Schlägt man den Begriff la movida im Spanien-Lexikon der Beck’schen Reihe nach, so findet man den Ursprung des Wortes in ‘mover’ = bewegen. Weiterhin definiert das Lexikon ‘la movida’ als ”Ende der 70er Jahre aufkommender Begriff für das moderne, pulsierende Leben in Madrid. Die movida madrilena wurde der Inbegriff alles Neuen, Avantgardistischen, der neuen Trends in Mode, Musik, Kunst und Film. Auch Rock und Drogen gehörten dazu, sowie das nächtliche Herumziehen der Jugendlichen von einem Lokal zum anderen...”
Diese Definition herrscht gemeinhin in der ausländischen Presse vor, die die politischen Veränderungen in Spanien mit einem kulturellen Aufschwung gleichsetzen, der sämtliche Genres künstlerischer Produktion betrifft. Oftmals wird der Eindruck erzeugt, daß mit Francos Tod im Jahre 1975 eine schlagartige und plötzliche Veränderung einsetzte, die besonders in Madrid zu einer Renaissance auf verschiedensten Ebenen führte.
Bei näherer Betrachtung der Umstände wird jedoch klar, daß das Thema der movida nicht so einfach betrachtet werden kann, da es sich hierbei nicht um eine monolithische Entwicklung, einen unhinterfragbaren Aufschwung handelte, dessen Anfang und Ende genau bestimmbar wären, sondern vielmehr um ein komplexes Netz an Strömungen, die aus der Nähe betrachtet weitaus weniger einheitlich wirken, als sie zusammengefaßt unter dem Begriff ‘la movida’ zunächst erscheinen. Dies bestätigt Bernard Bessiere in seiner Analyse des Postfranquismus:
”La Movida ne s’est pas generée en un jour. Cet élan créatif qui, des la fin des annees soixante-dix, a saisi la capitale espagnole, est de caractere pluriforme car il affecte divers champs de la création.”
Schon die zeitliche Einordnung bereitet Kopfzerbrechen. Unterschiedlichen Theorien zufolge, wird der Beginn der movida meist nach dem Jahr 1975 angesetzt. Während sich viele Historiker darüber einig sind, daß es sich bei der movida weniger um einen plötzlichen Bruch bzw. Ausbruch handelte, sondern um eine evolutorische Bewegung, die sich bereits vor dem Tod Francos vorbereitet hatte, sehen andere ihren Beginn erst Anfang der 80er Jahre. Und während der Landläufige Eindruck entstand, es mit einer durch und durch optimistischen kulturellen Bewegung zu tun zu haben, lassen sich große Unterschiede zwischen unterschiedlichen Genres festmachen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2.1 Kultur und Politik: ‚El alcalde de la movida‘
2.2 ‚La movida‘ – Kultur der Straße
3. Zwischen Diktatur und Demokratie – Spanisches Kino auf neuen Wegen
3.1 Unter dem Joch der Zensur: Spanischer Film während der Diktatur
3.2 La transición
3.3 Spanisches Kino nach 1975
3.4 Das Ende der Zensur
3.5 Neue Wege
4. Synthese
Bibliographie
1. Einleitung
Schlägt man den Begriff la movida im Spanien-Lexikon der Beck’schen Reihe nach, so findet man den Ursprung des Wortes in ‘ mover ’ = bewegen. Weiterhin definiert das Lexikon ‘la movida’ als ”Ende der 70er Jahre aufkommender Begriff für das moderne, pulsierende Leben in Madrid. Die movida madrilena wurde der Inbegriff alles Neuen, Avantgardistischen, der neuen Trends in Mode, Musik, Kunst und Film. Auch Rock und Drogen gehörten dazu, sowie das nächtliche Herumziehen der Jugendlichen von einem Lokal zum anderen...”[1]
Diese Definition herrscht gemeinhin in der ausländischen Presse vor, die die politischen Veränderungen in Spanien mit einem kulturellen Aufschwung gleichsetzen, der sämtliche Genres künstlerischer Produktion betrifft. Oftmals wird der Eindruck erzeugt, daß mit Francos Tod im Jahre 1975 eine schlagartige und plötzliche Veränderung einsetzte, die besonders in Madrid zu einer Renaissance auf verschiedensten Ebenen führte.
Bei näherer Betrachtung der Umstände wird jedoch klar, daß das Thema der movida nicht so einfach betrachtet werden kann, da es sich hierbei nicht um eine monolithische Entwicklung, einen unhinterfragbaren Aufschwung handelte, dessen Anfang und Ende genau bestimmbar wären, sondern vielmehr um ein komplexes Netz an Strömungen, die aus der Nähe betrachtet weitaus weniger einheitlich wirken, als sie zusammengefaßt unter dem Begriff ‘la movida’ zunächst erscheinen. Dies bestätigt Bernard Bessiere in seiner Analyse des Postfranquismus:
”La Movida ne s’est pas generée en un jour. Cet élan créatif qui, des la fin des annees soixante-dix, a saisi la capitale espagnole, est de caractere pluriforme car il affecte divers champs de la création.”[2]
Schon die zeitliche Einordnung bereitet Kopfzerbrechen. Unterschiedlichen Theorien zufolge, wird der Beginn der movida meist nach dem Jahr 1975 angesetzt. Während sich viele Historiker darüber einig sind, daß es sich bei der movida weniger um einen plötzlichen Bruch bzw. Ausbruch handelte, sondern um eine evolutorische Bewegung, die sich bereits vor dem Tod Francos vorbereitet hatte, sehen andere ihren Beginn erst Anfang der 80er Jahre. Und während der Landläufige Eindruck entstand, es mit einer durch und durch optimistischen kulturellen Bewegung zu tun zu haben, lassen sich große Unterschiede zwischen unterschiedlichen Genres festmachen.
In der folgenden Arbeit möchte ich zunächst auf den politischen und soziokulturellen Hintergrund der Bewegung eingehen, um schließlich insbesondere die kulturelle Entwicklung der Übergangszeit am Beispiel der Filmindustrie zu verfolgen.
2.1 Kultur und Politik: ‚El alcalde de la movida‘
La Movida wäre nicht ohne die politischen Veränderungen in Spanien nach dem Tode Francos denkbar. Die ersten Filme Almodóvars, die aufsehenerregende Vernissagen Ceesepes, die Rock-Happenings d’Olivio Alaskas überschneiden sich nicht grundlos mit der Machtergreifung der sozialistischen Partei P.S.O.E im Jahre 1977. Andererseits handelt es sich bei der Movida nicht um eine im engen Sinne politische Bewegung, sie ist vielmehr eine aesthetische und ethische Bewegung, die von der Veränderung der alltäglichen Normen ausgeht, wie Gérard Imbert betont: ”La Movida reflète une mutation dans les codes esthetiques et meme ethiques: rejet de l’ideologie de l’engagement et de la morale de l’effort, de l’ethique de l’ascese dans l’ordre du quotidien.”[3] Als Bewegung ist die Movida unverwechselbar geprägt von der paradoxen gesellschaftspolitischen Situation der 70er und 80er Jahre, zwischen Befreiung und Arbeitslosigkeit und den politischen Veränderungen insbesondere im Madrid der Post-Franco-Zeit. Eine zentrale Rolle sowohl auf politischer als auch kultureller Ebene spielte der sozialistische Bürgermeister der Hauptstadt, Enrique Tierno Galvan, der von 1979 bis 1986 die Geschicke der Stadt leitete und als Verbindungsglied zwischen der politischen und kulturellen Ebene fungierte. Der promovierte Philosoph und Universitätsdozent, der während der Diktatur im Exil in den USA lebte, um erst 1976 an die Universidad Autónoma in Madrid zurückzukehren, kam 1979 als Kanditdat der sozialistischen Partei bei den ersten freien Wahlen seit 1931 an die Macht. Bis zu seinem Tode 1986 sollte er, von Freunden wie Feinden ‘liebevoll’ ‘el viejo profesor’ genannt, mit viel Einfühlungsvermögen, Geschick und Toleranz das Bürgermeisteramt innehalten. In seiner stillen Intellektualität und Sensibilität traf er den Nerv der Zeit und zeigte sich äußerst offen für neue kulturelle Strömungen, die er tatkräftig unterstützte. Er bemühte sich um Kontakt und regen Austausch mit den jungen Madrider Künstlern und versuchte gleichzeitig die Volks- und Alltagskultur in der Bevölkerung zu unterstützen. So ermunterte er die Bürger dazu, alte Traditionen und Feste wie den Karneval wiederzubeleben, die seit 1936 verboten waren und gründete ‘Los festivales del verano’. Bereits in seiner Antrittsrede signalisierte Galvan seine besondere Volksnähe und sein Interesse an der kulturellen Entwicklung:
”Les Madrilènes constituent un peuple jeune, des jeunes qui sont jeunes et des vieux qui sont jeunes et cette jeunesse se definit surtout par le desir d’apprendre, par cette curiosité manifeste pour la culture, par le besoin d’être en contact avec l’innovation intellectuelle et l’innovation expressive, théatrale, litteraire, cinematographique [...]. Et en même temps, esprit de joie, une joie que n’a jamais été étrangère aux Madrilènes, mais qu’ils avaient un peu oubliée [...] en raison d’une tristesse qui était capable de vaincre le sourire; enfin, culture du corps et culture de l’esprit.”[4]
2.2 ‘la movida’- Kultur der Straße
Was die movida von avantgardistischen ästhetischen oder literarischen Bewegungen unterscheidet ist vor allem ihre Vielseitigkeit. Sie gehört keiner elitären Gruppe von Künstlern an, sie wurde aus keiner Schule entwickelt, stützt sich nicht auf Manifeste und wehrt sich strickt gegen jede Art von Kategorisierung. La movida ist Volkskultur und künstlerische Bewegung in einem.
Die beiden Gesichter der Movida charakterisiert Bessière in seiner ausführlichen Analyse ”A partir des années 1982-1983, un consensus se fait donc pour que ‘Movida’ designat a la fois deux choses: d’une part l’ensemble du courant créatif madrilène de ces années et d’autre part le style de vie principalement nocturn que la jeunesse avait adopté: stylisme de mode, copeo, revues branchées, pubs, musique rock, etc. comme toute mouvance du domaine de la création et de l’expression populaire, la movida ne saurait avoir ni date de naissance certaine ni date de deces indiscutable, pour la simple raison qu’une dynamique de cet ordre ne peut etre generée ni par un manifeste d’artistes ni par un decret gouvernemental.”[5]
[...]
[1] Von Bernecker, Walter L.; Fuchs, Hans; Hofmann Bert u.a., Spanien-Lexikon, Wirtschaft, Politik, Kultur, Gesellschaft (München: Beck’sche Reihe, 1990).
[2] Bessière, Bernard, ”La Culture Espagnole, Les mutations de l’après-Franquisme (1975-1992)”, in der Reihe: Rolland, Denis (Hrsg.) Collection Rechèrches et Documents - Espagne (Paris: L’Harmattan, 1992), Kapitel 8A.
[3] Imbert, Gerard, ”Mythologies nocturnes: la ville comme parcours”, in: Hispanistica XX, Actes du colloque de Dijon: ‘Les mythologies hispaniques dans la seconde moitié du Xxe siècle’ (Dijon: 22-23 Nov. 1985), S. 307-318.
[4] zitiert in französischer Übersetzung in: Bessière, Kapitel 8B.
[5] Bessière, Kapitel 8A..
- Citation du texte
- Ulrike Decker (Auteur), 1999, La Movida - Zeit des Aufbruchs, am Beispiel der Entwicklung des spanischen Kinos zwischen Diktatur und Demokratie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14198
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