Die Debatte um die Würde des Menschen ist heutzutage hoch aktuell. Besonders auf dem Feld der medizinischen Ethik flammt der Streit um die Menschenwürde immer wieder neu auf. Es gibt viele Gründe, die das Ringen um das richtige Verständnis und den richtigen Umgang mit der Würde des Menschen fordern. Es ist die rasante Entwicklung der Biomedizin und Genforschung, die auf den Feldern des therapeutischen Klonens, Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik, der In-vitro-Fertilisation, der Keimbahntherapie usw…, die Ethiker und Theologen unter den enormen Druck setzt, mit einer derartig rasanten Entwicklung mitzukommen. Mit ethischer Spannung geladen sind auch die scheinbar unendlichen medizin-technischen Möglichkeiten der künstlichen Verlängerung oder auch der Beendigung des menschlichen Lebens. Hier tauchen die Problemfelder auf, die im Zusammenhang mit der aktiven und passiven Sterbehilfe und der Debatte um die Patientenverfügung stehen. Aber nicht nur auf dem Feld der Medizin wird die Menschenwürde immer wieder zum Diskussionsgegenstand. Ausgerechnet heute wird die Würde des Menschen auf massivste Weise bedroht. Die schlimmsten Beispiele sind die Kriege: im ehemaligen Jugoslawien, in Afghanistan, im Irak und hochaktuell der Konflikt Israels mit dem Libanon sowie die Auseinandersetzung über die Folter in den amerikanischen Gefangenencamps. Ernstzunehmen sind auch die Entwicklungen in der postmodernen Gesellschaft wie Globalismus, Individualismus und Konsumismus, die in der Leistungs- und Ellbogengesellschaft geradezu gefördert werden. Solche Entwicklungen bringen vor allem die materiell und geistig Ärmsten um ihre Menschenwürde.Diese Situation führt zwangsläufig zu der Frage: Wie ist es möglich, dass in einem christlich geprägten demokratischen Europa, wo man sich gern auf die Menschenrechte beruft, und besonders in Deutschland, wo die Würde des Menschen im Grundgesetz als unantastbarer Wert verankert ist, ein derartiger Werteverfall und häufige Streit darüber herrscht, was den Inhalt der Menschenwürde angeht? Im Folgenden soll der Inhalt des Begriffes „Menschenwürde“ konkretisiert und seine systematische Entwicklung dargestellt werden. Hierbei empfiehlt sich die Erörterung aus natur-philosophischer, philosophisch-ethischer, verfassungs-staatlicher, bio-ethischer und zuletzt christlich-ethischer Perspektive. Ein Exkurs in die ideengeschichtliche Tradition der Menschenwürde wird vorangestellt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Exkurs: Ideengeschichtliche Tradition der Menschenwürde
3. Begriffsklärung und Inhalt der Menschenwürde
3.1 Die Sonderstellung des Menschen in der Natur
3.2 Menschenwürde interkulturell
3.3 Die Würde des Menschen in der Philosophischen Ethik
3.4 Ein höchstes Moral- und Rechtsprinzip der Menschenwürde in der Verfassung
4. Der Streit um die Menschenwürde
4.1 Biomedizin und Menschenwürde
5. Religiöse Inhalte in einer demokratischen Verfassungsstaat
6. Zusammenfassung und Ausblick
Quellangaben
Literaturangaben
1. Einleitung
Die Debatte um die Würde des Menschen ist heutzutage hoch aktuell. Besonders auf dem Feld der medizinischen Ethik flammt der Streit um die Menschenwürde immer wieder neu auf. Es gibt viele Gründe, die das Ringen um das richtige Verständnis und den richtigen Umgang mit der Würde des Menschen fordern. Es ist die rasante Entwicklung der Biomedizin und Genforschung, die auf den Feldern des thera- peutischen Klonens, Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik, der In-vitro-Fertilisation, der Keimbahntherapie usw…, die Ethiker und Theologen unter den enormen Druck setzt, mit einer derartig rasanten Entwicklung mitzukommen. Mit ethischer Spannung geladen sind auch die scheinbar unendlichen medizin-technischen Möglichkeiten der künstlichen Verlängerung oder auch der Beendigung des menschlichen Lebens. Hier tauchen die Problemfelder auf, die im Zusammenhang mit der aktiven und passiven Sterbehilfe und der Debatte um die Patientenverfügung stehen.
Aber nicht nur auf dem Feld der Medizin wird die Menschenwürde immer wieder zum Diskussionsgegenstand. Ausgerechnet heute wird die Würde des Menschen auf massivste Weise bedroht. Die schlimmsten Beispiele sind die Kriege: im ehemaligen Jugoslawien, in Afghanistan, im Irak und hochaktuell der Konflikt Israels mit dem Libanon sowie die Auseinandersetzung über die Folter in den amerikanischen Gefangenencamps. Ernstzunehmen sind auch die Entwicklungen in der postmodernen Gesellschaft wie Globalismus, Individualismus und Konsumismus, die in der Leistungs- und Ellbogengesellschaft geradezu gefördert werden. Solche Entwicklungen bringen vor allem die materiell und geistig Ärmsten um ihre Menschenwürde.
Das Wort Würde kann vom althochdeutschen Adjektiv „wert“ abgeleitet werden. Es macht deutlich, dass die Würde des Menschen in einer Gesellschaft unmittelbar mit den Werten zu tun hat, die diese Gesellschaft verkörpert. Die Entwicklungen im postmodernen Europa hat Bischof F. Kamphaus folgendermaßen zusammengefasst:
„ Was ist uns wichtig? Die Antwort auf diese Frage gibt Auskunft über unsere Lebenskultur. Vor einigen Jahren hat man in der Europäischen Wertestudie zu klären versucht, was den Europ äern am Herzen liegt (vgl. die Europ äische Wertestudie). Das Ergebnis ist eindeutig: Dinge stehen höher im Kurs als das Leben. ‚ Man müsste in Europa das Glück haben, als
Auto zur Welt zu kommen ’ , lautet das spöttische Fazit (P. M. Zulehner).
[ … ] Unsere Wertehierarchie ist einfach auf den Kopf gestellt. “ 1
Diese Situation führt zwangsläufig zu der Frage: Wie ist es möglich, dass in einem christlich geprägten demokratischen Europa, wo man sich gern auf die Menschenrechte beruft, und besonders in Deutschland, wo die Würde des Menschen im Grundgesetz als unantastbarer Wert verankert ist, ein derartiger Werteverfall und häufige Streit darüber herrscht, was den Inhalt der Menschenwürde angeht?2
Im Folgenden soll der Inhalt des Begriffes „Menschenwürde“ konkretisiert und seine systematische Entwicklung dargestellt werden. Hierbei empfiehlt sich die Erörterung aus natur-philosophischer, philosophisch-ethischer, verfassungs-staatlicher, bio-ethi- scher und zuletzt christlich-ethischer Perspektive. Ein Exkurs in die ideengeschichtliche Tradition der Menschenwürde wird vorangestellt.
2. Exkurs: Ideengeschichtliche Tradition der Menschen- würde
Von der Menschenwürde ist schon vor mehr als dreieinhalbtausend Jahren die Rede. Es ist in einem altbabylonischen Weisheitstext, im Rat des Schuruppag, zu lesen:
„Überprüft sei deine Rede, diszipliniert dein Sprechen, das ist die Würde eines Mannes “ 3. Diese Art Würde ist allerdings, im Sinne einer moralischen Leistung, der Rechtschaffenheit zu verstehen.4
Im China des 4. Jh. v. Chr. lehrt Meng Zi, der zweitwichtigste Klassiker des Konfuzia- nismus: „ Jeder einzelne Mensch hat eine ihm angeborene Würde in sich selbst “ .5 Sie ist den Menschen als angeborene Mitgift vom Himmel her verliehen. Hier ist es wichtig zu unterscheiden, dass Meng Zi nicht nur die absolute Würde des Menschen anerkennt, sondern sie auch als universale Mitgiftwürde versteht. Diese Würde muss gesellschaftlich anerkannt sein, durch eine Rechtsordnung gesichert werden und kann von daher durch keine Herrschaft weggenommen oder angetastet werden. Diese Unterscheidung gilt ebenso für den heutigen demokratischen Gesetzgeber.6 Im Abendland findet sich ein erster Beleg für die Menschenwürde „in der zweiten Phase der Stoa (200-50 v. Chr.)“7. Cicero knüpft Mitte des 2. Jh. v. Chr. in seiner Schrift „Über die Pflichten“ an die durch die Vernunft bedingte Sonderstellung des Menschen an. Er erklärt, was der Sache nach mit der klassischen Moralphilosophie der Griechen übereinstimmt: „ Körperliche Lust ist der Vortrefflichkeit des Menschen nicht hinreichend würdig “ 8. So galt für die Stoiker die Auffassung von der unverlierbaren Menschenwürde durch die Teilhabe des Menschen an der Vernunft.9 Später sahen die christlichen Theologen der Antike und des Mittelalters die Würde des Menschen in seiner Gottesebenbildlichkeit. Diese wurde den Christen durch die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus bekräftigt und bestätigt.10 Die Renaissance bringt mit Pico della Mirandola (1463-1494) und seiner humani- stischen Programmschrift: „Über die Würde des Menschen“ eine neue Sicht der Menschenwürde. Auf dem Hintergrund der Stoischen Auffassung, stellt der Mensch einen Makrokosmos dar, der alles in sich vereint. Dieses in ihm angelegte Potenzial mache den Menschen Gott ähnlich. Seine Fähigkeit Menschen, frei zwischen den all in ihm angelegten Möglichkeiten zu entscheiden, ist nach Pico della Mirandola, dem Menschen von Gott gegebene Bestimmung. Die den Menschen auszeichnende Würde ist für Pico della Mirandola seine Freiheit.11 Er muss zwischen dem von Cicero beschriebenen Hang an die Sinnlichkeit und seiner durch Vernunft eröffneten Göttlichkeit selbst entscheiden.12
Die Vernunftbestimmung rückt mit der beginnenden Neuzeit erneut in den Mittelpunkt, und „während der Aufklärung wird die Auffassung der Würde als Freiheit mit der stoischen Auffassung der Würde als Teilhabe an der Vernunft verbunden“13. Immanuel Kant (1724-1804) unterscheidet im Bereich menschlicher Zwecksetzungen zwischen dem, was einen Preis hat, und dem, was nicht zu veräußerlichen ist. Der Mensch ist nach Kant immer Zweck an sich selbst und darf nie als Mittel gebraucht werden. Das macht den Menschen zum Träger seiner Würde.14
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wird der Begriff der Menschenwürde zu einem politischen Schlagwort der Arbeiterbewegung. Forderungen nach der Beendigung des Elends und dem Aufbau eines menschenwürdigen Daseins werden zu den Hauptparolen der Sozialisten.15
Im 20. Jahrhundert setzt, nicht zuletzt unter dem Eindruck der den Menschen entwürdigenden Vorgänge im Dritten Reich, eine erneute Besinnung auf die Menschenwürde ein. So wird nach dem Zweiten Weltkrieg der Menschenwürdebegriff zunehmend sowohl in das nationale wie auch in das internationale Recht aufgenommen. Den Höhepunkt bildet die Bundesrepublik Deutschland, wo die „Menschenwürde den Mittelpunkt des Wertesystems der Verfassung und die Basis sowie der Geltungsgrund der Grundrechte ist“16. So heißt es in Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes von 1949:
"(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt “ .17
3. Begriffsklärung und Inhalt der Menschenwürde
Wenn diese hohe Stellung der Menschenwürde in unserer heutigen Demokratie klar und ihr absoluter Schutz so eindeutig in der Verfassung verankert ist, stellt sich wiederum die Frage: Warum haben wir gerade heute soviel Streit und Schwierigkeiten, uns über den Gehalt der Menschenwürdenorm einig zu sein?
Bevor jedoch die Schwierigkeiten und die Streit um die Würde des Menschen erörtert werden, folgt eine Begriffsklärung, die eine notwendige Grundlage für die Entwicklung des Inhalts der Menschenwürde bildet und dieser Erörterung vorangestellt werden muss. Etymologisch ist das Wort Menschenwürde aus zwei Wörtern zusammengewachsen: „Mensch“ und „Würde“.
[...]
1 Kamphaus, F., Kinder - aus Liebe zum Leben, Brief des Bischofs an die Gemeinden im Bistum Limburg zur österlichen Bußzeit, Bischöfliches Ordinariat (Hg.), Limburg 2004, S. 2.
2 vgl. Werner, M. H., Streit um die Menschenwürde, Bedeutung und Probleme eines ethischen Zentral- begriffs, in: Zeitschrift für medizinische Ethik, Buch, A. J. (Hg.), Jahrgang 46, Heft 4, Ellwangen 2000, S. 264.
3 Höffe, O., Lesebuch zur Ethik. Philosophische Texte von der Antike bis zum Gegenwart, München 21999, S.37.
4 vgl. Höffe, O., Menschenwürde als ethisches Prinzip, in: Gentechnik und Menschenwürde, An den Grenzen von Ethik und Recht, Kirchhof, P. (Hg.), Köln 2002, S. 123.
5 Zi, M., Die Menschliche Natur ist gut, in: Die Lehrgespräche des Meisters Meng K’o, Köln 1982, S. 163, zitiert nach: Höffe, O., Menschenwürde als ethisches Prinzip, a.a.O., S. 124.
6 vgl. Höffe, O., Menschenwürde als ethisches Prinzip, a.a.O., S. 124.
7 Art.: Stoa, in: Encarta Encyclopedia, CD-Rom, Microsoft Corporation 2004.
8 Cicero, M. T., De officiis, Bd. 1, S. 106, zitiert nach: Höffe, O., a.a.O., S. 125.
9 vgl. Reiter, J., Menschenwürde als Maßstab - Aus Politik und Zeitgeschichte (B 23-24-2004), Begriffs- geschichte und Begründung der Menschenwürde, gefunden in: Bundeszentrale für politische Bildung, http://www.bpb.de, am 20.05.2006, um 9.45 Uhr.
10 vgl. Höffe, O, Menschenwürde als ethisches Prinzip, a.a.O., S. 125.
11 vgl. Reiter J., a.a.O.
12 vgl. Höffe, O., Menschenwürde als ethisches Prinzip, a.a.O., S. 126.
13 Reiter. J., a.a.O.
14 vgl. ebd.
15 ebd.
16 ebd.
17 Deutsches Recht, Staats- und Verwaltungsrecht, Bundesrepublik Deutschland, Grundgesetz, Kirchhof, P. (Hg.), Heidelberg 322001, S. 8.
- Quote paper
- Dipl.-theol. Marius Trzaski (Author), 2006, Menschenwürde konkret, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141932
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