Georges Batailles Werk zum ersten Mal zu begegnen ist eine Explosion, die alles zerstört, was jemals an konstituiertem von der Wissenschaft geprägtem Wissen von dem Geist des Lesers einvernommen wurde. Eine Zerstörung, die alles devastiert, und eine Leere, ein Nichts, ein Unbekanntes gepaart mit einer durchdringenden verzehrenden Wut aus Machtlosigkeit zurücklässt.
Indem Georges Bataille in seinem Werk pionierhafte Präzisionsarbeit bezüglich theoretischem, literarischem wie auch poetischem Schaffen geleistet hat, ist es von Vorteil das von ihm gelieferte Werkzeug, - das als Gegenposition zum traditionellem Wissenschaftsbegriff, als Perspektivenwechsel zur Subjektivität wage umschrieben werden kann-, anzueignen und zu verwenden um im intellektuellen Diskurs scheinbar innovative bisher unausgesprochene Perspektiven aufzuzeigen. Die somit erworbene Arroganz ist die Basis um jeglichen intellektuellen Diskurs erfolgreich zu enttarnen und zu führen.
Was aber, wenn es einen traditionellen wissenschaftlichen Diskurs über Batailles Werk selber zu verfassen gilt? Die Abwechslung von Arroganz und Machtlosigkeit in stetig höheren Frequenzen ebnen die Basis des fast luziden Zustandes, schreiben zu müssen, trotz der absoluten Gewissheit, wie paradox dies sei, da die Methodik dafür fehlt oder nicht ausreicht. Aber dieser Zwang zu schreiben, charakterisiert wohl das schwindelerregende verwirrungsstiftende zerstörerische Grundelement von Batailles Werk: das Verlangen an die Ränder seines Möglichen und darüber hinaus zu gehen.
Inhalt
VORWORT
1. Einleitende Worte
2. Selektive Darstellung der Grundideen des theoretischen Werkes von Georges Bataille
2.1. Die Perspektive der Verschwendung und der Souveränität
2.2. Das Erkennen der Souveränität oder die Innere Erfahrung
3. Moderne Souveränität als Poesie
4. Problematik der emotionalen Bindung an Worte
HAUPTTEIL
5. Die Enttarnung der Unzulänglichkeit der emotionalen Bindung an die Worte
5.1. Das Unbekannte als das NICHTS
5.1.1. Ausgrenzung des Unbekannten durch den Diskurs
5.1.2. Das Dramatisieren als konventionalisierter Zugang zum Unbekannten
5.2. Die getarnte Abhängigkeit vom Diskurs als Vernunft
5.2.1. Die Sprache als der legitimierende Garant der Vernunft
5.2.2. Die Macht des Wortes
5.2.3. Die Machtlosigkeit des Wortes
5.3. Offenlegung der Unzulänglichkeit des Diskurses
5.3.1. Das Loch zwischen Sein und Diskurs
5.3.2. Das Buch als Überwindung zwischen Sein und Diskurs
6. Die Loslösung von der emotionalen Bindung an Worte
6.1. Die Überschreitung als neuer Denkmodus
6.1.1. Der Akt der Überschreitung
6.1.2. Die gegenseitige Abhängigkeit der Überschreitung und dem Verbot
6.1.3. Das vergängliche Momentwesen der Überschreitung
6.2. Die Theorie der Loslösung von der emotionalen Bindung an Worte
6.2.1. Die Differenzierung zwischen dikursiver und emotionaler Erkenntnis
6.2.2. Methodik der Loslösung
7. Souveräne emotionale Bindung an Worte
7.1. Schreiben des Schweigens
7.1.1. Das Öffnen der Worte
7.1.2. Die Form des Schreibens
7.1.3. Schreiben als philosophisches Kunstwerk
7.2. Schreiben der Verausgabung
7.2.1. Die imaginäre Essenz
7.2.2. Schreiben als Dramatisieren
7.2.3. Schreiben als Gleiten
7.3. Die souveräne Erfahrung des Schreibens
7.3.1. Das Unmögliche Sein
7.3.2. Die Erfahrung des Gleitens
7.4. Poesie
7.4.1. Poesie als Verrat
7.4.2. Poesie als Opfer
7.4.3. Der Poet
8. Konklusion oder eine Ode an die Kommunikation
9. Résumée en français
10. Danksagung und Widmung
11. Bibliographie
11.1. Primärliteratur
11.2. Sekundärliteratur
12 Anhang: Zusammenfassung der Arbeit auf Deutsch
VORWORT
1. Einleitende Worte
Georges Batailles Werk zum ersten Mal zu begegnen ist eine Explosion, die alles zerstört, was jemals an konstituiertem von der Wissenschaft geprägtem Wissen von dem Geist des Lesers einvernommen wurde. Eine Zerstörung, die alles devastiert, und eine Leere, ein Nichts, ein Unbekanntes gepaart mit einer durchdringenden verzehrenden Wut aus Machtlosigkeit zurücklässt.
Indem Georges Bataille in seinem Werk pionierhafte Präzisionsarbeit bezüglich theoretischem, literarischem wie auch poetischem Schaffen geleistet hat, ist es von Vorteil das von ihm gelieferte Werkzeug, - das als Gegenposition zum traditionellem Wissenschaftsbegriff, als Perspektivenwechsel zur Subjektivität wage umschrieben werden kann-, anzueignen und zu verwenden um im intellektuellen Diskurs scheinbar innovative bisher unausgesprochene Perspektiven aufzuzeigen. Die somit erworbene Arroganz ist die Basis um jeglichen intellektuellen Diskurs erfolgreich zu enttarnen und zu führen.
Was aber, wenn es einen traditionellen wissenschaftlichen Diskurs über Batailles Werk selber zu verfassen gilt? Die Abwechslung von Arroganz und Machtlosigkeit in stetig höheren Frequenzen ebnen die Basis des fast luziden Zustandes, schreiben zu müssen, trotz der absoluten Gewissheit, wie paradox dies sei, da die Methodik dafür fehlt oder nicht ausreicht. Aber dieser Zwang zu schreiben, charakterisiert wohl das schwindelerregende verwirrungsstiftende zerstörerische Grundelement von Batailles Werk: das Verlangen an die Ränder seines Möglichen und darüber hinaus zu gehen.
2. Selektive Darstellung der Grundideen des theoretischen Werkes von Georges Bataille
2.1. Die Perspektive der Verschwendung und der Souveränität
Im Zentrum von Georges Batailles Denken und Schreiben steht die ambivalente Erfahrung der Grenzüberschreitung. Batailles theoretisches Werk kann in drei Bereiche gegliedert werden: eine Allgemeine Ökonomie, eine Geschichte der Erotik und eine Theorie der Souveränität, wobei die letztere die Theorie der Literatur, die Theorie der Religion und die Geschichtsphilosophie Batailles umfasst. Der einheitliche Ausgangspunkt seines theoretischen Werks bildet die Frage nach dem Bewegungsgesetz der Energie, einerseits derjenigen, der der Mensch in seiner produktiven auf Lebenserhaltung, Nutzen, Wachstum
orientierten Tätigkeit unterworfen ist und andererseits vor allem derjenigen, die als Überschuss, gewinnlos verloren geht bzw. willentlich oder unwillentlich verschwendet werden muss, zur zweckloser Verausgabung dient, sei es in glorioser (Feste, Orgien, Künste, Trauerzeremonien, Prachtbauten) oder katastrophischer Form (Zerstörung, Gewalt, Mord). (Vgl. PM, S. 29)
Bereits seit Nietzsche ist bekannt, dass nicht der Mangel, sondern der Überschuss an Ressourcen, nicht die Notwendigkeit, sondern der Luxus die Grundprobleme des Menschen und der lebenden Materie darstellen. Folglich orientiert sich Batailles Allgemeine Ökonomie an den Formen der Verschwendung dieser Überschüsse, wobei er für das klassische Nützlichkeitsdenken die skandalöse These aufstellt, dass die Formen der Produktion und des Erwerbs gegenüber den Formen unproduktiver Verausgabung sekundär sei, da die letzteren Voraussetzung wie auch Ziel der Produktion sei. Somit entwickelt Bataille eine Geschichtsphilosophie auf der Basis der Theorie der Formen des Verlustes als Widerspruch zu jeder bekannten Form der Ökonomie und folglich auch jeglicher Wissenschaft, da diese die historische Praxis von der unproduktiven Verausgabung unberührt konstituieren, wobei es doch zu allen Zeiten die Überschüsse der Produktion waren, die das Grundproblem der menschlichen Gesellschaft darstellen.
Die soziale Funktion der unproduktiven Verausgabung, liegt darin, dass sie über der produktiven Welt der Arbeit, der Produktion und der Erhaltung, die immer unter dem Primat Zukunft steht, das heißt an dem zukünftigen Nutzen, an dem zukünftigen Ziel und Zweck und deren Folgen, orientiert ist, eine subjektive Welt der Souveränität errichtet, eine Welt, die befreit vom Nützlichkeitsdenken, nur am Augenblick interessiert ist. Diese Souveränitätsebene ist von zweckrationalen Zusammenhängen befreit, ja sie zerstört diese und dient nur zur Auflösung des Geschaffenen im exstatischen und schöpferischen Augenblick des Verzehrens. Somit ist diese Ebene von der Überschreitung der Gesetze der rationalen Welt gekennzeichnet, wobei aber genau die Souveränitätsebene diejenige ist, die die Basis und den Antrieb für die rationale Welt ermöglicht. Die Souveränitätsebene verhält sich zur rationalen Arbeitswelt wie die sakrale zur profanen Welt. Der Augenblick des Festes bildet die Rechtfertigung der Arbeit, und ermöglicht ihr Fortbestehen.
Bataille entwickelt die Souveränitätstheorie anhand seiner anthropologischer und etymologischer Studien archaischer Gesellschaften, die auf Basis des Spiels Gesetz und Überschreitung funktionieren. Ab dem Zeitpunkt, wo der Mensch Werkzeuge hatte und gezwungen war, praktisch und vernünftig mit einem in der Zukunft erst kommenden Nutzen zu arbeiten, musste er seine Animalität, den Wunsch der unmittelbaren Erfüllung seiner Triebe, mit Verboten zähmen.[1] Der Aufschub und die Reflexion ersetzten die animalische Allmacht des Wunsches. Es ist die Einhaltung der Verbote und nicht der Gebrauch seiner Vernunft, die den Menschen vom Tier abgrenzen. (Vgl. S, S. 291)
Indem der Mensch seine Zeit und sein Tun einem in der Zukunft liegendem Resultat unterwirft, schafft er sich anhand der Verbote eine Dauer und ein Gedächtnis.[2] Jedoch war die Produktion ein Mittel, nicht der Zweck des Menschen. Er suchte nach Augenblicken, wo er seine Verbote verletzen durfte, aus der rationalen Welt der Arbeit austreten konnte. Folglich erschafft der Mensch sich einerseits seine menschliche Würde durch die Einhaltung der sich auferlegten Verbote, die ihn von der Ebene der Tiere abhebt, anderseits erschafft er seine souveräne Würde durch das Überschreiten dieser Verbote, und einer zeitlich begrenzten, geregelten Rückkehr zu seinem animalischen Trieb, der göttlich geworden ist. Dieses Überschreiten macht das Wesen des Sakralen aus, und somit erscheint das Tier heiliger als der Mensch. (Vgl. S, S. 299)
Arbeit ist etwas Profanisierendes, somit ist derjenige, der nicht arbeitet, ein Privilegierter, ein Mensch mit höherem Rang. Götter sind vor allem diejenigen, deren Privileg es ist, nicht zu arbeiten und die geben ohne zu nehmen. Der Mensch aber hat durch den dienstbaren Gebrauch göttliche Dinge, die zu seinem Subjekt gehörten, sprich seine göttliche Animalität bzw. sein Subjekt an sich zum Ding degradiert und profaniert. Somit steht er in der Schuld der Götter und muss ihnen ein Opfer erbringen. Er muss der heiligen Welt das zurückgeben, was er profaniert hat. (Vgl. PM, S. 62) Heilige Dinge entstehen somit aus einer Verlusthandlung. (Vgl. OC I, S. 304)
Aber das Sakrale ist nicht die einzige und vor allem nicht die höchste Form der Souveränität, die aus dem Verlust entspringt. Poesie ist gleichbedeutend mit Schöpfung durch Verlust, und dadurch im selben Rang mit dem Opfer. Kunst, Literatur und Poesie gehören zu den Formen symbolischer Verausgabung, jedoch ist die Verlusthandlung nicht partiell und symbolisch, wie beim sakralen Opfer, sondern lebensumfassend:
Il est plus facile d’indiquer, que pour les rares êtres humains qui disposent de cet élément, la dépense poétique cesse d’être symbolique dans ses consequences: ainsi, dans une certaine mesure, la foction de représentation engage la vie même de celui qui l’assume. (OC I, S. 307)
Es gibt also zwei Formen vollkommener, authentischer Souveränität nach Bataille: die sakrale Souveränität, in ihrer ursprünglichen prähistorischen polytheistischen Form und die souveräne Kunst, die außerhalb der Zeit stehend ihre Wahrheit formt und ist.[3]
Eine weitere jedoch unvollkommene Form der Souveränität ist eng mit dem schon verwendeten Begriff des Ranges verbunden.
Wie bei Nietzsche zwischen dem aktiven und dem reaktiven Willen zur Macht zu unterscheiden ist, so unterscheidet auch Bataille äquivok zwischen zwei weiteren Ausformungen der Souveränität: dem reaktiven Willen zur Macht entsprechende Form der Souveränität, die das Streben nach Macht und materiellen Dingen, also Streben nach dem Rang oder der Rangordnung oder der Hierarchie der Werte, die sich ebenfalls nach dem Prinzip des Verlustes konstituieren, und die entgegensetzte Souveränität, die jene Form entlarvt, wobei aber die soziale Würde noch immer auch in diesem Fall an die Subjektivität, sprich der Nichtzugehörigkeit zur profanen, degradierten Welt der Dinge, gebunden ist.[4]
2.2. Das Erkennen der Souveränität oder die Innere Erfahrung
Der traditionelle Souveränitätsbegriff nach Carl Schmitts Politischer Theologie bezeichnet das Subjekt, das im politischen Ausnahmezustand willkürlich eine Ordnung (wieder-)erstellen muss.[5] Wie ausgeführt, ist aber Batailles Begriff der Souveränität ein virtueller, ein sich in der menschlichen Subjektivität befindender, woraus sich die Problematik seines Erfassens bzw. seines Erkennens ergibt, da er mit herkömmlichen diskursiven Mitteln, also den Mitteln der traditionellen Objekterkenntnis nicht fassbar ist, da dieser Begriff die profunde Subjektivität des Seins bezeichnet.
La connaissance, et la plus profonde, ne nous apparaît jamais en entier que, définitivement, sous forme de résultat d’un effort se poursuivant sur le mode du calcul, sur le mode d’une opération utile à quelque fin. (...) Connaître est toujours s’efforcer, travailler, c’est toujours une opération servile, indéfinitivement reprise, indéfinitivement répété.
Jamais la connaisance n’est s ouveraine: elle devrait pour être souveraine, avoir lieu dans l’instant. (S, S. 253)
Um die Souveränität fassen zu können, muss das diskursive System aufgelöst werden, d.h. die Aufmerksamkeit, die gewöhnlicher Weise an Gegenstände gebunden ist, zerstört werden, um sie in einen Zustand der Aufnahme der Gegenwart gleiten lassen zu können.
Somit steht die Erkenntnis der Souveränität in einer Ausweglosigkeit:
Das Denken gehört seiner Struktur und seiner Genese nach, zu den Formen des Homogenen. Die Homogenität, die es voraussetzt und die es stiftet, ist strukturell mit der sozialen Homogenität identisch. Die intellektuelle Homogenität ist Bataille zufolge dadurch charakterisiert, dass sie nur erkennen kann, was bereits nach homogenen Prinzipien präformiert worden ist. Was sich der Assimilation durch die soziale Homogenität entzieht, fällt auch aus der Sphäre der Erkenntnis heraus: allen voran die Souveränität, die den heterogenen Teil der Wirklichkeit ausdrückt. Sobald sich diese zur Erkenntnis stellt, wird nichts Geringeres postuliert als ein Denken dessen, was sich dem Denken notwendig entzieht. Es ist der unvermeidliche Objektstatus alles dessen, was sich auf der Ebene der Erkenntnis wie der Tätigkeit manifestiert, der die Unvereinbarkeit von Souveränität und Erkenntnis begründet. Wo subjektive Phänomene dennoch Gegenstand der Erkenntnis waren, wurden sie in Dinge verwandelt und wie Dinge behandelt. Ihre wesentliche subjektive Dimension wurde dergestalt nicht einmal tangiert.[6]
Die Erkenntnis ist eine Tätigkeit, der rationalen Welt angehörig, und als solche dem Aufschub, also dem zukünftigen Resultat untergeordnet. Die Erkenntnis der Souveränität erfordert also ein souveränes Denken, eines im Augenblick stattfindendes, sich selbst Genügendes, von den diskursiven Begriffen Losgelöstes. Ein Nichts.
Die losgelöste Aufmerksamkeit des Subjekts ist auf die Abwesenheit des Gegenstands gerichtet, auf ein Nichts gerichtet. Das Denken wird zu einem Denken ohne Gegenstand oder einem Denken von Nichts, das Wissen wird zu einem Wissen von Nichts. Dieses ist nur möglich, wenn die diskursive Erkenntnis zu ihrem Höhepunkt gebracht wurde, von dem aus es mit diskursiven Mittel nicht mehr weitergeht.[7]
Il devait nécessairement ´chouer dans la mesure où le non-savoir, c’est-à-dire, où le RIEN, pris comme objt suprême de la pensée, qui sort d’elle-même, qui se quitte et devient la dissolution de tout objet*, n’était pas impliqué dans la résolution du problème. (...) au sommet d’une pensée dont la fin déboulonne les rails sur lesquels elle est engagée. (S, S. 259)
Souveräne heterogene, die Homogenität (zer)-störende Phänomene sind nach Bataille vor allem das Lachen, die Tränen, der Zauber der Kindheit, die Verführung der Erotik, der Schrecken der Trauer. Dies sind Objekte, die bis zu dem Augenblick ihrer Auflösung ins Nichts mit diskursiven Mitteln analysiert werden können. Es ist möglich festzuhalten, unter welchen Bedingungen, wegen welchem Auslöser, das Lachen oder die Tränen einsetzten. Was aber das Lachen oder die Tränen an sich sind, bleibt unbekannt. Außer der Tatsache ihrer auflösender und erlösender Wirkung.[8]
Dieses Gleiten vom Auflösen zum Erlösen, ist das Kennzeichen jeglicher subjektiver Phänomene und wird von Bataille als innere Erfahrung bezeichnet. Die diskursive Ebene wird aufgelöst, der souveräne erlösende Augenblick findet auf der subjektiven gegenstandlosen Ebene statt. Dieser erlösende Augenblick, ist aufgrund seines erlösenden Elements selbst eine Form der Erkenntnis auf der gegenstandlosen subjektiven Ebene, wobei diese Erkenntnis zugleich auch eine Form des subjektiven Lebens ist, welche seine Voraussetzung ist. Denn ohne konkret praktisch gelacht oder geweint zu haben, kommt es nicht zum erlösenden Augenblick, das die subjektive gegenstandlose Erkenntnis ist.
Diese Erkenntnis hebt das Verhältnis Subjekt-Objekt auf und setzt die Infragestellung jeglicher rationaler Konstruktionen bzw. allen Wissens voraus. Die herkömmliche Erkenntnisform, das Beziehen und Reduzieren des Unbekannten auf das Bekannte wird durch die auf der souveränen subjektiven Ebene stattfindende Kommunikation mit dem Unbekannten ersetzt.[9]
3. Moderne Souveränität als Poesie
Die Moderne ist durch die Verneinung jeglicher institutioneller Form von Souveränität gekennzeichnet. Es gibt keinen sakralen Souverän, also einen magischen Priester als Repräsentant von Gott, noch einen traditionellen Souverän, also einen König, auf den die souveräne Subjektivität von der arbeitenden Masse delegiert werden kann. Somit kann die Einheit der Souveränität nicht mehr an ein herrschendes Subjekt verwiesen werden, sondern muss im Inneren des Menschen gesucht werden. Dieses passiert auf der Ebene der Imagination in Form von Poesie. Als Poesie begreift Bataille das Element der Neuerschaffung, der Belebung in allen Künsten.[10]
Die Nähe von Poesie und Souveränität ist von Anfang an ersichtlich, da die Formen und Inhalte der Erfahrung des Sakralen im rituellen Fest von der sakralen Kunst erschaffen worden sind. Wie auch der Glanz der virtuellen Souveränität des Königs von Dichtern, Komponisten, Architekten erschaffen wurde. Die Künstler sind es, die durch ihre Macht des Ausdrucks den glänzenden Schein der subjektiven Souveränität produzieren, für die Masse übersetzen, es überhaupt ermöglichen, dass die Masse einerseits in der Anerkennung der virtuellen als die reale Souveränität verharrt, anderseits an der souveränen Erfahrung teilnehmen kann.
Künstler standen immer im Dienste geistiger und weltlicher Auftraggeber, und produzierten ihre virtuelle Souveränität ohne die eigene subjektive Souveränität wahrzuhaben bzw. mitzuteilen. Bis zu dem Zeitpunkt des Niedergans der institutionellen Souveränität und der Entwicklung profaner Gesellschaften, die der Kunst ermöglicht einen profanen Charakter anzunehmen. Dieser profaner Charakter besteht also daraus, dass die Kunst mit ihren profanen Mitteln Emotionen vermittelt, die zunächst dem Sakralen vorbehalten sind, aber dieses Mal nicht stellvertretend für eine andere virtuelle Souveränität, sondern für die Subjektivität des Künstlers. Die Forderung nach einem neuen Mythos oder einem Gesamtkunstwerk, ist nichts anderes als die Nostalgie nach dem verlorengegangenen Heiligtum, dessen Erschaffung und Erhaltung die ehemalige Funktion der Kunst war. (Vgl. S, S. 322 ff)
Die Lage des profanen Künstlers ist lächerlich und tragisch zugleich. Der Künstler vertritt seine subjektive Souveränität in einer modernen Welt, dessen Kennzeichen es ist jegliche Form von Anerkennung von Souveränität zu negieren. Der Künstler hat die Wahl entweder seine subjektive Souveränität wieder der Herrschaft unterzuordnen, die aber diese negiert bzw. für ihre beschränkten repräsentativen Zwecke instrumentalisiert oder eine einsame Existenz am Rande der Gesellschaft zu führen. (Vgl. S, S. 327)
4. Die Problematik der emotionalen Bindung an Worte
Worte sind nach Saussure Codes, als die willkürliche Beziehung zwischen dem Bezeichnetem und dem Bezeichnetem, mit der Betonung auf willkürlich. Durch Worte werden Strukturen erschaffen, die die selbige Willkürlichkeit aufweisen. Diese Strukturen werden dem Menschen als die Wirklichkeit aufgezwungen. Diese strukturierenden Strukturen sind historisch konstituierte, willkürliche Formen im Sinne von Saussure oder Mauss, Formen, deren historische Genese aufweisbar ist[11], Formen, die den Anschein haben als naturgegeben, unantastbar, als ein Konsens über den Sinn der Welt, der die Erfahrung der Welt als einer ‚Welt des gesunden Menschenverstandes’ zugrunde liegt auf der Basis des Einverständnisses[12] vom Nutzen, zu sein.
Tatsächlich üben Worte eine typisch magische Macht aus: sie machen sehen, sie machen glauben, sie machen handeln.[13] Sie machen das Leben. Aber Tatsache bleibt, dass sie nicht Leben sind; dass Worte eine willkürliche Konstruktion sind, und somit keinen absoluten Wirklichkeitsanspruch haben.
Somit kann Georges Batailles Werk als eine Provokation, eine Subversion und Versuch einer Transgression der konventionalisierten aus Worten gewebten Wirklichkeit charakterisiert werden. Seine innere Erfahrung besteht aus dem Prinzip, jegliche Eingrenzungen des Seins aufzuheben um zum eigentlichen unmittelbaren Sein zurückzukehren, dass das unstillbare verzerrende Verlangen des Menschen darstellt. Der größte Schritt ist die Aufhebung des Diskurses, um zum eigentlichen Sein, dem Unbekannten zu gelangen. Der anstrengendste Schritt ist dann die Kommunikation dieses Vorhabens.
Wie Worte aufheben, ohne mit Worten zu sagen, dass sie aufgehoben wurden? Wie Worte enttarnen, ohne sie mit Worten zu enttarnen?
Worte sind Verräter. Worte zwingen eine Wirklichkeit auf, die keine ist. Diese entfernt den befremdeten Menschen von seinem eigentlichen Sein. Aber was mit dem desolaten Zustand der Erkenntnis anfangen, dass alles Wahrnehmbare und Einvernehmbare über die Lügen der Wörter zum Menschen gelangt und somit nichts mit dem unmittelbaren gegenwärtigen Sein und seiner Wirklichkeit zu tun hat, und das die Wirklichkeit, das unbekannte absolute Sein nicht mit Worten fassbar ist?
En ce qui touche les hommes, leur existence se lie au langage. Chaque personne imagine, partant connait, son existence à l’aide des mots. Les mots lui viennent dans la tête chargés de la multitude d’existences humaines- ou non humaines- par rapport à laquelle existe son existence privée. L’être est en lui médiatisé par les mots, qui ne peuvent se donner ice qu’arbitrairement comme „être autonome“ et profondement comme „être en rapport“. Il suffit de suivre à la trace, peu de temps, les parcours répétés des mots pour apercevoir, et une sorte de vision, la construction labyrinthique de l’être. (EI, S. 99)
Gegen die Wörter mit Wörtern kämpfen.
Die Wörter gegen die Wörter ausspielen.
Mit Wörtern sich gegen Wörter wehren.
Wörter mit Wörtern missbrauchen.
Da nur Wörter gegen Wörter kämpfen können.
Um sie neu zu erschaffen. Um das Sein zu fassen.
In einem Wort: SCHREIBEN.
Schreiben ist die Erkenntnis des unstillbaren Verlangens und ein Versuch diesen zu stillen. Es ist ein Versuch, die Erregung, das Erwachen, das absolute Sein mit Worten zu fassen und Bewusstsein zu zuführen.[14] Mit der Betonung auf Versuch. Der Versuch den Kampf bis zu seinen möglichsten Grenzen zu treiben und ins Unmögliche einzudringen. Kommunikation mit dem Unbekannten willentlich ermöglichen, und diese wieder in die Worte zu führen, begrifflich machen.
Batailles Werk lässt keine literarische Gattung, keine theoretische Bearbeitung eines Themas aus. Der Umfang der Ausgabe des Gesamtwerks zeugt von einem Spektrum, das einen exzessiven Schreibmarathon dokumentiert. Marguerite Duras verwunderte es, wie Georges Bataille, ein Autor, der nicht schreibt, da er gegen die Sprache schreibt, in so einem Maße schreiben konnte.[15]
Das Gesamtwerk ist jedoch keine Ausarbeitung eines geordneten theoretischen Systemkomplexes. Es ist ein oszillierendes Ganzes, dass den Leser mit einen intuitiven, sich sprunghaft entwickelnden, thetischen und oftmals mystischen Verbindungen von Gedanken, konfrontiert. Diese lösen sich aber nicht in Spezifizierungen auf, sondern stehen miteinander in wechselseitig sich tragender Verbindung, die sich in ihrer Gesamtheit durch das Lesen des Gesamtwerks erschließt.[16]
Batailles Gesamtwerk ist der Ausdruck des Befremdens, des Mangels des Menschen und ein Versuch das vollkommene Sein begrifflich zu machen. Ohne eine versprochene Rettung.
Le tumulte est fondamental, c’est le sens de ce livre. Mais il est temps de parvenir à la clarté de la conscience. (LM, S. 9)
Das Gesamtwerk bleibt eine unabgeschlossene Denkkonstruktion: die Worte reichen nicht für das Vorhaben aus, aber Worte sind die Einzigen, mit denen es bestritten werden kann, um Klarheit zu schaffen.
Es gilt die bisherige ungenügsame emotionale Bindung an Worte zu erkennen, diese zu zerstören, und eine neue vollkommene Verbindung zwischen dem Sein und den Worten zu erschaffen.
Der Hauptteil der vorliegenden Arbeit wird die Dynamik der Tötung und des Lebens der Wörter in Batailles Schreiben verfolgen.
HAUPTEIL
5. Das Enttarnen der Unzulänglichkeit der emotionalen Bindung an Worte
5.1. Das Unbekannte als das NICHTS
5.1.1. Ausgrenzung des Unbekannten durch den Diskurs
Der Mensch besitzt ein durchdringendes Verlangen alles zu sein, dies ist trotz Ersatzbefriedigungen wie Religion, Moral, Geld oder Poesie angesichts der enggezogenen Grenzen nicht möglich. Daraus resultiert ein Befremden, ein durchdringendes Leiden.
Diesem Leiden zu entgehen ist nur möglich indem das Ich mit der Ganzheit des Universums verwechselt wird und die Unsterblichkeit als gegeben angenommen wird. Diese zwei Illusionen werden vom Leben selber geboten und vorausgesetzt. Wenn der menschliche Geist sich von diesen zwei Annahmen befreit, bewegt er sich in einer monde étrange où l’angoisse et l’extase se composent. (EI, S. 10), er bewegt sich in seinem eigentlichen Sein, absolut verloren, einsam, machtlos, weil er weder den Schmerz noch die Extase kommunizieren kann. Weil es keine Worte dafür gibt, da diese ihrem Wesen nach nicht dem unmittelbaren Sein angehören.
Der Diskurs begeht einen Verrat, indem dieser den anerkannten Schein bewahrt, das Sein zu sein, dieses aber nicht ist. Durch Worte wandelt der Diskurs das Sein in Worte um und behauptet diese umgewandelte Ebene als das wirkliche Sein. Diese Konstruktion muss in Folge als das Sein anerkannt werden, denn indem alles in Worte umgewandelt wurde, gibt es nur mehr Worte und sonst NICHTS. Das eigentliche Sein steht ignorriert außerhalb der Konstruktion, wurde nicht von Worten erfasst, und kann somit eine Welt der Worte nicht angreifen.
In Pétite métaphysique de la parole beschreibt Brice Parain diese Problematik folgendermaßen:
Notre langage n’est possible que par l’effacement de ce qu’il désigne. Parler consiste à transformer le monde de l’existence en un monde de mots, par conséquent à le supprimer dans sa maniére propre d’être.[17]
Das eigentliche Sein im Jenseits des Diskurses bleibt von diesem unerschlossen, ignorriert, verschwiegen, ja getötet, indem die Ebene des Diskurses als eigentliches Sein angenommen wird. Um dieses Sein zu legitimieren, bedient sich der Diskurs innerhalb seines Systems des Unbekannten, um eine scheinbare Verlangensbefriedigung zu konstruieren.
Die Anteilnahme des Unbekannten am Diskurs gibt der Erfahrung Gottes oder der Poesie seine Kraft. Jedoch ist in dem Unbekannten die Herrschaft des Nichterfassten gesichert, da Gott wie auch Poesie diskursive Konstruktionen sind. Als solche sind sie unzulänglich, da das Unbekannte, das von Worten unerfassbare Unbekannte bleibt.
Nous ne sommes totalement mis à nu qu’en allant sans tricher à l’inconnu. C’est la part d’inconnu qui donne à l’expérience de Dieu- ou du poétique- leur grand autorité. Mais l’inconnu exige à la fin l’empire sans partage. (EI, S. 17)
Es besteht keine reziproke Beziehung zwischen dem Diskurs und dem Unbekannten. Der Diskurs kann das Unbekannte gebrauchen um dem befremdeten Menschen Auswege aus seiner Einengung zu bieten, durch Poesie oder Gott, aber diese Erfahrung ist niemals ganz einnehmend, weil der Diskurs eine willkürliche Konstruktion ist, die einen Glauben verlangt, ohne diesen rechtzufertigen, außer durch seine Monopolstellung und seine Konventionalisierung, die bloß weitere Konstruktionen innerhalb der Konstruktion sind. Das Unbekannte jedoch verlangt keinen Glauben, das Unbekannte ist, und lässt sich vom Diskurs als solches nicht fassen.
Si la poésie introduit l’étrange, elle le fait par la voix du familier. Le poétique est du familier se dissolvant dans l’étrange et nous-mêmes avec lui. Il ne nous dépossède jamais de tout en tout, car les mots, les images dissoutes, sont chargés d’émotions déjà éprouvées, fixées à des objets qui les lient au connu. (EI, S. 17)
Die diskursive Konstruktion bietet durch ihren Gebrauch vom Unbekannten scheinbare Auswege aus der isolierten Einengung durch die Kraft des Dramatisierens. Dramatasieren ist die künstliche Erschaffung einer Konstruktion, die am Ubekannten teilhat. Dramatisieren ist die künstliche Erschaffung von einem Glanz, der aus dem Unbekannten bzw. dem NICHTS bzw. aus einem unffassbarem Gefühl besteht . L’amour, la poésie, sous une forme romantique, furent les voies où nous tentâmes d’échapper à l’insolement, au tassement d’une vie en peu de temps privée de sa puls visible issue. (EI, S. 22)
5.1.2. Das Dramatisieren als konventionalisierter Zugang zum Unbekannten
Das Dramatisieren ist die konventionaliserte Form am Unbekannten teilzuhaben. Die Produkte des Dramatisierens sind konventionalisiert: Liebe, Poesie, Gott sind angenommene Phänomene, mit denen der Mensch innerhalb einer Konstruktion ein individuelles Gefühl verbinden kann, und somit den Schein eines Ausweges aus seiner Einengung erleben kann.
En d’autres termes on n’atteint des états d’extase ou de ravissement qu’en dramatisant l’existance en général. (...) Si nous ne savions dramatiser, nous ne pourrions sortir de nous-mêmes. (EI, S. 23)
Innerhalb der diskursiven Konstruktion ist das Dramatisieren ein Handeln. Als Teil des Diskurses verlangt es Glauben. Ab dem Zeitpunkt, wo die Konstruktion enttarnt ist, bietet sie keine Grundlage mehr für den Glauben und das Dramatisieren wird trotz seines Handlungscharakters unzulänglich, da der Wiederholungscharakter innerhalb festgelegter Konstruktionen keine Steigerungen mehr ermöglicht.
Das Dramatisieren ist Teil des diskursiven Systems. Sein Glanz nährt sich vom Unbekannten, dessen er sich zum Teil bedient um die Illusion zu schaffen, es wäre das vollkommene Sein. Aber als Teil des diskursiven Systems, kann Dramatisieren das Sein nicht erfassen, und ist als Illusion enttarnt. Worte bleiben immer leere Hüllen für Abwesendes. Dramatisieren ist aus Wort gewordene Handlung und somit nur eine weitere Hülle für Abwesendes Sein, das das Sein durch ihren Handlungscharakter vorlügen will.
5.2. Die getarnte Abhängigkeit vom Diskurs als Vernunft
5.2.1. Die Sprache als der legitimierende Garant der Vernunft
Die Sprache befindet sich in einer unmittelbaren Beziehung zur Vernunft. Die Sprache ist die Basis, das Gebäude und die Legitimation der Vernunft und als solche steht sie in diametraler Opposition zur Ekstase und zum Extrem. Der Bereich der Vernunft schließt die Ekstase und das Extrem aus, es verbannt diese in den Bereich des Verbotenen. Somit kann die Sprache diesen auch nicht erschließen. Dieser verschwiegene Teil ist der verfemte Teil, La Part maudite, wie Bataille sein Werk betitelt. Der Bereich der Gewalt, der Zerstörung, des Sexuellen, des Todes. Dieser Teil résiste au langage comme la liberté à la servitude[18] . Dieser Bereich bleibt unausgesprochen. Und als solcher bleibt er innerhalb des sprachlichen Systems nicht vorstellbar.
Das Ausmaß der Unausgesprochenheit dieses verfemten Bereichs ist nach Philippe Sollers von der jeweiligen Kultur und Zivilisation abhängig:
En effet, le langage étant civilisation est fondé sur l’interdit, il laisse en principe la violence sans voix, objet d’une dégénation qui méconnaît ce qu’elle écrit malgré nous et à travers nous.[19]
Dieser Aspekt der Sprache beschäftigt Bataille. Die Notwendigkeit diesen zu erfassen, die Notwendigkeit diesen zu sagen. Aber mit welchen Worten? Auf welche Weise? Da diese Erfahrungen des Extremen, der Ekstase doch Schweigen voraussetzen und verlangen. Wenn die Sprache daran teilhat bzw. teilhaben soll, in welcher Form, da doch die bisherige nicht zulänglich ist.
5.2.2. Die Macht des Wortes
Ein Paradebeispiel dieser Problematik ist Marquis de Sades literarisches Werk und Gilles de Rais reales Werk. Die Gewalttaten Gilles de Rais, die unausgesprochen, unbeschrieben, nur seinem Leben angehörig bleiben, bleiben unsanktioniert. Die literarische Erfassung von Gewalttaten in Marquis de Sades Werk jedoch als nicht reale, doch ausgesprochene, also auf der diskursiven Ebene reale Gewalttaten, resultieren in sofortigen Sanktionen.
Entfesselung resultiert in einem Verlust der Vernunft. Sade eut pour fin d’atteindre la conscience claire de ce que le ‚déchaînment’ attient seul (mais le ‚déchaînment’ mène à la perte de la conscience) (LM, S. 135)
Das Werk Sades, dass die Entfesselung der zerstörerischen Gewalt und dessen Befriedigungspotential akribisch in einer präzisen, klaren Sprache vorlegt, ist ein Angriff auf die diskursive Vernunftebene mit ihren eigenen Mitteln. Solch ein Unterfangen muss sofortig sanktioniert werden, weil es die diskursive Ordnung zu verteidigen bzw. zu erhalten gilt.
Die Macht des Wortes, vor allem des geschriebenen veröffentlichen Wortes ist klar ersichtlich: Indem die Vernunft mit den Mitteln der Vernunft bekämpft wird, und aufgezeigt wird, dass technisch die Legitimation dieser Ordnung nur daraus besteht, dass sie respektiert wird in Anlehnung, dass es angeblich nichts anderes gibt, die Ordnung aber eine bloße Konstruktion ist und als solche keine Legitimierung hat, außer vielleicht Gott, der tot sein könnte. Der Sturz dieser Ordnung und ein Zustand der crise, der entfesselten souveränen Anarchie, liegt aber in niemandes Interesse. Doch nur das Gedankengut, dass die Ordnung an sich, nicht der Wirklichkeit entsprechen muss, ist gefährlich.
Im Unterschied zu Gilles de Rais wirklichen Zerstörungs- und Tötungsorgien, die hinter verschlossenen Türen stattfanden und auf der diskursiven Ebene als das Werk eines einzelnen Psychopaten kategorisiert werden können. Handlungen, die nicht kommuniziert werden, waren nie. Somit ist Gilles de Rais als Psychopath auf einer pathologischen Ebene jenseits der Vernunft angesiedelt, und birgt keine Gefahr für die diskursive Ordnung in sich.
5.2.3. Die Machtlosigkeit des Wortes
Die klare, nüchterne Sprache Sades, die das souveräne Verlangen nach der Steigerung der Ekstase und die Ekstase an sich zu fassen sucht, scheitert. Denn Verlangen und Ekstase können nicht auf der diskursiven Ebene kommuniziert werden, sondern verlangen nach einer Auslebung: On voit que la conscience du désir est peu accessible: le désir à lui seul altère de clarté de la conscience, mais surtout la possibilité d’une satisfaction la supprime. (LM, S. 146)
Die Worte können die Handlung, können den Rahmen beschreiben, der souveräne Moment an sich, kann davon nicht erfasst werden, da dieser dem eigentlichen Sein, dem Leben angehört, und als solches jenseits der Vernunft, also jenseits der Sprache liegt. Ce que le discours logique ne dit pas, est justement ce qui échappe à la conscience. (En effet c’est le discursif, la conscience ne diffère en rien du langage.) (PJ, S. 13)
Äquivoque Formeln verwendet Bataille über Baudelaire: Le malheur veut que de l’impossible, condamné à l’être, il soit difficile de parler. (LM, S. 49) Jegliches Phänomen, das außerhalb der Vernunft steht, steht außerhalb der Sprache, gehört dem Schweigen an. Mourant je ne puis plus crier: car le crie que je vocifière est le silence sans fin. (LC, S. 88) Die Sprache, wie die Vernunft ist ein Ausdruck der Machtlosigkeit gegenüber dem eigentlichen Sein. Jedes Vorhaben ein Phänomen in die diskursive Ordnung zu zwängen, ist ein Versuch, es zu verstehen, es unter die Kontrolle der Vernunft zu bekommen, um dem grenzenlosen Sein nicht ausgeliefert zu sein. Das aber ist unmöglich.
Que serions nous sans la langage? Il nous a fait ce qui nous sommes. Seul il révèle, à la limite, le moment souverain où il n’y a plus cours. Mais à la fin celui qui parle avoue son impuissance. (E, S. 304)
Die souveräne Erfahrung bleibt in ihrer entfesselten Macht im Schweigen gefangen. Weder die Vernunft noch die Sprache können sich dieser nähern, da das vernünftige Subjekt, das spricht, in diesem Moment aufgehoben wird. Das Subjekt kann nicht mehr existieren, da es das Leben in seiner Durchdringung unmittelbar erlebt, und somit nach Mitteln wie einer diskursiven Ordnung kein Bedarf mehr besteht, und somit diese der Existenz beraubt wird.
Si nous sommes souverainement violents, nous tendons à perdre conscience et plus nous sommes conscients, plus nous subordonnons la souveraine violence à fins utilitaires de la conscience. Nous ne pouvons donc esperer qu’un approche. (PJ, S. 35)
Die souveräne Ebene schwindet der Sprache, dem Diskurs, der Vernunft. Ihre Unmittelbarkeit ist nun mehr im Schweigen, im souffle zu finden. Je me tais, je sais bien que le silence seule, que ce silence de cris qui libère d’isolement, est sa seule mesure. (OC, IV, S. 401)
Die Sprachlosigkeit der Wörter ist nicht zu verhindern, da die Befreiung von den Wörtern, ihre Decodierung als Zugang zum Schweigen, das einzige Ausmaß, der einzige Ausgang für die Erfahrung des Seins ist.
Das Schweigen aber muss kommuniziert werden, weil sonst keine Sensibilisierung des Menschen für diesen eigentlichen Zustand entwickelt werden kann. Denn die Worte sind leere Hüllen für Abwesendes ihres eigenen begrenzten Seins innerhalb ihrer eigenen Ordnung. Der Bereich der entfesselten Gewalt, der Bereich des unmittelbaren Seins, steht mit einem Verbot getrennt außerhalb von diesen, wird von ihnen nicht berührt. Die Vernuft, wie die Wörter, asu denen sie geflochten ist, verraten nur auf der diskursiven Ebene der Wörter, und dem von ihrer Ordnung entworfenen Seins. Das eigentliche Sein aber können sie nicht berühren.
[...]
[1] Vgl. Habermas, 1985, S. 251 ff
[2] Vgl. Bischof, 1997, S. 109
[3] Vgl. Habermas, 1985, S. 264
[4] Vgl. Bischof, 1997, S. 95
[5] Vgl. Bischof, 1984, S. 11
[6] Bischof, 1984, S. 17
[7] Vgl. Münchhausendilemma
[8] Vgl. Bischof, 1984, S. 19
[9] Vgl. Bischof, 1984, S. 20 f.
[10] Vgl. Bischof, 1984, S. 28 f.
[11] Bourdieu 2001, S. 219
[12] Bourdieu 2001, S. 221
[13] Bourdieu 1992, S. 83
[14] Vgl. Ochs, 1995 S. 35 f.
[15] Vgl. Duras, 1995, S. XI ff
[16] Vgl. Ochs, 1995, S. 34
[17] Parain, 1969, S. 99
[18] Parain, 1960, S. 94
[19] Sollers, 1968, S. 188
- Quote paper
- Mag. Vivian Gjurin (Author), 2006, Problematik der emotionalen Bindung an Worte bei Georges Bataille, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142112
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