Diese Diplomarbeit beleuchtet anhand der Disney‐Klassiker Peter Pan und Alice in Wonderland die Frage, inwiefern im Deutschland und Spanien der frühen 50er Jahre die Filmsynchronisation als Instrument politischer Beeinflussung verwendet wurde.
In diesem Zusammenhang werden zunächst die Geschichte der Synchronisation sowie die politischen Gegebenheiten jener Zeit dargestellt, um dann nach einer sprachwissenschaftlich basierten Betrachtung der Thematik explizit auf die zu analysierenden Filme einzugehen.
INHALTSVERZEICHNIS
0. Vorwort
1.. Einleitung
1.1 Aufbau der Arbeit
1.2.. Erlauterung der verwendeten Kurzel
II.. Definition relevanter Arbeitsbegriffe
11.1 Definition des Begriffes ..(Film-) Synchronisation"
11.2 Definition des Begriffes ..Propaganda”
11.2.1. Zweck der Propaganda
11.2.2. Unterschiedliche Auffassungen zum BegriffPropaganda
11.2.3 Weifee Propaganda
11.2.4 Schwarze Propaganda
11.2.5 Graue Propaganda
11.2.6 Subpropaganda
11.2.7 Persuasion
III. Geschichte der Synchronisation
111.1.. Anfange der Synchronisation: vom Stumm- zum Tonfilm
111.2.. Geschichte der Filmsynchronisation in Deutschland
111.2.1 Vom Beginn der Filmara bis zum Ende der Weimarer Republik
111.2.2 Deutsche Filmindustrie im Nationalsozialismus
111.2.3... Zeit der Besatzung durch die Alliierten
111.2.4 60er und 70er Jahre: die Ara der Neufassungen
111.2.5... 80er Jahre: Filmindustrie und Kommerz
111.2.6 Gegenwart und nahe Zukunft
111.2.7 UFA - ein Meilenstein der deutschen Filmgeschichte
III. 3 Geschichte der Filmsynchronisation in Spanien
111.3.1 Goldene Ara: Synchronisation von Disney-Filmen fur den spanischsprachigen Marktzwischen 1937 und
111.3.2 „Espanol Neutro" - „Neutrales Spanisch" im Dienste der Synchronisation
IV... Filmsynchronisation als Mittel politischer Einflussnahme
IV. 1 Grundlagen der Verwendung von Filmen und Filmsynchronisation als Hilfsmittel der Propaganda
IV. 2 Propaganda durch Film in Deutschland und die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg: die „Umerziehung" des Volkes
IV. 3 Propaganda durch Film in Spanien und die Situation unter dem Regime Francos: Zensur und „el doblaje obligatorio" von
IV. 4 Walt Disney: Werdegang und propagandistische Aktivitaten
V. Synchronisationsprozess
V. 1. Ablauf der Synchronisation
V. 2 Bearbeitungdes Synchrontextes
VI. Synchronisation aus sprachwissenschaftlicher Sicht
VI. 1 Synchronisation als Ubersetzungsprozess
VI... 2 Aquivalenzebenen und ihre Hierarchisierung
VI... 3 Synchronisation und Untertitelung im Vergleich
VI... 3.1 Synchronisation: Vor- und Nachteile
VI... 3.1.1 Spezielle Probleme bei der Synchronisation
VI... 3.1.2 Wiedergabe von sprachlichen Varietaten
VI... 3.2 Untertitelung: Vor- und Nachteile
VI... 3.2.1 Spezielle Probleme bei der Untertitelung
VI. 3.3 Untertitelungs- und Synchronisationslander: Synchronisation als Ausdruck von Nationalbewusstsein
VI... 3.4 Besonderheiten bei der Ubersetzung von Zeichentrickfilmen
VII Analyse des Filmmaterials: Alice in Wonderland (1951)
VII... 1 Hintergrunde und Entstehungsgeschichte
VII. 1.1 Ubersicht uber Charaktere und korrespondierende Synchronstimmen
VII... 2 Analyse der englischen Originalversion
VII... 2.1 Technische Daten
VII... 2.2 Einordnungin den Gesamtzusammenhang
VII... 2.3 Narrative Struktur
VII... 2.4 Analyse des Inhalts
VII... 2.5 Grade der Universalitat
VII... 2.6 Asthetische Analyse
VII. 3 Analyse der Synchronversionen
VII.3.1 Das Analysemodell nach Rosa Agost
VII.3.1.1 Die Dimension des Kontextes
VII.3.1.1.1 Die semiotische Dimension
VII.3.1.1.2 Die pragmatische Dimension
VII.3.1.1.3 Die kommunikative Dimension
VII.3.1.2 Die vorgangsbezogene Dimension
VII.3.1.3 Die berufsbezogene Dimension
VII.3.1.4 Semiotische Annaherung
VII.3.2 Gegenuberstellung von Beispielen aus den Synchronversionen und der Originalfassung
VII.3.2.1 Beispiel 1: Min. 02:
VII.3.2.2 Beispiel 2: Min. 11:
VII.3.2.3 Beispiel 3: Min. 22:
VIII. Analyse des Filmmaterials: Peter Pan (1953)
VIII. 1 Hintergrunde und Entstehungsgeschichte
VIII. 1.1 Ubersicht uber Charaktere und die korrespondierende Synchronstimmen
VIII.. 2 Analyse der englischen Originalversion
VIII... 2.1 Technische Daten
VIII. 2.2 Einordnung in den Gesamtzusammenhang
VIII... 2.3 Narrative Struktur
VIII. 2.4 Analyse des Inhalts
VIII... 2.5 Grade der Universalitat
VIII... 2.6 Asthetische Analyse
VIII. 3 Gegenuberstellung von Beispielen aus den Synchronversionen und der Originalfassung
VIII.3.1 Beispiel 1: Min. 31:
VIII.3.2 Allgemeine Auffalligkeiten
IX. Zusammenfassung der Ergebnisse
X. Literaturverzeichnis
X.1 Filmmaterial
XII. Anhang
ABSTRACT
Diese Diplomarbeit beleuchtet anhand der Disney-Klassiker Peter Pan und Alice in Wonderland die Frage, inwiefern im Deutschland und Spanien der fruhen 50er Jahre die Filmsynchronisation als Instrument politischer Beeinflussung verwendet wurde. In diesem Zusammenhang werden zunachst die Geschichte der Synchronisation sowie die politischen Gegebenheiten jener Zeit dargestellt, um dann nach einer sprachwissenschaftlich basierten Betrachtung der Thematik explizit auf die zu analysierenden Filme einzugehen.
With reference to the Disney Classics Peter Pan and Alice in Wonderland this diploma thesis covers the question whether film dubbing is used as an instrument for political influencing. Historical background of this thesis is the early 50’s in Germany and Spain due to their politically explosive nature. First an overview of the history of dubbing and the political situations during this era will be given, followed by a linguistic approach on the topic, and rounded off with a detailed analysis of the movies.
DANKSAGUNG
An dieser Stelle mochte ich mich bei Herrn Bachmann fur seine auRerst hilfreiche Unterstutzung bei der Themenwahl- und Formulierung sowie die gute Betreuung bedanken. Auch Frau Prof. Dr. phil. habil. Sabban danke ich fur ihre Bereitwilligkeit, als Zweitgutachterin meiner Arbeit zu fungieren.
Daruber hinaus gilt Marleen Ebert, Sina Rieseberg und vielen anderen meiner Freunde besonderer Dank - zum einen, weil sie es auf sich genommen haben, Teile meiner Arbeit oder sogar die letztendlich vollstandige Version Korrektur zu lesen, und zum anderen, weil sie immer Verstandnis dafur hatten, wenn ich wieder einmal zahlreiche Fragen zu Form und Inhalt stellte, die sich wahrend des Schreibens auftaten.
Oliver Mielke danke ich fur die Erstellung der kleinen Skizzen von Alice im Wunderland und Peter Pan - diese waren mir niemals so gut gelungen.
AbschlieRend mochte ich an dieser Stelle dankend meine Eltern und meine Familie erwahnen, die mir wahrend meines gesamten Studiums mit Rat und Tat zur Seite standen und mich stets unterstutzten.
0. Vorwort
Jeder von uns hat in seinem Leben sicherlich bereits einen oder - wie es bei den meisten der Fall sein wird - mehrere Disney-Filme gesehen. Meist sehen wir sie als Kinder und hinterfragen als solche nicht, ob die Version, die wir sehen, der englischen Originalversion sprachlich und somit zugleich inhaltlich vollig entspricht.
Doch vielfach ist die Synchronisation von Filmen beeinflusst durch politische, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Faktoren.
Fur mich als (Fach-)Ubersetzerin ist es deshalb interessant zu untersuchen, inwiefern sich mittels verschiedensprachiger Versionen ein und desselben Filmes Ruckschlusse auf die politische Situation des entsprechenden Landes ziehen lassen und welche Mittel die beteiligten Ubersetzer genutzt haben, um die Filme den jeweiligen Bedingungen anzupassen.
Wahrend der ersten Recherchen und Vorbereitungen im Rahmen meiner Arbeit musste ich feststellen, dass die meisten Disney-Klassiker der 40er und 50er Jahre, wie beispielsweise Bambi, Dumbo oder Pinocchio in den 70er Jahren vollstandig neu synchronisiert wurden, und zwar sowohl in der deutsch- als auch in der spanischsprachigen Version. Die Original-Synchronversionen sind in den meisten Fallen nicht mehr zuganglich und somit entfallt leider die Moglichkeit, anhand dieser zeitlich unterschiedlichen Versionen den sprachlichen Wandeljener Zeit herauszuarbeiten.
Aus diesem Grunde habe ich mich entschieden, die deutschen und spanischen Versionen der Disney-Klassiker Alice in Wonderland (1951) und Peter Pan (1953) naher zu untersuchen. Beide Filme wurden jeweils nur ein einziges Mal fur den deutsch- und den spanischsprachigen Markt synchronisiert und eignen sich somit sehr gut fur einen Ubersetzungsvergleich, der seinen Fokus auf die sprachlichen und inhaltlichen Unterschiede legt, die durch die damaligen politischen Situationen der beiden Lander hervorgerufen wurden: die alliierte Besatzung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg und die Diktatur Francos in Spanien, die mit einer strikten Zensur von Presse, Literatur sowie Film und Theater einherging.
Um diese Unterschiede herausarbeiten zu konnen, werde ich die jeweilige englische Originalversion der Filme als Grundlage nehmen und von dieser ausgehend analysieren, welche Abweichungen in den synchronisierten Versionen erkennbar sind und wie diese aus politischer Sicht begrundet werden konnen.
Ziel dieser Arbeit soll sein, aufzuzeigen, inwiefern die Filmsynchronisation den politischen Gegebenheiten eines Landes unterworfen ist und wie in diesem Zusammenhang durch sprachliche Mittel eine vollig andere Wirkung auf den Zuschauer erzielt werden kann.
1.. Einleitung
In dieser Einleitung stelle ich zunachst kurz den Aufbau meiner Arbeit vor, um dann anschliefeend auf die von mir verwendeten Kurzel bzw. Kurzformen einzugehen, die das spatere Leseverstandnis erleichtern sollen.
I.l Aufbau der Arbeit
Meine Arbeit untergliedert sich in einen theoretischen (Kapitel II bis VI) und einen empirischen Teil (Kapitel VII und VIII).
Im theoretischen Teil stelle ich zunachst die Definitionen der relevanten Arbeitsbegriffe (Film-)Synchronisation und Propaganda vor (Kapitel II), um dann in Kapitel III auf die Geschichte der Synchronisation einzugehen. Hier stelle ich einleitend dar, wie die Stummfilme „reden lernten". Weiterhin befasst sich Kapitel III mit den unterschiedlichen Situationen in Deutschland und Spanien, jeweils beeinflusst durch die dortigen politischen und historischen Gegebenheiten, und damit, welche Auswirkungen diese Unterschiede auf die lokale Filmsynchronisation hatten.
Kapitel IV geht ausfuhrlich auf die Grundlagen und die Praxis der politischen Einflussnahme durch die Filmsynchronisation ein und erlautert in einem Exkurs Walt Disneys Werdegang und inwiefern er selbst durch Propagandafilme u. a. Einfluss auf die politische Meinung der (US-amerikanischen) Bevolkerung nahm.
Die darauffolgenden Kapitel V. und VI. beinhalten eine Darstellung des Synchronisationsprozesses sowie die Analyse der sprachwissenschaftlichen Aspekte der Synchronisation. Letztere geht einher mit einer kontrastierenden Beschreibung der beiden gangigsten Verfahren des audiovisuellen Transfers: der Synchronisation und der Untertitelung.
Im darauffolgenden empirischen Teil meiner Arbeit befasse ich mich explizit mit den zu analysierenden Filmen. Zunachst beschreibe ich kurz die Entstehungsgeschichten der Originalversionen, um diese darauffolgend inhaltlich und stilistisch gemaR einem Modell von Rodolfo Vidal Gonzalez zu analysieren. Im Anschluss an diese Analyse stelle ich ein weiteres, jedoch in diesem Fall auf die Synchronisation bezogenes Modell vor: das Analysemodell von Rosa Agost. Diesem Modell folgend untersuche ich dann die jeweiligen verschiedensprachigen Versionen der ausgewahlten Filme auf Besonderheiten hinsichtlich der Ubersetzung einzelner Textstellen und erlautere in diesem Kontext zugleich die Grunde fur die vorgenommenen Modifikationen.
Das abschlieRende Kapitel IX. dient dann der zusammenfassenden Darstellung der von mir erzielten Ergebnisse und enthalt ein Fazit hinsichtlich der Erkenntnisse, die ich im Laufe dieser Arbeit gewonnen habe.
1.2 ErlAuterung der verwendeten Kurzel
In meiner Arbeit sowie auf der beiliegenden CD-R versehe ich die einzelnen Versionen mit Kurzeln und stelle mit diesen den Bezug zu den einzelnen Filmen her. Um das spatere Leseverstandnis und den Lesefluss zu erleichtern, folgt an dieser Stelle eine tabellarische Ubersicht uber die verwendeten Kurzel:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Definition. „Begrenzung"; terminologische Bestimmung, eine Art expliziter Vereinbarung von Begriffen (Kamlah/Lorenzen). Die D. ist im Prinzip eine logische Gleichung, die durch definiendum (das zu Definierende) und definiens (das Definierende) gebildetwird. [...]" (Lewandowski 1984: 131)
Dieses Kapitel widmet sich der Definition der zwei zentralen Begriffe dieser Arbeit: der (Film-) Synchronisation und der Propaganda. In diesem
Zusammenhang sollen die zentralen Merkmale und Anforderungen dieser Begriffe geklart und fur den Rahmen meiner Arbeit bestimmt werden.
II.1 Definition des Begriffes „(Film-)Synchronisation"
Der Begriff Synchronisation stammt aus dem Griechischen (ovyxpovl^eiv: gleichzeitig) und bezeichnet laut Brockhaus im eigentlichen Sinne „das Herstellen des gleichzeitigen Eintritts von Ereignissen oder Vorgangen bzw. des Gleichlaufs zweier oder mehrerer Vorgange, Maschinen, Gerate oder Gerateteile." (Radmann 2003: 3)
Nimmt man nun direkten Bezug auf die Filmtechnik, so versteht man hierunter alle Mafenahmen, die der gleichzeitigen Wiedergabe von Bild und Ton dienen. Radmann unterscheidet folgende drei Arten von Filmsynchronisation:
- die vor allem bei der Musicalverfilmung angewandte Vorsynchronisation. Bei diesem Verfahren werden die Bilder erst nach Fertigstellung der Tonaufnahmen produziert und dann mit diesen verbunden.
- die in drei Unterarten einzuteilende Nachsynchronisation, die entweder der nachtraglichen Korrektur von fehlerhaften Tonaufnahmen noch innerhalb der Produktionsphase, der nachtraglichen Vertonung eines Stummfilms oder aber der Neuvertonung eines alten (Ton-)Films dient,
- die Synchronisation als Mittel zur Ubertragung fremdsprachiger Filme in die jeweilige Zielsprache. Im Rahmen dieses Verfahrens wird das Originalbild mit dem Tonband verbunden, auf dem der zielsprachliche Dialogaufgezeichnetwurde. (Radmann 2003: 3f)
Istvan Fodor hingegen beschrankt sich in seiner Definition der Filmsynchronisation auf den Aspekt der Nachsynchronisation und beschreibt diesen als
„procedure of cinematography which consists of a separate and new sound recording of the text of a film translated into the language of the country in which it is to be shown." (Fodor 1976: 9)
Dies ist auch der Aspekt, der fur meine Arbeit von grofeter Relevanz ist und von dem aus diesem Grunde im weiteren Verlauf ausschliefelich die Rede sein wird, wenn von ..Synchronisation" gesprochen wird:
die "Synchronisation als Mittel zur Ubertragung auslandischer Fiime in eine andere Sprache, also die Ubersetzung des auslandischen Originaldialogs in eine andere Sprache sowie die Verbindung des Originalbildes mit dem Tonband, auf dem der neu aufgenommene Dialog aufgezeichnet ist." (Radmann 2003: 4).
Kurzer gefasstwird dieses Phanomen von Herbst (1994: 1), wenn er sagt,
„das Wesen der Synchronisation [bestehe darin] eine vorgegebene Bildfolge mit Lauten einer anderen Sprache zu versehen."
II.2 Definition des Begriffes .Propaganda”
"Propaganda is a soft weapon; hold it in your hands too long, and it will move about like a snake, and strike the other way." (Jean Anouilh, L'Alouette, 1952[1] )
Die Propaganda als eine der zentralen Formen der politischen Beeinflussung ist noch im weitaus starkeren Mafee als die Filmsynchronisation zentraler Gegenstand dieser Arbeit und bedarf aus diesem Grunde einer ausfuhrlichen Erorterung. Im Folgenden werde ich zunachst den Zweck der Propaganda sowie einige Definitionen dieses Begriffes prasentieren und in diesem Rahmen die Kernaspekte des selbigen herausarbeiten.
Aus historischer Sicht ist der Begriff ..Propaganda" stark kirchlich gepragt, stellt er doch eine Kurzung des neulateinischen Congregatio de propaganda fide, ..(Papstliche) Gesellschaft zur Verbreitung des Glaubens", zu lat. propagare ..(weiter) ausbreiten", ..fortpflanzen", dar (Zwahr 2006: 162) und wird seit der Antike fur „eine Form der Werbung, bes. fur bestimmte geistige Ziele und polit., religiose, wirtschaftl, aber auch kunstler. oder humanitare Ideen" (ebd.) oder aber „allg. die publizist. Beeinflussung, ihre Inhalte und Methoden [...]" (ebd.) verwendet.
Betrachtet man Propaganda als eine Form von Kommunikation, so wird hierbei unter Verwendung informativer und persuasiver Elemente versucht, ,,einen Gewinn von A aufKosten von B zu erreichen". (Ranetbauer 2007)
B tragt also dazu bei, As Absichten und Ziele zu verbreiten und zu erfullen. Es ist hierbei nicht ausgeschlossen, dass auch B Nutzen aus dieser Kommunikation zieht, maRgeblich ist jedoch, dass B im Unklaren uber die wahren Motive von A ist und somit uber den Nutzen, mit dem die Kommunikation fur ihn verbunden ist. (ebd.)
Es ist jedoch nicht auRer Acht zu lassen, dass die Handlungen des Senders nicht zwangslaufig die beabsichtigte Wirkung haben mussen, sondern daneben oder aber stattdessen auch unbeabsichtigte Folgen nach sich ziehen konnen. (ebd.)
In Bezugnahme auf Jowett/O’Donnell definiert Ranetbauer den Zweck von Propaganda wie folgt:
Der Versuch,
„das Verhalten des/der Rezipienten auf Wahrnehmungs-, Handlungs- und/oder Erkenntnisebene im Sinne des Propagandisten zu verandern und damit vor allem dessen eigene Bedurfnisse zu erfullen." (Ranetbauer 2007)
Ziel der Propaganda soil also sein, beim Rezipienten eine bestimmte Handlung hervorzurufen und somit im Zuge einer „Veranderung der subjektiven Realitatskonstruktion"eine„objektive Realitatsveranderung"zu bewirken. (ebd.)
II.2.2 Unterschiedliche Auffassungen zum Begriff Propaganda
Rodolfo Vidal Gomez stellt in seinem Werk La actividad propagandistica de Walt Disney durante la Segunda Guerra Mundial (2006), welches im Zusammenhang mit meiner Arbeit noch des Ofteren als wichtige Quelle dienen wird, fest, dass eine genaue Definition des Begriffes Propaganda nur schwer fassbar ist. So begreifen einige Autoren auch den Begriff ^persuasion" als wichtigen Bestandteil der Definition. (Vidal Gomez 2006: 25)
Hierauf werde ich in Kapitel II.2.7 noch eingehen.
Als Grundvoraussetzung fur Propaganda gilt das Vorhandensein von Aktivitat: Propaganda manifestiert sich stets in Form einer aktiv ausgefuhrten Handlung, andernfalls waren ihr keinerlei Erfolgsaussichten vergonnt. In vielen Fallen ist Propaganda mit Werbung vergleichbar, da sie in der Lage ist, Meinungen zu erschaffen, zu beeinflussen und zu bestatigen und sich hierbei die der Werbung eigenen Medien zu Nutze macht. Jedoch unterscheidet sie ein wichtiger Aspekt von der reinen Reklame: Propaganda wird mit einem klaren politischen Ziel betrieben, nicht mit einem kommerziell ausgerichtetem. (ebd.)
Ein weiteres, sehr gewichtiges Merkmal der Propaganda ist, dass sie die Ansichten einer ganz bestimmten Gruppe reprasentiert, seien es Regierungen, (politische) Organisationen oder sogar, wie in dieser Arbeit aufgezeigt werden soll, Film- und Synchronstudios. (ebd.)
Wie Vidal Gomez in seinen Ausfuhrungen klar herausarbeitet, sind Staat und Propaganda fest miteinander verbunden, unabhangig von der jeweiligen Erscheinungsform der Propaganda. Sie kann somit sowohl politischer, burgerlicher, staatlicher oder sogar religioser Art sein. Auch besteht eine gegenseitige Abhangigkeit zwischen Macht und Propaganda: oftmals bezweckt der Initiator der Propaganda einen Wechsel oder aber eine Festigung der Machtverhaltnisse zu seinen Gunsten. (ebd.)
Betrachtet man die Propaganda von einem neutralen Standpunkt aus, so diente sie ursprunglich der Verbreitung und Forderung neuartiger Ideen. Eine weitgehend neutrale Definition des Begriffes findet sich im Diccionario Salamanca de la lengua espanola (Guitierrez, Pena Perez 2002: 1284):
„propaganda s. f. 1 (no contable): Actividad en la que se da a conocer al publico una persona o cosa intentando convencerle de sus cualidadesy ventajas [...]"
Heutzutage sind die mit der Propaganda verbundenen Assoziationen jedoch zumeist negativer Art. Dies liegt vor allem in der vermehrten Nutzung sowohl des Begriffes als auch der Praxis wahrend des Ersten und auch des Zweiten Weltkrieges begrundet. Deutlich wird der negative Aspekt beispielsweise in folgender Definition:
„That branch of the art of lying which consists in very nearly deceiving your friends without quite deceiving your enemies." Cornford, F. M., 1922 (Vidal Gomez 2006: 26)
Doch auch im Oxford Advanced Learner's Dictionary (Hornby 1995: 888) beinhaltet die Definition einen negativen Aspekt, was insbesondere im direkten Vergleich zu der neutral gehaltenen Definition aus dem Salamanca stark hervorsticht:
„propaganda [...] n [U] (usu derog) ideas or statements that are intended as publicity for a particular cause, esp a political one, and are often exaggerated or false [...]"
Im Digitalen Worterbuch der Deutschen Sprache des 20. Jh. (DWDS)[2] der Berlin- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft findet man folgende Definition, die sowohl einen neutralen als auch einen negativ konnotierten Ansatz beinhaltet:
„Propaganda, die; -, /ohne Pl./ (lat.)
1. systematische Verbreitung und grundliche Erlauterung politischer, philosophischer und anderer Lehren, Ideen, Meinungen mit dem Ziel ihrer Umsetzung in die Praxis: politische, sozialistische, marxistisch-leninistische, revolutionare P.; eine breite, massenwirksame P. (fur etw.) entfalten; Agitation und P.
2. [der] Verschleierung der wahren Ziele [dienende] politisch-ideologische Beeinflussung, Hetze: staatsgefahrdende, feindliche, gegnerische, gehassige, faschistische P. [...]"
Diese Art der Definition halte ich fur die zweckmaRigste, doch auch die Online- Version des Brockhaus in einem Band hat die Problematik weitestgehend geschickt gelost, indem sie auf die Zeitgebundenheit des negativen Aspektes hinweist:
„Propaganda die, heute meist negativ besetzter Begriff fur eine systemat. Verbreitung polit., weltanschaul. u. a. Ideen und Meinungen." (Low 2005)[3]
Weiterhin legt die Verwendung des Begriffes Propaganda in Bezug auf eine Mitteilung immer ablehnende gedankliche Verbindungen nahe; vielfach werden Begriffe wie „Luge", „Verzerrung‘‘, „Betrug" und ..Manipulation" nahezu synonym verwendet. So zu sehen ist dies in der folgenden Definition von Jowett und O’Donnell aus dem Jahr 1986:
„Propaganda is the deliberate and systematic attempt to shape perceptions, manipulate cognitions, and direct behavior to achieve a response that furthers the desired intent of the propagandist." (Vidal Gomez 2006: 26)
oder aber in den Ausfuhrungen von Qualter und Culbert aus dem Jahr 1990:
„The deliberate attempt by the few to influence the attitudes and behavior of many by the manipulation of the symbolic communication." (ebd.)
Aber nicht alle Autoren teilen die Auffassung, dass Propaganda als solche manipulativ in die Meinungen von Individuen eingreift, sie sehen vielmehr den Aspekt der Freiwilligkeit des Rezipienten, d.h. dieser ist nicht gezwungen, die vermittelten Ansichten zu seinen eigenen zu machen, vielmehr tut er dies aus freien Stucken.
Vidal Gomez beruft sich im Weiteren auf eine Quelle, die meiner Meinung nach hinreichend auf die unterschiedlich zu wertenden Aspekte der Propaganda eingeht: Jowell und O’Donnell unterscheiden in einer Definition aus dem Jahr 1986 zwischen vier Unterarten der Propaganda, auf die ich in den folgenden Unterkapiteln kurz eingehen werde: weiRe Propaganda, schwarze Propaganda, graue Propaganda sowie Subpropaganda. Neben den Ausfuhrungen von Vidal Gomez stutze ich mich hierbei auf einen Essay von Andreas Ranetbauer aus dem Jahr 2007.
II.2.3 Weire Propaganda
„In its simplest terms, white propaganda is propaganda whose source is clearly indicated." (Hauser 1989: 175)
In diesem Fall kann die aussendende Quelle eindeutig identifiziert werden und auch die kommunizierten Informationen weisen einen sehr hohen Wahrheitsgehalt auf. Im Hinblick auf die Bewertung des Wahrheitsgehalts muss allerdings der eigentliche Zweck der Propaganda, namlich die Instrumentalisierung einer Nachricht zur Ubertragung einer bestimmten Ideologie, berucksichtigtwerden.
Diese Art der Propaganda wirkt ,,sowohl vertrauensstiftend als auch vorbereitend" (Ranetbauer 2007) und gilt in diesem Kontext als eher latente Form der Einflussnahme auf den Rezipienten. Ranetbauer stellt die These auf, dass die weiRe Propaganda ohne darauffolgende verscharfte Arten der Propaganda kaum Wirkung entfalten kann,
„da ohne die an diesem Punkt noch nicht intendierte offenkundige Verhaltensanderung [...] wahrscheinlich nicht das (schlussendliche) Ziel im praktischen Sinne erreicht werden wird." (ebd.)
Als Beispiele fur diese Form der Propaganda dienen beispielsweise nationale Veranstaltungen, die den Patriotismus innerhalb der Bevolkerung starken sollen.
„In black propaganda, an attempt is made to cause the target audiences to believe that the source is something other than it really is." (Hauser 1989: 175)
Diese Form der Propaganda kann auch als „Fehlinformation" bezeichnet werden, da die transportierte Information in diesem Fall einer falschen Quelle entspringt und Unwahrheiten bzw. Irrefuhrungen enthalt. (Vidal Gomez 2006: 27)
Somit kann hierbei von der „allgemein bekannten, negativ konnotierten Form der Propaganda"gesprochen werden. (Ranetbauer 2007)
Durch die Verwendung schwarzer Propaganda wird das Verhalten des Rezipienten direkt und stark manipuliert; der Erfolg des Vorgehens steht jedoch maRgeblich in Relation zu dem Vertrauen, das der Rezipient der transportierten Information sowie der vermeintlichen Quelle entgegenbringt. 1st dieses Vertrauen nicht vorhanden, so ware eine Instrumentalisierung des Rezipienten nicht moglich, da er sich nicht tauschen lassen wurde. Es ist somit unerlasslich, die Inhalte der schwarzen Propaganda exakt an das Zielpublikum anzupassen, d.h. soziale, kulturelle und politische Voraussetzungen mussen berucksichtigt werden, um auf Seiten des Rezipienten keine Zweifel an der Glaubwurdigkeit der Quelle oder gar Konflikte mit seiner Ideologie aufkommen zu lassen, was dazu fuhren wurde, dass die intendierte Wirkung nicht erreicht wird. (ebd.)
Ranetbauer fuhrt als wichtiges Beispiel fur die schwarze Propaganda „Radio freies Ungarn" an. Als die Sowjetunion im Jahr 1956 in Ungarn einmarschierte, strahlte der Sender Hilferufe aus, die die USA erreichten und weltweit Sympathien und Mitgefuhl hervorriefen. Spater stellte sich jedoch heraus, dass es sich um eine Kriegslist des KGB handelte, die dazu dienen sollte, die Ohnmacht der USA zu demonstrieren und den Ungarn die Hoffnung auf Hilfe von auRen zu nehmen. (Ranetbauer 2007)
11.2.5 Graue Propaganda
„Gray propaganda falls between the other two. Its source is not indicated one way or another." (Hauser 1989: 175)
Das Phanomen der grauen Propaganda deckt den gesamten Bereich der Propaganda ab, der weder von der weiRen noch von der schwarzen Propaganda erfasst werden kann. Sie definiert sich daruber, dass in den beiden fur die jeweils anderen Formen der Propaganda signifikanten Punkten, also dem Wahrheitsgehalt der Information und der Glaubwurdigkeit der Quelle, bestimmte Unterschiede bestehen, die eine klare Zuordnung unmoglich machen.
Als Beispiel wahlt Ranetbauer Radio Moskau, welches wahrend der russischen Invasion in Afghanistan mittels Reduzierung des Wahrheitsgehalts der Meldungen versuchte, das Vorgehen Russlands zu rechtfertigen, hierbei aber stets als Sender erkennbar blieb. (ebd.)
11.2.6 Subpropaganda
Im Zusammenhang mit dem Begriff Propaganda muss auch das Phanomen der „Subpropaganda" berucksichtigt werden. Sie steht gleichsam wie die weiRe Propaganda kontrar zur schwarzen Propaganda, unterscheidet sich von ersterer jedoch in dem Punkt, dass im Rahmen der Subpropaganda „eine zunachst ungewohnte Doktrin uber einen langeren Zeitraum dem Zielpublikum gelaufig" gemacht werden soll (Ranetbauer 2007) und hierbei nicht, wie es bei der weiRen Propaganda der Fall ist, die Glaubwurdigkeit erhoht werden, sondern vielmehr die Thematik gewinnbringend eroffnet und fortgefuhrt werden soll. (ebd.)
11.2.7 Persuasion
Wie zu Beginn des ubergeordneten Kapitels bereits erwahnt, zahlen einige Autoren auch den Begriff der „persuasion“ (Uberredung, Uberzeugung) zu den Unterbegriffen der Propaganda. Ranetbauer arbeitet heraus, dass die Persuasion keinesfalls - wie es oftmals der Fall ist - mit der Propaganda gleichgesetzt werden darf, vielmehr sieht er sie als eine Form der Kommunikation, die zwar Einfluss auf den Rezipienten nimmt, diesen aber nicht zwangslaufig negativ beeinflusst. Prinzipiell liegt die Kommunikationsintention auf dem gleichwertigen Nutzen beider Parteien, der Rezipient wird nicht manipuliert und seine Wahrnehmung somit absichtlich verandert, sondern er ubernimmt die in der Kommunikation transportierten Inhalte auf freiwilliger Basis. (Ranetbauer 2007)
III. GESCHICHTE DER SYNCHRONISATION
In diesem Kapitel gehe ich zunachst auf den Beginn der Synchronisation von Filmen ein und beschreibe in diesem Kontext den Ubergang von Stumm- zu Tonfilm und die dabei verwendeten Vorgehensweisen. In den folgenden Unterkapiteln III.2 und III.3 erlautere ich anschliefeend explizit die Geschichte der Synchronisation in Deutschland und Spanien und stelle dar, welchen Einfluss die politischen Gegebenheiten seit jeher auf die Synchronisationsindustrie der betreffenden Lander nahmen.
III.1 AnfAnge der Synchronisation: vom Stumm- zum Tonfilm
Einleitend ist an dieser Stelle zu sagen, dass die Stummfilmforschung, auf die in diesem Kapitel aus chronologischen Grunden zunachst eingegangen werden soll, sich grundsatzlich schwierig gestaltet. Grunde hierfur sind unterschiedlichster Natur: zum einen ist die Quellenlage denkbar schlecht, zum anderen jedoch sind die Filmprasentationen aufgrund unterschiedlicher Erklarer, Live-Musik, uneinheitlicher Kopien und wechselnder Laufgeschwindigkeiten der Filme nahezu einzigartige Ereignisse (Pruys 1997: 144)
Im Jahr 1896 wird der erste auslandische Spielfilm in Deutschland ausgefuhrt. Freilich handelt es sich um ein lediglich zehnminutiges Werk ohne integrierte Tonspur, doch das Publikum ist dennoch begeistert. Trotz fehlender Tonspur greifen jedoch auch diese fruhen Produktionen auf audiovisuelle Reize zuruck: die Filme werden wahrend ihrer Auffuhrung von Pianospiel und Erklarungen durch einen muttersprachlichen Sprecher untermalt. (a. a. O.: 140)
In kurzester Zeit nimmt die Anzahl der Filmimporte rasant zu und fuhrt somit zu einer wachsenden Internationalitat der neuen Kunstform „Film". Grund fur diese gleichsame Akzeptanz auf internationalen Markten ist, dass die einfachen Handlungen, die in den Filmen vermittelt werden, uberall gleich gut zu verstehen sind, und dass selbst im Falle des Auftretens von „Wirkungsunterschiede[n] durch die Ubernahme kulturspezifische[r] Bilder" (a. a. O.: 142) die Wahrscheinlichkeit von Missverstandnissen sehr gering ist, da die Ausmafee dieser Wirkungsunterschiede in keinerlei Relation zu denen steht, die spater bei den viel komplexeren Tonfilmen auftreten sollen. (Pruys 1997: 142)
Doch auch bei den Stummfilmen nehmen diese Wirkungsunterschiede bedeutend zu, als ab 1907 die Verwendung von Zwischentiteln und der Einsatz von Schallplatten im Kino ublich werden. Die Schallplatten stellen nun eine neue Form der musikalischen Untermalung von Filmen dar, bei der die Musik nicht live eingespielt wird und somit erstmals die Synchronisation von Bild und Ton im Kino erforderlich macht. Der Einsatz elektrischer Synchronmotoren, mit deren Hilfe Projektor und Phonograph gesteuert werden sollen, ist jedoch derart unbefriedigend im Ergebnis, dass die Live-Musik vorherrschendes Mittel zur Untermalung bleiben soll. (a. a. 0.: 143)
Als sich im Jahr 1928/29 der Tonfilm, bei dem am Rande des Filmstreifens die entsprechende Tonspur platziert wird, vollstandig durchzusetzen beginnt, verliert der US-amerikanische Filmmarkt schnell an Einfluss auf dem internationalen Markt. Dies liegt vor allem darin begrundet, dass sich die fremdsprachlichen Produktionen nicht nur beispielsweise in Deutschland, Frankreich und Italien nicht mehr verkaufen lassen, sondern dass sogar der britische Markt die Hollywood-Produktionen aufgrund ihres amerikanischen Akzents ablehnt. (Pruys 1997: 147) Umgekehrt lassen sich jedoch auch europaische Produktionen nur noch schlecht ins Ausland verkaufen, die Sprachbarrieren sind allgegenwartig. Die Internationalitat des Films ist in Gefahr. (Radmann 2003: 7)
Anfangs sind die Reaktionen der Filmbranche auf diese Gefahr nur sehr vereinzelt und aufeern sich durch die Herstellung von Synchronfassungen, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits die technischen Moglichkeiten der vollstandigen Nachsynchronisation gegeben und bekannt sind. In der Tat werden in den Produktionsstudios Hollywoods bereits seit Beginn der Tonfilmara Filme ganzlich nachsynchronisiert, sei es zur Erfolgssteigerung auf auslandischen Markten oder zur nachtraglichen Korrektur der ausgangssprachlichen Dialoge (vgl. II. 1).
Anstatt jedoch auf die Moglichkeiten der Synchronisation zuruckzugreifen, wird an den grofeen bekannten Standorten der Filmindustrie, Hollywood und
Babelsberg, das Auftreten fremdsprachiger Dialoge von Anfang an vermieden. Erreicht wird dies dadurch, dass direkt mehrere Versionen der Filme in verschiedenen Sprachen produziert werden. Hierfur gibt es zwei Moglichkeiten:
- „Double Shooting": am gleichen Set wird jede einzelne Szene hintereinander auch mit anderssprachigen Schauspielern abgedreht. Dies gilt als „die kostspieligste, aber auch die sicherste Methode, die Auslandsmarkte zu bedienen, auf denen die grofeen Weltkonzerne ohnehin ihre seit Jahren eingerichteten Vertriebsorganisationen hatten" (Pruys 1997: 147).
- Die anderssprachige Version wird nach Fertigstellung der Originalversion zusatzlich produziert. (ebd.)
Beide Methoden sind sowohl finanziell als auch zeitlich betrachtet extrem aufwandig. (Radmann 2003: 9)
Aus diesem Grund konzentriert man sich insbesondere in Hollywood mit Beginn der 1930er Jahre verstarkt auf zwei Verfahren zur Wahrung der Internationalitat des Films: die Untertitelung und die Synchronisation (lippensynchrone Bearbeitung). Auf die Vor- und Nachteile dieser Verfahren und ihre jeweilige Bedeutung im Rahmen der Entwicklung der Synchronisation gehe ich im Kapitel VI. ein.
Auch bei aufwandiger Recherche findet man kaum einschlagige Literatur zu den Anfangen der Synchronisation in Deutschland. In der franzosischen Literatur jedoch sind Hinweise darauf zu finden, dass die Idee der Synchronisation Jakob Karol zuzuschreiben ist. Karol war bei der Produktionsfirma Paramount beschaftigtund fuhrte in seiner dortigen Funktion Regie bei der Herstellung der deutschen Versionen im Rahmen des in III.1 erlauterten Verfahrens des „double shooting". Bereits im Jahr 1930 soll er sich in diesem Kontext die Technik der Nachsynchronisation fur die Herstellung fremdsprachiger Synchronfassungen angeeignet haben. (Radmann 2003: 8)
Der Autor Friedrich Radmann jedoch, auf dessen Werk „Urheberrechtliche Fragen der Filmsynchronisation" aus dem Jahr 2003 ich bereits mehrfach zuruckgegriffen habe, betrachtet den deutschen Emigranten und Grunder von Universal Pictures Carl Laemmle als eine der bedeutendsten Personlichkeiten zu Beginn der deutschen Synchronisationsgeschichte; so begann er bereits 1929 mit der Herstellung deutscher Synchronfassungen der Filme, die er in seinen US-amerikanischen Studios in englischer Originalfassung produzieren lieK; doch zu diesem fruhen Zeitpunkt waren die synchronisierten Versionen noch von geringer Bedeutung. (a. a. O.: 9)
III.2.1 Vom Beginn der FilmAra bis zum Ende der Weimarer Republik
Schon fruh, noch vor Beginn des Tonfilmzeitalters und auch noch vor Beginn des Ersten Weltkrieges, erreicht das Kino in Deutschland eine erste Glanzzeit. Im gleichen MaKe jedoch wie Popularitat und offentliches Ansehen der Kunstform Film steigen, wachst nun auch die staatliche Kontrolle. Im Dezember des Jahres 1918 wird zwar die vorubergehende Abschaffung der Filmzensur erlassen, doch die zunehmende Bedeutung des Mediums Film bleibt auch der Politik nicht verborgen. Bereits in der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919 (der Weimarer Reichsverfassung) findet sich folgende Regelung:
„Eine Zensur findet nicht statt, doch konnen fur Lichtspiele durch Gesetz abweichende Regelungengetroffen werden." (Sakkara 2008: 5)
Und nur ein Jahr spater, am 12. Mai 1920, wird von der Nationalversammlung das „Reichslichtspielgesetz" verabschiedet, das die Kurzung, Zulassung oder auch das Verbot von Filmen durch Filmprufstellen in Berlin und Munchen ermoglicht; d.h., die Zensur, wenn auch in gemaRigter Form, wird wieder in Kraft gesetzt,
„um solche Bildstreifen zu verhindern, die geeignet seien, die offentliche Ordnung oder Sicherheit zu gefahrden, das religiose Empfinden zu gefahrden, verrohend oder entsittlichend zu wirken, das deutsche Ansehen oder die Beziehung Deutschlands zu auswartigen Staaten zu gefahrden." (Kreimeier 1992: 77)
Der in Deutschland vorherrschende Nationalismus und in gewissem Grade auch der widerspruchliche Moralismus fuhren ab Beginn der 20er Jahre zu einer Vielzahl von Auslassungen innerhalb auslandischer Produktionen oder gar dem Verbot selbiger. Eines der wichtigsten Motive fur dieses Vorgehen ist der ,,Versuch, Fremdes nicht heimisch werden zu lassen" (Pruys 1997: 143). Die Einfuhr auslandischer Filme soll, so Pruys, ,g/erade nicht zum Kennenlernen fremder Lebensweisen, Sitten, Ideen oder kunstlerischer Ausdrucksweisen fuhren" (ebd.). Der Film wird nun immer haufiger als Storfaktor betrachtet, der die innere Ordnung des Staates gefahrdet; die amerikanische Kultur und Lebensweise offen abgelehnt. Sehr deutlich wird dies an einem Urteil, das die Berliner Oberprufstelle im Jahr 1924 uber einen US-amerikanischen Spielfilm fallte:
„Das Fehlen elterlicher Autoritat [...] tritt hier in einer fur deutsche Verhaltnisse unertraglichen und der sittlichen Entwicklung jugendlicher Beschauer abtraglichen Weise in Erscheinung. Der amerikanischen Erziehungsmethode mag es entsprechen, Kinder wie Erwachsene zu behandeln. Fur deutsche Kinder und jugendliche Beschauer ist eine solche Darstellung geeignet, das Autoritatsgefuhl gegenuber ihren Eltern und gegenuber Erwachsenen abzustumpfen und zu verflachen. Damit ist aber eine Gefahr der sittlichen Entwicklung gegeben." (Pruys 1997: 143)
Dieser Kritik an amerikanischen Produktionen zum Trotz werden immer mehr amerikanische Filme auf den europaischen Markt geworfen. Ein wichtiger Grund hierfur ist, dass sich die Produktionskosten dieser Filme auf dem amerikanischen Markt bereits amortisiert hatten und sie somit konkurrenzlos billig angeboten werden konnen. (a. a. O.: 144)
Ausschlaggebend fur die nachtragliche Bearbeitung auslandischer Filme in Deutschland sind letztendlich die Konfrontation der unterschiedlichen politischen Systeme nach Ende des Ersten Weltkrieges sowie die Entdeckung, dass Filme optimal als Propagandamittel genutzt werden konnen. Hierdurch bedingt erreicht der Prozess der Filmzensur eine ganz neue Dimension; der nachtraglichen Bearbeitung eines Filmes, also der Auslassung bestimmter Szenen, wird das Potenzial zugetraut, einen die innere Ordnung scheinbar gefahrdenden Film zu entscharfen und der Offentlichkeit zutraglich zu machen. (Pruys 1997: 145)
Bereits gegen Ende der Weimarer Republik wird der Vertrieb auslandischer, synchronisierter Filme aufgrund neuer Kontingentbestimmungen deutlich erschwert. Darunter ist zu verstehen, dass den Filmverleihern aufgrund einer vom Reichsinnenministerium erlassenen Kontingentbeschrankung nur noch die Einfuhr einer begrenzten Anzahl auslandischer Produktionen gestattet ist. Zu diesem Zweck erhalten die Verleiher so genannte Berechtigungsscheine, von denen wiederum nur die Halfte fur die Einfuhr synchronisierter Fassungen genutzt werden darf. Daruber hinaus mussen die Synchronfassungen in deutschen Synchronstudios von deutschen Mitarbeitern produziert worden sein. (Radmann 2003: 9)
Diesen Beschrankungen zum Trotz kann sich der Tonfilm in Deutschland gegen Ende der 20er Jahre erstaunlich schnell durchsetzen. Bereits zu Ende des Jahres 1929 gibt es in Deutschland insgesamt 223 Kinos, die uber eine Tonfilmapparatur verfugen, und schon ein Jahr spater sind 1864 Kinosale mit einer solchen ausgestattet. Im Jahr 1932 uberwiegt die Anzahl der Tonfilmkinos deutlichjene der Stummfilmkinos. (Pruys 1997: 147)
Ein groRes Problem der Filmsynchronsation besteht zu jener Zeit darin, dass es vielfach zu teuer ist, lippensynchrone Versionen zu produzieren, insbesondere dann, wenn die Zielsprache nur ein geringes Verbreitungsgebiet aufweisen kann. Aus diesem Grund entstehen viele, lediglich mit Untertiteln versehene Versionen auslandischer Filme. In Deutschland jedoch wird die Methode der lippensynchronen Nachbearbeitung schon sehr bald nach Einfuhrung des Tonfilms praferiert, auch wenn sich deren Umsetzung zunachst schwierig gestaltet. Diese Bevorzugung bleibt auch den amerikanischen Produzenten nicht verborgen, sodass beispielsweise in einem Film mit dem damals sehr bekannten Schauspieler Buster Keaton erwirkt wird, dass Keaton zumindest in den Groteaufnahmen in einer zusatzlichen Einstellung nicht nur den englischen, sondern auch den deutschen Textspricht, um dem deutschen Synchronsprecher so spater die Arbeit zu erleichtern. (Pruys 1997: 148f)
III.2.2 Deutsche Filmindustrie im Nationalsozialismus
Einer der ersten auslandischen Filme, die in lippensynchroner Fassung auf den deutschen Markt kamen, ist die Verfilmung von Remarques Weltkriegs-Roman „Im Westen nichts Neues" (1930). Damals stehen Kritiker der neuen Technik jedoch noch auteerst kritisch gegenuber und verweisen auf die mangelnde Lippensynchronitat. Doch nicht nur die mangelhafte Technik stotet auf Skepsis, sondern auch das Vorgehen der Synchronisation im Allgemeinen. Pruys zitiert in diesem Zusammenhang einen Zeitzeugen:
„Soll der tonende Film die Internationalitat des stummen bewahren, so mufi man entweder das Schwergewicht von den Dialogen zuruck auf die Bilder und auch auf die Gerausche verlegen oder jeden Film von vornherein in allen Hauptsprachen drehen. Der Versuch, amerikanische Sprecher fur deutsche auszugeben, ist ein Unding." (Pruys 1997: 149)
Die Remarque-Verfilmung ist jedoch nicht nur wegweisend fur die Geschichte der Synchronisation in Deutschland, sondern auch fur jene der Zensur. Der in den USA mit einem Oscar ausgezeichnete Film verursacht in Deutschland einen Aufruhr. Schon vor der Erstauffuhrung des Werkes fordert die Berliner Filmprufstelle erste Kurzungen: so werden eine Szene, in denen die deutschen Soldaten von ihren Vorgesetzten brutal gemateregelt werden, und eine andere, in der ein deutscher Soldat in eine Affare mit einer Franzosin verwickelt wird, ausgelassen. Doch auch die Dialoge werden auf Anforderung der Prufstelle angepasst; der heimgekehrte Protagonist Paul soll einer Schulklasse von seinen Erlebnissen wahrend des Krieges berichten. Tut er dies in der englischen Originalversion mit einer langen Rede, in der er auch sagt „It’s dirty and painful to die for your country", so beschrankt sich seine Aussage in der deutschen Version auf einen Satz: „Ich kann nicht" (Pruys 1997: 150). Grund hierfur ist, dass das Deutschland des Jahres 1930 bereits von den Nationalsozialisten regiert wird und die Filmbranche sich mit diesen mittels einer Vermeidung allzu pazifistischer Elemente gut stellen will. Doch auch nach Vornahme der beschriebenen Anderungen entspricht der Film nicht den Vorstellungen der Nationalsozialisten und ruft deshalb bereits am Tag der ersten Vorstellung einen Skandal hervor. Josef Goebbels wendet sich noch in der laufenden Vorstellung wutend an die Zuschauer und ruft: „Ist denn hier niemand, der noch Nationalgefuhl hat?". Kurze Zeit spater werden Stinkbomben in den Kinosaal geworfen und das Licht eingeschaltet. Als auch weitere Vorfuhrungen wiederholt von den Nationalsozialisten gestort und unterbrochen werden, legen einige deutsche Lander Widerspruch gegen die ersten ZensurmaRnahmen ein. Dies fuhrt zu einer raschen, erneuten Prufung des Filmes durch die Oberprufstelle, die letztendlich, nur sieben Tage nach der deutschen Erstauffuhrung zu einem absoluten Verbot des Filmes fuhrt, „da er das Ansehen der Wehrmacht herabsetze, das deutsche Ansehen gefahrde und der Film jedes ethische Moment auf deutscher Seite vermissen lafit' " (Prays 1997: 151)
Daruber hinaus konstatiert die Oberprufstelle, dass es „mit der Wurde eines Volkes nicht vereinbar [sei], wenn es seine eigene Niederlage, noch dazu verfilmt durch eine auslandische Herstellungsfirma, sich vorspielen liefie" (ebd.)
Ein halbes Jahr spater wird der Film erneut im Reichstag diskutiert und anschlieRend fur geschlossene Vorstellungen freigegeben. Als sich die Herstellungsfirma MGM spater bereit erklart, den Film auch im Ausland nur noch in der von der deutschen Prufstelle genehmigten Version aufzufuhren und die deutsche, zensierte Fassung somit zur internationalen Fassung des Filmes wird, erfolgt eine vollstandige Freigabe des Films. Allerdings wird diese Freigabe sinnentleert, als Goebbels im Jahr 1933 in seiner neuen Funktion als Reichsminister fur Volksaufklarung und Propaganda den Film verbieten lasst: Seine Inhalte lieRen sich nicht mit den politischen Zielen der Nationalsozialisten vereinen. Goebbels Aufstieg erschwert die Auffuhrungssituation in Deutschland immens, nicht nur auslandische, sondern auch deutsche Verleihfirmen merken dies immer deutlicher. Ab dem Jahr 1939 weiten die Nationalsozialisten die in Deutschland derzeit geltenden Auffuhrbedingungen auf die von ihnen besetzten Gebiete aus und uberwachen von diesem Zeitpunkt an auch die dortigen Filmindustrien. Ein weiterer bedeutender Einschnitt ist das 1941 in Kraft tretende Einfuhrverbotfur amerikanische Filme (Pruys 1997: 63).
Trotz all dieser Hindernisse gibt es immer wieder kleine Erfolgserlebnisse fur die Widerstandsbewegung. So gelingt es beispielsweise der franzosischen Filmindustrie immer wieder, die deutsche Zensur zu umgehen und Widerstandsfilme zu drehen, die dann auch nach Deutschland exportiert werden. (a. a. 0.: 149ff)
III.2.3 Zeit der Besatzung durch die Alliierten
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1945 wird die deutsche Filmindustrie von den Besatzungsmachten kontrolliert, die nun vornehmlich ihre eigenen Produktionen in deutschen Kinos auffuhren lassen. Schon am 27. Mai 1945 wird in Berlin, wo ein grower Teil aller Kinos zerstort worden war, der erste sowjetische Film aufgefuhrt und fast zeitgleich wieder mit der jahrelang verbotenen Bearbeitungauslandischer Filme begonnen. (a. a. 0.: 153)
Die deutsche Filmproduktion, deren Aufrechterhaltung bis in die letzten Kriegstage den Nationalsozialisten ein wichtiges Anliegen gewesen war, kommt aufgrund der Demontage der Filmateliers beinahe vollstandig zum Erliegen und ihr Wiederaufbau wird durch das ,,summarische Verbot jeder moglichen Betatigung Deutscher auf dem Gebiet des Filmwesens" und spater durch die Lizensierung von Einzelaktivitaten unmoglich gemacht. (Radmann 2003: 10; vgl. Kap. IV. 1.1)
Jede einzelne der alliierten Siegermachte bemuht sich intensiv um die Schaffung von Synchronisierungsmoglichkeiten in ihrer jeweiligen Besatzungszone, um sich derart den deutschen Filmmarkt zu sichern und daruber hinaus Filme als „Umerziehungsmittel" nutzen zu konnen. Auffallig hieran ist, dass nun starker als vorher auf die Synchronisation zuruckgegriffen wird und Untertitel immer mehr in den Hintergrund gedrangt werden. Dies liegt zum einen darin begrundet, dass die Siegermachte zu Recht davon ausgingen, dass es ihnen mittels synchronisierter Filme leichter und besser gelingen wurde, Zugang zur deutschen Bevolkerung zu finden und Ablehnung zu vermeiden als wenn sie Fassungen in ihrer eigenen Sprache, lediglich versehen mit Untertiteln, auffuhren. Zum anderen ist es sicherlich auch ein Grund, dass so den nun aufgrund des Daniederliegens der deutschen Filmindustrie arbeitslosen deutschen Filmschauspielern im Rahmen der Synchronisationsarbeit eine neue Einnahmequelle geboten werden soll. (Radmann 2003: 10f, Pruys 1997: 153)
Diese intensive Forderung der Synchronisationsbranche bewirkt, dass die Eindeutschung auslandischer Filme schon sehr bald nach Kriegsende auRerst intensiv und professionell betrieben wird und somit schnell an Genauigkeit und Ausdruck gewinnt. Dies ist auch einer der Grunde, aus denen die Synchronisation aus Deutschland nicht mehr wegzudenken ist und sich die sowohl technisch als auch finanziell weitaus weniger aufwandige Untertitelung nie durchsetzen konnte. Abgesehen von Italien verfugt kein anderes Land uber eine solch ausgereifte Tradition der Filmsynchronisation wie Deutschland. (Radmann 2003: 11, Pruys 1997: 204)
Zur damaligen Zeit bringt die rasante Geschwindigkeit der Synchronisation von Filmen jedoch nicht nur positive Aspekte mit sich. Kritiker merken an, „dafi begreiflicherweise die Qualitat der Produktion darunter litt, [was]ein weiterer Grund dafur [war], dafi bald auch die bescheidensten, schon vor vielen Jahren abgespielten deutschen Filme erheblich mehr Zulauf hatten als die allerneuesten auslandischen Spitzenproduktionen."(Pruys 1997: 154)
Diese sogenannten Spitzenproduktionen sind in den meisten Fallen US- amerikanische Produktionen, die zwischen 1933 und 1945, also zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, nur bedingt bis uberhaupt nicht in Deutschland aufgefuhrtworden waren. (ebd.)
Doch auch im Deutschland der Nachkriegszeit muss bei der Auswahl der Themen und Inhalte der Filme Vorsicht bewahrt werden. Insbesondere in den Produktionen der 50er Jahre wird die deutsche Vergangenheit kaum thematisiert, weder von deutschen, noch von auslandischen Verleihern. Auch hier fuhrt Pruys wieder das Beispiel „Im Westen nichts Neues an": obwohl der Film 1952 in einer uberarbeiteten Fassung wiederaufgefuhrt wurde, fehlen immer noch einige Szenen, so beispielsweise der Mord an einem franzosischen Soldaten im Schutzengraben. In einer Fernsehdokumentation zum Thema wird diese Auslassung begrundet wie folgt: „Ein deutscher Soldat ersticht keinen Franzosen mehr, hatten die franzosischen Alliierten zu verstehen gegeben" (Pruys 1997: 154). Auch wenn sowohl Sieger und Verlierer des Zweiten Weltkrieges gleichsam gegen die Darstellung des Deutschen Kaiserreiches und andere Epochen der deutschen Vergangenheit Einwande haben und diese tunlichst vermeiden, so sind uber die gesamten 50er Jahre betrachtet die Auslassungen in Hinblick auf den Nationalsozialismus besonders stark ausgepragt. Viele auslandische Produktionen, die in ihren Originalfassungen Naziverschworungen oder ahnliches thematisieren, werden in der deutschen Version inhaltlich verandert. Moglich ist dies jedoch nur, wenn in der Originalfassung auf nationalsozialistische Symbole und Gesten verzichtet wurde. Besonders prominentes Beispiel fur diese politisch bedingte Anderungen und Kurzungen ist der Film „Casablanca". So werden hier fur die deutsche Fassung, die 1952 auf den Marktkam, die Nazifiguren des Originals durch neue Charaktere ersetzt, um mit Hilfe des deutschen Marktes ein grofeeres Publikum erreichen zu konnen. Durch die daruber vollstandigen, aber notwendigen Kurzungen jener Szenen, in denen visuelle Aspekte den wahren Hergang des Plots enthullt hatten, verliert der Filmjedoch insgesamt 23 Minuten an Spielzeit. (a. a. O.: 154ff)
Maier nennt als Grund fur diese den Nationalsozialismus betreffenden Kurzungen und Anderungen, dass die alliierten Besatzungsmachte die generelle Tendenz jener Filme fur die damalige Situation in Deutschland zu eindeutig bzw. zu anti-deutsch gepragt war. Es muss jedoch ausdrucklich darauf hingewiesen werden, dass nach dem Krieg uberhaupt keine Filme ausgestrahlt werden, die selbigen thematisierten; vielmehr ist man darauf bedacht, deutsche Produktionen zum Thema zu fordern, da diese um Objektivitat bemuht sind und eine kriegsgegnerische Botschaft vermitteln sollen. Kritisch betrachtet werden im Deutschland jener Zeit jedoch auslandische Produktionen zum Thema Zweiter Weltkrieg, da man befurchtet, dass der Nationalsozialismus zu subjektiv betrachtet werden und eine mogliche negative Einstellung gegenuber Deutschland und den Deutschen zu eindeutig dargestellt sein konnte. Aus diesem Grund entscheidet man sich bei den betroffenen Produktionen haufig fur eine Uberarbeitung der kritischen Szenen. (Maier 1997: 17)
Ein weiteres wichtiges Merkmal der Synchronisationsarbeit jener Zeit ist die bereits erwahnte Eindeutschung von Filmen, die sogenannte „Alemannitis". Wolfgang Maier zitiert in diesem Zusammenhang folgendes: dass die meisten Synchronisationen der 50er Jahre „an einer Krankheit litten, die ,Alemannitis" genannt wird, die meisten Synchronautoren sahen namlich eine ihrer dringendsten Aufgaben darin, im Rahmen der ihnen zur Verfugung stehenden sprachlichen Moglichkeiten alles auszumerzen, was ihre Filme als ,Auslander' enttarnen konnte.(...)“ (Maier 1997: 72)
Pruys nun fuhrt dieses Zitat der gleichen Quelle folgend weiter und sagt:
„Mit Akribie deutschte man alles ein, was nur irgendwie eindeutschbar war: Ein hamburger wurde zur Frikadelle [...] und manch ein pub oder bistro(t) zur schlichten Kneipe. Erst in den 60er und 70er Jahren erkannte man diese Krankheit alssolche und kurierte sie allmahlich aus." (Pruys 11997: 157)
Insbesondere kulturspezifische Aspekte werden dahingehend verandert, dass das deutsche Zielpublikum sie nun problemlos auf ihr eigenes Umfeld beziehen kann, so wurden .Dollar' zu 'Mark' und ein .Sergeant' zum .Wachtmeister'. Dies wirkt zum Beispiel vor allem dann gestellt, wenn die Umgebung des Filmes klar erkennbar eine amerikanische war. (Maier 1997: 73)
Pruys nennt als Grunde fur diese .Krankheit', dass versucht wird, „Fremdes, sei es in Form kritischer Geschichtsdarstellung oder in Form von Hamburgern, durch Auslassung oder Austausch der entsprechenden Filmmotive nicht heimisch werden zu lassen." (Pruys 1997: 157)
Die Verleihfirmen wollen also durch dieses Vorgehen das deutsche Publikum vor kulturfremden Einflussen schutzen. Sehr paradox wirkt diese Absicht erst dann, wenn man bedenkt, dass zur selben Zeit die amerikanische Lebensweise wegweisend fur die deutschen Jugendlichen wird und andere Produkte und Werte der amerikanischen Kultur wie Kaugummi und Rock 'n Roll wichtige Rollen in ihrem Leben einnehmen. (ebd.)
Kurz angemerkt werden soil in diesem Kontext jedoch, dass nicht nur politisch unliebsame Themen haufig Kurzungen zum Opfer fielen, sondern auch Produktionen, in denen Sexualitat und unorthodoxe Religiositat dargestellt wurden. Scheidungen, uneheliche Kinder und Homosexualitat sowie die Darstellung kirchenfremder religioser Motive fallen lange Zeit der Freiwilligen Selbstkontrolle FSKzum Opfer. (Pruys 1997: 158f)
III.2.4 60erund 70erJahre: die AraderNeufassungen
Besonders pragend fur die Filmindustrie der 60er Jahre ist die Veroffentlichung vieler neuer, uberarbeiteter Fassungen bereits einmal in Deutschland ausgestrahlter (auslandischer) Filme, d.h. die Wiederaufnahme ehedem ausgelassener, gekurzter Passagen und Dialoge. Wegweisend fur diese Entwicklung ist insbesondere das offentlich-rechtliche Fernsehen, das aufgrund neuer Erkenntnisse in der Filmwissenschaft zu dem Schluss gekommen ist, das Vorhandensein einer Aquivalenz zwischen Original und synchronisierter Version hoher zu werten als das, was als den Zuschauern angemessen betrachtet wird. Vereinfacht wird diese zunehmend hohere Gewichtung der „inneren Angemessenheit" besonders durch das Fernsehen, das als gebuhrenfinanzierter Abspielort uber mehr kunstlerische Freiheit verfugt als das Kino. Das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) gilt in diesem Zusammenhang als Vorreiter, da es konstant um eine ausreichende Qualitat der von ihm ausgestrahlten Filme bemuht ist und sich aus diesem Grunde auf Wissen und Erkenntnisse aus der Filmwissenschaft stutzt. Auch wenn es den nachbearbeiteten Filmen in vielen Bereichen nach wie vor an Authentizitat fehlt, so wird die nachtragliche Uberarbeitung erst moglich, als die Begriffe „Deutscher" und „Nazi" im Selbstbild der deutschen Bevolkerung nicht mehr synonymverwendetwerden. (Pruys 1997: 162ff)
In den 70er Jahren beginnt neben der Darstellung von Politik, Sexualitat und unorthodoxer Religion ein weiteres Tabuthema in das Bewusstsein der Synchronautoren zu dringen: die Darstellung von Gewalt. Dies ist vermutlich damit zu erklaren, dass die Art und Weise der Darstellung mit zunehmendem Fortschritt der Filmtechnik auch immer realistischer wirkt und somit ein ganz anderes Niveau erreicht als die bisher bekannten filmischen Darstellungen von
Gewalt in Western und Kriegsfilmen. Anders jedoch als zuvor werden die betroffenen Filme nicht mehr so sehr durch Anderung der Synchronisationsfiguren oder Auslassung von Szenen an das Publikum angepasst, sondern Auffuhrungssituation bzw. Sendezeitpunkt werden durch die FSK eingeschrankt. (Pruys 1997: 170)
III.2.5 80er Jahre: Filmindustrie und Kommerz
Zu Beginn der 80er Jahre hat sich das ubertriebene Moralbewusstsein der Film- und Synchronisationsindustrie gelegt. Lediglich gegenuber Kindern und Jugendlichen besteht noch der Bedarf einer inhaltlichen Kontrolle und Begrenzung der konsumierten Filme. Die Industrie hat nun mit ganz anderen Problemen zu kampfen: dem wachsenden kommerziellen Druck auf die Produzenten. Durch die explosionsartige Vermehrung von Fernsehsendern und den dadurch bedingten, gleichermafeen steigenden Bedarf an zu fullender Sendezeit mussen Synchronversionen schneller und schneller produziert werden. Auch der stetig wachsende Anteil von Videos, die weitaus weniger kulturelle und technische Anforderungen stellen als Kino und Fernsehen, fuhrt zu einerAnderung des Rezipierverhaltens seitens des Publikums. (a. a. 0.: 176)
Als grofee Herausforderung fur die Synchronisationsarbeit prasentieren sich nun auch die schnell produzierten Fernsehserien, da sie aufgrund der hohen Relevanz der Dialoge und Nahaufnahmen besondere Anspruche an die Synchronsprecher stellen. Pruys zitiert in diesem Zusammenhang Michael Bakewell: ,,It consists mostly of people talking to each other in relentless close-up’’. (a. a. 0.: 177) Die Dialoge verlieren in den moglichst schnell produzierten Synchronisationen viel von ihrem eigentlichen Wert. (ebd.)
Als positive Entwicklung der 80er Jahre ist jedoch sicherlich die starkere Hinwendung zur Filmwissenschaft und das durch diese verstarkte Streben um Angemessenheit der Synchronfassungen zu betrachten.
Heutzutage ist die Synchronisation in Kino und Fernsehen allgegenwartig. Fremdsprachige Filme werden nur auKerst selten und auch nur in bestimmten Kinos in ihrer Originalversion oder aber mit Untertiteln ausgestrahlt. Radmann stellt dieses Phanomen anhand einiger statistischer Zahlen aus den Jahren 1995 bis 1999 deutlich dar:
„die jahrlichen Bruttoeinnahmen der deutschen Filmtheater betragen ca. 1,5 Milliarden DM, die der Filmverleiher ca. 650-700 Millionen. Der Marktanteil auslandischer Filme an Besucherzahlen und Verleihumsatz bewegt sich dabei um die 90%. Die Synchronfassungen der auslandischen Filme erzielen wiederum von diesen 90% einen Marktanteil von durchschnittlich uber 95%." (Radmann 2003: 12)
Kaum anders sehen die Zahlen fur das Fernsehen aus: insgesamt werden 1999 rund 20.271 Spielfilme ausgestrahlt, von denen nur 13%, also 2.618 Filme, aus dem deutschsprachigen Raum stammten. 87% der ausgestrahlten Filme werden also ursprunglich fur das fremdsprachige Ausland produziert. (a. a. O.: 13)
Im Rahmen des „Media Plus‘‘-Programmes der Europaischen Kommission, dessen Laufzeit auf den Zeitraum von 2001 bis 2005 veranschlagt ist, wird die grenzuberschreitende Verbreitung europaischer audiovisueller Werke innerhalb der EU und auch daruber hinaus mit enormen Geldmitteln gefordert. Verbunden ist dieses Projekt zwangslaufig mit einer Zunahme und speziellen Forderung von Synchronversionen. (ebd.)
AbschlieKend merkt Radmann an, dass die zum Zeitpunkt des Schreibens seines Buches noch teilweise in der Entwicklung stehende DVD-Technologie seiner Meinung nach noch vermehrt Einfluss auf die Qualitat und Quantitat von Synchronfassungen haben wird, da dieses Medium Speicherplatz fur mehrere verschiedene Tonspuren bietet und somit neben der Originalfassung meist zwei bis drei anderssprachige Versionen gespeichert und abgespielt werden konnen. (a. a. O.: 14)
Beleuchtet man die Geschichte des Films bzw. der Filmsynchronisation in Deutschland derart intensiv, so darf jedoch nicht unerwahnt bleiben, dass die deutsche Filmindustrie in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts derart floriert, dass sie nicht mafegeblich auf die Synchronisation auslandischer Produktionen angewiesen ist. Diese bedeuten vielmehr eine willkommene Erganzung des nationalen Filmangebots.
In diesem Zusammenhang mochte ich deshalb kurz auf die Ufa (Universum-Film AG) eingehen, ihres Zeichens ein ,grofeer deutscher Filmkonzern - und eine der bedeutendsten Filmproduktionsstatten der Welt." (Kreimeier 1995: 7)
Als 1916 im Verlaufe des Ersten Weltkrieges das Kino militarisiert und das in diesem Kontext gegrundete Bild- und Filmamt (Bufa) als staatliches Propagandainstrument eingesetzt wird, geht die ursprunglich rein unterhaltende Funktion des Films in Deutschland verloren. Nach dem Krieg soll die Filmindustrie jedoch wieder in zivile Hande ubergehen und somit beginnen bereits im Sommer 1917 auf Initiative der Obersten Heeresleitung erste Verhandlungen zur Grundung einer einflussreichen, machtigen Produktionsfirma unter wirtschaftlichen, jedoch auch politischen Aspekten. (a. a. O.:32ff)
Offiziell wird die Ufa am 18. Dezember 1917 gegrundet, der Aufsichtsrat setzt sich damals aus fuhrenden Personlichkeiten der deutschen Wirtschaft zusammen. Im Januar 1918 erfolgt sodann der Eintrag des Unternehmens in das deutsche Handelsregister, in dem folgende Aufgaben- bzw. Geschaftsbereiche festgelegt werden:
„der Betrieb aller Zweige des Filmgewerbes, insbesondere der Filmfabrikation, des Filmmietgeschaftes und Film-Theatergeschaftes, sowie Fabrikation und Handel jeder Art, der mit dem Film- und Lichtbildgewerbe im Zusammenhang steht." (a. a. O.: 39ff)
Bereits im Vorfeld der offiziellen Grundung ist es der Plan des Aufsichtsrates, durch strategische Aufkaufe anderer Produktionsfirmen den deutschen Einfluss auf die mitteleuropaische sowie die ost- und sudosteuropaische Filmindustrie aufrechtzuerhalten und zugleich zu starken. Nachdem dieses Ziel erreicht ist, stellen die Verantwortlichen zufrieden fest, dass sie „einen Zusammenschluss in der Filmindustrie [geschaffen hatten], der einerseits ein lebenskraftiges und aussichtsvolles Wirtschaftsunternehmen darstellen sollte, andererseits die Garantien dafur bot, dafi wichtige Aufgaben auf dem Gebiet deutscher Propaganda, deutscher Kultur- und Volkserziehung im Sinne der Reichsregierung gelostwerden. [...]" (Kreimeier 1995: 40)
Insbesondere auffallig an dieser Aussage ist im Rahmen meiner Arbeit, dass die Propaganda hier bereits als fester Bestandteil der Aufgaben einer Filmproduktionsgesellschaft betrachtet wird, obwohl die staatliche Kontrolle und Beeinflussung des Filmes durch die Grundung einer mehr oder minder zivilen Gesellschaftja eigentlich in den Hintergrund hatte rucken sollen.
Auch im letzten Jahr des Krieges kann die Ufa ihre Expansionsstrategie erfolgreich vorantreiben. Im Jahre 1921 nun gibt der Staat seine Anteile an der Ufa auf und verkauft sie an die Deutsche Bank, unter anderem, da es aktuell keinen Bedarf fur aktive Propaganda mehr gibt, aber auch aus finanziellen Grunden. Bis zum Ende der Weimarer Republik kann die Ufa nun ohne staatliche Uberwachung weiterarbeiten, expandieren und ihr Imperium ausbauen. Trotz wirtschaftlicher und auch politischer Schwierigkeiten in der ersten Halfte der 20er Jahre gelingt es der Ufa, die Spitzenposition in der europaischen Filmindustrie zu erobern. (a. a. 0.: 78)
Mit ihren gewaltigen Monumentalfilmproduktionen feiert die Ufa in der Nachkriegszeit groRe Erfolge und wird weltweit auf dem Filmmarkt anerkannt. (a. a. 0.: 82)
Nach weiteren Fusionsanstrengungen, in diesem Fall mit der Decla-Bioscop, kann die Ufa nun die Bioscop-Ateliers in Neubabelsberg nutzen, die sie in den folgenden Jahren zur „Ufa-Filmstadt" ausbaut und somit einen Standort schafft, der Hollywood durchaus die Stirn bieten kann. Ein groRer Teil des Erfolgsrezepts der Ufa besteht sicherlich darin, dass sie den einzelnen Geschaftsbereichen groRtmogliche Autonomie zugesteht und somit die individuelle Anpassungsfahigkeit der selbigen gewahrt bleibt.
[...]
[1] Quelle: http://alternativereel.com/includes/top-ten/display review.php?id=00008. Zugriff: 04.06.2009,17:58 MESZ
[2] Quelle: http://www.dwds.de/?kompakt=1&sh=1&qu=propaganda , Zugriff: 04.06.2009, 20:41 MESZ
[3] www.brockhaus.de
- Arbeit zitieren
- Dorina Linette Frerking (Autor:in), 2009, Filmsynchronisation als Instrument politischer Beeinflussung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141283
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