Besteht aus ausführlicher Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation der Darstellung Jennis, sowie Hintergrundinformationen über Charles Sealfield, einen amerikanischen Schriftsteller, der in der Novelle Storms Erwähnung findet.
Theodor Storm
Von jenseit des Meeres
1. Inhalt der Novelle
In der Rahmenhandlung sitzt der Erzähler mit seinem Vetter Alfred in einem Hotelzimmer. Alfred berichtet von Jenni und steigt somit in den eigentlichen Erzählteil der Novelle ein.
Jenni ist die uneheliche Tochter einer Mulattin und eines reichen Plantagen-Besitzers, auf St. Croix geboren und von ihrem Vater nach Deutschland gebracht, um nach europäischen Maßstäben erzogen zu werden. Alfred, von dessen Familie die etwa zehnjährige Jenni beherbergt wird, schließt Freundschaft mit dem wilden, schönen Mädchen und interessiert sich ohne Vorbehalte für ihre Herkunft. Schließlich muss Jenni in eine Pension ziehen und sieht ihren Jugendfreund die nächsten zehn Jahre nicht mehr.
Anfang zwanzig ist Alfred, als er Jenni wieder trifft – aus dem ehemals stürmischen Mädchen ist eine höfliche, etwas unsichere Frau geworden, die viel von ihrer früheren Unbekümmertheit eingebüßt hat. Sie scheut sich davor, eine Liebesbeziehung mit Alfred einzugehen, da sie sich durch ihre Hautfarbe stigmatisiert fühlt. In ihrem Poesiealbum findet Alfred kleine Verse, aus denen er ihre Auseinandersetzung mit dem Rassendiskurs ablesen kann; in dem „Pflanzerleben“ von Charles Sealsfield etwa hat sie besonders rassistische Textpassagen angestrichen. Alfred versucht bei einem nächtlichen Treffen im Lusthain vergeblich, Jenni diese Vorbehalte zu nehmen. Sie plant indess heimlich, nach Westindien zu reisen, um dort ihre wahre Identität zu finden. Nach einem Streit mit ihrem Vater, der sich abwertend über ihre Mutter äußert, setzt sie ihren Plan in die Tat um und reist per Schiff ab.
Kurz darauf erreicht Alfred ein Brief: Jenni hat ihre Mutter gefunden und ist entsetzt über die fremde Kultur und Mentalität. Ihre Erwartungen wurden enttäuscht und sie bittet Alfred, zu kommen und ihre Zwangsvermählung mit einem reichen Mulatten zu verhindern. Alfred reist los und holt Jenni nach Deutschland zurück, wo sie kurz darauf ihre eigene Hochzeit feiern.
2. Jennis Identitätskonflikt
Dreh- und Angelpunkt der Novelle ist die Auseinandersetzung Jennis mit ihrer Herkunft: Sowohl durch ihre Hautfarbe als auch durch ihre Existenz als uneheliches Kind ist sie zum Zeitpunkt des Geschehens – Mitte des 19. Jahrhunderts – ein stigmatisierter Teil der deutschen Gesellschaft. Alfred verhält sich ihr gegenüber neugierig, vergleicht Jenni insgeheim mit seinen Vorstellungen von einer „schönen ebenholzschwarzen Negerin mit Perlenschnüren in den Haaren und blanken Metallringen um den Armen“[1] und ist in seiner kindlichen Unbedarftheit sehr tolerant, ebenso wie seine Familienangehörigen.
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[1] Theodor Storm: Sämtliche Werke. Hrsg. von Karl Ernst Laage und Dieter Lohmeier. 1. Auflage. Frankfurt am Main: Dt. Klassiker Verlag 1988 (Band 3: Novellen 1881-1888). Seite 650.
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- Anna-Maria Heinemann (Author), 2005, Theodor Storm - Von jenseit des Meeres, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140872