Berlin expandiert seit Jahrzehnten rasend schnell. Dazu tragen insbesondere die in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zugewanderten Gastarbeiter bei, welche zuerst in Auffanglagern, später in Sozialwohnungen und Zuwandererquartieren in den Randbezirken Berlins untergebracht wurden. Aber nicht nur Zuwanderer, sondern auch Langzeitarbeitslose oder Bewohner der Stadt, welche unter der Einkommensgrenze leben flechten sich in dieses Gefüge ein.
In den letzten Jahren erwuchs zunehmend die Debatte um die sozialräumliche Verteilung jener Personengruppen als sehr kontroverses Thema.
In vielen Quartieren schien sich gar eine starke Konzentration nach Staatsangehörigkeit zu entwickeln. Diese zeigten nach und nach sogar eigene Kulturen und nach außen weitestgehend geschlossen scheinende institutionelle Systeme, sowie eine fortschreitende homogene Eigendynamik. Damit einher ging eine steigende Angst vor Kriminalität und Gewalt. Für viele Bewohner der restlichen Viertel und insbesondere in den meisten Fällen besser situierter Familien bot sich verstärkt nach dem Fall der Berliner Mauer die Möglichkeit, in die Randgebiete Berlins bzw. ins Berliner Umland zu ziehen. Dies trieb eine Angst vor einer unkontrollierbaren Entwicklung ethnischer Strukturen und einer Entwicklung von Parallelgesellschaften innerhalb der Stadt weiter voran.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Ausgrenzung, Segregation und sozialräumliche Polarisierung
1.1 Begriffsbestimmung: Ausgrenzung und Segregation
1.1.1 Ausgrenzung
1.1.2 Segregation
1.2 Sozialräumliche Polarisation
2. Die Entwicklung nach der ‚Wende‘
3. Das Quartier als Raum sozialer Integration
4. Eine Versuch der Definition des Begriffs ‚underclass‘
4.1 globale Sicht
4.2 lokale Sicht
5. Multiexklusion
6. Gibt es eine „neue städtische Unterklasse“ in Berlin?
7. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Einleitung
Berlin expandiert seit Jahrzehnten rasend schnell. Dazu tragen insbesondere die in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zugewanderten Gastarbeiter bei, welche zuerst in Auffanglagern, später in Sozialwohnungen und Zuwandererquartieren in den Randbezirken Berlins untergebracht wurden. Aber nicht nur Zuwanderer, sondern auch Langzeitarbeitslose oder Bewohner der Stadt, welche unter der Einkommensgrenze leben flechten sich in dieses Gefüge ein.
In den letzten Jahren erwuchs zunehmend die Debatte um die sozialräumliche Verteilung jener Personengruppen als sehr kontroverses Thema.
In vielen Quartieren schien sich gar eine starke Konzentration nach Staatsangehörigkeit zu entwickeln. Diese zeigten nach und nach sogar eigene Kulturen und nach außen weitestgehend geschlossen scheinende institutionelle Systeme, sowie eine fortschreitende homogene Eigendynamik. Damit einher ging eine steigende Angst vor Kriminalität und Gewalt. Für viele Bewohner der restlichen Viertel und insbesondere in den meisten Fällen besser situierter Familien bot sich verstärkt nach dem Fall der Berliner Mauer die Möglichkeit, in die Randgebiete Berlins bzw. ins Berliner Umland zu ziehen. Dies trieb eine Angst vor einer unkontrollierbaren Entwicklung ethnischer Strukturen und einer Entwicklung von Parallelgesellschaften innerhalb der Stadt weiter voran.[1]
Berlins Stadtpolitik reagierte mit zahlreichen Maßnahmen zur Mischung ethnischer Kulturen, also einer versuchten gleichmäßigeren Verteilung aller Bewohner über das Stadtgebiet.[2] Die Absicht hinter diesen Maßnahmen war eine bessere Integration von Zuwanderern, wenn sie in gemischten Wohngebieten mit Einheimischen „in das System hineinwachsen“. Doch die Ängste der Stadtbevölkerung vor räumlich konzentrierten ethnischen Strukturen und einer ghettoähnlichen Entwicklung mancher Stadtteile klang und klingt nicht ab. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema der Entwicklung einer „neuen städtischen Unterschicht“ im Bezug auf Berlins Armen- und Ausländerquartiere.
Im ersten Teil wird die Problemstellung beschrieben, sowie eine Begriffsbestimmung der ethnischen Segregation und derer möglicher Ausprägungen vorgenommen. Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit und Lage der armen und ausländischen Bevölkerung Berlins schließt sich daran an, um ein Verständnis für die Entwicklung räumlicher Verteilungen und Konzentrationen in bestimmten Gebieten zu ermöglichen.
Im zweiten, dem Hauptteil dieser Arbeit, nähere ich mich der Definition des Begriffs „Unterklasse“ oder „underclass“. Dies schließt eine Betrachtung der USA und Frankreichs mit ein. Im Hinblick auf die angedeutete Ghettoisierung, versuche ich weiterführend die Entwicklung in den USA und Frankreichs Banlieus von der sich deutlich unterscheidenden Entwicklung in Deutschland und besonders Berlins abzugrenzen. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei deutlich auf Analyse des Zustandekommens einer mehrfachen Exklusion bestimmter Personengruppen, welche meiner Meinung nach die Ursache für die Entwicklung einer „städtischen Unterklasse“ ist. Daran anknüpfend erfolgt eine Betrachtung der besonders gefährdeten Gruppe jugendlicher Ausländer und junger Erwachsener.
1. Ausgrenzung, Segregation und sozialräumliche Polarisierung
1.1 Begriffsbestimmung: Ausgrenzung und Segregation
1.1.1 Ausgrenzung
Von entscheidender Bedeutung für die Bearbeitung dieses Thema ist die Abgrenzung der Begriffe Ausgrenzung, Segregation und sozialräumliche Polarisierung. Ich nehme bewusst Abstand vom Begriff der Exklusion im Sinne der Diskriminierung, da dieser im Hinblick auf den sozialräumlichen Strukturwandel Berlins missverständlich aufgefasst werden könnte.
Exklusion meint im eigentlichen Sinne den Ausschluss einzelner Personen von einem Vorhaben oder Anlass. Die Soziologie versteht den Begriff der Ausgrenzung oder Exklusion als einseitigen Ausschluss von Personen oder Gruppen aus sozialen Kreisen oder der Gesellschaft. Die Herausbildung neuer sozialer Ungleichheitsstrukturen geht damit einher. Dieser Begriff des Ausschlusses ist gleichzusetzen mit dem Entzug politischer und sozialer Teilhabechancen und drückt eine weitaus schärfere Abwertung aus, als die später definierten Begriffe der Segregation und sozialräumlichen Polarisierung.
Laut Hartmut Häußermann[3] stellt Ausgrenzung einen Prozess der Entfernung einzelner Individuen oder Haushalte vom gesellschaftlichen Standard dar. Sie hätten keinen Zutritt mehr zum Arbeitsmarkt und befänden sich angesichts unüberwindlicher institutioneller Schranken und des Verlustes des eigenen Selbstwertgefühls in einer aussichtlosen Lage in der „die Brücken zur „normalen“ Gesellschaft verloren gegangen sind.“[4]
Ausgrenzung kann sich auf sämtliche Personen einer Gesellschaft beziehen. Es sind jedoch im gegebenen Rahmen drei Bevölkerungsgruppen, welche besonders von Ausgrenzung betroffen sind und sich in einem sozialen Abstieg befinden. Innerhalb dieser drei Gruppen kann der Begriff auf Grund persönlicher Abkapselung von der Gesellschaft und innerer Kündigung mit den Lebensumständen und unterstützender Hilfeleistung sogar teilweise als Isolation begriffen werden.
Als erste Gruppe nennt Häußermann die Gruppe der Arbeitslosen, die gekennzeichnet ist durch eine Zunahme der Dauer der Arbeitslosigkeit. Hierfür können vielfältige Ursachen gekannt werden, wie z.B. Schulbildung, soziale und ethnische Herkunft, Berufswahl, etc. Von Bedeutung ist der seit den 70er Jahren kontinuierliche Anstieg der Arbeitslosigkeit von 2% auf 11%[5], der den Prozess der Dauerarbeitslosigkeit fördert und unterhält.
Die zweite Gruppe umfasst Individuen die durch ihr engstes soziales Umfeld nicht mehr aufgefangen werden. Die Auffangmöglichkeiten durch Familie und Verwandte werden angesichts der sich in Richtung Individualhaushalt wandelnder Familienhaushalte geringer. Und erzielen somit keine Wirkung mehr. Zu einem großen Teil gehören alleinerziehende Mütter dieser Gruppe an. Diese Haushalte sind zunehmend von andauernder Arbeitslosigkeit oder gar Armut bedroht.
Die dritte betroffene Gruppe stellen Migranten dar. Jenen ist auf Grund der Zugehörigkeit zu Subkulturen und ethnischen Minderheiten oftmals der Zutritt und Unterstützung von Behörden verwehrt. Soziale Randständigkeit, Diskriminierung auf Wohn- und Arbeitsmärkten und fehlende politische Rechte dramatisieren diesen Tatbestand weiter.
1.1.2 Segregation
Eine starke punktuelle Konzentration bestimmter marginalisierter Bevölkerungsgruppen, wie die oben genannten ist im Allgemeinen als Segregation bekannt. Dies meint im wissenschaftlichen Sinne eine sozialräumliche Abgrenzung von der Norm- Gesellschaft und findet speziell in Großstädten, aber auch deren Umland statt.
Die Sortierung der Bevölkerung nach Wohngebieten kann hierbei verschiedenster Gründe haben:
Wohngebiete mit niedrigem Mietzins üben generell eine starke Anziehungskraft speziell auf unqualifizierte Arbeitnehmer aus, welche auf dem Arbeitsmarkt keine Erwerbschancen sehen und aus täglicher Not auf erschwingliche Quartiere angewiesen sind.
Gleichermaßen betroffen sind in diesem Zusammenhang Personen, welche sich angesichts sinkender Sozialleistungen und finanzieller Engpässe der Städte in ähnlicher Lage befinden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Breßler,C.: Segregation -http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Segregation_3status.png (Stand 24.02.2008)
1.2 Sozialräumliche Polarisation
Vor dem Hintergrund des Falls der Berliner Mauer und somit dem Ende der DRR betrachtet, ergeben sich weiterführend noch dramatischere Entwicklungen.
In den östlichen Gebieten Berlins wurden Wohnungen einst von staatlicher Hand und der kommunalen Wohnungsverwaltung (KWV) zugeteilt. Nach dem Wegfall der Grenze war dies nicht mehr der Fall und die nun privaten Vermieter suchten sich ihre Mieter zunehmend nach selbst gewählten Kriterien aus. Es wurden viele Wohnungen und ganze Gebiete u.a. im Zuge des Konzepts der ‚Stadterneuerung‘ neu gebaut, wodurch alte an Attraktivität verloren.[6] Zudem wanderten immer mehr ökonomisch besser situierte Familien bzw. Mehrpersonenhaushalte ins Umland ab, wodurch eine „Gentrifikation der City“[7] stattfand.
Im Westteil stieg der Mietzins dramatisch an und verschreckte mehr und mehr die Bevölkerung der unteren Verdienstklassen. Die ursprünglichen Muster der Verteilung der Bevölkerung hatten sich grundlegend geändert und es zeigte sich eine starke Abgrenzung von Bevölkerungsgruppen in Wohngebieten, welche sich nach Kaufkraft und höherem Sozialprestige einteilten. Viele Wohngebiete mit einer primär stärkeren sozialen Vermengung wandelten sich in Quartiere für sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen.[8]
[...]
[1] vgl.: Bölsche, J.; Bönisch, G.; Bruhns, A.; Cziesche, D.; Dahlkamp, J.; Fröhlingsdorf, M.; Holm, C.; Mekhennet, S.; Meyer, C.; Schmid, B.; Stark, H.; Ulrich, A.; Wiest, S.: „Die Rückseite der Republik“ in „Der Spiegel“ (04.03.2002 – Ausgabe 10/2002), S.36
[2] vgl.: Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Senatskanzlei/Planungsstelle (Hg.): „Eingliederung der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien.“ (Berlin 1972), S. 27
[3] vgl.: Häußermann,H.: „Die Krise der sozialen Stadt“; Aus Politik und Zeitgeschichte (B10-11/2000)
[4] vgl.: a.a.O., S. 13
[5] vgl.: Häußermann, H., Kronauer, M., Siebel, W.: „Stadt am Rand: Armut und Ausgrenzung“ in: dieselben (Hrsg.), An den Rändern der Städte, Ffm 2004, S. 9
[6] vgl.: Häußermann, H., Kapphan, A.: „Berlin: Ausgrenzungsprozesse in einer europäischen Stadt“, in: Häußermann u.a. (Hrsg.), An den Rändern der Städte, Ffm 2004, S. 215
[7] Hohm, H.-J., „Urbane soziale Brennpunkte, Exklusion und soziale Hilfe“, Leske + Budrich (Opladen 2003), S.25
[8] vgl.: Häußermann, H., Kapphan, A.: „Berlin: Ausgrenzungsprozesse in einer europäischen Stadt“, in: Häußermann u.a. (Hrsg.), An den Rändern der Städte, Ffm 2004, S. 215
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- Johannes-Maximilian Brede (Author), 2008, Gibt es eine „neue städtische Unterklasse“?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141835
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