensatz zum Konzept der Wissensspirale und der Explikation des impliziten Wissens als zentralem Bestandteil des Wissensmanagements, sind bei Ansätzen zum Management von Erfahrungswissens die unterschiedlichen Handlungsmodi als eigenständige und sich ergänzende Qualitäten zu betrachten.72 Der Fokus liegt also nicht mehr auf der Umwandlung in explizites Wissen, sondern in der Förderung der Eigenständigkeit, mit der Mitarbeiter ihre Erfahrungen an Kollegen weitergeben. Einzelne Fragmente der Mitarbeiterfähigkeiten können und sollen je nach Bedarf und Potenzialen des Mitarbeiters besonders gefördert werden.73 Die Aktivitäten zum Wissensmanagement können sich so auf die Schaffung von geeigneten Rahmen- bedingungen zur Förderung der Handlungsmodi konzentrieren, um jedem Mitarbei- ter die geeigneten Möglichkeiten zur Entfaltung seiner individuellen Fähigkeiten zu bieten.74 Der konkrete Transfer von Erfahrungswissen auf andere Mitarbeiter erfolgt sowohl intendiert als auch ungeplant.75 Oft ist die Weitergabe von umfangreichem Erfahrungswissen (beispielsweise auf Geschäftsführungsebene) durch die Fokussierung auf das persönliche Gespräch nur über einen längeren Zeitraum hinweg möglich.76 Grundsätzlich erfolgt der Austausch aber auch hier nie verlustfrei, da Erfahrungswissen immer das persönlich Erlebte berücksichtigt.77
Als Konzept zur Weiterentwicklung und Teilung von implizitem Wissen in Unterneh- men spielen Communities of Practice, auch Wissensgemeinschaften, in Unterneh- men eine tragende Rolle.78 In einer Wissensgemeinschaft kommen Mitarbeiter re- gelmäßig aber informell zusammen, die eine gemeinsame Affinität für ein Themen- gebiet („Domain“) aufbringen und in diesem Bereich gemeinsam („Community“) ar- beiten wollen („Practice“).79 Der Einsatz von Wissensgemeinschaften muss für eine Organisation als Instrument des Wissensmanagements allerdings handfeste be- triebswirtschaftliche Zwecke erfüllen. Gilbert et al. stellen deshalb die häufigsten Erwartungen an Communities im Praxiseinsatz heraus. Vor allem sollten „lebendige Wissensgemeinschaften verkrustete basic beliefs - unhinterfragte Wahrheitsvermu- tungen - aufbrechen und frischen Ideen zum Leben und Gedeihen verhelfen“.80 Hierfür sollen Unternehmen vorhandene Expertise an einem Ort bündeln und für die Ausbildung anderer Mitarbeiter nutzen. Für Organisationen ist dabei vor allem der Aspekt der Nutzenmaximierung für die eigene Unternehmung von Priorität. „Unter- nehmerischer Nutzen von Wissensgemeinschaften wird besonders in einer besse- ren Nutzung der Ressource Wissen und den daraus wachsenden Wettbewerbsvor- teilen gesehen.“81 Eine nicht-repräsentative Studie des IBM Institute for Knowledge Management formuliert die Erwartungen an Wissensgemeinschaften noch differen- zierter unter Einbeziehung des Sozialen Wertes: „Communities of practice are linked to organizational performance through the dimensions of social capital“.82 Als Ein- satzzweck einer Wissensgemeinschaft stellt IBM vor allem eine schnellere Einarbei- tung von Mitarbeitern, die zügigere Reaktion auf Kundenanforderungen durch Sy- nergien in der Gruppe, seltenere Doppelarbeit durch bessere Absprachen und die Entwicklung neuer Ideen und Dienstleistungen in den Vordergrund. In Summe attes- tiert das Unternehmen Communities of Practice somit einen positiven Einfluss auf die Gesamtperformance der Organisation.83 Traditionell fern von Management-Ein- flüssen lässt sich die Entstehung einer Community of Practice nicht von der Unter- nehmensleitung verordnen. Wohl aber können durch die Optimierung von fünf grö- ßeren Bereichen die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Wissensgemein- schaft geschaffen werden.84 So sollte zuerst der Wissensbedarf an sich und somit das Thema einer potenziellen Community definiert sein. In einem zweiten Schritt findet der Aufbau der Gemeinschaft durch die Identifikation von Community Leaders und einer Kerngruppe an Mitarbeitern statt, die unter persönlichem Einsatz die Ent- wicklung einer Wissensgemeinschaft fördern. Innerhalb dieser Community kann drit- tens Wissen zwischen den Mitarbeitern informell ausgetauscht und somit viertens langfristig in der Organisation gesichert werden. Fünftens muss eine erfolgreiche Wissensgemeinschaft eine Unterstützung durch das Top-Management erhalten, da sie häufig Unternehmensressourcen für ihre Weiterentwicklung verwendet. Ab- schließend sollten Management und Gruppenmitglieder die Resultate der regelmä- ßigen Treffen messen und bewerten.85
Eine weitere Methode für die Weitergabe von Erfahrungswissen ist das klassische und traditionelle Erzählen von Geschichten, das im betriebswirtschaftlichen Kontext unter dem Begriff Storytelling Aufmerksamkeit erlangt hat.86 Durch die Einbindung in Erzählungen kann der impliziten Struktur von Erfahrungswissen besser Rechnung getragen werden als durch die Dokumentation in anderen Systemen zum Wissens- management. Storytelling kann als Baustein einer Unternehmensstrategie gesehen werden, die nicht ausschließlich auf rationalen Entscheidungswegen und optimier- ten Produktionsverfahren fußt. Mit Hilfe von intelligent erzählten Geschichten kön- nen Unternehmen in einem langfristigen Kontext Wertvorstellungen in ihre Marke integrieren und zielen damit auf die emotionale Ebene und auf die individuellen Wer- te des Konsumenten oder des Mitarbeiters.87 Eine gute Geschichte über ein Unter- nehmen oder ein Produkt beinhaltet neben einer eindeutige Botschaft auch einen Konflikt, fesselnde Charaktere und einen durchdachten Handlungsverlauf.88 Die Narration ist dabei nicht an einen bestimmten Verbreitungsweg gekoppelt, die am weitesten verbreiteten Geschichten zeichnen sich durch eine transmediale Weiter- gabe aus.89 Im Wissensmanagement lassen sich Geschichten für die einfache Weitergabe von komplexen Problemen nutzen und dienen häufig dazu, den Blickwinkel auf Probleme zu verändern.90
Diese beiden Beispiele der Community of Practice und der Weitergabe von Wissen durch Storytelling zeigen, dass Wissen entgegen dem Konzept der Wissensspirale keineswegs zwangsläufig in explizierbarer Form vorliegen muss, um eine Verwalt- barkeit zu gewährleisten. Allerdings unterliegt Erfahrungswissen durch die Implikati- on der individuellen Ebene immer einer höheren Fragilität und Vergänglichkeit als explizit dokumentiertes Wissen. Das Management dieses Erfahrungsschatzes be- darf daher besonderer Maßnahmen, die sich in der Regel von den Aktivitäten zur Dokumentation betrieblichen Wissens unterscheiden. Eine Steuerung von Aus- tausch und Weitergabe von Erfahrungswissen setzt ein Verständnis voraus, wie Austausch und Weitergabe überhaupt funktionieren. Kern aller Bemühungen zum Management von implizitem und explizitem Wissen sollte die optimale Erschließung von Fähigkeiten der Mitarbeiter im Sinne des Betriebs sein.
2.1.4. Nutzung von Wissen im organisationalen Kontext
Die Fähigkeiten ihrer Wissensarbeiter und das „kollektive Problemlösepotenzial“ der Angestellten bestimmen nachhaltig die Leistungen und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.91 Dieser Paradigmenwechsel wirft für eine Organisationsführung bisher unbekannte Fragen auf. Wie kann ein Betrieb Überblick über vorhandenes Wissen gewinnen? Wie kann dieses Wissen gesichert werden? Wie können Unter- nehmensleiter Wissensverlust verhindern und vorhandenes Wissen speichern, um damit konkurrenzfähiger am Markt zu agieren?92 Aus Informationen soll Wissen ge- neriert werden, das ein Unternehmen in nachhaltige Wettbewerbsvorteile transferie- ren kann.93 Demgegenüber stehen allerdings häufig multidivisionale und hierarchi- sche Organisationsformen, die einen Wissenstransfer über Abteilungsgrenzen hin- weg erschweren. Jede Organisation benötigt deshalb zuerst ein konkretes Verständnis davon, was exakt verwaltet und verbessert werden soll. Gerade bei der Betrachtung von implizitem Wissen ist diese Definition sehr komplex und kann in verschiedenen Bereichen des Unternehmens unterschiedliche Maßnahmen erfor- dern. Ob ein strukturiertes Management des vorhandenen Erfahrungsschatzes wirk- lich notwendig ist, hängt von der zu betrachtenden Organisation ab. Oft funktionieren Erfahrungsflüsse zwischen Mitarbeitern sehr gut, ohne dass jemals ein Konzept dafür kreiert wurde.94
Die Konstrukte von North, Romhardt und Nonaka/Takeuchi sind drei der in Deutsch- land gängigsten Ansätze zum Umgang mit Wissen. Allen globalen Definitionen ist aber eines gemeinsam: Für eine konkrete Ableitung von Maßnahmen, wie in organi- sationalem Kontext mit Wissen umgegangen werden soll, sind sie eher ungeeignet. Sie implizieren einen häufigen Fehler bei der praktischen Einführung von Ansätzen zum Wissensmanagement, indem sie eine ganzheitlichen Strategie und Konzeption anbieten. Wissen eignet sich jedoch eher für eine Betrachtung in einzelnen Frakta- len: Ob für das persönliche Wissensmanagement von Individuen, für die Organisati- on von Wissen in Teams und ganzen Unternehmen oder aber auch für Wissensma- nagement in einer gesamten Branche („Clustering“), einer Nation oder auf weltwei- ter Ebene; jedes einzelne Fraktal hat seine eigenen Anforderungen an einen Um- gang mit Wissen.95
Wissensmanagement unterstützt die Unternehmensleitung eines Betriebs im pro- zessorientierten Sinne, es „dient dem strategischen Management und ist zugleich integraler Teil desselben.“96 Der Begriff „Wissensmanagement“ suggeriert, dass sich das schwer greifbare Phänomen „Wissen“ mit klassisch ökonomisch erprobten Kon- zepten wie „Analyse-Planung-Umsetzung-Controlling“ steuern und organisieren lässt. Die Geschichte des Wissensmanagements beweist die Illusion dieses Gedan- kens: In den neunziger Jahren sah die Wissenschaft Wissensökonomie und Infor- matisierung oft als identisch an, die Speicherung von Wissen in Unternehmen wurde daher oft mit Informationstechnologie gleichgesetzt. Vor allem die Schwierigkeiten bei Messung und Quantifizierbarkeit unterscheiden Wissen aber deutlich von den klassischen Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital.97 Durchgeführte Projek- te scheiterten. Die fehlende Unterstützung des Top-Managements, ein oft nicht messbarer Return On Investment, fehlende Anreize zur Teilnahme und die ungenü- gende Berücksichtigung von implizitem Wissen waren die häufigsten Gründe für Misserfolg in groß angelegten Projekten. Diese Erfahrungen führten im Manage- ment vieler Firmen zu der finalen Erkenntnis, dass ein Umgang mit Wissen nach klassischen Management-Ansätzen nicht funktioniert. Der konventionelle Manage- mentprozess kann im Bezug auf Wissen durch Produktion (entwickeln, generieren, erwerben), Nutzung (anwenden, verteilen, verkaufen, weiterentwickeln) und Bewahrung (identifizieren, speichern, verfügbar machen) von Wissen ersetzt werden.98 Mit dieser Erkenntnis lassen sich die wissensintensiven Arbeitskontexte kontinuierlich beeinflussen und optimieren. Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen (Management of People) muss das Management von Daten als Arbeitsressource (Management of Information) dabei zwangsläufig ergänzen. Die „Bereitschaft, Wissen zu teilen, (…) setzt Mitarbeiter voraus, die Wissensmanagement realisieren und außer den not- wendigen Fähigkeiten die Motivation besitzen, diese auch gemäß der Organisati- onsziele einzubringen.“99 Wissensmanagement kann also verstanden werden als „das Zusammenwirken von Menschen und Sachmitteln, um erfolgskritisches Wissen in Unternehmen so einzusetzen, dass die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert wird.“100
Durch die zunehmende Vernetzung von Unternehmen, Märkten und Nationen durch das Internet hat die Bedeutung des Managements von Wissen noch zugenommen. Wissen kann nicht mehr top-down vom Management verteilt werden, sondern muss von der Unternehmensleitung in einem Netzwerk von Akteuren innerhalb und au- ßerhalb des Unternehmens organisiert werden. Dieses netzwerkbasierte Wissens- management „ist eine zeitlich und sachlich unbefristete, auf Basis formloser oder formaler Interaktionsvereinbarungen begründete Koordinationsform, die aus min- destens drei Akteuren besteht“.101 Gerade für kleine und mittelständische Unter- nehmen können Kooperationen einen elementaren Baustein bei der Beschaffung von notwendigem Know-how darstellen.102 Beim Management dieses intra- oder interorganisationalen Wissensaustauschs sind strukturelle, kulturelle und strategi- sche Gesichtspunkte zu berücksichtigen.103
Für die konkrete Umsetzung von Strategien zum Wissensmanagement ist die Nut- zung von Informations- und Kommunikationstechnologie gerade im Kontext der im- mer höheren Häufigkeit von Interaktionen ein Schlüsselfaktor zum Erfolg. Nur mit der steigenden technischen Vernetzung von Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und externen Wissensträgern kann ein Unternehmen die für den Geschäftsbetrieb not- wendigen Informationen erlangen und verwalten. Die strukturelle Integration von IT- Systemen insbesondere zwischen Unternehmen erreicht dabei schnell einen hohen Grad an Komplexität, der eine detaillierte Planung voraussetzt.104 Als Frontend für den Nutzer spielen IT-basierte Portale bei der Konzeption eine wichtige Rolle und liefern unterschiedliche Funktionalitäten von der Präsentation, Navigation und Suche bis zur Indizierung, Klassifizierung, Personalisierung und Integration von Content.105 Eine Kopplung der Einführung neuer Technologien an entsprechende organisatorische und motivationale Rahmenbedingungen kann die Brücke zwischen technischem und organisationalem Wissensmanagement darstellen.106
Grundsätzlich besitzen bei der Übermittlung von Erfahrungen technische Ressour- cen eine geringere, persönliche Kontakte dafür eine größere Bedeutung.107 Technik allein ist kein Garant für erfolgreiche Maßnahmen zum Wissensmanagement, kann jedoch durchaus als unterstützender Rahmen für eine Organisation von Erfah- rungswissen dienen, beispielsweise in Form von Yellow Pages und elektronischen Wissenslandkarten.108 Solche unternehmensweiten sozialen Online-Netzwerke kön- nen klar definierte Grenzen einer Abteilung oder einer Community of Practice auf- weichen und die Nutzung unternehmensweiter Ressourcen ermöglichen.109 Die in einem Unternehmen eingesetzte oder einzusetzende ITK-Infrastruktur kann im Rahmen des Wissensmanagements unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Sie unter- stützt Mitarbeiter bei der Wissenssuche (pull) und Wissenszustellung (push), bei der Wissensrepräsentation und -visualisierung ebenso wie bei Wissensstrukturierung und -publikation. Darüber hinaus ermöglicht IT-Technologie die Einführung moder- ner Maßnahmen zum E-Learning und zur Wissenskommunikation.110
Die adäquate Bewertung von Maßnahmen zum Wissensmanagement erfordert die klare Definition von Zielen und Strategien bei der Gestaltung von Aktivitäten. Die Unternehmensführung muss Schwachstellen im vorhandenen Wissensfluss erkennen, bewerten und optimieren. Je nach Unternehmenstyp und gelebter Unternehmenskultur muss die Wahl der notwendigen Maßnahmen und die Fokussierung der Problembereiche unterschiedlich ausfallen.111 Die erwähnte Berücksichtigung von Menschen und Daten gleichermaßen kann als kleinster gemeinsamer Nenner bei der Implementierung von Maßnahmen gelten.
2.2. Aktuelle Web-Technologien als Wissensspeicher
2.2.1. Die Ideen des Internets 2.0
Bereits im Jahr 2005 stellte Tim O‘ Reilly im Rahmen von Vorbereitungen für eine Internet-Konferenz fest, dass viele der aktuell im Web verfügbaren Anwendungen neue, gemeinsame Funktionen besitzen.112 Diese unterschieden sich teilweise der- art drastisch in Optik und Funktion von bisher bekannten Webdiensten, dass sich der Begriff des „Web 2.0“ zügig durchsetzen konnte.113 Der Ausdruck impliziert da- bei als Überschrift eine Reihe unterschiedlicher Anwendungen und Dienste, die auf Netzwerkeffekten, kollektiver Intelligenz oder dem Prinzip „The Long Tail“ aufbauen, nach dem erst die Masse an Produkten oder Inhalten für den Erfolg eines Dienstes verantwortlich ist.114 Technisch basieren diese Dienste in der Regel auf einer kon- stanten Verbindung zum Internet, im Gegensatz zu traditionellen Applikationen sind sie ohne Online-Verbindung nicht funktionsfähig.115 Erstmals in der Geschichte des Netzes wird neben der Informationsverbreitung auch die Kommunikation über den vorhandenen Rückkanal betrachtet, denn Inhalte im „Web 2.0“ stellen größtenteils die Nutzer selbst bereit.116 So entsteht ein Geflecht aus Content, Kommentaren und Links zu weiteren Webseiten, das eigene Aktivitäten stets in einen sozialen Kontext zwischenmenschlicher Handlungen stellt.117 „Web 2.0 heißt: Wissen teilen, nicht horten - ein zentraler Paradigmenwechsel.“118 Informationen lassen sich nun neben der klassischen Top-down-Kommunikation auch side-to-side zwischen Mitarbeitern austauschen.119
Allen Systemen auf Web 2.0-Technologie ist durch diesen Paradigmenwechsel eine Eigenschaft gemeinsam: Der erfolgreiche Einsatz erfordert das Hinterfragen von bekannten Gewohnheiten und den Willen, neue Wege auch zu nutzen.120 Das sozial vernetzte Arbeiten mit Hilfe von Informationstechnologie ist nicht für jeden Men- schen selbstverständlich, das notwendige radikale Umdenken kann zu einer großen Skepsis im Umgang mit den neuen Möglichkeiten führen. „Hierarchien und feste Strukturen stehen den Vernetzungspraktiken von Social Software, die einem auf Ei- geninitiative und flexiblen Strukturen basierenden Imperativ folgen, zunächst einmal konträr gegenüber“.121 Neben den technischen Besonderheiten ist so immer auch eine organisatorische Ebene zu beachten.
Web 2.0 - Techniken haben in verschiedene Bereiche des Internets Einzug gehal- ten. Im unternehmerischen Kontext sind hauptsächlich kollaborative Web-Applikati- onen zur Verbesserung der Zusammenarbeit und als Sonderform davon Social Web-Applikationen zur Optimierung der Kommunikation zwischen Usern von Bedeutung.122 Beiden gemeinsam ist die eigenständige Erstellung von Content wie Texten und Mediendateien durch den Nutzer selbst. Die Kategorisierung dieser In- halte erfolgt oft in automatisierter Form durch Tag-Clouds und die automatische Ver- knüpfung ähnlicher Inhalte, häufig aber auch in Eigeninitiative durch den Anwender in Foren und Chaträumen. Die Unterschiede sind struktureller Natur. In ausschließ- lich auf Kollaboration ausgerichteten Applikationen lassen sich Benutzer häufig den Anforderungen einer Unternehmung entsprechend top-down kategorisieren und zu- ordnen. So werden IT-Administratoren den Anforderungen an eine Hierarchie in Un- ternehmen gerecht. In Social Web-Anwendungen gibt es hingegen keine vorgege- bene Hierarchiestruktur, jeder Anwender ist prinzipiell gleichberechtigt.123 Auch exis- tieren im Gegensatz zu konventioneller Datenbanksoftware keine vorgegebenen Felder, eine Ordnung der Inhalte erfolgt automatisch durch das System oder manu- ell durch die Anwender.124 Die Grenze zwischen kollaborativen und Social Web-Ap- plikationen ist jedoch fließend, die Begriffe werden daher in dieser Arbeit synonym gebraucht. Web-Applikationen ermöglichen Unternehmen erstmals die Durchfüh- rung eines „kollaborativen Wissensmanagements“, das die traditionellen zentralen oder individuellen Ansätze zum Umgang mit Informationen ersetzen kann.125
Die Auswahl und die Verfügbarkeit von Diensten im Web 2.0 unterliegen einem kon- stanten Wandel, die Weiterentwicklung von Diensten erfolgt in einer hohen Ge- schwindigkeit. Auch wenn die permanente Beta-Phase vieler Web-Anwendungen für Unternehmen große Probleme hinsichtlich Sicherheit und Integration in die eigene IT-Infrastruktur beinhaltet, befinden sich Applikationen häufig noch nach Jahren im Entwicklungsstadium und unterliegen einer kontinuierlichen Weiterentwicklung durch den Anbieter.126 Eine Zusammenstellung von für den Unternehmenseinsatz verfügbaren Diensten kann daher immer nur in Form einer aktuellen Momentauf- nahme erfolgen.
2.2.2. Aktuelle Web-Technologien im Ü berblick
Kennzeichnend für kollaborative Web-Anwendungen im Unternehmenseinsatz sind die vier Begriffe „Einfachheit“, „Massenkommunikation“ (x-to-many), „Selbstorganisation“ und „Offene Standards“.127 Diese Schlagworte vereinen viele neue Dienste und grenzen sie gleichzeitig von konventioneller Business-Software ab. Die folgende Übersicht erklärt aktuelle Technologien zur Optimierung der Zusammenarbeit in Unternehmen und erläutert ihren betrieblichen Verwendungszweck: a) Content Management Systeme für Webseiten
Content Management Systeme (CMS) erlauben das Erstellen von Webseiten im Team ohne eigene Programmierkenntnisse. Sie bilden so die Basis auch für die nachfolgend vorgestellten Wiki- und Blogsysteme.
Ein Anwender kann ein Dokument in einem CMS erstellen, bevor verantwortliche Editoren dieses Dokument in einem Freigabe-Workflow überprüfen und überarbeiten. Am Ende dieses Ablaufs steht der Inhalt auch außerhalb des Systems zur Verfügung, in der Regel auf einer Webseite im Internet oder Intranet. Ein CMS transferiert Dokumente in andere, einer breiten Masse zugänglichen Formate wie HTML.128 b) Wikis
Ein Wiki (hawaiisch: „schnell“) ist eine online frei editierbare Sammlung ver- linkter Webseiten.129 Die charakteristischen Merkmale eines Wikis bestehen in der Regel aus einer technischen und einer organisatorischen Ebene:130 Organisatorisch ist die Veränderung von Inhalten für jeden Nutzer möglich.131 Die „Wiki-Idee“ erlaubt eine beliebige Vernetzung von Informationen bis hin zu einem vollständigen Wissensnetzwerk, die Teilnehmerzahl lässt sich vom einzelnen Nutzer bis zur weltweiten Community skalieren.132 Im Gegensatz zu klassischen Systemen des Wissensmanagements erfolgt die Dokumenta- tion von Wissen nicht mehr ausschließlich von ausgewählten Knowledge Ex- perts, sondern von der Nutzergruppe selbst. Wikis sollen so die Teilnahme am selbstorganisierten Wissensmanagement fördern und als aktives Informa- tionsinstrument die Wissensbasis erweitern.133 Die Möglichkeit zur freien Ver- änderung ist dabei keine Gefahr, sondern stellt eine hohe Qualität der Daten in einem Wiki sicher. Die permanente Qualitätskontrolle entwickelt Informati- onen zwangsläufig von einer subjektiven Meinung hin zu einem objektiven Fakt.134 „Die Art und Weise, wie mit solchen Tools agiert wird, spricht dafür, dass implizites Wissen durch die Ergänzung von Gruppenwissen eine kon- krete Form annimmt.“135 Charakteristisch für Wiki-Systeme ist dabei ein ü- berwiegend neutraler Standpunkt des Betrachters („NPOV - Neutral Point Of View“).
Technisch kann ein Wiki als hypertextbasiertes Informations- und Kommuni- kationssystem auf einfache Art und Weise allein mit Hilfe eines Internet- Browsers bedient werden.136 Typische Funktionsmerkmale eines Wiki-Sys- tems sind eine einfache Editierfunktion für Inhalte, Links zu weiteren Seiten, eine Versionshistorie für alle Inhalte, eine Übersicht über die letzten Ände- rungen im Wiki, eine „Sandbox“ als Preview-Funktion für Anwender und Ent- wickler sowie eine Volltextsuche über alle Seiten hinweg.137 Insbesondere die Einfachheit der Bedienung steht dabei im Vordergrund, der Anwender soll für keine der Aktivitäten Programmierkenntnisse benötigen.138
Im unternehmerischen Kontext gibt es für Wikis unterschiedliche Nutzungs- szenarien. Die Robert Bosch GmbH verwendet ihr eingeführtes System bei- spielsweise zum Bug Tracking (Fehlerverfolgung), als Glossar, als Artikel- sammlung, als Dokumentationsplattform, zum Experten-Debriefing und zum interkulturellen Austausch.139 Wikis sind überall dort interessant, wo die Do- kumentation von Wissen durch eine Gruppe notwendig ist.140 Auch ein be- triebliches Vorschlagswesen lässt sich auf der Basis eines unternehmenswei- ten Wikis einfacher realisieren als in einem zusätzlich einzusetzenden Tool.141 c) Weblogs
Der Begriff Weblog (oder „Blog“) bezeichnete ursprünglich Online-Tagebü- cher, die in der Regel von Privatpersonen erstellt wurden.142 Mittlerweile im- pliziert der Begriff häufig bestimmte Funktionalitäten wie Kommentare oder Verlinkungen, die auch in kommerziellen Webseiten integriert sein können.143 Alle untereinander verlinkten Weblogs ergeben ein eng vernetztes Gewebe an Webseiten, über das sich Inhalte schnell im Internet verbreiten können. Durch die einfache Implementierung haben sich Blogs in den letzten Jahren immer weiter ausgebreitet, allein zwischen 2005 und 2006 hat sich die Zahl von etwa 20 Millionen auf über 60 Millionen Webseiten verdreifacht.144 Die Einsatzmöglichkeiten für Weblogs in Unternehmen sind vielfältig, der Nutzungsschwerpunkt liegt eher auf der Diskussion als auf der langfristigen Archivierung von Inhalten.145 Im Gegensatz zu Wiki-Systemen ist in Blogs daher auch oft ein durch Subjektivität und Individualität geprägter Charakter zu beobachten.146 Abbildung 4 zeigt die häufigsten Einsatzfelder von Web- logs im Unternehmensumfeld.147
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Einsatzzwecke von Blogs in Unternehmen Quelle: Zerfass 2005
Für den unternehmerischen Einsatz müssen die für eine Einführung verant- wortlichen Personen definieren, wer im Betrieb an welcher Stelle „bloggen“ darf. Auch die Ziele des Blogeinsatzes müssen klar kommuniziert werden. In der Regel schreiben einige wenige Mitarbeiter wie die Geschäftsleitung oder die Kommunikationsabteilung unstrukturierte Blogeinträge, die andere Mitar- beiter kommentieren und diskutieren können. Will sich ein Unternehmen auf diese Diskussionen nicht einlassen, bietet ein Weblog allerdings kaum einen Mehrwert gegenüber herkömmlichen Intranet- oder Internet-Seiten.148 Im Vergleich mit einem Wiki-System sind Blogs technisch deutlich einfacher zu implementieren und benötigen weit weniger Vorab-Aufwand bei Design und Strukturierung. d) Social Bookmarking und -tagging
Mit Schlagworten („Tags“) können Benutzer von ihnen erstellte Inhalte, Do- kumente und Mediendateien kennzeichnen und so später leichter auffinden. Nutzer können Tags in der Regel frei benennen und beliebig häufig verwen- den. Auf Webseiten können diese Tags dann anderen Nutzern zugänglich gemacht werden, der Online-Dienst http://del.icio.us beinhaltet beispielsweise von Nutzern mit Schlagworten versehene Sammlungen von Webseiten. So können andere Nutzer leichter Internetseiten mit ähnlichen Interessen- schwerpunkten finden und von diesem Social Tagging profitieren. Ähnlich verhält es sich mit der Nutzung von Social Bookmarks. Hier können Anwen- der die eigenen Lesezeichen online publizieren, um anderen Nutzern Zugriff darauf zu gewähren.149
Social Tagging und Social Bookmarking können einen wechselseitigen Aus- tausch von arbeitsrelevanten Informationen zwischen Mitarbeitern oder zwi- schen Internet-Nutzern gewährleisten. Darüber hinaus erlauben gut organi- sierte Dienste einen schnellen Überblick über ein Themengebiet, da sich Ex- pertenwissen durch die Suche nach einschlägigen Tags sehr leicht auffinden lässt.150 e) Podcasting und Video-Podcasting
Podcasting, das Wort des Jahres 2005 des New Oxford American Dictionary, bezeichnet das Angebot und die Produktion von Mediendateien über das Internet.151 Der Begriff setzt sich aus den beiden Wörten iPod und Broadcas- ting zusammen und wird für kleine Radio- oder Fernsehsendungen verwen- det, die sich auch unterwegs unabhängig von stationären Sendezeiten kon- sumieren lassen.152 Im betrieblichen Umfeld kommen Podcasts vor allem in der externen Unternehmenskommunikation, aber auch beim Training von Mitarbeitern oder bei der Vor- und Nachbereitung von Meetings zum Einsatz. Je nach Grad der Externalität steigt dabei der Qualitätsanspruch an die Pro- duktion des Podcasts.153 Für die Wissensvermittlung unter den Mitarbeitern lassen sich Podcasts gut mit Storytelling-Ansätzen verknüpfen und können so über abgeschlossene Projekte berichten oder vorhandenes Erfahrungswissen für Kollegen aufbereiten.154 Probleme beim unternehmerischen Einsatz von Podcasts stellen häufig die fehlende organisatorische Verankerung oder der Mangel an Know-how bei Mitarbeitern für Konsum und Produktion dar.155 f) Newsfeeds und -aggregatoren
Eine zentrale Technologie im Netz zur einfach konfigurierbaren und dezentra- len Bereitstellung von Informationen sind Newsfeeds. Mit Really Simple Syn- dication (RSS)-Feeds stellen verschiedene Dienste Ereignisinformationen bereit, die den Anwender über neue Artikel, Statusänderungen oder Ver- kehrsmeldungen informieren können.156 Newsaggregatoren kombinieren Feeds verschiedener Anbieter und konsolidieren so Neuigkeiten an einer zentralen Stelle, beispielsweise auf einer Webseite wie der des Online-Servi- ces Netvibes.157 Eine weitere Möglichkeit zur konsolidierten Sammlung von Informationen ist die Nutzung von Mikroblogging-Diensten wie twitter.158 Als angemeldeter Nutzer lassen sich hier verschiedenen Quellen auswählen, de- ren Nachrichten von maximal 140 Zeichen Länge dann auf der eigenen Start- seite („Timeline“) chronologisch dargestellt werden. So erhalten Anwender aktuelle Neuigkeiten in Echtzeit.159
Sowohl RSS-Feeds als auch Twitter-Timelines lassen sich in Unternehmens- portale integrieren und können so die Informationsbereitstellung für Mitarbei- ter verbessern. g) Communities und soziale Netzwerke
Eine Online-Community ist „eine Gemeinschaft von Menschen, die das World Wide Web und andere Internet-Dienste als virtuellen Treffpunkt nutzen.“160 Hierfür stehen unterschiedliche Plattformen von reinen Text-Chats bis hin zu multimedialen Netzen wie Facebook zur Verfügung, die viele zwischen- menschliche Aspekte des konventionellen Umgangs mit Freunden über Tele- fon und Post ersetzen oder ergänzen können.161 Ursprünglich dienten Online- Communities ausschließlich dem sozialen Austausch, mittlerweile ist die kommerzielle Orientierung der Systeme das zentrale Interesse zumindest der Betreiber von großen Online-Netzwerken.162
[...]
1 Piratenpartei 2006
2 vgl. Probst, Raub & Romhardt 2006, S. 6
3 vgl. Giles 2005, S. 900
4 Die Verwendung von geschlechtsspezifischen Begriffen wie „Anwender“ oder „Befragter“ schließt im Laufe dieser Arbeit immer die feminine Form mit ein. Auf das Hinzufügen des jeweils anderen Genus wird aus Gründen der Lesbarkeit verzichtet und die männliche, kürzere Formulierung gewählt.
5 vgl. Cohen 2009
6 vgl. Hasan & Pfaff 2006, S. 204
7 North 2005, S. 7
8 vgl. Probst, Raub & Romhardt 2006, S. 3
9 North 2005, S. 9
10 vgl. Fischer & Jaspers 2008, S. 1
11 vgl. Willke 2001, S. 5
12 vgl. Sebald 2008, S. 14
13 Probst, Raub & Romhardt 2006, S. 6
14 vgl. ebd., S. 6
15 vgl. North 2005, S. 12
16 vgl. Probst, Raub & Romhardt 2006, S. 6
17 vgl. Tapscott & Williams 2006, S. 257
18 vgl. North 2005, S. 24
19 vgl. Probst, Raub & Romhardt 2006, S. 5
20 vgl. ebd., S. 7
21 vgl. ebd., S. 3
22 vgl. Porschen 2008, S. 19
23 vgl. Hasler Roumois 2007, S. 20
24 von Glahn 2009b, S .10
25 vgl. Hasler Roumois 2007, S. 30
26 Porschen 2008, S. 15
27 vgl. Hasler Roumois 2007, S. 15
28 vgl. Porschen 2008, S. 19
29 vgl. Hasler Roumois 2007, S. 65
30 vgl. Röttger & Voss 2008, S. 164
31 Hasler Roumois 2007, S. 30
32 vgl. Hasan & Pfaff 2006, S. 200
33 Für eine Übersicht über verschiedene Wissensdefinitionen vgl. Bäppler 2008, S. 11
34 vgl. North 2005, S. 32
35 vgl. North 2005, S. 34
36 vgl. Fischer & Jaspers 2008, S. 75
37 vgl. von Glahn 2009b, S. 5-7
38 ebd., S. 6
39 Probst, Raub & Romhardt 2006, S.15
40 vgl. ebd., S .32
41 vgl. Fischer & Jaspers 2008, S. 75
42 vgl. North 2005, S. 40
43 vgl. North 2005, S. 40
44 vgl. ebd., S. 40
45 vgl. von Glahn 2009b, S. 18
46 North 2005, S. 53
47 Polanyi 1997, S. 136
48 vgl. Nonaka & Takeuchi 1995, S. 72
49 von Glahn 2009b, S. 13
50 vgl. Porschen 2008, S. 53
51 vgl. Schneider 1996, S. 17
52 vgl. ebd., S. 17-21
53 Schreyögg & Geiger 2003, S. 6
54 vgl. Porschen 2008, S. 66
55 vgl. Schreyögg & Geiger 2003, S. 17
56 vgl. North 2005, S. 182
57 vgl. ebd., S. 182
58 Hasler Roumois 2007, S. 33
59 vgl. von Glahn 2009b, S. 7
60 vgl. Bäppler 2008, S. 11
61 vgl. Fischer 2007, S. 134
62 vgl. Hasler Roumois 2007, S. 44
63 Porschen 2008, S. 57
64 vgl. ebd., S. 57
65 vgl. Kreitel 2008, S. 22
66 Porschen 2008, S. 72
67 vgl. ebd., S. 80
68 Porschen 2008, S. 781
69 vgl. Porschen 2008, S .17
70 ebd., S. 67
71 vgl. Schreyögg & Geiger 2003, S .14-15
72 vgl. Porschen 2008, S. 85
73 vgl. ebd., S. 70
74 vgl. Porschen 2008, S. 85
75 vgl. Fischer 2007, S. 300
76 vgl. Schilcher 2009, S. 347
77 vgl. Fischer 2007, S. 311
78 vgl. Probst, Raub & Romhardt 2006, S. 168
79 vgl. Wenger, McDermott & Snyder 2002, S. 28
80 Romhardt 2002, S. 16
81 Lembke 2005, S. 17
82 Lesser & Storck 2001, S. 3
83 vgl. Lesser & Storck 2001, S. 3-11
84 vgl. Probst, Raub & Romhardt 2006, S. 169
85 vgl. ebd., S. 169f.
86 vgl. Schilcher 2009, S. 354
87 vgl. Fog, Budtz & Yakaboylu 2005, S. 20
88 vgl. ebd., S. 31-43
89 vgl. Scolari 2009, S. 587
90 vgl. Fog, Budtz & Yakaboylu 2005, S. 145
91 vgl. Probst, Raub & Romhardt 2006, S. 23
92 vgl. Hasler Roumois 2007, S. 22
93 vgl. North 2005, S. 9
94 vgl. Schilcher 2009, S. 352
95 vgl. Sturz 2009, S. 508
96 Bäppler 2008, S. 103
97 vgl. Porschen 2008, S. 30
98 vgl. Hasler Roumois 2007, S. 23f.
99 vgl. Bäppler 2008, S. 117
100 Wolter 2009, S. 73
101 von Glahn 2009a, S. 96
102 vgl. Völker, Sauer & Simon 2007, S. 202
103 vgl. von Glahn 2009a, S. 96-104
104 vgl. Fischer 2008, S. 34
105 vgl. von Glahn 2009a, S. 108-110
106 vgl. North 2005, S. 36
107 vgl. Schilcher 2009, S. 346
108 vgl. ebd., S. 353
109 vgl. Koch, Richter & Schlosser 2007, S. 451
110 vgl. Bäppler 2008, S. 128
111 vgl. Kreitel 2008, S. 36
112 vgl. O'Reilly 2005
113 vgl. Alpar & Blaschke 2008, S.3
114 vgl. Anderson 2004
115 vgl. Alpar & Blaschke 2008, S. 5
116 vgl. Schiller García 2007, S. 89
117 vgl. Gouthier & Hippner 2007, S. 92
118 Hantschel 2009, S. 519
119 vgl. Erz & Tomczak 2008, S. 330
120 vgl. Hantschel 2009, S. 517
121 Döbler 2008, S. 133
122 vgl. Schiller García 2007, S. 50
123 vgl. ebd., S. 51
124 vgl. Erz & Tomczak 2008, S. 331
125 vgl. Schmitz et al. 2006, S. 3
126 vgl. Arrington 2009
127 Gouthier & Hippner 2007, S. 93
128 vgl. Schiller García 2007, S. 35
129 vgl. Hasler Roumois 2007, S. 103
130 vgl. Andersen 2005, S. 2
131 vgl. Probst, Raub & Romhardt 2006, S. 238
132 vgl. Orth 2009, S. 76
133 vgl. Müller 2008, S. 160
134 vgl. Schultze 2000, S. 7
135 Erz & Tomczak 2008, S. 331
136 vgl. Blaschke 2008, S. 185
137 vgl. Ebersbach, Glaser & Heigl 2006, S. 19f.
138 vgl. Andersen 2005, S. 2
139 vgl. Richter & Warta 2007, S. 10
140 vgl. Hasler Roumois 2007, S. 103
141 vgl. Gouthier & Hippner 2007, S. 96
142 vgl. Katzenbach 2008, S. 31-32
143 vgl. Fischer 2006, S. 168
144 vgl. Hasler Roumois 2007, S. 101
145 vgl. Grudin 2006, S. 8
146 vgl. Gouthier & Hippner 2007, S. 94
147 vgl. Zerfass 2005
148 vgl. Hasler Roumois 2007, S. 102
149 vgl. Koch & Richter 2007, S. 51
150 vgl. ebd., S. 52
151 vgl. BBC News 2005
152 vgl. Back, Gronau & Tochtermann 2008, S. 51
153 vgl. ebd., S. 52
154 vgl. ebd., S. 53
155 vgl. Back, Gronau & Tochtermann 2008, S. 56
156 vgl. Koch & Richter 2007, S. 100
157 Netvibes 2009
158 vgl. Java et al. 2007, S. 56
159 vgl. Koch & Richter 2007, S. 103
160 Schiller García 2007, S. 40
161 vgl. Ellison, Steinfield & Lampe 2007
162 vgl. Schiller García 2007, S. 41
- Citation du texte
- Tobias Freiwald (Auteur), 2009, Einflüsse aktueller Web-Technologien auf Wissensmanagement in Organisationen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142148
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