Ziele der Organisationsentwicklung sind gleichzeitig eine Humanisierung der Arbeitsbedingungen und die Verbesserung der Leistungsfähigkeit einer Organisation (Steigerung der Flexibilität der Organisation und Förderung von Veränderungs- und Innovationsbereitschaft).
Die Arbeit geht - auf grundlegender Ebene und ohne in die Details zu gehen - der Möglichkeit der Modernisierung der Justizverwaltung durch Konzepte der Organisationsentwicklung nach.
Inhaltsverzeichnis
I. Allgemeines zur Organisationsentwicklung (OE)
1. Hintergrund
2. Begriff
3. Historie
4. Elemente eines Organisationsentwicklungsprozesses
5. Folgerungen für die Mitarbeiter
6. Gefahren eines Organisationsentwicklungsprozesses
II. Organisationsentwicklung in der Justizverwaltung
1. Übertragung der OE auf die Justiz
2. Konkrete Umsetzungen
a) Durchführung von Organisationsuntersuchungen
b) Schaffung eines Leitbilds
c) Arbeit in Service-Einheiten
d) Qualitätszirkel
e) Flankierende Maßnahmen
III. Kritische Würdigung
Literaturverzeichnis
I. Allgemeines zur Organisationsentwicklung (OE)
1. Hintergrund
Ausgangspunkt der Überlegungen, die hinter dem Konzept der Organisationsentwicklung stehen, ist das in Unternehmen und auch in der öffentlichen Verwaltung noch vorherrschende Modell der sogenannten tayloristischen Arbeitsorganisation (nach der Lehre des "Scientific Management"), das nicht mehr als zeitgemäß und deshalb als überholungsbedürftig angesehen wird.
Darunter versteht man eine Organisation mit starker Arbeitsteilung, bei welcher der einzelne Mitarbeiter nur eine genau umschriebene Funktion wahrnimmt (Musterbeispiel: Arbeiter am Fließband), ohne einen Gesamtprozess im Auge zu haben. Der Mensch wird in der extremen Ausprägung lediglich als verlängerter Arm der Maschine angesehen, die Arbeitsgänge sind zerstückelt, und es herrscht eine strikte Hierarchie, wobei "oben" gedacht und geplant, "unten" dagegen ausgeführt und gehandelt wird[1]. Dies wurde zumindest früher als vorteilhaft angesehen, da sich der einzelne Mitarbeiter stark spezialisieren kann und auch ein ungebildeter, wenig qualifizierter Mitarbeiter, der mit einer Gesamtaufgabe überfordert wäre, leicht gewinnbringend eingesetzt werden kann.
Der Nachteil der Vergabe solch isolierter Aufgaben liegt jedoch darin, dass die Arbeit monoton ist und die Mitarbeiter dadurch demotiviert werden, dass sie den Gesamtzusammenhang nicht erkennen oder jedenfalls am Einzelfall nicht bis zum Ende mitverfolgen können. Außerdem trägt keiner die Verantwortung für das Gelingen der Gesamtaufgabe, wenn jeder nur einen Teil erledigt. Im übrigen ist eine tayloristische Organisation nicht gerade menschenfreundlich, was schon früh von der "Human Relations Bewegung" geltend gemacht wurde.
Tayloristische Organisationen sind jedenfalls dann nicht angebracht, wenn das Personal höherqualifiziert ist, da höherqualifizierte Menschen durch Arbeitsformen mit stark zergliederter Arbeitsteilung unterfordert werden. Nachdem im Laufe der Industrialisierung mit Hilfe der arbeitsteiligen Organisation Fortschritte in der Technik und im Bildungswesen immer weiter befördert wurden, ist eine Höherqualifizierung heutzutage so weit vorgedrungen und auch so leicht zu verbessern und zu unterstützen, dass nunmehr der Trend dahin geht, Mitarbeiter mit Gesamtaufgaben zu betrauen, da diese den Fähigkeiten und Wünschen des Personals besser entsprechen. Die "Emanzipation durch Bildung" bringt neue Erwartungen an die betriebliche Arbeit mit sich[2]. Es geht darum, kreative Potentiale der Mitarbeiter zu wecken und diese nicht durch Zuweisung fester Einzelaufgaben verkümmern zu lassen.
Organisationsentwicklung richtet sich aber nicht allein gegen das Konzept des Taylorismus, sondern hat die eigenständige Aufgabe, eine Erstarrung alter Strukturen zu verhindern. Dabei wird den Mitarbeitern eine für den Wandel zentrale Rolle zuerkannt. Gerade bei den Mitarbeitern müsse angesetzt werden, da dort die Gefahr von Widerständen gegen Veränderungen besteht. Denn durch jede Änderung werden auch Machtstrukturen, Herrschaft über Ressourcen und der Einfluss auf Entscheidungen verändert. Durch das Konzept der Organisationsentwicklung sollen deshalb die Mitarbeiter motiviert werden und ein Änderungsverhalten lernen[3].
2. Begriff
Der Begriff ist eine Übersetzung des aus den USA stammenden "Organizational Development"[4]. Es wird eine Fülle von Definitionen vertreten, die sich in Einzelheiten unterscheiden. Als Organisationsentwicklung kann man alle Schritte und Maßnahmen bezeichnen, die darauf gerichtet sind, wesentliche Aspekte einer Organisation, nämlich Arbeitsabläufe, kommunikative Prozesse, Strukturen, die Organisationskultur oder -dynamik eines Unternehmens oder ihr Gesamtgefüge unter maßgeblicher Beteiligung der Mitarbeiter in Richtung auf vorgegebene Ziele zu optimieren[5]. Anders ausgedrückt handelt es sich um eine Strategie des geplanten und systematischen organisationalen Wandels, der durch die Beeinflussung von organisationaler Struktur, Unternehmenskultur und individuellem Verhalten zustande kommt, und zwar unter größtmöglicher Beteiligung der betroffenen Arbeitnehmer[6]. Einigkeit besteht über die Ziele der Organisationsentwicklung.
Ziele der Organisationsentwicklung sind gleichzeitig[7]:
1. die Humanisierung der Arbeitsbedingungen und
2. die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation (andere formulieren: Steigerung der Flexibilität der Organisation und Förderung von Veränderungs- und Innovationsbereitschaft).
Der prinzipiell dieser dualen Zielsetzung innewohnende Konflikt wird gelöst, indem die Mitarbeiter soweit wie möglich ihre Bedürfnisse in den Prozess der Veränderung einbringen und damit konkrete Fragen und Probleme der täglichen Arbeit und der gemeinsamen arbeitsbezogenen Zukunft lösen. Es wird darauf gesetzt, dass Erhöhung der Effektivität und Verbesserung der Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter komplementär sind oder sein können[8]. Organisationsentwicklung setzt auf die Initiierung von Eigendynamik, um letztlich eine "lernende Organisation" hervorzubringen. Kennzeichen einer "lernenden Organisation" sind Kunden- und Wertschöpfungsorientierung, Dezentralisierung, Nutzung von kleinen wertschöpfungsnahen (Selbst-)Regulationsmechanismen, kontinuierliche Verbesserung, Etablierung von lebenslangem Lernen und den entsprechenden Strukturen, permanente Integration von Lernen und Arbeiten sowie ständige Erneuerung der Unternehmensorganisation[9]. Das Konzept der Organisationsentwicklung geht davon aus, dass eine Organisationsänderung nur möglich ist, wenn auch die beteiligten Menschen in die Wandlungsprozesse einbezogen werden, ja wenn sie in den Mittelpunkt gestellt werden[10]. Zunächst müssten Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen geändert werden, bevor sich eine Organisation (als Institution) ändern könne. Nach dem Menschenbild der OE-Autoren ist der Mensch während seiner gesamten Zugehörigkeit zu sozialen Systemen entwicklungsfähig[11]. Mit Organisationsentwicklung sollen Unternehmen zu einem neuen System eines Qualitätsnetzwerkes (Quality Network) umgestaltet werden. Jeder Mitarbeiter wird praktisch zum Unternehmer in seinem und für sein Unternehmen, da er den persönlichen Wertschöpfungsbeitrag reflektieren und optimieren, also unternehmerisch denken soll[12]. Die Unternehmen werden von "Anweisungsgesellschaften" in "Beteiligungsgesellschaften" umstrukturiert[13]. In erwerbswirtschaftlichen Unternehmen bedeutet dies eine reine Ausrichtung aller Aktivitäten im Unternehmen auf Kundenerwartung und Kundenzufriedenheit, in der öffentlichen Verwaltung sind natürlich gesetzliche Vorgaben und Bindungen zu beachten. Forderungen der Organisationsentwicklung im privaten und öffentlichen Sektor sind, unter Berücksichtigung demokratischer Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten die Verantwortung für die Arbeitsergebnisse ganzheitlich zu gestalten und die Kompetenzen möglichst weitgehend zu dezentralisieren, um Entscheidungsfreiräume zu schaffen und Entscheidungswege zu verkürzen, was letztlich die Motivation der Beschäftigten und die Bürgerfreundlichkeit verbessern soll[14].
[...]
[1] Bindernagel NRW Justiz intern 1/2000, S. 9 (10).
[2] Becker S. 21.
[3] Thieme Rn. 236.
[4] Becker S. 22.
[5] Engelhardt/Graf/Schwarz S.64, Frese-Thom S. 1478.
[6] Antoni, zitiert nach Becker S. 22, ähnlich Frese-Thom S. 1478, Gablers Wirtschafts-Lexikon.
[7] Becker S. 22, Bindernagel NRW Justiz intern 1/2000, S. 9 (10), Engelhardt/Graf/Schwarz S. 68, Fatzer S. 433 (=Grundsätze der Gesellschaft für Organisationsentwicklung GOE e.V.), Frese-Thom S. 1478 und 1479, Gablers Wirtschafts-Lexikon, Hüffer S. 47.
[8] Engelhardt/Graf/Schwarz S. 68, Gablers Wirtschafts-Lexikon.
[9] Kröll/Schnauber Kap. 1.2.
[10] Thieme Rn. 236.
[11] Frese-Thom S. 1478.
[12] Becker S. 23.
[13] Becker S. 24.
[14] Chmel S. 84.
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.