Die vollständige Integration der EU-Finanzmärkte ist wünschenswert zur Erreichung des freien Kapitalverkehrs im Rahmen der EU. Die unterschiedlichen technischen Anforderungen, die derzeitigen Marktusancen, die unter-schiedliche nationale steuerliche Behandlung, gesetzliche und rechtliche Normen gelten als Grund für die Ineffizienz grenzübergreifender Systeme in der EU. Hierin liegen die Schwierigkeiten zur Schaffung eines einheitlichen Europäischen Finanzsektors, den Wertpapiermarkt eingeschlossen. Sind die national staatlichen Finanzmärkte nicht vollständig integriert, bedeutet dieses, dass die EU eine wichtige Quelle für Wirtschaftswachstum und Wohlstand seiner Völker nicht nutzt.
Mit der Einführung des Euro und der Weiterentwicklung im Bereich der Informationstechnologie haben sowohl inländische als auch grenzüberschreitende Finanztransaktionen zugenommen. Neue alternative Handelssysteme treten in Wettbewerb mit institutionellen Handelssystemen. Die Handelssysteme sehen sich gezwungen ihre Transaktionskosten bei gleichzeitiger Optimierung ihrer Arbeitsprozesse zu senken, um die stetig steigenden Kunden- und Marktanforderungen durch zu stehen. Trotz der markanten Veränderungen in der Europäischen Union liegen die Transaktionskosten bei grenzüberschreitenden Wertpapierabwicklungen um ein Vielfaches höher als die der nationalen Transaktion.
Seit einigen Jahren bemühen sich Finanzdienstleister aus eigenen Kräften auch durch grenzüberschreitende Verträge die Transaktionskosten zu senken.Während die Finanzsektoren hart arbeiten, um geringere Kosten und eine effizientere Abwicklung für ihre Kunden zu erbringen, sehen sie sich zunehmend steigenden Risiken5 gegenüber, die durch die Veränderungen der Marktstrukturen erwachsen. Die Notwendigkeit, dass die Politik sichere Rahmenbedingungen setzt, wird immer größer.
Das Ziel dieser Arbeit ist es, die verschiedenen Initiativen und Maßnahmen zur Konsolidierung des Finanz- und Wertpapiermarktes in der EU, die von Politik und Finanzsektor bisher geschaffen wurden, darzustellen; einzelne Vorschläge zur Beseitigung von Hemmnissen, die durch nationale Unterschiede verursacht sind, zu vergleichen und auf mögliche Konfliktsituationen zwischen bisher vorhandener und neu zu schaffender Organisationsstruktur einzugehen
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wertpapierabwicklung in der EU
2.1 Was heißt und was beinhaltet die Abwicklung eines Wertpapiergeschäftes
2.2 Grundlagen der Abwicklung eines Wertpapiergeschäfts
2.2.1 Rechtliche Grundlagen
2.2.1.1 Nationalstaatliche Grundlagen
2.2.1.2 Europäische Ansätze
2.2.2 Organisatorische Grundlagen
2.2.3 Technische Grundlagen
2.3 Probleme bei der grenzüberschreitenden Wertpapierabwicklung
2.3.1 Grenzüberschreitende Wertpapierabwicklung
2.3.2 Risiken
2.3.3 Hemmnisse
3. Initiativen zur Verbesserung der Abwicklung von Wertpapiergeschäften in der EU auf Vorschlag der Kommission
3.1 Harmonisierung des Wertpapierrechts
3.1.1 Rechtsunsicherheit im bisherigen Wertpapierhandel
3.1.2 Initiativen zur Beseitigung nationaler Unterschiede bei der rechtlichen Behandlung von Wertpapieren
3.1.3 Initiativen zur Beseitigung nationaler Unterschiede bei der rechtlichen Behandlung der bilateralen Verrechnung von Finanztransaktionen
3.1.4 Initiativen zur Beseitigung nationaler Unterschiede bei der Anwendung nationaler Kollisionsnormen
3.1.5 Initiativen zur Beseitigung unterschiedlicher Rechte in Abhängigkeit vom Aufbewahrungsort von Wertpapieren
3.1.6 Maßnahmen zur Beseitigung öffentlicher Hemmnisse
3.1.6.1 Maßnahmen zur Beseitigung praktischer Hindernisse beim Fernzugang zu C&S-Systemen
3.1.6.2 Ma1nahmen zur Beseitigung nationaler Beschränkungen hinsichtlich des Erfüllungsortes und systemischer Anforderungen
3.1.6.3 Ma1nahmen zur Beseitigung von Beschränkungen für die Tätigkeit von Primärhändlern und Market-Makern
3.2 Harmonisierung des Wertpapiersteuerrechts
3.2.1 Steuerrechtliche Risiken bei grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäften
3.2.2 Ma1nahmen zur Beseitigung von Beschränkungen durch nationale Quellensteuern
3.2.3 Ma1nahmen zur Beseitigung von Beschränkungen durch die Art der Erhebung von Kapitalverkehrssteuern
3.3 Ma1nahmen zur Bewältigung technischer Anforderungen und Marktusancen
3.3.1 Ma1nahmen zur Beseitigung unterschiedlicher Marktusancen bei Kapitalma1nahmen im Finanzdienstleistungssektor
3.3.2 Ma1nahmen zur Erstellung einer Abrechnung für das intra-day Settlement und Beseitigung der nationalen Unterschiede bei Öffnungszeiten und Settlement-Schluss
3.3.3 Ma1nahmen zur Beseitigung nationaler Unterschiede bei den Settlement-Fristen
3.3.4 Ma1nahmen zur Beseitigung nationaler Unterschiede bei der Identifikation von Wertpapieren zum Zeitpunkt der Emission
3.3.5 Ma1nahmen zur Reduktion der Vielfalt von IT-Plattformen und Schnittstellen
4. Initiativen zur Verbesserung in der EU von Seiten des Finanzsektors
4.1 Anlässe für Verbesserungsvorschläge
4.2 Einzelne Verbesserungsvorschläge
4.2.1 Konsolidierung
4.2.2 Schon geschaffene Konsolidierungseinrichtungen
4.2.2.1 Euroclear (Fusion)
4.2.2.2 LCH. Clearnet (Fusion)
4.2.2.3 Das Projekt „Link Up Markets“ (Joint Venture)
4.3 Die Beobachtung der Vorschläge unter Kosten- und Wettbewerbsbedingungen durch die Oxera Studie
5. Die Initiativen zur Konsolidierung der Abwicklung von Wertpapiergeschäften in der EU (Schlussbetrachtung)
6. Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Abwicklung eines Wertpapiergeschäftes
Abbildung 2: Modelle zur Abwicklung grenzüberschreitender Wertpapiergeschäfte
1.Einleitung
Die vollständige Integration der EU-Finanzmärkte ist wünschenswert zur Errei-chung des freien Kapitalverkehrs im Rahmen der EU. In verschiedenen Berei-chen der Finanzmarktsektoren sind Fortschritte gemacht worden. Jedoch nimmt der Integrationsgrad ab, je weiter man sich vom Großkunden- hin zum Privat-kundengeschäft orientiert und je weiter man sich von Finanztransaktionen im Großkundenbereich zu Wertpapiergeschäften hin orientiert. Die unterschiedli-chen technischen Anforderungen, die derzeitigen Marktusancen, die unter-schiedliche nationale steuerliche Behandlung, gesetzliche und rechtliche Nor-men gelten als Grund für die Ineffizienz grenzübergreifender Systeme in der EU.[1] Hierin liegen die Schwierigkeiten zur Schaffung eines einheitlichen Euro-päischen Finanzsektors, den Wertpapiermarkt eingeschlossen. Sind die national staatlichen Finanzmärkte nicht vollständig integriert, bedeutet dieses, dass die EU eine wichtige Quelle für Wirtschaftswachstum und Wohlstand seiner Völker nicht nutzt.[2]
Mit der Einführung des Euro und der Weiterentwicklung im Bereich der Informa-tionstechnologie haben sowohl inländische als auch grenzüberschreitende Fi-nanztransaktionen zugenommen. Neue alternative Handelssysteme[3] treten in Wettbewerb mit institutionellen Handelssystemen. Die Handelssysteme sehen sich gezwungen ihre Transaktionskosten bei gleichzeitiger Optimierung ihrer Arbeitsprozesse zu senken, um die stetig steigenden Kunden- und Marktanfor-derungen durch zu stehen[4]. Trotz der markanten Veränderungen in der Europä-ischen Union liegen die Transaktionskosten bei grenzüberschreitenden Wert-papierabwicklungen um ein Vielfaches höher als die der nationalen Transaktion.
Seit einigen Jahren bemühen sich Finanzdienstleister aus eigenen Kräften auch durch grenzüberschreitende Verträge die Transaktionskosten zu senken.
Während die Finanzsektoren hart arbeiten, um geringere Kosten und eine effi-zientere Abwicklung für ihre Kunden zu erbringen, sehen sie sich zunehmend steigenden Risiken[5] gegenüber, die durch die Veränderungen der Marktstruktu-ren erwachsen.[6] Die Notwendigkeit, dass die Politik sichere Rahmenbedingun-gen setzt, wird immer größer. Nicht nur wegen der steigenden Risiken muss die Politik etwas tun, sondern auch, weil die Beseitigung aller Hindernisse[7] zur schnelleren Konsolidierung[8] von Finanzdienstleistern und zur effizienteren, si-cheren und kostengünstigeren Abwicklung von grenzüberschreitenden Wertpa-piergeschäften in der EU führt. Diese sind die Voraussetzungen zur Schaffung eines einheitlichen und echten EU-Wertpapier-Binnenmarkt.[9] Diesem Ziel ver-sucht die von der EU-Kommission beauftragte Arbeitsgruppe „ CESAME“ durch eine Zusammenarbeit mit dem öffentlichen und dem privaten Sektor näher zu kommen.[10]
Das Ziel dieser Arbeit ist es, die verschiedenen Initiativen und Maßnahmen zur Konsolidierung des Finanz- und Wertpapiermarktes in der EU, die von Politik und Finanzsektor bisher geschaffen wurden, darzustellen; einzelne Vorschläge zur Beseitigung von Hemmnissen, die durch nationale Unterschiede verur-sacht sind, zu vergleichen und auf mögliche Konfliktsituationen zwischen bisher vorhandener und neu zu schaffender Organisationsstruktur einzugehen.
2. Wertpapierabwicklung in der EU
2.1 Was heißt und was beinhaltet die Abwicklung eines Wertpapierge-schäftes
Ein Wertpapiergeschäft oder der Handel mit Wertpapieren basiert auf dem Grundprinzip des Kaufvertrags[11] zwischen zwei Handelspartnern. Wie bei ei-nem Kaufvertragsabschluss verpflichtet sich der Verkäufer der Wertpapiere bzw. Urkunden[12] dem Käufer die Wertpapiere zu übertragen und das Eigen-tumsrecht zu verschaffen. Der Käufer ist seinerseits verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Geldbetrag zu zahlen und die Wertpapiere abzunehmen. Die Abwicklung eines Wertpapiergeschäftes ist der formale Prozess, den der Wert-papierhandel durchlaufen muss. Sie beginnt, wenn ein Wertpapiergeschäft zwi-schen zwei Handelspartnern abgeschlossen wird und endet mit der Übertra-gung der Wertpapiere und des entsprechenden Geldbetrags.
Die Abwicklung wird in drei Stufen unterteilt: der Abgleich der Geschäftsdaten, das Clearing und das Settlement. Beim Abgleich der Geschäftsdaten werden die gesuchten Wertpapiere, zum gewünschten Zeitpunkt und zum ausgehandel-ten Preis mit den angebotenen Wertpapieren auf ihre Übereinstimmung über-geprüft. Stimmen die Geschäftsdaten überein, geht man zum nächsten Schritt dem „Clearing“ über. Beim Clearing wird sichergestellt, dass beide Handels-partner mit der Transaktion einverstanden sind, d.h., dass der Verkäufer mit seiner Pflicht, die von ihm veräußerten Wertpapiere auszuliefern und dem Käu-fer tatsächlich das Eigentumsrecht zu verschaffen einverstanden ist, und der Käufer dem Verkäufer den Kaufpreis der Wertpapiere zu zahlen bereit ist. Das Settlement umfasst die endgültige Übertragung der Wertpapiere vom Verkäufer auf den Käufer und im Gegenzug die endgültige Übertragung des Geldbetrages vom Käufer auf den Verkäufer.[13]
Dieses einfache Ablaufprinzip ist in der Praxis komplex. Erstens erfolgen Wert-papiergeschäfte zum großen Teil auf Sekundärmärkten. Die erstmalige Platzie-rung einer Urkunde findet auf dem Primärfinanzmarkt statt (Emission), der Handel mit bereits platzierten Urkunden läuft in der Regel über Sekundärfinanz-märkte.[14] Zweitens handeln Verkäufer und Käufer nicht direkt miteinander. Es sind Zwischenhändler, sogenannte Finanzintermediäre, sowohl auf der Wertpa-pier- als auch der Geldabwicklungsseite eingeschaltet. Damit die Abwicklung auf effiziente und sichere Weise durchgeführt werden kann, haben sich Syste-me, die sogenannten „ Clearing and Settlement-Systems“ (C&S-Systems) bzw. „Clearing und Abrechnung-Systeme“, entwickelt. Diese Systeme schließen eine Vielzahl von Institutionen, Instrumenten, Vorschriften, Verfahren, Normen und technischen Mitteln ein, und werden in vier wichtige Gruppen unterteilt:[15]
- Auf der Nachfrageseite: Finanzinvestoren (Banken, Investmentfonds, Einzelhandelskunden, Liquiditätsanbieter wie Finanzbroker);
- Auf der Angebotsseite: zentrale Verwahrstellen (central security depositories /CSDs), zentrale Gegenparteien/Kontrahenten und internationale Zentralverwahrer (international central security depositories/ ICSDs). Diese Institutionen werden als die „institutionelle Infrastruktur des Fi-nanzmarktes“ bezeichnet.
- die Intermediäre: große Finanzinstitute wie Depotbanken, Settlement-und Clearing-Mitglieder;
- staatliche bzw. öffentliche Aufsichts- und Kontrollbehörden: z.B. in Deutschland die Deutsche Bundesbank und die Bundesanstalt für Fi-nanzdienstleistungsaufsicht (BAFin)[16].
Im Grunde bieten diese vier Gruppen die rechtlichen, organisatorischen und technischen Grundlagen für die Abwicklung eines Wertpapiergeschäftes.
2.2 Grundlagen der Abwicklung eines Wertpapiergeschäfts
2.2.1 Rechtliche Grundlagen
2.2.1.1 Nationalstaatliche Grundlagen
Die Sicherheit der Abwicklung eines Wertpapiergeschäftes hängt von der Solidi-tät des ihm zugrunde liegenden Rechtssystems ab. Die allgemeinen Rechtsvor-schriften, Wertpapierrecht, Sachen- und Insolvenzrecht, sowie speziellere Vor-schriften wie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs), haben große Be- deutung für die Funktionsweise und Effizienz von Wertpapierabwicklungssys-temen. Damit Wertpapierabwicklungssysteme ihre Funktion ordnungsgemäß erfüllen können, ist es notwendig, dass der Rechtsrahmen eindeutig, verläss-lich, kohärent und seine Auslegung und Umsetzung vorhersehbar ist. Nur auf diese Art und Weise lassen sich Rechtsrisiken für alle Marktteilnehmer und das gesamte System verringern[17].
Das jetzige Rechtssystem für die Abwicklung von Wertpapiergeschäften in der EU wird in dem jeweiligen nationalen Staat in der Regel als effizient angesehen. Es wird von einer nationalen Behörde reguliert und kontrolliert. In Deutschland ist dies die BAFin, eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie ist wichtigste Regulierungsbehörde für den Kapitalmarkt. Sie finanziert sich aus Gebühren und Umlagen der Finanzinstitute, die beaufsichtigt werden. Die BA-Fin wurde im Mai 2002 durch Zusammenschluss der vormals selbständigen Behörden Bundesaufsichtamt für das Kreditwesen (BAKred), Bundesaufsicht-amt für das Versicherungswesen (BAV) und Bundesaufsichtamt für Wertpapier-handel (BAWe) zu einer Allfinanzmarktaufsicht nach dem Vorbild der britischen Financial Services Authority (FSA) gegründet. Die Hauptaufgabe der BAFin ist zum einen die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit der Banken, Finanzdienst-leistungsinstitutionen und Versicherungen, zum anderen der Schutz von Anle-gern gegen Marktmissbrauch.[18] Als gesetzliche Grundlagen für die Tätigkeit der BAFin im Rahmen der Überwachung von Wertpapier- und Finanzgeschäften gelten[19]:
- Kreditwesengesetz (KWG)
- Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
- Börsengesetz (BörsG)
- Wertpapierverkaufsprospektgesetz (VerkProspG).
- Depotgesetz (DepotG).
- Aktiengesetz (AktG).
Diese Gesetze helfen der BAFin den Amtlichen und den Geregelten Wertpa-piermarkt und Finanztransaktionen zu regulieren. Daneben gibt es Nicht-geregelte Märkte, die bisher nicht der Kontrolle der BAFin unterliegen und de-ren Rechtsbasis allein das BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ist.
Als Beispiele von einem Nicht-geregelten Markt in Deutschland sind die so ge-nannten Alternativen Handelssystemen (ATS: engl. Alternative Trading Systems) zu nennen. Es handelt sich hierbei um privatrechtlich organisierte Han-delsplattformen, die von der Bundesregierung zugelassen worden sind, um die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes in Deutschland zu stärken und die Funktion des Kapitalmarkts als Motor für Wachstum und Beschäftigung fort zu entwickeln. Die ATS treten in Konkurrenz zu den etablierten Börsen durch ihre innovativen und kostengünstigen Handelstechniken.[20] Die ATS sind an einer Börse zugelassen und werden nur von der Börsenaufsicht kontrolliert.[21]
2.2.1.2 Europäische Ansätze
Die Europäische Union mit ihrem Hauptziel, im Rahmen des „Aktionsplan Fi-nanzdienstleistungen“ ( Finance Service Action Plan, FSAP), einen einheitli-chen, integrierten europäischen Finanzmarkt zu schaffen[22], will die Abwicklung von Wertpapiergeschäften von den Mitgliederstaaten in eine EU-Organisation verlagern. Dazu müssen effiziente Regulierungsstrukturen zur Initiierung und Durchsetzung von Gesetzesvorhaben geschaffen werden.
Mit Hilfe des Lamfalussy-Verfahrens[23] wurden von der EU organisatorische Grundlagen geschaffen, die helfen sollen, ein europäisches Recht für die Ab-wicklung von Wertpapiergeschäften zu erarbeiten.[24] Das Lamfalussy-Verfahren läuft in vier Stufen ab: [25] a. Auf Vorschlag der EU-Kommission werden Grundsatz-Richtlinien und Grundsatz-Verordnungen von Rat und EU-Parlament angenommen und verabschiedet. Der EU-Rat und das EU-Parlament legen dabei auch Art und Umfang der auf Stufe 2 zu erlassenden technischen Durchführungs-bestimmungen fest.
b. Die EU-Kommission beauftragt den Ausschuss der Europäischen Wert-papierregulierungsbehörden (CESR: engl. Committee of European Securities Regulators) die Durchführungsmaßnahmen auszuarbeiten. Die Vorschläge von CESR werden von der EU-Kommission geprüft und an den Europäischen Wertpapier-Ausschuss (European Securities Committee/ ESC) für Zustimmung weitergeleitet. Dabei wird das EU-Parlament fortlaufend informiert. Stimmt der ESC den Kommissionsvorschlägen mit einer qualifizierten Mehrheit zu, werden die Vorschläge an den EU-Rat für weitere Zustimmung weitergeleitet.
c. Der CESR , die legislativen Mitgliedsstaaten und die Finanzaufsichts-und Regulierungsbehörden der Mitgliedsstaaten arbeiten hier gemein-sam, um die alltägliche Umsetzung und Durchführung der Rechtsvor-schriften der Stufe 1 und 2 zu verbessern.
d. Die EU-Kommission überprüft die Durchsetzung und Anwendung der Wertpapiergesetzgebung in den Mitgliedsstaaten.
Auf diesem Weg wurden zahlreiche Maßnahmen und Richtlinien beschlossen und verabschiedet. Hier sind die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID), Prospektrichtlinie, Marktmissbrauchrichtlinie, Transparenzrichtlinie und Maßnahmen in Bezug auf das Clearing und Settlement von Wertpapiergeschäf-ten zu nennen.
Auch bei den steuerlichen Vorschriften gibt es zwischen den Mitgliedsstaaten Divergenz, besonders in den Bereichen Unternehmensbesteuerung, die Be-steuerung von Kapitalanlagen und die mehrwertsteuerliche Behandlung von Finanzprodukten.[26] Erträge aufgrund von Zins- oder Dividendenzahlungen oder Kursanstiegen unterliegen in den Mitgliedsstaaten unterschiedlichen Steuerre-gelungen. Bei einer Dividendenausschüttung einer französischen Aktiengesellschaft an einen ausländischen Investmentfonds ist eine Quellensteuer in Höhe von 20% fällig, bei Zahlung an Inländer hat dies keine Besteuerung zur Folge. Auch Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) sind nicht zwischen allen Mitg-liedsstaaten abgeschlossen.[27]
2.2.2 Organisatorische Grundlagen
Unternehmen bzw. Emittenten, die ihre Wertpapiere auf einen regulierten Markt bringen wollen, müssen ihre Wertpapiere[28] in Einzelstücken oder stellvertretend als Globalurkunde in einem Tresor bei dem nationalen Zentralverwahrer z.B. Clearstream Banking Frankfurt (CBF) in Deutschland oder bei einem anderen Zentralverwahrer, zu dem der nationale Zentralverwahrer einen „Link“ (Verbin-dung) hat, hinterlegen. Alternativ können Unternehmen ihre Wertpapiere auf einen Markt, der von einer Börse reguliert wird, bringen. In diesem Fall können sie die Wertpapiere bei einem Zentralverwahrer oder lokalen Verwahrer hinter-legen. Allerdings müssen sie z.B. in Deutschland eine Zulassung der Clears-tream Banking Luxemburg (CBL) bekommen.[29] Ein Zentralverwahrer verwahrt und verwaltet die Wertpapiere in seinem Depot. Neben den nationalen Zentral-verwahrern gibt es auch internationale Zentralverwahrer. Ein internationaler Zentralverwahrer übt die Settlementsfunktion von Eurobond-Transaktionen aus und verwahrt Wertpapiere.[30] In der EU gibt es zwei internationale Zentralver-wahrer: die Euroclear Bank und die Clearstream International Luxembourg.
Intermediäre, auch Depotbanken genannt, bieten die Wertpapierabwicklung für institutionelle Investoren an. Sie treten gegenüber ihren Kunden (Finanzinvesto-ren) als Zwischenverwahrer der Wertpapiere auf und unterhalten ein Konto bei einem nationalen Zentralverwahrer. Bei den Intermediären gibt es Subcustodian (lokale Depotbank) und die Global Custodian (Weltweit-Depotbank). Ein Sub-custodian übt bestimmte Settlement-Funktionen im nationalen Markt aus, in-dem er Rechte und Pflichten der Handelspartner fixiert. Außerdem übernimmt er die Depotaufgabe für Global Custodians, die im entsprechenden Markt über keine eigene Infrastruktur verfügen. Im Gegensatz zu einem Subcustodian han- delt es sich bei einem Global Custodian um eine große, weltweit tätige Depot-bank, die institutionellen Investoren Wertpapierabwicklungsdienste anbietet. Zur Präsenz auf diesen Märkten unterhält ein Global Custodian Kontoverbindungen zu Subcustodians bzw. eine Niederlassung, die wiederum eine Verbindung zum nationalen Zentralverwahrer und/oder zu den nationalen Settlementbanken un-terhält. Global Custodian übernehmen für den Markt des Landes, in dem sie ihren Sitz haben, häufig auch die Rolle eines Subcustodians.[31]
Die zentrale Gegenpartei ist eine Institution des Clearingsystems. Sie fungiert als Intermediär zwischen Käufer und Verkäufer für den Zeitraum zwischen dem Abschluss des Wertpapiergeschäftes und dessen Erfüllung und übernimmt die Rechte und Pflichten der jeweiligen Handelspartner. Die zentrale Gegenpartei sorgt während dieses Zeitraums dafür, dass jeder Handelspartner seine Pflich-ten erfüllt und seine Rechte bekommt. Durch die Übernahme der Rechte und Pflichten trägt die zentrale Gegenpartei das Ausfallrisiko jedes jeweiligen Han-delspartners und reduziert so das Geschäftsrisiko zwischen den Handelspart-nern. Handelspartner sind in der Regel selbst Clearing-Mitglieder. Handels-partner, die keine Clearing-Mitglieder sind, können diesen Service wahrneh-men, indem sie Clearing-Mitglieder einschalten.[32]
Finanzinvestoren sind zum großen Teil Kreditinstitute bzw. Wertpapierinstitute, die in ihrem eigenen Namen oder im Namen ihrer Kunden (Endkunden) Wert-papiere kaufen oder verkaufen. Kreditinstitute haben die Möglichkeit, diese Tä-tigkeiten (Back-Office) an eine Transaktionsbank auszulagern. Sie können so die Betriebskosten senken. Eine Transaktionsbank, die sich auf diesem Gebiet spezialisiert hat, übernimmt dann den Back-Office-Service von vielen Kreditin-stituten und Einzelkunden.[33]
Normalerweise haben Zentralverwahrer und zentrale Gegenparteien keinen Geschäftsverkehr mit Kleinanlegern. Der Zugang für die Gruppe zu diesen Ein-richtungen wird über andere Institutionen angeboten, nämlich über Verwahrstel-len und Clearing-Mitglieder, die als Intermediäre für die Erbringung von Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen fungieren. Manche Intermediäre wollen jedoch keinen direkten Zugang zu einem Zentralverwahrer, sondern nehmen stattdessen die Dienste anderer Intermediäre in Anspruch. Infolgedessen gibt es eine mehrschichtige Intermediärstruktur.[34]
2.2.3 Technische Grundlagen
Das Wertpapiergeschäft wird von Handels- und Abwicklungssystemen unters-tützt. In Deutschland bietet das Handelssystem XONTRO beide Möglichkeiten an. Die Durchführung eines Wertpapiergeschäftes durch Handelssysteme kann entweder durch ein vollelektronisches oder maklergestütztes Handelssystem stattfinden. Bei einem maklergestützten Handelssystem leiten Kreditinstitute durch XONTRO-Order (elektronisch) die Wertpapieraufträge von Kunden direkt in die Makler-Kontore weiter. Die Makler übermitteln nach dem Prinzip von An-gebot und Nachfrage den Preis bzw. den Kurs. Der Kurs wird den inländischen Kreditinstituten über das Geschäftsabrechnungsmodul oder bei ausländischen Kreditinstituten durch S.W.I.F.T-Übermittlung[35] oder Telefax mitgeteilt.[36] Bei einem vollelektronischen Handelssystem haben alle angemeldeten Marktteil-nehmer einen Zugang zum zentralen Orderbuch. In Deutschland stellt das elektronische Handelssystem Xetra (Exchange Electronic Trading) den ange-meldeten Teilnehmern die Xetra-Frontend-Software zur Verfügung, mit deren Hilfe der Zugang zur Börse (Xetra-Backend) möglich ist.[37] Angemeldete Markt-teilnehmer sind sowohl ausländische als auch inländische Marktteilnehmer.
Die Xontro-Order, Xetra-Order und andere Order von verschiedenen Handels-systemen werden über das Abwicklungssystem Xontro-Trade abgewickelt. Xontro-Trade stellt somit eine Verbindung zwischen den Handelssystemen und der Clearstream Banking AG Frankfurt dar.[38]
Neben Xontro und Xetra gibt es auch Eurex als vollelektronische Computer-börse (Terminbörse) für Optionen- und Futureshandel. Die Abwicklung der Eu-rex-Geschäfte werden durch Eurex-Clearing-Mitglieder durchgeführt.[39]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Abwicklung eines Wertpapiergeschäftes
Der Abschluss und die Abwicklung von Wertpapiergeschäften können auf un-terschiedlichen Wege geschehen. Wie in der Abbildung 1[40] skizziert ist, können Kreditinstitute für ihre Kunden Wertpapierverträge über eine Transaktionsbank oder über ein anderes Kreditinstitut abschließen. Die Kreditinstitute oder Tran-saktionsbanken können die Abwicklung des Geschäftes, falls die Käufer- und Verkäufer-Seite unterschiedliche Depots unterhalten, einem Clearingmitglied übertragen, das wiederum eine zentrale Gegenpartei einschaltet. Vorausset-zung für die Abwicklung ist, dass jeder Teilnehmer am Abwicklungssystem ein Wertpapierkonto unterhält. Zusätzlich muss jeder Teilnehmer ein Geldkonto, entweder bei der Abwicklungsorganisation oder bei einem Zentralverwahrer, besitzen.
Der Clearingprozess beginnt mit der Überprüfung der Geschäftsdaten auf Plau-sibilität (Validation). Danach werden die Geschäftsdaten abgeglichen, um Blo-ckade-Situationen zu vermeiden (Matching). Nach dem Abgleich werden die einzelnen Positionen zwischen zwei Teilnehmern saldiert (Netting).
Nach dem Abschluss des Clearingprozesses beginnt der Settlementprozess. Der Settlementprozess lässt sich in die drei Prozessschritte „Delivery Management“, „Disposition“ sowie „Lieferung und Zahlung“ zerlegen[41]:
Im Delivery Management werden die Aufträge festgelegt und die Marktteilneh-mer bestätigen die Abwicklung ihrer Aufträge, indem sie ihr Wertpapier- bzw. Geldkonto freigeben. Hier kann eine bestimmte Transaktion nur in Abhängigkeit von einer anderen Transaktion ausgeführt werden.
Die Disposition besteht in der Überprüfung der Wertpapier- und Geldkonten jedes Marktteilnehmers auf ausreichende Deckung. Ist die Deckung ausrei-chend, werden das Wertpapier- und das Geldkonto für den Zeitraum des Zah-lungs- und Lieferungsprozesses gesperrt.
Zum Schluss werden die Wertpapiere auf das Konto des Käufers gutgeschrie-ben (Lieferung) und das Geld wird auf das Geldkonto des Verkäufers transfe-riert (Zahlung), wobei hier zwischen „DvP-Verfahren“ (Delivery versus Payment) und „FoP-Verfahren“ (Free of Payment) unterschieden wird.[42]
Beim DvP-Verfahren werden nach der Sperrung der Wertpapiere auf dem Kon-to des Verkäufers die Wertpapiere gleichzeitig mit der Bezahlung geliefert. Die Anwendung dieses Verfahrens ist nur dann möglich, wenn beide Handelspart-ner dasselbe Abwicklungssystem benutzen, oder zumindest zwischen den Ab-wicklungssystemen ein DvP-Link [43]besteht.
Beim FoP-Verfahren erfolgt die Bezahlung der Wertpapiere erst, wenn die Wertpapiere geliefert sind. Dieses Verfahren kommt oft beim grenzüberschrei-tenden Wertpapiergeschäft zum Einsatz.
Im Fall, dass der Handel zwischen mehreren Handelspartnern stattfindet, kann die Verrechnung des Geldes und der Wertpapiere multilateral verrechnet wer-den, d. h. jeder bekommt bzw. zahlt, nach gegenseitiger Saldierung, nur was er bekommen bzw. zahlen soll. Statt der multilateralen Verrechnung, können sich die Handelspartner für das Bruttoverfahren entscheiden. Hier wird jede Zahlung und Forderung einzeln behandelt.[44]
2.3 Probleme bei der grenzüberschreitenden Wertpapierabwicklung
2.3.1 Grenzüberschreitende Wertpapierabwicklung
Eine grenzüberschreitende Wertpapierabwicklung findet statt, wenn ein Wert-papiergeschäft zwischen Marktteilnehmern, die in verschiedenen Ländern ihren Wohnsitz haben, abgeschlossen wurde. Die Abwicklung ist dann die Lieferung von Wertpapieren und die Übertragung des Geldes über die Grenzen hinweg. Solche Transaktionen führen zu der Notwendigkeit Wertpapiere in verschiedene Länder zu liefern und dort auch zu empfangen und die entsprechenden Zahlun-gen zu veranlassen oder zu erhalten.[45] Ein Problem der Transaktion kann ent-stehen, wenn bei grenzüberschreitender Abwicklung von Wertpapiergeschäften zentrale Gegenparteien in Anspruch genommen werden müssen. Beide Partei-en müssen Mitglieder eines Clearinghauses sein. Sie müssen in der Lage sein, über das beteiligte Clearinghaus die Wertpapiere und Geld zu liefern und zu empfangen. Dies bedeutet, dass sowohl die Teilnehmer als auch das Clearing-haus einen direkten oder indirekten Zugang zu den entsprechenden Abwick-lungssystemen haben müssen.
Die Abwicklung grenzüberschreitender Wertpapiergeschäfte ist nur dann mög-lich, wenn die Abwicklungssysteme in den einzelnen Ländern miteinander ver-bunden sind. Die Verbindung muss einem inländischen Handelspartner den Zugriff auf die ausländische Abwicklungsinfrastruktur ermöglichen.[46] Im Gegen-satz zu der Abwicklung auf dem heimischen Markt sind grenzüberschreitende Abwicklungen komplexer. Die Komplexität, die in diesem Zusammenhang ent-steht, ist eine Hauptursache für zusätzliche Kosten und Risiken für die Markt-teilnehmer.[47]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Modelle zur Abwicklung grenzüberschreitender Wertpapiergeschäfte
Wie in der Abbildung 2[48] angezeigt ist, hat ein inländischer Marktteilnehmer fol-gende Möglichkeiten, um auf die ausländischen Abwicklungssysteme zuzugrei-fen:[49]
1. durch einen Direktzugang zu einem ausländischen Zentralverwahrer im Ausland, wo die Wertpapiere ausgegeben wurden und bei dem der ande-re Handelspartner ein Konto unterhält. Ein direkter Zugang bedeutet die Mitgliedschaft beim ausländischen Zentralverwahrer. Der Direktzugang erfordert sowohl eine rechtliche Vereinbarung zwischen den Teilnehmern als auch Investitionen in technologische Schnittstellen und den Zah-lungszugang beim Zentralverwahrer[50];
2. oder durch den Zugang zu einem ausländischen Agent bzw. Subcusto-dian , der in der Regel ein Finanz- bzw. Kreditinstitut ist, das eine Mitg-liedschaft bei einem nationalen Zentralverwahrer hat. Dieser Weg wird oft für die Abwicklung von grenzüberschreitenden Aktiengeschäften verwendet. Für Anleihen geht man über den Weg von internationalen Zentratverwahrern. Das Institut bietet eine vollständige Palette von Ab-wicklung, Bank- und Depot-Dienstleistungen;
3. oder durch den Zugang zum inländischen Global Custodian, der wiede-rum ein Konto bei einem ausländischen Subcustodian oder nationalen Zentralverwahrer unterhält;
4. oder durch den inländischen internationalen Zentralverwahrer, der ein Konto bei unterschiedlichen ausländischen Subcustodians oder natio-nalen Zentralverwahrern unterhält;
5. oder durch den inländischen Zentralverwahrer, der entweder ein Konto bei dem inländischen internationalen Zentralverwahrer oder direkt ein Konto bei dem ausländischen Zentralverwahrer unterhält. Diese letzte Möglichkeit wird auch CSD-CSD-Link Modell genannt.
Bei der Abwicklung von grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäften sind viele Parteien involviert. Es entsteht dabei eine Kette von Vermittlern bzw. Intermedi-ären. Das erhöht den Grad an Komplexität des Abwicklungsprozesses. Schlie-ßen zwei Parteien ein grenzüberschreitendes Wertpapiergeschäft ab, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine an der Abwicklung beteiligte Vertragspartei ihre Verpflichtung nicht bzw. nicht wie vereinbart erfüllt, umso großer, je größer der Abstand zwischen beiden Vertragsparteien ist.[51]
2.3.2 Risiken
Bei einer grenzüberschreitenden Abwicklung von Wertpapiergeschäften lassen sich folgende Risiken ausmachen:[52] a) Kreditrisiken:
Kreditrisiken sind Risiken, die anfallen, wenn ein Kontrahent, sein Ab-wicklungs-Agent oder ein anderer Zwischenhändler Wertpapiere oder Geld nicht rechtzeitig oder in voller Höhe bereitstellen kann oder will. Solche Risiken können als Konsequenz der Insolvenz eines Kontrahen-ten entstehen. Kreditrisiken lassen sich wiederum unterscheiden in:
- das Kontrahentenrisiko[53]: Es besteht für einen Marktteilnehmer dann, wenn bei der Wertpapierabwicklung das Wertpapiereigen-tum oder die Zahlung endgültig und unwiderruflich auf einen ande-ren Marktteilnehmer übertragen wird, bevor die Geldgegenleis-tung erfolgt ist.
Ein Kontrahentenrisiko kommt vor, wenn im Abwicklungsprozess kein echtes bzw. wirksames DvP- oder FoP-Verfahren[54] ange-wendet wird.
- Einlagenrisiko[55]: Es bezeichnet den potenziellen Verlust von Geld oder Wertpapieren eines Marktteilnehmers, der durch Insolvenz, Betrug oder Fahrlässigkeit auf Seiten der Abwicklungsbank oder des Zentralverwahrers entsteht.[56]
- Wiederbeschaffungsrisiko[57]: Es ist das Risiko, dass ein Kontra-hent die (Gegen-)Leistung nicht, auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt erbringt. Der andere Kontrahent muss ein anderes Ge-schäft suchen. Problem: Eine mögliche Änderung des Wertpa-pierkurses kann für ihn ein Verlust des möglichen Gewinns bedeu-ten.
- Rückabwicklungsrisiko: Es ist das Risiko, das entsteht, wenn ein Kontrahent während des Abwicklungsprozesses seinen Verpflich-tungen nicht nachkommen kann und daraufhin der Vertrag rück-gängig gemacht werden muss.
- Länderrisiko: Es ist eine Verlustgefahr aus einer grenzüberschrei-tenden Transaktion. Es wird durch staatliche Eingriffe in das Banksystem im betreffenden Ausland verursacht. Die Ereignisse sind nicht von privaten Kreditnehmern zu verantworten. ( z.B. Im Fall eines Embargo).[58] b) Terminrisiken entstehen, wenn ein Kontrahent seinen Verpflichtungen nicht oder nicht wie vereinbart bei Fälligkeit nachkommt; sondern erst zu einem nicht bestimmten, späteren Zeitpunkt erfüllt. Terminrisiken können sowohl auf Geldseite als auch auf Wertpapierseite auftreten. c) Operatives Risiko: Das operative (auch operationelle) Risiko kann bei ei-ner Transaktion durch eine technische Störung in einem IT-System, ei-nen Irrtum oder eine Fehleingabe ausgelöst werden. d) Rechtliches Risiko: Im Rahmen der grenzüberschreitenden Wertpapier-abwicklung besteht ein rechtliches Risiko dann, wenn innerhalb der Ab-wicklung oder der Verwahrung Unsicherheit oder Unklarheit über die Ei-gentumsrechte an Wertpapieren besteht. Die Unsicherheit entsteht auf-grund der komplexen Rechtlage, wenn mehrere Länder mit unterschied-lichen Rechten in die Abwicklung involviert sind, wenn die Sachverhalte nicht eindeutig definiert sind, oder wenn es sich um ein neuartiges Ge-schäft handelt, das so noch nicht vorgekommen ist. Rechtliche Unklar- heit liegt vor, wenn die Rechtslage zwar definiert, aber aufgrund der Komplexität nicht durchschaubar ist.[59] Die Anwendung von einem der nationalen Rechte kann sich aufgrund der Unterschiede in den nationa-len Rechtsvorschriften nachteilig auf den gesamten Prozess auswirken.[60] e) Systemisches Risiko: Es bezeichnet das Risiko, dass ein Institut seinen Ver-pflichtungen bei Fälligkeit nicht nachkommen kann, weil dritte Institute nicht in der Lage sind, ihre Verpflichtungen fristgerecht zu erfüllen.[61]
2.3.3 Hemmnisse
Es ist ein wichtiges Thema der EU-Politik, einen integrierten Finanz- bzw. Wert-papiermarkt in der EU - im Rahmen des Binnenmarktprogramms von 1992 - zu schaffen.
In diesem Zusammenhang hat die EU- Kommission eine Expertengruppe, die sog. „Giovannini-Gruppe“ beauftragt, die Probleme bei der Abwicklung von grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäften in der Europäischen Union zu untersuchen. Die Ziele des Auftrags waren, die derzeitig bestehenden Rege-lungen für das grenzüberschreitende Clearing und Settlement herauszufinden und die wichtigsten Ursachen für die Ineffizienz und die hohen Kosten mit den entsprechenden Regelungen für inländische Transaktionen zu vergleichen und zu beurteilen.[62] Die Giovannini-Gruppe hat 2001 ihren ersten Bericht über gren-züberschreitende Wertpapiergeschäfte veröffentlicht. Die Giovannini-Gruppe hat in ihrem Arbeitsbericht gezeigt, dass die hohen Kosten und Risiken von der Komplexität der Abwicklungsverfahren und von der Anzahl der Intermediären abhängt.[63] Die Giovannini-Gruppe hat weiter festgestellt, dass die derzeitige EU-Infrastruktur für die Bereitstellung von Clearing und Settlement-Dienstleistungen die Folge eines fragmentierten Wertpapiermarktes ist.
Grund für diese Fragmentierung ist, dass die Infrastruktur der Wertpapierab-wicklung in den einzelnen Mitgliedsstaaten sich unterschiedlich entwickelt hat. Die Unterschiede führen zu einer Ineffizienz bei der Abwicklung von grenzüber-schreitenden Wertpapiergeschäften. Auch die Rahmenbedingungen für die rechtliche und steuerliche Behandlung von Wertpapieren weisen große Unter-schiede zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten auf.[64]
Von der Giovannini-Arbeitsgruppe wurden insgesamt fünfzehn Gründe für die Fragmentierung und Ineffizienz in der Abwicklung von grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäften in der EU festgestellt.
[...]
[1] Vgl. Europäische Kommission (2004), S.6 i.V.m. Giovannini-Group (2001), S. 36.
[2] Vgl. Kilger, M. H. (2008), S. 2ff.
[3] Handelssysteme sind Anbieter von Transaktionsdienstleistungen.
[4] Vgl. Bernet, B. (2003), S. 236 i.V.m. Sperber, B./ Günter, A. (2004), S. 183.
[5] Risiken sind im Abschnitt 2.3.2 behandelt.
[6] Vgl. Tupker, A. C. (2004), S.166.
[7] In den zwei Giovannini-Berichten wurden die Hindernisse für effiziente, grenzüberschreitende Abwicklungsaktivitäten in EU identifiziert, siehe Abschnitt 2.3.3.
[8] Mehr zur Konsolidierung siehe Abschnitt 4.2.1.
[9] Vgl. Communiqués de presse RAPID (2004), S. 1.
[10] Vgl. Europäische Union (2006), S.486.
[11] Siehe § 433 BGB
[12] Die Begriffsbestimmungen zu Wertpapieren werden in § 2 Abs. 1 WpHG und in § 1 Abs. 11 KWG definiert.
[13] Vgl. Linner, F. (2006), S. 43ff.
[14] Vgl. Kröpfl, S.(2003), S. 11.
[15] Vgl. EU-Kommission (2004), S. 4.
[16] Vgl. EU-Kommission (2006), S. 10.
[17] Vgl. EU-Kommission (2004), S. 26.
[18] Vgl. Dinauer, J. (2008), S. 19.
[19] Vgl. Deutsches Institut für Interne Revision e.V. (2005), S. 25ff.
[20] Vgl. Podewils, F. (2007): S. 15 und 68 i.V.m. Bundesministerium der Finanzen (2001): S. 1.
[21] Vgl. § 58 Abs. 1 BörsG.
[22] Vgl. Karas, O. (2008), S. 435.
[23] EU-Gesetzgebungsverfahren
[24] Vgl. Habermann, F. (2008), S. 31ff.
[25] Vgl. Kilger, M. H. (2008), S. 154 ff i.V.m. Lamfalussy-Schlussbericht (2001), S. 34ff.
[26] Vgl. Bundesverband Deutscher Banken (2007), S. 25.
[27] Vgl. Habermann, F. (2008), S. 61 i. V. m. DIIR (2005), S. 59.
[28] Die Wertpapiere müssen fungibel bzw. austauschbar sein (sog. Effekten).
[29] Vgl. Deutsche Börse AG (April 2008), S. 69.
[30] Vgl. Kauppi, P-N. (2005), S. 4.
[31] Vgl. Kröpfl, S. (2003), S. 30 und 31.
[32] Vgl. Schönholzer, T. (2007), S. 130ff.
[33] Vgl. Schrauth, K.-D. (2004), S. 59.
[34] Vgl. Europäische Kommission (2004), S. 4.
[35] S.W.I.F.T ist ein weltweites Telekommunikationsnetz für den Nachrichtenaustausch.
[36] Vgl. Ruland, H.-W. (2004), S. 86ff.
[37] Vgl. Deutsches Institut für Interne Revision e.V. (2005), S. 92ff.
[38] Vgl. Deutsches Institut für Interne Revision e.V. (2005), S. 94.
[39] Vgl. Ruland, H.-W. (2004), S. 92.
[40] Eigene Darstellung.
[41] Vgl. Kröpfl, S. (2003), S. 17ff.
[42] Vgl. Bernet, B. (2001), S. 5.
[43] Ein Link ist eine Verbindung zwischen zwei oder mehreren Handelssystemen.
[44] Vgl. Bernet, B. (2003), S.242ff.
[45] Vgl. Giovannini-Group (2001), S. 7.
[46] Vgl. Kröpfl, S. (2003), S. 49ff.
[47] Vgl. Giovannini-Group (2001), S. 7.
[48] Eigene Darstellung in Anlehnung an Kröpfl S. 51.
[49] Vgl. Linner, F. (2006), S. 78ff.
[50] Vgl. Kilger, M. H. (2008), S. 32.
[51] Vgl. Linner, F. (2006), S. 152.
[52] Vgl. Kröpfl, S. (2003), S. 95ff.
[53] Das Kontrahentenrisiko wird auch als Erfüllungsrisiko oder Principal Risk bezeichnet.
[54] Siehe Abschnitt 2.2.3.
[55] Einlagenrisiko auch als „Custody risk“.
[56] Vgl. Linner, F. (2006), S. 96ff.
[57] Vgl. Kröpfl, S. (2003), S. 107ff.
[58] Vgl. Kröpfl, S. (2003), S. 114.
[59] Vgl. Schönholzer, T. (2007), S. 92.
[60] Vgl. Europäische Kommission (2004), S. 26.
[61] Vgl. Schönholzer, T. (2007), S. 3.
[62] Vgl. Giovannini-Group (2003), S. 1.
[63] Vgl. Giovannini-Group (2001), S. 19.
[64] Vgl. Giovannini-Group (2001), S. 20.
- Arbeit zitieren
- Mayunga Simbi (Autor:in), 2009, Abwicklung von Wertpapiergeschäften: Grundlagen und Initiativen zur Konsolidierung in der EU von Seiten der Politik und des Finanzsektors, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140979
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