Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Verbindung von Nationalismus und Rassismus. Dabei lagen folgende Ausgangsfragen zugrunde: Inwieweit sind Nationalismus und Rassismus voneinander unterschiedliche Phänomene? Oder sind sie unweigerlich miteinander verbunden? Kann man die Begriffe gar synonym verwenden?
Die jüngere sozialwissenschaftliche Rassismusforschung betont, dass es einen unweigerlichen Zusammenhang von Nationalismus und Rassismus gibt. Das Hauptargument ist, dass der Nationalismus Kriterien der Inklusion und Exklusion bedarf. Das heißt, in jedem Nationalismus muss zwischen Eigen- und Fremdgruppe differenziert werden. Der Rassismus bietet dem Nationalismus dafür scheinbar wissenschaftlich fundierte, „natürliche“ Kategorien an, mit deren Hilfe leicht und plausibel zwischen Eigen- und Fremdgruppe differenziert werden kann.
Trotz dieser funktionalen Parallelen sind Nationalismus und Rassismus nicht identisch. In der extremsten Form der Verknüpfung, wie im deutschen Nationalsozialismus geschehen, wurde jedoch die biologisch definierte „Rasse“ selbst zum einzigen Bestimmungsfaktor der Nation.
Doch wie konnte es dazu kommen, wurde doch der frühe deutsche Nationalismus als „liberal“ und „emanzipatorisch“ in enger Verbindung mit den Idealen der Französischen Revolution stehend, bezeichnet? Welche Einflüsse ließen den deutschen Nationalismus so „radikal“ werden und ihn in der Entartung durch den Nationalsozialismus enden?
Ein historischer Abriss über die Entstehung der beiden Phänomene Nationalismus und Rassismus sowie deren Definition, wie er im ersten Abschnitt der Arbeit erfolgt, soll zur Beantwortung dieser Fragen beitragen. Wo kamen die rassistischen Überzeugungen der Nationalsozialisten her und wie konnten sie eine so breite Massen-wirkung entfalten? Unweigerlich mit dieser Frage ist auch die Frage nach den zugrunde liegenden Vorstellungen von einer deutschen Nation verbunden. Denn in Anlehnung an die neuere Nationalismusforschung sind Nationen im wesentlichen Konstrukte von Intellektuelleneliten, die von den sich entwickelten Massenkommunikationsmitteln in die jeweiligen Gesellschaften hineingetragen werden...
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. WAS IST RASSISMUS?
2.1. Entstehungsgeschichte
2.2. Definition
2.3. Rassismus als Ideologie
3. WAS IST NATIONALISMUS?
3.1. Entstehungsgeschichte
3.2. Erscheinungsformen des Nationalismus
3.3. Definition
3.3. historische Schnittstelle(n) zwischen Nationalismus und Rassismus
5. RASSISMUS UND NATIONALISMUS IM NATIONALSOZIALISMUS
5.1. deutscher Nationalismus vor der Reichsgründung
5.2. Wandlung des Nationalismus nach der Reichsgründung und beginnender Antisemitismus
5.3. Nationalsozialismus
6. FAZIT
LITERATUR
Die Verbindung von Rassismus und Nationalismus am Beispiel des Nationalsozialismus
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Verbindung von Nationalismus und Rassismus. Dabei lagen folgende Ausgangsfragen zugrunde: Inwieweit sind Nationa- lismus und Rassismus voneinander unterschiedliche Phänomene? Oder sind sie un- weigerlich miteinander verbunden? Kann man die Begriffe gar synonym verwenden?
Die jüngere sozialwissenschaftliche Rassismusforschung betont, dass es einen unweigerlichen Zusammenhang von Nationalismus und Rassismus gibt. Das Hauptargument ist, dass der Nationalismus Kriterien der Inklusion und Exklusion bedarf. Das heißt, in jedem Nationalismus muss zwischen Eigen- und Fremdgruppe differenziert werden. Der Rassismus bietet dem Nationalismus dafür scheinbar wissenschaftlich fundierte, „natürliche“ Kategorien an, mit deren Hilfe leicht und plausibel zwischen Eigen- und Fremdgruppe differenziert werden kann.1
Trotz dieser funktionalen Parallelen sind Nationalismus und Rassismus nicht identisch. In der extremsten Form der Verknüpfung, wie im deutschen Nationalsozialismus geschehen, wurde jedoch die biologisch definierte „Rasse“ selbst zum einzigen Bestimmungsfaktor der Nation.2
Doch wie konnte es dazu kommen, wurde doch der frühe deutsche Nationalismus als „liberal“ und „emanzipatorisch“ in enger Verbindung mit den Idealen der Französi- schen Revolution stehend, bezeichnet? Welche Einflüsse ließen den deutschen Nati- onalismus so „radikal“ werden und ihn in der Entartung durch den Nationalsozialis- mus enden?
Ein historischer Abriss über die Entstehung der beiden Phänomene Nationalismus und Rassismus sowie deren Definition, wie er im ersten Abschnitt der Arbeit erfolgt, soll zur Beantwortung dieser Fragen beitragen. Wo kamen die rassistischen Überzeugungen der Nationalsozialisten her und wie konnten sie eine so breite Massenwirkung entfalten? Unweigerlich mit dieser Frage ist auch die Frage nach den zugrunde liegenden Vorstellungen von einer deutschen Nation verbunden. Denn in Anlehnung an die neuere Nationalismusforschung sind Nationen im wesentlichen Konstrukte von Intellektuelleneliten, die von den sich entwickelten Massenkommu- nikationsmitteln in die jeweiligen Gesellschaften hineingetragen werden. Dabei defi- nieren die Eliten die Zugehörigkeitskriterien und bestimmen gleichsam, wer nicht zur Nation gehört.
Das Verknüpfungspotential von Rassismus und Nationalismus kann nur über den historischen Zusammenhang erschlossen werden. Mit den Worten von Etienne Balibar gesprochen, ist „… die Verbindung von Nationalismus und Rassismus weder eine Frage der Pervertierung ( … ) noch eine Frage formaler Ä hnlichkeit, sondern eine Frage der jeweiligen historischen Verkn ü pfung. “3
2. Was ist Rassismus?
2.1. Entstehungsgeschichte
Frühe Vorformen des Rassismus lassen sich bis in die Antike und das Mittelalter zurückverfolgen. Der Begriff „Rasse“ ist aus dem arabischen „raz“, was Kopf, An- führer oder auch Ursprung bedeutet, und dem lateinischen „radix“, was soviel wie Wurzel heißt, abgeleitet. Erstmals trat der Begriff vermehrt im 15. Jahrhundert auf, meist zur Beschreibung machtvoller Adelsfamilien oder in der Pferdezucht. „Rasse“ diente in diesen Fällen als Sammelbegriff für bestimmte Eigenschaften, die die Grö- ße und Abkunft des jeweiligen Hauses oder Gestüts bestimmten.4 Im selben Jahr- hundert, zur Zeit der spanischen Reconquista, wurde der Begriff zum ersten Mal mit Bezug auf die Juden verwendet. Hier wurde der Rasse-Begriff schon fast im moder- nen Sinn verwandt, indem er den Juden eine „Unreinheit des Blutes“ gegenüber der natürlichen Reinheit des katholischen Christentums unterstellte. Mit diesem Rassen- begriff wurden erstmals natürliche Kategorien der Zugehörigkeit erfunden, die dazu dienen sollten die Homogenität der spanischen Gesellschaft durch die Zwangsbekehrung der Juden zum Christentum herzustellen.5
Entscheidend für die Entwicklung hin zum modernen Rassismus oder zu dem, was man heute unter Rassismus versteht, waren jedoch erst die wissenschaftlichen Be- trachtungen über die Ungleichheit der Menschen im 18. Jahrhundert. Der Kolonia- lismus und die Entdeckung der „neuen“ außereuropäischen Welt brachten Erkennt- nisse über die dort lebenden Urvölker in Form von Reiseberichten und Beschreibun- gen nach Europa.6 Europäische Gelehrte begannen sich mit den körperlichen und moralischen Eigenschaften dieser verschiedenen Völker zu beschäftigen und ver- suchten diese einzuordnen.
Im Zuge der Aufklärung, das heißt der Abwendung vom christlichen Glauben und der Hinwendung vor allem zu den Naturwissenschaften, strebte man danach die Menschheit anhand ihrer Stellung in der Natur und der Einwirkung der Umwelt zu klassifizieren.7 Die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstandenen neuen Wissenschaften, wie die Anthropologie, die Phrenologie (Schädeldeutung) und die Physiognomik (Gesichtsdeutung) führten dazu zahlreiche Messungen und Vergleiche durch, die dann entsprechend gedeutet wurden.8 Von den äußerlichen Merkmalen begann man auf die geistigen Fähigkeiten, Charaktereigenschaften und die jeweilige „Entwicklungsstufe“ der verschiedenen Menschen-„Rassen“ zu schließen. Dabei wurden nicht nur die Unterschiede zwischen den „Rassen“ festgestellt und sie bei- spielsweise in „weiße“, „schwarze“, „braune“, „rote“ und „gelbe“ „Rassen“ einge- teilt, sondern es wurden auch willkürliche Hierarchien der Höher- und Minderwer- tigkeit entworfen. Dabei wurden die weißen Europäer regelmäßig als die ästhetisch wie moralisch allen anderen überlegene „Rasse“ dargestellt.9
Wichtig ist hier noch anzumerken, dass der „Rassen“-Begriff, wie er von den (Na- tur)- Wissenschaftlern der Aufklärung entworfen wurde, keine eindeutigen Kriterien transportierte, mit der man die „Rassen“ hätte einteilen können. Der „Rassen“- Begriff war eine „Leerformel“, die beliebig mit körperlichen, kulturellen, geographi- schen oder geschichtlichen Aspekten gefüllt werden konnte.10 Das machte ihn so anfällig für alle möglichen Interpretationen, die er in seiner folgenden Geschichte noch erfahren sollte.
Eine „Lichtgestalt“ des noch jungen Rassismus trat mit Arthur Gobineau und seinem Werk „Essai sur l`inégalité des races humaines“ 1853 auf. Gobineau bündelte die bisher überlieferten Merkmale zur Einteilung der menschlichen Rassen. Bei ihm treten erstmals auch Elemente des modernen Antisemitismus auf.
Unter den weißen „Rassen“ schrieb er den „Ariern“ die höchsten kulturellen Fähig- keiten zu. Dabei war er geradezu besessen von der Idee, dass sich die „Rassen“ rein halten müssten, denn ihre Vermischung würde im schlimmsten Fall zum Aussterben der Menschheit führen. Gobineaus Werk fand in Europa großen Anklang. Er stellte die „Rassenlehre“ erstmals auf eine breite, scheinbar wissenschaftlich gesicherte Grundlage.11
Ein weiterer großer Schritt hin zum modernen Rassismus war die Evolutionstheorie, die Charles Darwin 1859 veröffentlichte. Den „Kampf ums Dasein“ zwischen den Arten und Rassen des Tierreichs, den Darwin postulierte, wurde von der frühen So- ziologie unter Auguste Comte sogleich auf die Menschheit übertragen.12 Die Übertragung der Darwinschen Prinzipien auf die Gesellschaft machte den „Sozi- aldarwinismus“ zu einer mächtigen geistig-politischen Strömung in Europa. Eine der wichtigsten Konsequenzen aus Darwins Theorie kombiniert mit den Lehren Gobi- neaus, war die Entstehung eines neuen Zweigs des Rassismus, der „Rassenhygiene“ oder auch Erbgesundheitslehre, der Eugenik. Die Eugenik hatte in einem Staat die Aufgabe, den „Volkskörper“ rein zu halten, dass heißt von „minderwertigen“ Ele- menten, wie körperlich oder geistig behinderten Menschen zu befreien.13 Houston Stewart Chamberlain schrieb ein halbes Jahrhundert nach Gobineau die „Rassenlehre“ fort. Auch er sah im „Arier“ oder „Germanen“ das „Gute“, das sich im Kampf mit dem „Bösen“ befindet. Die „Germanen“ beschrieb er als die Schöpfer der Kultur und zur Weltherrschaft auserkoren. Diese würde ihnen aber von den Juden streitig gemacht, weswegen sie sich mit dieser „Rasse“ in einem Kampf auf Leben und Tod befänden. Chamberlains Theorie fand nicht nur in Deutschland großen An- klang, sondern auch in England. Der NS-Rassismus berief sich später immer wieder auf Chamberlains Werk.14
[...]
1 Vgl. Jansen, Christian/ Borggräfe, Henning, Nation - Nationalität - Nationalismus, Frankfurt Main/ New York 2007, S.106.
2 Vgl. ebd. S. 107.
3 Balibar, Etienne, Rassismus und Nationalismus, in: Ders./ Wallerstein, Immanuel, Rasse - Klasse - Nation. Ambivalente Identitäten, Berlin 1990, S. 49-83, hier: S. 64.
4 Vgl. Geulen, Christian, Geschichte des Rassismus, München 2007, S. 13f.
5 Vgl. ebd. S. 32ff.
6 Vgl. ebd. S. 44ff.
7 Vgl. Mosse, Georg L., Die Geschichte des Rassismus in Europa, Frankfurt am Main 1999, S. 28f.
8 ebd.
9 Geulen, Geschichte des Rassismus S. 56f.
10 ebd. S. 59.
11 Vgl. Geiss, Imanuel, Geschichte des Rassismus, Frankfurt am Main 1988, S. 168f.
12 Vgl. Geulen, Rassismus, S. 66ff.
13 Vgl. ebd.
14 Vgl. Geiss, Geschichte des Rassismus, S. 170ff.
- Quote paper
- Annett Weckebrod (Author), 2009, Rassismus und Nationalismus , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141299
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