“Wäre die Schaffung neuer ständiger Mitglieder im Sicherheitsrat zusätzlich zu den bereits bestehenden, wie einige Länder vorschlagen, wirklich der richtige Weg, [...]? An diesem Punkt gehen unsere Meinungen auseinander” (Frattini 2004).
Diese Sätze ließ der italienischen Außenminister Frattini verlauten, und er bezog sich hier auf die sehr gegensätzlichen Auffassungen, die Italien und Deutschland in der jüngsten Debatte um die Reform des Weltsicherheitsrates vertraten. [...]
Die Arbeitsweise, aber besonders die Zusammensetzung des Rates wurde dabei als undemokratisch, anachronistisch, exklusiv und vor allem als nicht repräsentativ für eine stark angewachsene Mitgliedschaft kritisiert. [...]
Die wahrgenommenen Defizite aber blieben bestehen und verstärkten sich mit einer anwachsenden Mitgliederzahl, neuen Problemen und Herausforderungen sowie politischen Entwicklungen - so erarbeite eine von Kofi Annan 2003 international besetzte Gruppe [...]HLP zwei neue Modelle zur Reform des Sicherheitsrates (Modell A und
Modell B). Auch einzelne Staatengruppen, namentlich die Afrikanische Union (AU), die Gruppe der Vier (G-4: Brasilien, Deutschland, Indien, Japan) sowie die Gruppe “Geeint für den Konsens” (eine Staatengruppierung unter der Federführung Italiens),legten jeweils eigene Reformvorschläge vor, die im Sommer 2005 in der Vorstellung von drei Resolutionsentwürfen mündeten.[...]
Wieso aber unterschieden sich nationale Positionen vergleichbarer Länder zur Reform des Sicherheitsrates der UNO?
Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, warum es zur Herausbildung unterschiedlicher Positionen hinsichtlich der Reform des Sicherheitsrates kam, und wie diese Positionen formuliert, präsentiert und begründet wurden. Der Schwerpunkt soll hier besonders auf zwei Länderbeispielen liegen, die als relativ ähnliche Akteure gelten können, da sich bei diesen die Erklärung für divergierende Positionen nicht direkt erschließt.
Als Länderbeispiele werden daher hier die Bundesrepublik Deutschland sowie Italien angeführt, die beide mit einem eigenen Reformmodell sehr unterschiedliche Positionen zum Reformprozess bezogen. Das italienische Modell sah eine sehr inklusive, demokratische Erweiterung vor, während Deutschland ein neues Dreiklassensystem im Rat schaffen und selbst einen ständigen Sitz einnehmen wollte. Sind die unterschiedlichen Konzepte schlicht damit zu begründen, dass Italien als Zivilmacht, Deutschland dagegen als Machtstaat handelte?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Forschungsstand, Methodik und Aufbau
3. Fallauswahl: Italien und Deutschland
3.1. Gemeinsames Schicksal?
3.2. Deutschland und Italien im internationalen System - “Machtgleichgewicht”?
3.3. UNO-Engagement: ” natürliche Kandidaten”?
4. Der Weltsicherheitsrat - Zusammensetzung, Aufgaben, Reformbedarf
5. Theoretische Einbettung
5.1. Neorealistischer Ansatz: Das Konzept des Machtstaates
5.2. Konstruktivistischer Ansatz: Das Konzept des Zivilstaates
6. Analyse der Reformpositionen
6.1. Die Reformmodelle der G-4 und der “Geeint für den Konsens”
6.1.1. Das Modell der G-4: Anpassung an die “geopolitischen Realitäten”?
6.1.2. Das Modell der “Geeint für den Konsens”: ein “win win approach”?
6.2. Geeint für ein Ziel: die G-4 und die “Geeint für den Konsens”
6.3. (K)ein Sitz für die EU?
6.4. Demokratisierung und die “souveräne Gleichheit”
6.5. Repräsentation: “angemessene geografische Verteilung”?
6.6. Effektiver Multilateralismus?
7. Bewertung und Fazit
8. Literatur- und Quellenverzeichnis
8.1. Bücher und wissenschaftliche Aufsätze
8.2. Dokumente und Quellen
8.3.Reden und Statements
8.4. Presseartikel
9. Abkürzungsverzeichnis
ANHANG A
ANHANG B
ANHANG C
1. Einleitung
“Wäre die Schaffung neuer ständiger Mitglieder im Sicherheitsrat zusätzlich zu den bereits bestehenden, wie einige Länder (darunter auch Deutschland) vorschlagen, wirklich der richtige Weg, [...]? An diesem Punkt gehen unsere Meinungen auseinander” (Frattini 2004).
Diese Sätze ließ der italienischen Außenminister Frattini verlauten, und er bezog sich hier auf die sehr gegensätzlichen Auffassungen, die Italien und Deutschland in der jüngsten Debatte um die Reform des Weltsicherheitsrates vertraten. Dabei sind Forderungen nach Reformen der Vereinten Nationen beinahe genauso alt wie die internationale Organisation selbst. Im Zentrum dieser Diskussionen steht dabei eben das wohl wichtigste Organ, das über die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit wacht: der Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen (im Folgenden UNO) .
Die Debatte um die Reform eben dieses Organs begann bereits in den siebziger Jahren,1 gewann aber besonders mit dem Ende des Ost-West Konfliktes und der damit einher gehenden Neuordnung des internationalen Systems wieder an Dynamik. Die Arbeitsweise, aber besonders die Zusammensetzung des Rates wurde dabei als undemokratisch, anachronistisch, exklusiv und vor allem als nicht repräsentativ für eine stark angewachsene Mitgliedschaft kritisiert. So wurde 1992 die “Open-ended- working-group” eingesetzt, deren Reformbemühungen 1997 in der Vorstellung des “Razali-Plans” mündeten - ein Modell, dass sich als “mehrheitsverdächtig, aber nicht konsensfähig” (Andreae:2002, 178) erwies. Zu divergierend schienen die Interessen, Motivationen und Bemühungen seitens der Staaten, so dass die Reform des Sicherheitsrates wieder “in die Warteschleife” (ebd.) geschickt wurde.
Die wahrgenommenen Defizite aber blieben bestehen und verstärkten sich mit einer anwachsenden Mitgliederzahl, neuen Problemen und Herausforderungen sowie politischen Entwicklungen - so erarbeite eine von Kofi Annan 2003 international besetzte Gruppe, das “High Level Panel on Threats, Challenges and Change” (im Folgenden HLP), zwei neue Modelle zur Reform des Sicherheitsrates (Modell A und Modell B). Auch einzelne Staatengruppen, namentlich die Afrikanische Union (AU), die Gruppe der Vier (G-4: Brasilien, Deutschland, Indien, Japan) sowie die Gruppe “Geeint für den Konsens” (eine Staatengruppierung unter der Federführung Italiens), legten jeweils eigene Reformvorschläge vor, die im Sommer 2005 in der Vorstellung von drei Resolutionsentwürfen mündeten.
Abgesehen von den institutionellen Hürden, die für die Annahme eines Entwurfes überwunden werden müssen2, offenbart allein ein Blick auf die Mitgliederzahl von 193 Staaten (bzw. 191 zur Zeit der Reformvorschläge) die Schwierigkeiten, die zwangsläufig mit jedem Reformbemühen einhergehen müssen - die Interessen, Motive und auch die jeweiligen Möglichkeiten, auf den Reformprozess einzuwirken, sind logischerweise in der Weltorganisation äußerst asymmetrisch bzw. divergierend und heterogen - anscheinend aber nicht zu unvereinbar, um sich unter Gleichgesinnten zu “Interessengruppen” zusammen zu schließen.
Auffällig hierbei ist allerdings, dass es bei Weitem nicht (nur) eine klassische Dichotomie von machtlosen Entwicklungsländern, die nach mehr Mitbestimmung streben, auf der einen, und machtvollen Industrieländern, die nur bedingt willens sind, ihre Stimmrechte zu teilen, auf der anderen Seite ist, die unterschiedliche Vorstellungen und Forderungen hervorbringt und so eine Reform des Rates aufhält - auch bei relativ homogenen Akteuren lassen sich sehr unterschiedliche Positionen und Vorstellungen ausmachen, die eine Einigung erschweren. Wieso aber unterschieden sich nationale Positionen vergleichbarer Länder zur Reform des Sicherheitsrates der UNO?
Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, warum es zur Herausbildung unterschiedlicher Positionen hinsichtlich der Reform des Sicherheitsrates kam, und wie diese Positionen formuliert, präsentiert und begründet wurden. Der Schwerpunkt soll hier besonders auf zwei Länderbeispielen liegen, die als relativ ähnliche Akteure gelten können, da sich bei diesen die Erklärung für divergierende Positionen nicht direkt erschließt.
Als Länderbeispiele werden daher hier die Bundesrepublik Deutschland sowie Italien angeführt, die beide mit einem eigenen Reformmodell sehr unterschiedliche Positionen zum Reformprozess bezogen. Das italienische Modell sah eine sehr inklusive, demokratische Erweiterung vor, während Deutschland ein neues Dreiklassensystem im Rat schaffen und selbst einen ständigen Sitz einnehmen wollte. Sind die unterschiedlichen Konzepte schlicht damit zu begründen, dass Italien als Zivilmacht, Deutschland dagegen als Machtstaat handelte?
2. Forschungsstand, Methodik und Aufbau
Literatur über den Weltsicherheitsrat und ihn betreffende Reformbemühungen findet sich zahlreich, allerdings werden hier größtenteils die Reformnotwendigkeiten und die verschiedenen Reformmodelle deskriptiv dargestellt. Dabei finden sich auch wissenschaftliche Aufsätze, Artikel und andere Veröffentlichungen, die auf die Positionen, Motive, Argumente und auch Chancen einzelner Länder eingehen wie z.B. der Artikel von Heinz Brill: “Die Reform des UNO-Sicherheitsrates und die Interessen der Mächte” (2005). Besonders in der deutschsprachigen Literatur finden sich Analysen der deutschen Position wie Lisette Andreaes “Reform in der Warteschleife - ein deutscher Sitz im Sicherheitsrat?” (2002) oder auch wissenschaftliche Artikel, die vornehmlich diskutieren, ob das deutsche Anliegen nun anmaßend oder doch angemessen ist (wie z.B. der Kommentar “Ex occidente Lux...” von Gunther Hellmann 2004).
Auch die italienischen Ambitionen finden öfters Erwähnung, allerdings nur in kurzer und kaum in theoriegestützter Form. Die Frage dieser Arbeit, warum vergleichbare Nationen - hier im konkreten Beispiel Italien und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) -(derart) divergierende Haltungen zur Reform des Sicherheitsrates entwickelten, wird kaum intensiv analysiert.
Um diese Frage beantworten zu können, werden zunächst einmal die ausgewählten Länderbeispiele dargestellt und begründet, warum sich diese Nationen als relativ homogene Akteure bezeichnen lassen und daher auch eher ähnliche Vorstellungen und Erwartungen an eine Reform des Sicherheitsrates erwarten ließen. Anschließend soll das Organ, sowie seine Aufgaben und Defizite, um welches sich die Reformdebatte dreht, genauer dargestellt werden: der Sicherheitsrat der UNO.
Die unterschiedlichen Modelle reflektieren nun auch die teilweise schwer vereinbaren Anforderungen, denen eine Reform des Rates gerecht werden muss, und auch der damalige Generalsekretär der UNO, Kofi Annan, beschrieb, dass bei einer Reform eben diese teilweise widerstreitenden Herausforderungen berücksichtigt werden müssten:” [...] both by demonstrating its ability to deal effectively with the most difficult issues and by becoming more broadly representative of the international community as a whole, as well as the geopolitical realities of today” (Annan 2003) .
Konkret lagen den Reformgedanken dabei besonders zwei scheinbar unvereinbare Aspekte zu Grunde: so ging es auf der einen Seite um normgerechtes und “angemessenes” Verhalten, auf der anderen Seite aber auch um Macht- und Einflussdenken.
Ein erster und flüchtiger Blick auf die Reformpositionen Deutschlands und Italiens zeigt, dass beide Länder mit unterschiedlichen Vorstellungen und Forderung an die Reform des Sicherheitsrates herantraten: während Deutschland ein neues Klassensystem und einen eigenen ständigen Sitz anstrebte, verlangte Italien eine inklusive, gleichberechtigte und demokratische Lösung. Die Divergenz der nationalen Position ist insofern überraschend, dass beide Länder durchaus eine vergleichbare Position im internationalen System sowie in der UNO einnehmen (s. Kapitel 3.) - theoretisch hätten sich für beide Länder also vergleichbare Chancen und Anreize , sowie auch Beschränkungen für einen ständigen Sitz ergeben. Auch hinsichtlich ihrer historischen Erfahrungen und kulturellen Systeme lässt sich kaum darauf schließen, dass divergierende Norm- und Wertvorstellungen, auf innergesellschaftlicher wie internationaler Ebene, zur Herausbildung unterschiedlicher Positionen führten.
Ist das deutsche so offen bekundete Interesse nach einem ständigen Sitz nun schlicht mit egoistischem Machtstreben eines Landes zu erklären, das selbstbewusst eine ihm aufgrund seiner Machtstellung zustehende Position einforderte, und das “Projekt Europa” seinen eigenen nationalen Interessen unterordnete?
Dachte Italien hier “europäischer” und gemeinwohlorientierter, da es sich am normativen Prinzip der Gleichberechtigung orientierte und sich für einen demokratisch und repräsentativ gerechteren Rat einsetzte?
Als Ausgangshypothese soll hier zunächst einmal formuliert werden, dass die
Positionen der BRD und Italiens divergierten, da ihnen unterschiedliche Handlungsorientierungen zu Grunde lagen.
Basishypothese: Bei der Reform des Sicherheitsrates der UNO agierte Italien als normorientierter “Zivilstaat”, während Deutschland eher als nutzenmaximierender “Machtstaat” handelte.
Um diese Hypothese zu überprüfen, werden im theoretischen Teil zunächst einmal die Denkschulen der internationalen Beziehungen angeführt, auf die sich diese Rollenkonzepte stützen: der Neorealismus und der Konstruktivismus. Dabei werden die Konzepte bzw. Idealtypen des “Machtstaates” und des “Zivilstaates”3 dargestellt und aufgezeigt, welches konkrete Verhalten sich in Bezug auf die Reform des Sicherheitsrates jeweils für einen machtstaatlich und einen zivilstaatlich orientiert handelnden Akteur hätte erwarten lassen.
Anschließend werden die Positionen bzw. Modelle sowie das Verhalten beider Länder parallel und konkurrierend auf eben jene Idealtypen und Erwartungen abgeglichen. Dazu werden die Resolutionsentwürfe bzw. die Reformmodelle dargestellt sowie Aussagen führender Politiker beider Nationen herangezogen.
Dabei müssen die Positionen Deutschlands und Italiens intensiv und auch in dem sie umgebenden Kontext analysiert werden. Abgesehen davon, dass die Empirie sich kaum als kongruent mit den Idealtypen, sondern eher eine als Tendenz zu dem jeweiligen Rollenkonzept darstellen wird, zeigt sich hier vor allem die Schwierigkeit, dass sich die Interessen und Motive nicht eindeutig trennen und belegen lassen; so kann machtstaatliches Handeln sich durchaus normativ bzw. legitim begründen lassen bzw. auswirken, während zivilstaatlich anmutendem Handeln sehr wohl auch Macht- und Einflussdenken zu Grunde liegen kann.
Einige Faktoren, wie diverse Krisensituationen (z.B. der Irakkrieg), die innenpolitische Dimension, wie z.B. eine anstehende Wahl und Meinungsdifferenzen zwischen den einzelnen Parteien und auch führenden Politikern, sowie eben auch die öffentliche Meinung mögen ebenfalls auf die Herausbildung der jeweiligen Position eingewirkt haben, sollen hier aus Platzgründen aber nicht behandelt werden. Der Zeitraum wird hier in erster Linie auf den letzten Reformprozess (2000-2005) bezogen, soll aber teilweise durch historisches (und für den Kontext als wichtig erscheinendes) Hintergrundwissen ergänzt werden.
3. Fallauswahl: Italien und Deutschland
3.1. Gemeinsames Schicksal?
Italien und Deutschland werden hier als ähnliche Nationen als Fallbeispiele herangezogen, da sich für beide Länder eine Reihe von historischen und kulturellen Gemeinsamkeiten aufzeichnen lässt.
Beide Staaten waren zur Zeit des Zweiten Weltkrieges durch totalitäre Regimes, Faschismus bzw. Nationalsozialismus und Militarismus geprägt, daher zählten sie nicht zu den Gründungsmitgliedern der UNO, sondern können eher als einer der Gründungsfaktoren der UNO verstanden werden - schließlich liegt die Hauptaufgabe der UNO darin, “künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren” (Präambel der Charta der UNO). Daher gelten sie auch heute noch nach einer Klausel der Charta begrifflich als Feindstaaten.4
Gemeinsam ist beiden Staaten aber auch eine aus dem Zweiten Weltkrieg resultierende befürwortende integrative Haltung: beide sind Gründungsmitglied der EGKS bzw. der Europäischen Union, und für beide Nationen war (und ist) die Mitgliedschaft in der europäischen Organisation von besonderer Bedeutung: Deutschlands Anliegen war es vor Allem, seine verlorene staatliche Souveränität zurück zu erlangen, militärische Sicherheit und Gleichberechtigung mit anderen europäischen Staaten zu erhalten, während ein durch den Krieg zurückgelassenes politisch, wirtschaftlich und militärisch schwaches Italien seine (nicht nur wirtschaftliche) internationale Randposition und zudem innenpolitische Schwierigkeiten zu überwinden suchte. Gleichzeitig bedeutete jedoch das hohe Engagement im europäischen Integrationsprozess für beide Staaten auch eine Absage an die eigene faschistische Vergangenheit und ebnete so den Weg zu einer Kultur des Multilateralismus (Rusconi:2006, 15ff.). In der EU selbst stehen Italien und die BRD gleichberechtigt Seite an Seite.
Auch in anderen internationale Organisation sind beide Länder vertreten. Italien war Gründungsmitglied der NATO im Jahr 1949, Deutschland folgte im Jahr 1955. In diesem Jahr trat Italien auch der UNO bei, während die BRD (und die DDR) erst 1973 Mitglied der internationalen Organisation wurden. Erwähnenswert ist hier, dass Italien bereits 1969, also vor dem Eintritt Deutschlands in die UNO, Interesse an einem eigenen ständigen Sitz im Sicherheitsrat bekundete. Bisher waren beide Länder nur als nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat vertreten - im internationalen Vergleich zeichnen sich beide zunächst durch ein hohes Engagement in der UNO aus (s. Kapitel 3.3.)
Zudem sind Italien und die BRD in den exklusiven G-8 vertreten.
Weitere Faktoren, die einen Vergleich der Positionen dieser beider Länder anbieten, sind neben der gemeinsamen geografischen Lage in Europa ihren politischen und kulturellen Systeme - beide Nationen sind parlamentarische Demokratien und vor allem in ihrer heutigen Gestalt relativ junge Nationen, und durch die politische Vergangenheit stark multilateral und eher antimilitaristisch ausgerichtet. Zudem sind beide Länder hauptsächlich christlichen Glaubens geprägt. Insgesamt lassen sich dabei beide Nationen eher mit den Begriffen der Handels- und der Zivilmacht umschreiben. Neben all diesen Gemeinsamkeiten ist es besonders die gemeinsame Mitgliedschaft in der EU und das damit induzierte Bekenntnis bzw. die Notwendigkeit zur wirtschaftlichen und vor allem (außen-)politischen Zusammenarbeit, und somit auch die Zurückstellung eigener nationaler Interessen, die ähnliche, vor allem aber kooperative bzw. koordinierte Positionen bezüglich der Reform des Sicherheitsrates hätten erwarten lassen.
3.2. Deutschland und Italien im internationalen System - “Machtgleichgewicht”?
Auch im internationalen System nehmen beide Länder eine vergleichbare Machtstellung ein. Um diese Positionen definieren bzw. messen zu können, lassen sich realistische Kennziffern heranziehen, d.h. Daten über das jeweilige Territorium, Wirtschaftsdaten sowie das militärische Potential.
Dass Italien und die BRD sich hinsichtlich ihrer Ressourcen und Potentiale als ähnliche bzw. vergleichbare Länder bezeichnen lassen können, zeigt ein Blick auf solche Kennziffern (s. Anhang A): allein hinsichtlich der geografischen Größe ist das Gebiet BRD mit 357,021 Quadratkilometern nur unwesentlich größer als das Italiens mit 301,230 Quadratkilometern. Mit Hinsicht auf die Bevölkerungszahl finden zeigt sich zunächst, dass mit insgesamt ca. 82 Millionen die Bevölkerungszahl Deutschlands um einiges höher ist als die Bevölkerungszahl Italiens (ca. 58 Millionen); im internationalen Vergleich jedoch finden sich beide Länder in etwa im gleichen Abschnitt der Weltrangliste wieder (Deutschland findet sich hier auf Platz 14, Italien auf Platz 23 dieser Liste), und auch im gesamteuropäischen Vergleich gehören beide Länder zu den bevölkerungsreichsten Nationen ihrer Region (Top-5). Hinsichtlich der wirtschaftlichen Kraft nimmt die BRD mit einem BIP von $ 2.271 Mrd. zwar die europäische Spitzenposition ein, aber auch Italien findet sich mit einem BIP $ 1.552 Mrd. selbst im internationalen Vergleich auf Rang 8 (die BRD belegt hier Platz 5).
Das BIP pro Kopf zeigt für beide Länder in der internationalen Rangliste weniger gute, dafür aber wieder sehr ähnliche Zahlen: so findet sich hier die BRD mit $ 27,600 auf Platz 20, allerdings dicht gefolgt von Italien auf Platz 24 ($ 26,800). Nur hinsichtlich des realen Wachstums des BIPs stehen beide Wirtschaftsmächte weit hinten: so findet sich Italien mit einem realen Wachstum von 0,5 % auf Rang 186, die BRD dagegen mit einem negativen realen Wachstum von -0,1 % auf Rang 193 der Weltrangliste.
Mit einer Truppenstärke von ca. 265,000 5 platziert sich die BRD zwar vor Italien (ca. 190 000), aber auch hinsichtlich der Verteidigungsausgaben finden sich beide Länder als direkte Nachbarn auf Platz 7 (Deutschland mit einem Gesamtbudget von ca. $ 35 Mrd). und Platz 8 (Italien mit einem Gesamtbudget von ca. $ 28 Mrd.) im internationalen Vergleich wieder, und mit Hinblick auf die Verteidigungsausgaben prozentual bezogen auf das BIP überbietet Italien mit 1,9 % (Platz 85) die BRD, die 1,5 % aufwendet (Platz 110).
Diese Kennziffern zeigen, dass die BRD und Italien hinsichtlich ihrer Ressourcen und Potentiale speziell im internationalen Vergleich (und in Relation z.B. zu den USA) in der gleichen Liga anzusiedeln sind; beide nehmen zwar keinen Großmachtstatus (dieser Begriff lässt sich momentan nur auf die USA anwenden) ein, können aber als solide Mittelmächte bezeichnet werden.
In direkter Relation ist es allerdings die BRD, deren Position sich insgesamt als etwas besser darstellt, und der in Europa eine wirtschaftliche Hegemonialposition zukommt.
3.3. UNO-Engagement: “natürliche Kandidaten”?
Beide Nationen sind im internationalen Vergleich überdurchschnittlich in der UNO engagiert. Um die Leistungen darzustellen und zu vergleichen, lässt sich hier der Kriterienkatalog des HLP-Berichts6 heranziehen: hier werden Kriterien benannt, auf die sich die Mitgliedsstaaten bei der Wahl ständiger Mitglieder in den Sicherheitsrat stützen sollten. Die Aspiranten sollten sich dabei unter den “Top Drei” ihrer Region hinsichtlich der Höhe der finanziellen Beiträge zum regulären Budget der UNO, freiwilliger bzw. extrabudgetärer Leistungen sowie bezüglich der Beiträge zu Friedensmissionen (Truppenstellung) befinden (HLP-Bericht XIV. Ziff 254). Darüber hinaus sollen Industrieländer ihre Entwicklungshilfe auf eine vereinbarte Quote von 0,7 % des jeweiligen BIP (ODA-Quote) anheben (HLP-Bericht XIV. Ziff 249a). Eine Gewichtung dieser Kriterien wird allerdings nicht genannt.
Ein Blick auf die regulären UNO-Beiträge der Mitgliedsstaaten (s. Anhang B) macht deutlich, warum die BRD ihren Ambitionen auf einen ständigen Sitz besonders mit Hinweis auf die Mitgliedschaftsbeiträge Nachdruck verlieh: im Jahr 2004/2005 trug die BRD rund 8,7 % des regulären Haushalts der UNO und war damit nach den USA und Japan der drittgrößte Beitragszahler insgesamt. Italiens Beitragssatz im gleichen Jahr lag bei rund 4,9 % und somit an sechster Stelle aller Beitragszahler. Deutschland nimmt hier also, nicht nur in Europa, eine absolute Spitzenposition ein. Ein ganz anderes Bild ergibt sich bei den freiwilligen Beitragszahlungen zu den Spezialorganen der UNO sowie Aktivitäten der UNO-Sonderorganisationen: hier findet sich Italien im internationalen Vergleich mit einem Gesamtbudget von $ 114,280 Mrd. unter den Top- Drei und wird somit in Europa nur noch vom ständigen Sicherheitsratsmitglied Großbritannien übertroffen, während sich die BRD mit einem deutlich geringeren
Budget von $ 27,093 Mrd. im internationalen Vergleich nur auf Platz 11 der Rangliste befindet und damit auch in Europa weit abgeschlagen hinter Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Schweden, Norwegen, Frankreich und der Schweiz steht. Die Zahlen der Beiträge zu Friedensmissionen der UNO (Bereitstellung von Truppenpersonal für UNO-geführte Missionen) allerdings zeigen beide Nationen im internationalen Vergleich abseits der Top Ten: so finden sich z.B. für den Dezember 2004 Deutschland auf Platz 36, Italien nur auf Platz 45 des internationalen Rankings wieder; die Top Drei werden hier angeführt von Staaten wie Bangladesch, Pakistan und Indien. Europäische Staaten finden sich hier grundsätzlich abseits der Top-10, zumeist angeführt durch Staaten wie Polen oder die Ukraine.
Allerdings verzerrt die begriffliche Differenzierung zwischen UNO-geführten und lediglich UNO-mandatierten Missionen das Bild, da die BRD erheblich stärker in UNO-mandatierten Missionen wie z.B. KFOR (Kosovo), SFOR/Althea (Bosnien) und ISAF (Afghanistan) und eingebunden ist und hier mehr Truppen stellt als vergleichsweise die USA, Frankreich, Großbritannien und auch Italien (Schneckener:2005, 3); diese Zahlen werden jedoch in den offiziellen Statistiken der UNO nicht berücksichtigt.7
Die Erfüllung bzw. Anhebung der ODA-Quote auf 0,7% wurde bisher weder von Deutschland, noch von Italien annähernd erfüllt, auch wenn ein Vergleich der Zahlen über den Zeitraum 2003-2005 von realen Anstrengungen, sich diesem Ziel zumindest ansatzweise anzunähern, zeugen könnte: so lag die BRD im Jahr 2003 mit einer ODA- Quote von 0,28 % eher im unteren Mittelfeld der Gesamtheit der OECD-Länder, während die ODA-Quote Italiens mit 0,17 % nur noch von den USA mit 0,15 % unterboten wurde. Auch für das Jahr 2004 zeigen sich ähnliche Zahlen, allerdings fand im Jahr 2005 eine merkliche Anhebung in beiden Ländern statt: so stieg die ODA- Quote der BRD auf 0,36 %, die Italiens auf 0,29 % - im Gesamtvergleich der OECD- Länder ändert dies für Deutschlands Position im unteren Mittelfeld nichts, Italien aber verliert seine Schlusslichtposition. Dennoch - trotz sichtbarer Bemühungen scheint die Erfüllung dieses Kriteriums für beide Nationen noch in weiter Ferne, zumal in der Region Europa Länder wie Schweden und Norwegen eine ODA-Quote von 0,94 %, und auch Luxemburg, die Niederlande und auch Dänemark eine Quote von rund 0,8 % aufweisen und somit die BRD wie Italien deutlich auf die hinteren Ränge verweisen. Insgesamt aber weisen beide Länder, besonders im internationalen Vergleich, keinen schlechten “record” bei der UNO auf; da keine Gewichtung der Kriterien genannt wird, ist es hier kaum möglich, eine Rangliste nach “Berechtigungsanspruch” (auf Basis der Erfüllung der Kriterien) zu erstellen - es lässt sich aber postulieren, dass eben aufgrund des überdurchschnittlichen Engagements bei der Wahl ständiger Mitglieder beide Länder zu den absoluten Spitzenkandidaten ihrer Region gezählt hätten. Nur ist es auch in hier in direkter Relation Deutschland, dessen Aussicht auf die Wahl sich nicht zuletzt durch seinen extrem hohen regulären Beitragssatz etwas besser gestaltet hätte.
4. Der Weltsicherheitsrat - Zusammensetzung, Aufgaben, Reformbedarf
Der Sicherheitsrat ist das wichtigste, zentralste und vor allem mächtigste Organ innerhalb der UNO. Die Aufgaben des Rates sind umfassend, die Hauptaufgaben liegen laut Artikel 23 der UN-Charta bei der “[...] Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit [...]”, d.h. der Rat befindet über internationale Streitigkeiten (aber auch andere Probleme) und verfügt allein über das Gewaltlegitimationsmonopol. Zudem ist er das einzige Gremium, dessen Beschlüsse bindend für alle Staaten sind. Gegenwärtig setzt sich der Rat aus insgesamt 15 Mitgliedsstaaten zusammen: fünf Staaten, die seit der Gründung der Vereinten Nationen über einen ständigen Sitz sowie über ein Vetorecht verfügen8 (die Permanent Five, kurz P-5: USA, Großbritannien, Frankreich, Russland, Volksrepublik China) sowie zehn nichtständige Mitgliedsstaaten, die für jeweils zwei Jahre von der Generalversammlung (GV) gewählt werden. Deren laut Charta der UNO “angemessene geografische Verteilung” (Art. 23) wird zwar nicht explizit definiert, in der Praxis hat sich aber die Verteilung nach einem bestimmten Regionalschlüssel etabliert (s. Grafik Anhang C).
Internationaler Konsens besteht hinsichtlich der Notwendigkeit einer Reformierung des Rates: im Zentrum der Kritik steht die aktuelle Zusammensetzung, die mit den P-5 immer noch die Mächtekonstellation von 1945 wieder spiegelt. Das ebenfalls oft kritisierte Repräsentations- und Demokratiedefizit zeigt sich besonders mit Blick auf das Verhältnis von Mitgliederstaaten zu ihrer Repräsentation im Rat: mittlerweile 193 Staaten stehen 15 Mitglieder des Rates gegenüber; zudem zeigt sich ein deutliches Nord-Süd Gefälle, die P-5 liegen (größtenteils) in der nördlichen Hemisphäre, gesamte Regionen und Kontinente (so Afrika, Australien, aber auch Lateinamerika) sind nicht mit einem ständigen Sitz vertreten oder verhältnismäßig unterrepräsentiert (wie z.B. Asien).
Auch oft angeführte Kriterien wie die Bevölkerungsgröße oder der finanzielle Beitrag eines Landes zur UNO bleiben beim Status Quo unberücksichtigt. Darüber hinaus ist der Rat in seiner momentanen Zusammensetzung als ein exklusives Zweiklassensystem, unterteilt nach ständigen und nichtständigen Mitglieder zu verstehen. Dabei bringt eine ständige Mitgliedschaft mehr Privilegien als Pflichten mit sich: zunächst einmal bedeutet sie das Recht, zu jedem gegebenen Zeitpunkt bei Entscheidungen des Rates mitsprechen zu können und so konstant über internationalen Einfluss sowie über weltweites Ansehen zu verfügen. Dies bedeutet nun eben auch, dass sich die ständigen Mitglieder ihren Sitz nicht erst und wiederholt durch ihre Beiträge und Aktivitäten “erarbeiten” müssen.9 Am deutlichsten zeigt sich die herausragende Position der ständigen Mitglieder bei Abstimmungsverfahren: zwar verfügt jedes Mitglied des Rates über eine Stimme, und Beschlüsse des Rates bezüglich Verfahrensfragen bedürfen der Zustimmung von neun Mitgliedern; Beschlüsse über alle “sonstigen Fragen”10 bedürfen allerdings der Zustimmung von neun Mitgliedern einschließlich aller ständigen Mitglieder (Art. 27) - diese verfügen somit jeweils über ein Vetorecht, dessen Einsatz jede Entscheidung blockieren kann.
Demgegenüber werden die zehn nichtständigen Mitglieder für je 2 Jahre durch die GV gewählt, wobei die Staaten bei ihrer Wahl neben einer angemessenen geografischen Verteilung der Sitze vor allem den Beitrag der Mitglieder zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit sowie der Verwirklichung der sonstigen Ziele der Organisation berücksichtigen sollen (Art. 23). Eine direkte Wiederwahl ist allerdings ausgeschlossen, daher können nichtständige Mitglieder nicht kontinuierlich bei Beschlüssen des Rates mitwirken und müssen sich zudem einer internationalen Beurteilung ihrer Darbietung bei der UNO stellen.
Die Reformüberlegungen zielen dabei darauf ab, die Repräsentativität (Erhöhung der Mitgliederzahl) sowie auch die Legitimität (möglichst demokratischer Entscheidungsmodus) zu erhöhen; gleichzeitig soll aber auch die Effektivität (schnelle Entscheidungsfindung) gewährt bleiben (Fröhlich/Hüfner/Märker: 2005,10) - Zielgrößen, die sich teilweise gegenseitig auszuschließen scheinen und so auch zu verschiedenen Reformvorstellungen geführt haben mögen.
5. Theoretische Einbettung
5.1. Neorealistischer Ansatz: Das Konzept des Machtsstaates
Der Neorealismus, als Weiterentwicklung des klassischen Realismus (z.B. nach Morgenthau) hat theorieintern zahlreiche Ausdifferenzierungen erfahren. Gemein ist diesen Ansätzen, dass sie das internationale System als anarchische Struktur ohne übergeordnete Instanz in Form eines Gewaltmonopolisten begreifen, so dass sich ein Sicherheitsdilemma ergibt, das wiederum zu einem “Selbsthilfeimperativs des Machterwerbs- oder -erhalts” führt (Rittberger/Zangl:2003, 36). Staaten werden als rationale, sicherheits- und aus eigennutzmaximierende und einheitliche Akteure (black boxes) modelliert. Zudem handeln Staaten aus Perspektive des Neorealismus eher unilateral - Kooperation und Koalitionen bzw. Allianzen werden nur auf kurze Zeit geschlossen, um die eigene Position zu stärken bzw. um ein Machtungleichgewicht auszubalancieren.
Dabei ist das außenpolitische Verhalten von Staaten von ihrer Machtposition im internationalen System abhängig. Staaten sind bemüht, ihre Macht in Einfluss umzuwandeln, und je stärker sich die eigene Machtposition darstellt, desto eher werden Staaten Machtpolitik in Form von Einflusspolitik betreiben. Die Machtposition eines Staates definiert sich dabei einmal durch die Polarität des internationalen Systems sowie durch die Ressourcen eines Staates in Relation zu anderen Staaten (vor allem militärisches und wirtschaftliches Potential; Baumann/Rittberger/Wagner:1999, 247ff). Allerdings versuchen Staaten aus Sicht des Neorealismus nicht allein, ihre Macht und ihren Einfluss zu maximieren, sondern ihre eigene Position zumindest zu bewahren - internationale Politik gilt als ein Nullsummenspiel, das sich nicht an absoluten, sondern an relativen Gewinnen orientiert; ”[...] durch internationale Kooperation erzielte absolute Gewinne übersetzen sich in einen Machtverlust, wenn die internationale Kooperation für andere Staaten mit einem relativen Mehr an Gewinnen verbunden ist” (Rittberger/Zangl: 2003, 37). Internationalen Organisationen wie der UNO kommt zunächst kaum Bedeutung zu, da die eingegangenen Verpflichtungen durch solche Organisationen eher Handlungs-, und damit Autonomiebeschränkung bedeuten können. Dabei ist die Auffassung von internationalen Organisationen aus neorealistischer Sichtweise ambivalent, da solche Organisationen auch als Instrumente staatlicher Machtpolitik verstanden werden, und Politikprozesse sowie die Zusammensetzung bzw. Stimmverteilung auch die Machtstrukturen des internationalen Systems reflektieren. Dies bedeutet auch, dass solche Organisationen eine Arena der Einfluss- und Machtpolitik darstellen können. Staaten sollten daher an erhöhten Mitspracherechten und Einfluss, z.B. in Form erhöhter Stimmrechte interessiert sein sollten (Baumann/Rittberger/ Wagner:2003, 253ff, Rittberger:1999, 86ff). Bezogen auf die UNO wäre erhöhte Einflusspolitik mit dem Streben nach einem eigenen ständigen Sitz verbunden, da dieser mit einem Mehr an Einfluss, Macht und auch Prestige einhergehen würde.11
Ausgehend von der Basishypothese (“Deutschland handelte als Machtstaat, währen Italien als Zivilstaat agierte”) muss untersucht werden, inwieweit sich bei den Akteuren eher eine machtstaatliche Ausprägung ihres Handelns zeigte. Dabei soll für die Analyse hier der Idealtyp des Machtstaates zu Grunde gelegt werden, auch wenn sich dieser in der Empirie kaum deckungsgleich wiederfinden wird.
[...]
1 Zu diesem Zeitpunkt initiiert von Entwicklungsländern, die mehr Mitspracherecht in der UNO verlangten. Abgesehen davon, dass die Arbeit des Sicherheitsrates bis zum Ende des Kalten Krieges größtenteils durch ideologische Differenzen behindert wurde, scheiterte jeder Reformgedanke bereits am Widerstand der fünf ständigen Mitglieder, die nicht bereit waren, ihre Privilegien zu teilen oder abzugeben.
2 So müssen 2/3 der Mitgliedsstaaten in der Generalversammlung zustimmen, zudem kann aber jedes der ständigen Mitglieder einen Beschluss durch ein eingelegtes Veto verhindern.
3 Bisher wurde besonders die Außenpolitik mit Hilfe des Zivilstaatsmodells untersucht, so u.a. Harnisch (2000).
4 Art. 53 (2): Der Ausdruck “Feindstaat” [...] bezeichnet jeden Staat, der während des Zweiten Weltkriegs Feind eines Unterzeichners dieser Charta war.
5 Für diese Zahlen liegt keine genaue Rangliste vor. Zumindest im gesamteuropäischen Vergleich nehmen aber auch hier beide Länder ihren Platz weit oben in der Rangliste ein. Zudem muss allerdings erwähnt werden, dass die BRD durch den Zwei-Plus-Vier Vertrag immer noch dazu verpflichtet ist, ihre Truppenstärke nicht bis über die Maximalzahl von 375000 zu erhöhen.
6 Zum gesamten Bericht: “A more secure world: our shared responsibility. Report of the High-level Panel on Threats, Challenges and Change” (2004).
7 Um einen Begriff des Ausmaßes der Truppenstellung in den mandatierten Friedensmissionen zu erhalten, lassen sich die Zahlen für November 2004 heranziehen: so stellten die BRD ca. 6500, Italien ca. 4900, die USA ca. 4100, Frankreich ca. 3500 und Großbritannien ca. 2600 Soldaten (Schneckener: 2005, 3).
8 Wie schwerfällig es ist, die Charta der UNO zu ändern, zeigt sich dabei auch in der anachronistischen Benennung der 5 ständigen Mitglieder in Art. 23: so werden hier noch die “Republik China” (heute Taiwan) und “die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken” als ständige Mitglieder genannt.
9 Ständige Mitglieder müssen zwar erhöhte finanzielle Aufwendungen sowie Bereitstellungen von Truppen leisten - in wie weit dies allerdings momentan in Relation zu den nichtständigen Mitgliedern umgesetzt wird, kann an den Zahlen im Anhang nachgelesen werden.
10 Dabei wird in der Charta nicht definiert, welche Sachverhalte nun konkret unter “sonstige Fragen” fallen.
11 Da die Beschlüsse der UNO bindend für alle Staaten, nicht nur Mitgliedsstaaten sind, wäre ein Rückzug bzw. Austritt aus dieser Organisation nicht mit einem Autonomiegewinn, sondern nur mit einem Einflussverlust verbunden. Daher soll auf die von Baumann/Wagner/Rittberger dargestellte Gewichtung von Autonomie- und Abwehrpolitik hier nicht eingegangen werden.
- Citar trabajo
- Jennifer Wrobel (Autor), 2007, Machtstaat Deutschland, Zivilmacht Italien?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141151
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