Sprache und rhetorischer Stil nehmen bei La Fontaines Werken eine zentrale Stellung ein. Fabeln als Literaturgenre existieren schon seit der Antike, mit Jean de La Fontaine jedoch erlebt das Genre einen Aufschwung und wird gesellschaftsfähig. Was genau La Fontaine von anderen Fabulisten unterscheidet und wie er es schafft mit Sprachstil und Komik den Fabeln zu einer neuen Stellung in der Gesellschaft zu verhelfen wird in folgender Arbeit behandelt.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Die Sprache im 17. Jahrhundert
La Fontaine – ein klassischer Schriftsteller?
Die fünf Sprachstile
La langue populaire
La langue empruntée
La langue créée
La langue archaïque
La langue technique
Die fünf Stilrichtungen
Le style burlesque
Le style héroï-comique
Le style simple et réaliste
Le style tempéré («ou pourvu de quelques ornements»)
Le style lyrique et sublime
Komik – „L´Art d´amuser“
Le comique de description
Le comique de gestes et de voix
Le comique de langage
Le comique de situation
Le comique de caractère
Schlusswort
Literaturverzeichnis
Internetquellenverzeichnis
Einleitung
Der (Sprach-)Stil nimmt bei La Fontaines Fabeln eine ganze zentrale Stellung ein. Er ist es, der die Fabeln zu einem besonderen Werk macht. Es ist ja nicht so, dass die Fabeln von La Fontaine neu kreiert wurden. Dieses literarische Genre existiert schon seit der Antike und wurde immer wieder von verschiedensten Schriftstellern aufgegriffen. Allerdings zählten die Fabeln nie wirklich zu den gesellschaftlich angesehenen Literaturgenres. Seit La Fontaine haben sich die Stellung und das Ansehen verändert. Die kurzen Fabelgeschichten wurden, könnte man sagen, „gesellschaftsfähig“. Das ist auch ein Grund warum Jean de La Fontaine bis heute der berühmteste „fablier“ oder „fabuliste“ bleibt.
Aber was genau ist es, das den Fabulist von den anderen Fabeldichtern unterscheidet? Wieso hat La Fontaine den Fabeln eine völlig neue Stellung in der literarischen Landschaft verschaffen können? Inwiefern unterscheidet sich sein Sprachstil von dem seiner Zeitgenossen? Und wie schafft es der Dichter, dass die Fabeln belehrend und unterhaltend zugleich sein können?
All diese Fragen möchte ich im Laufe dieser Arbeit behandeln und versuchen, zumindest ansatzweise, zu beantworten. Ein besonderes Augenmerk in meiner Analyse gilt dem Sprachstil von La Fontaine, der sich sowohl in den von ihm vertretenen Stilrichtungen als auch in den verschiedenen Arten der Komik wiederfindet.
Um zu verstehen inwiefern sich La Fontaines Sprachstil von dem der zeitgenössischen Dichter unterscheidet, ist es zu Beginn notwendig sich mit der Zeit der Klassik auseinander-zusetzen und zu klären, welche Stellung die Sprache im 17. Jahrhundert einnahm. Im zweiten Kapitel sollen auch kurz die wichtigsten Charakteristika der klassischen Dichtung erläutert werden. In den darauffolgenden Kapiteln wird schließlich ganz konkret auf Sprache, Stil und Komik eingegangen, wobei sich die Erkenntnisse zum größten Teil auf das Werk von Pierre Bornecque stützen werden.
Die Sprache im 17. Jahrhundert
Im 17. Jahrhundert herrschte in Frankreich eine Periode der „literarischen Fruchtbarkeit“. Die Literatur wurde von der absoluten Herrschaft des Königs unterstützt und fand großen Anklang am Hof und in den Salons.[1]
In Versailles herrschte während dem 17. Jahrhundert eine Atmosphäre der „Galanterie“, welche zu dieser Zeit die Raffinesse in Gestik und Wort und vor allem den Eifer dem anderen Geschlecht zu gefallen bezeichnete. Die „Galanterie“ spiegelt sich in jeder Art von Ausdruck und Benehmen wider. Die Männer am Hof waren ehrlich, bürgerlich, gelehrt und zugleich verführerisch. Die „conversation galante“ zeigt wer es verdiente sich ihm zu widmen. Es gab sogar ein Abkommen, das sogenannte „Traité des lois de la galanterie de 1658“, welches genaue Regeln festhielt. Demnach sollte der Diskurs bemüht geistreich, erfinderisch und überraschend sein. Die Sprache gemäßigt, natürlich und im Idealfall weder schulmeisterlich, noch mit Stilfiguren überladen. Die wichtigsten Diskussionsthemen waren der Mensch und die Liebe. Auch der Humor war feiner und intelligenter als die „comique grossière“ des vorigen Jahrhunderts.
In den Salons kommt es zu regelrechten verbalen Kämpfen. Man wurde ständig an den Pointen seines Diskurses gemessen und musste sich vor dem gesamten Hof behaupten. Vor allem für literarische Genres, die sehr kurz waren (poésie légère), wie z.B. Fabeln, Märchen, Epigramme, Rondos, Enigmen (Rätsel), etc. bedeutet diese Atmosphäre einen Aufschwung.
Damit sich die Fabeln von dem Rest der „poésie légère“ abgrenzen konnten, mussten sie dem oben beschrieben Sprachideal nachkommen. Das Thema der Fabeln war der Mensch unter all seinen Aspekten, der Ton war elegant, leger und heiter und die Sprache sollte natürlich, naiv sein und sich an die „vieux language“ anlehnen. Auch die interne Dynamik, wie etwa die Kürze und die Kunst des Erzählens und der Überraschung, spielte eine wichtige Rolle.
La Fontaine – ein klassischer Schriftsteller?
Jean de La Fontaine zählt zu den Dichtern und Schriftstellern der französischen Klassik, die sich an strenge ästhetische Regeln nach Boileau („Art poétique“) halten: „la pureté, le naturel, la clarté de la langue“[2]. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der französischen Klassik ist die Imitation der antiken Kunst.
So bekennt auch La Fontaine in seiner Préface, dass er nur die „großen Männer“ der Antike zu imitieren versucht, diese jedoch nie erreichen werde[3].
Im Laufe der Jahre arbeitete La Fontaine, dessen Ziel es war die Leser zu verzaubern, intensiv an seiner Sprache und seinem Stil. Er wollte einerseits die antiken Schriftsteller imitieren, versuchte jedoch andererseits in seinen Werken einen eigenen Sprach- und Schreibstil zu entwickeln. Er veränderte die gesamte Organisation der Fabel: die Erzählweise, die Art seine Personen sprechen zu lassen, die Art der Dialoge, die Sprache und Stilrichtungen[4].
La Fontaine wagte es Elemente einzubauen, die in der klassischen Tradition eher verpönt waren. Vor allem Nicolas Boileau, der die Fabel als „genre mineur“ verstand, war mit der Verwendung von altertümlichen Sprichwörtern und Redewendungen, die in dieser Epoche als vulgär und ordinär galten, nicht einverstanden. Genau diese Mischung aus Imitation und Eigenkreation war es jedoch, die die Fabeln von La Fontaine zu einem Meisterwerk der „poésie légère“ machte. Die Eigenheit seiner Sprache ist bis heute etwas Besonderes. Karl Vossler formulierte dazu sehr passend:
„La Fontaines Französisch ist keine Sprache des Augenblicks oder der Mode, sondern eine Art neufranzösisches Altfranzösisch, eine Sprache, die Jahrhunderte umfaßt. Es ist auch keine Sprache des Hofes, sondern eine Art höfisches Volksfranzösisch. […] … La Fontaines Sprache: alt und frisch, urständig und anmutig, derb und lieblich zugleich;“[5]
Wir sehen also, dass der klassische Dichter La Fontaine seiner Epoche schon ein großes Stück voraus war und er sich von Zeitgenossen wie Molière, Racine, Corneille, etc. sehr wesentlich durch seine Rhetorik unterschied.
Die fünf Sprachstile
La Fontaine ist nicht nur ein Künstler im Umgang mit der Sprache, er besitzt zudem eine außerordentlich „reiche“ Sprache. Während Dichter wie Corneille ca. 3.000 Wörter verwenden, bedient sich La Fontaine durchschnittlich 6.000. Das liegt wahrscheinlich daran, dass er sich nicht scheute Wörter aus allen möglichen Lebensbereichen seinem Vokabular hinzuzufügen. La Fontaine wollte sich nicht auf die höfische, „niveauvolle“ Sprache beschränken. Er pickte sich aus vielen verschiedenen Registern, regionalen Dialekten, anderen Sprachen, sowie dem Altfranzösischen Wörter, Redewendungen und Sprichwörter heraus und kreierte seinen ganz eigenen Sprachstil. Pierre Bornecque unterteilt La Fontaines Sprache in fünf einzelne Stile:[6]
La langue populaire
Als „langue populaire“ bezeichnet man eine Sprache, die sehr volksnahe ist und hauptsächlich am Land gesprochen wird. Bornecque zählt dazu Wörter von eher niedrigem Niveau wie z.B. «crotte», «crasseux», familiäre Ausdrücke wie etwa « bien et beau », « enfiler la venelle », « tirer le long », sowie Sprichwörter: « il ne faut pas vendre la peau de l´ours qu´on ne la tienne », « un trompeur trouve qui le trompe », « tirer les marrons du feu ».
La langue empruntée
Die „langue empruntée“ entlehnt Wörter aus anderen Sprachen oder Sprachstilen und knüpft sie in die eigene Sprache ein. La Fontaine verwendet Wörter sowohl aus fremden Sprachen wie dem Lateinischen (quidam) und dem Griechischen (Méridarpax, Psicarpax), als auch von zeitgenössischen Dichtern wie Rabelais (Rodilard, Grippeminaud) oder Cyrano de Bergerac (Garo).
La langue créée
Als „lanuge créée“ bezeichnet man einen Sprachstil, der sich aus neuentwickelten Wörtern, so genannten Neologismen, zusammensetzt. Der Fabulist verwendet sowohl richtige Neologismen wie « grimacière », « escarbote », als auch Wörter, deren Bedeutung er verändert: Das Wort „pèlerine“ bedeutete ursprünglich „Pilgerin“, wird von La Fontaine jedoch im Sinne von „une personne sans réflexion“ eingesetzt.
La langue archaïque
Der archaische Sprachstil setzt sich, wie der Name schon sagt, aus Archaismen, d.h. „Sprachformen, die aus der Sicht der zeitgenössischen (Literatur-)Sprache veraltet oder am Veralten waren und welche aufgrund dieser archaischen Wirkung […] aus dem hochsprachlichen „Bon Usage“ ausgeschlossen wurden“[7], zusammen.
Einige Beispiele: „engeigner“, „déduit“, „noise“, „gâter“.
[...]
[1] In diesem Kapitel beziehe ich mich hauptsächlich auf folgendes Werk: La Fontaine, J. d. (2004): Fables. Textes choisies + dossier. Paris: Gallimard, S.185-188.
[2] Ebd. S.195.
[3] Vgl. ebd. S. 14.
[4] Vgl. Bornecque, P. (1984). La Fontaine, fables. Profil d´une oevre. Frankfurt am Main, S.53.
[5] Vossler, K. (1919). La Fontaine und sein Fabelwerk. Heidelberg: Winter, S.97.
[6] In den folgenden drei Kapitel „Die fünf Sprachstile“ und „Die fünf Stilrichtungen“ beziehe ich mich hauptsächlich auf die Einteilung von Pierre Bornecque S. 51-58 und übernehme bewusst die von ihm verwendeten französischen Termini, da sich diese oft nicht eins zu eins ins Deutsche übersetzen lassen bzw. anders konnotiert sein können als im Französischen.
[7] Stefenelli, A. (1987). Die lexikalischen Archaismen in den Fabeln von La Fontaine: lexikologische Bestandsaufnahme; Distribution und Funktionen; wortgeschichtliches Fortwirken. Passau: Wiss.-Verl. Rothe, Einleitung S.5.
- Citar trabajo
- Klaudia Bachinger (Autor), 2007, Sprache, Stil und Komik in den Fabeln von Jean de La Fontaine, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141799
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