In der heutigen Stunde soll es um die „Demokratie auch im Kleinen“ gehen. Die Mehrheitsregel soll besprochen werden. Die Schüler sollen sich vorstellen, der Sportlehrer habe ihnen die nächste Unterrichtstunde zur freien Gestaltung zur Verfügung gestellt. Bei der Abstimmung über den Inhalt dieser Stunde ist damit zu rechnen, dass die Mehrheit der Jungen etwas anderes machen will als die Minderheit der Mädchen. Ich möchte die Schüler daraufhin arbeiten lassen, dass sie die Vor- und Nachteile der Mehrheitsregel erkennen. Ist sie gerecht? (Nicht alles was „legal“ ist – also auf demokratischem Wege zustande kommt – ist auch „legitim“.) Gibt es in einer Demokratie nicht auch so etwas wie „Minderheitenschutz“? Wie sieht es mit der Geschlechterbeziehung aus? Können die Jungen auch tolerieren, dass die Mädchen andere Wünsche haben und denen nachgeben? Ist die Klasse kompromissfähig?
1. Die Lerngruppe
Seit Beginn des Schuljahres 2004/2005 unterrichte ich eigenverantwortlich die Schüler der Klasse G 7 D. Die Lerngruppe setzt sich aus 18 Jungen und 9 Mädchen zusammen. Es handelt sich um eine recht unruhige Klasse, was mir andere Kollegen bestätigten. Die Mädchen müssen sich gegenüber der Mehrheit der Jungen behaupten, was ihnen in der Regel zu gelingen scheint – soweit ich dies von „vorne“ beurteilen kann - da es sich um selbstbewusste Schülerinnen handelt. In dieser Lerngruppe gibt es viele Schüler, deren Verhalten recht auffällig ist. Von den Jungen „buhlen“ mehrere um den Titel des „Klassenkaspers“, was mal zugunsten des einen, mal zugunsten eines anderen ausgeht. Einer dieser „Clowns“ beteiligt sich kaum am Unterrichtsgespräch und wenn er sich meldet und aufgerufen wird, dann kommen nur unpassende Bemerkungen, womit er versucht, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es handelt sich hierbei um einen intelligenten Jungen, dessen Verhalten leider oft nicht angemessen ist. Ein weiterer Junge hat einen übermäßig starken Drang zu reden und sich am Unterrichtsgespräch zu beteiligen. Manchmal stöhnen die anderen Schüler, wenn er aufgerufen wird. Es ist darauf zu achten, seine Beiträge ernst zu nehmen und gleichzeitig sein Redebedürfnis in Grenzen zu halten, sobald er sich von der „Sache“ entfernt. Ein anderer Schüler beteiligt sich regelmäßig am Unterricht obwohl er stottert. Dieses mutige Verhalten ist unbedingt zu verstärken und die Klasse ist insofern als sozial zu bezeichnen, als sie ihn nicht damit hänselt. Und noch ein weiterer Schüler scheint sich nicht sonderlich für den Unterricht zu interessieren (ADS), lenkt auch gerne seine Mitschüler ab, kriegt aber vieles mit. Drei von sieben „Wiederholern“ beteiligen sich leider nur nach Aufforderung am Unterrichtsgespräch.
Das Leistungsniveau der Klasse schätze ich als durchschnittlich ein. Allgemein ist die mündliche Beteiligung am Unterricht sehr rege, was oft zu Unruhe führt, jeder will etwas sagen. Ich führe die hohe Beteiligung auf das vorherige und jetzige Thema der Unterrichtseinheit zurück. Jugend in der modernen Gesellschaft bot die Möglichkeit, einen schülernahen Unterricht zu gestalten. Besonders beim Thema „Mobbing“ war die Beteiligung der Schüler sehr hoch. Dieses Phänomen schien viele zu interessieren, weil es wohl jeder schon mal direkt oder indirekt erlebt hat. Es war nicht einfach mit diesem heiklen Thema umzugehen. Mitunter wurden auch klasseninterne Konflikte angesprochen. Diese auf angemessene Weise zu handhaben war nicht leicht.
Demokratie und politische Beteiligung stößt ebenfalls auf großes Interesse bei den Schülern. Dies führe ich darauf zurück, dass es sich hierbei bisher um demokratische Strukturen in der Schule handelte. Die Schüler haben erkannt, dass sie direkt davon betroffen sind.
Insgesamt würde ich die Lernatmosphäre zwar als lebhaft und mitunter sogar schwierig, aber dennoch anregend und motivierend bezeichnen.
2. Didaktische Überlegungen
Die geplante Unterrichtseinheit Demokratie und politische Beteiligung ist Bestandteil der verbindlichen Unterrichtsthemen im Lehrplan[1]. Nach Abschluss der bereits oben genannten Unterrichtsreihe Jugend in der modernen Gesellschaft mit dem Thema Mobbing, bot sich für mich der Übergang zum Teilthema Demokratie in der Schule an. In den vorhergehenden Stunden wurden demokratische Grundbegriffe, die Rolle der Schülervertretung (SV), der Gesamtkonferenz und der Schulkonferenz erarbeitet. Die stellvertretenden Mitglieder der Schulkonferenz, Julia Popp und Wiebke Breiding, erklärten sich bereit, in den Unterricht zu kommen und die Fragen der Siebtklässler zu beantworten. (Wir hatten in der vorhergehenden Stunde einen Fragenkatalog erstellt, so dass sich die beiden Schülerinnen darauf vorbereiten konnten.) Außerdem führten die Schüler auf dem Schulhof eine Umfrage über die demokratischen Strukturen in der Schule durch und mussten feststellen, dass ihre befragten Mitschüler schlecht informiert sind. Des weiteren wurden die Aufgaben des Klassensprechers und das Recht auf eine SV-Stunde thematisiert.
In der heutigen Stunde soll es um die „Demokratie auch im Kleinen“ gehen. Die Mehrheitsregel soll besprochen werden. Die Schüler sollen sich vorstellen, der Sportlehrer habe ihnen die nächste Unterrichtstunde zur freien Gestaltung zur Verfügung gestellt. Bei der Abstimmung über den Inhalt dieser Stunde ist damit zu rechnen, dass die Mehrheit der Jungen etwas anderes machen will als die Minderheit der Mädchen. Ich möchte die Schüler daraufhin arbeiten lassen, dass sie die Vor- und Nachteile der Mehrheitsregel erkennen. Ist sie gerecht? (Nicht alles was „legal“ ist – also auf demokratischem Wege zustande kommt – ist auch „legitim“.) Gibt es in einer Demokratie nicht auch so etwas wie „Minderheitenschutz“? Wie sieht es mit der Geschlechterbeziehung aus? Können die Jungen auch tolerieren, dass die Mädchen andere Wünsche haben und denen nachgeben? Ist die Klasse kompromissfähig? (Z. B. bei einem Verhältnis von 2:1 wäre eine Verteilung der Unterrichtszeit von 60 Minuten zu 30 Minuten gerechtfertigt.)
Die Schüler sollen erkennen wie schwierig es ist, alle Interessen „unter einen Hut zu bringen“.
Am Ende soll die Erkenntnis stehen, dass es eine Methoden geben muss, wie man zu Entscheidungen gelangt. Entscheidungen für eine Sache bedeuten eben meistens auch gegen etwas Anderes zu sein.
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[1] Hessisches Kultusministerium: Lehrplan Sozialkunde. Gymnasialer Bildungsgang, Wiesbaden 2002, S.9.
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- Mathias Töpfer (Author), 2010, Unterrichtsstunde: Demokratie in der Schule: Zur Theorie und Praxis des Mehrheitsprinzips im Klassenzimmer, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142133
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