Wie wurden Natur und Landschaft in der Malerei des Rokoko konzipiert?
Von dieser Frage ausgehend und durch die Methode der Bildbeschreibung und eine kulturhistorische Kontextualisierung geleitet, werden "Die Elysischen Gefilde" von Watteau, "Der Sonnenaufgang" und "Der Sonnenuntergang" von Boucher und "Der kleine Park" von Fragonard auf ihre Künstlichkeit und ihren Realitätsgehalt hin ananalysiert.
Drei Künstler, drei Idiome und drei theoretische Zugänge, die unser Denken auch heute noch zu fesseln vermögen.
Inhaltsverzeichnis
I Antoine Watteau
A. Leben und Einflüsse
B. Die Elysischen Gefilde.
1. Das Thema: Galantes Fest und Champs-Elisées.
Exkurs: Gartenarchitektur
2. Wie
a) Struktur
b) Perspektive
c) Farben
d) Hell/Dunkel
3. Figur und Landschaft
II. François Boucher
A. Leben und Einflüsse
B. Der Sonnenaufgang und Der Sonnenuntergang
1. Das Thema: Sonne/Apollon und Thetis
2. Wie
a) Struktur
b) Perspektive
c) Farbe
d) Hell/Dunkel
3. Figur und Landschaft
III. Jean Honoré Fragonard
A. Leben und Einflüsse
B. Der kleine Park
1. Thema: Die Villa d’Este
2. Wie
a) Struktur
b) Perspektive
c) Farben
d) Hell/Dunkel
3. Figur und Landschaft
IV. Zusammenfassung
V. Die Wallace Collection in London
VI. Literaturliste
I. Antoine Watteau
A. Leben und Einflüsse
Antoine Watteau wurde am 10. Oktober 1684 in Valenciennes geboren. Nach einer kurzen Lehrzeit und angeregt durch seinen unermüdlichen Drang alles und jedeN zu skizzieren, brach er 1702 ohne Geld nach Paris auf. Um sich über Wasser zu halten, musste er als Serienbildmaler am Pont Notre-Dame arbeiten und dort verschiedenste Werke kopieren. Nun konnte er allerdings auch in Kontakt zum Kreis der KünstlerInnen flämischer Herkunft, etwa Jan Jakob Spoede (1680-1757) und Nicolas Vleughels (1668-1737) treten. Um 1704 lernte er den Maler Claude Gillot (1673-1722) kennen, der Schüler von Jean-Baptiste Corneille (ca. 16491695) war und ein Künstler mit den verschiedensten Begabungen.1 Da beide Maler von Theatermotiven waren, gibt es bis heute Anlass zu Verwechslungen. Als Schüler von Gillot vervollkommnte Watteau seine künstlerischen Fähigkeiten, daneben arbeitete er aber für Jahre weiter als Kopist. Nach der Trennung, um ca. 1707/1708, wechselte Watteau zu Claude III. Audran (1657-1734), einem Dekorationsmaler. Nun erlernte er die Kunst der Arabeskenmalerei, vertiefte seine Kenntnis der Theaterwelt und interessierte sich für ländliche Feste. Durch Audran erhielt der Künstler Zugang zur Galerie des Palais du Luxembourg, die gerade von Rubens (1577-1640) ausgemalt worden war. Hier konnte er die „Konzeption des Zyklus, die Behandlung der Allegorie, die Verwendung der Historie, das Aufsprengen der traditionellen Ikonografie und die ungeheure malerische Fülle“ des großen flämischen Malers studieren.2 Mit drei Namen lassen sich demnach seine Einflüsse benennen: Gillot, der mit ihm die Vorliebe für Theater und Kostüme teilte, Audran, durch dessen Malerei sich Farbe und Zeichnung ergänzten und schließlich Rubens, von dem Watteau auch schon Bilder in Valenciennes gesehen hatte. Darüber hinaus suchte Watteau den Kontakt zur Akademie und konnte gleichzeitig den Zugang zu einem kaufkräftigen Kreis von KunsthändlerInnen finden. Nachdem der Künstler seiner Heimatstadt einen Besuch abgestatte hatte, kehrte er Ende des Frühjahrs 1710 nach Paris zurück. Ab diesem Zeitpunkt zog Watteau von Ort zu Ort und von Freund zu Freund. Bei Pierre Crozat (1661 oder 1665-1740) kam er in den Genuss, dessen Kunstsammlung zu studieren, die auch Zeichnungen von Jacopo Bassano (1510-1592) und Tizian 3 (1490?-1576) sowie Studien von Rubens, van Dyck 4 (15991641) und Domenico Campagnola 5 (1500-1564) enthielt. 1717 reichte Watteau sein Aufnahmestück bei der Akademie ein, die Pilgerfahrt zur Insel Cythera. Dieses Werk war jedoch mit den gängigen Bildgattungen nicht kompatibel, da es weder Historienbild noch Porträt oder ein Genrebild war, sondern eben ein galantes Fest. Zwei Jahre zuvor war jedoch bereits Gillot aufgenommen worden, mit einem ähnlichen Thema. Dieser war Förderer und Vorläufer Watteaus zugleich. Ende 1719 machte sich Watteau nach England auf, wo er für ein Jahr verweilte, viele Bilder malte und verkaufte. Allerdings verschlechterte sich sein gesundheitlicher Zustand. Im Sommer 1720 kehrte er nach Paris zurück und ein Jahr darauf verstarb er am 18. Juli 1721.
B. Die Elysischen Gefilde
Das kleinformatige (33 x 43 cm) Werk entstand ca. 1716/17.
1. Das Thema: Galantes Fest und Champs-Elisées
Der Begriff galantes Fest bezeichnet „Zusammenkünfte von Männern und Frauen, die zumeist ausgesucht gekleidet sind und einander in einer Landschafts- oder einer Architekturszenerie von prachtvoller Unwirklichkeit den Hof machen, miteinander tanzen, musizieren oder plaudern“.6 In Paris wurden Ende des 17. Jahrhunderts die Champs-Elisées (dt. himmlische Gefilde) angelegt, deren Name sich von einem berühmten antiken Kurort in Attika ableiten soll. Diesen Ort hat Watteau aber nicht wiedergegeben.7
Die Elysischen Gefilde gehören zu jenen Bildern, die auch eine Zweitversion haben, in diesem Fall Die Ländlichen Vergnügungen (127,2 x 191,7 cm). Watteau fertigte diese großflächigeren Reprisen an, wenn der erste Auftrag besonders Anklang gefunden hatte. Zu solchen Reprisen zählen auch Ländliches Vergnügen – Die Hirten, Die galante Versammlung – Gesellschaft im Freien, Das Konzert – Die Annehmlichkeiten des Lebens und schließlich die beiden Bilder von Cythera.8
Exkurs: Gartenarchitektur
Um Watteaus Bild adäquater zu verstehen, möchte ich kurz die interessante Geschichte des Gartens in der für uns relevanten Zeit vom Beginn bis zum Ende des 18. Jahrhunderts erläutern. Zu Zeiten Watteaus fanden sich noch vielerorts die typischen Barockgärten. In ihnen spielten Haus und Garten/Park gleichermaßen eine wichtige Rolle, wobei sich die Bedeutung des Gartens aus jener des Hauses ergab. In den Park waren Schneisen geschnitten, die strahlenförmig vom Haus ausgingen, das oft auf einem Hügel lag – des Ausblicks wegen.9 Das Haus, das sich mit einer Aura umgeben hatte, die von antiken Tempeln inspiriert war, strahlte mittels des begehbaren Emanationsschemas auch in den Garten aus. Statuen und architektonische Elemente sollten diese Wirkung noch verstärken. Der Ordnung dieses Systems stand jedoch eine neue Art der Gartenarchitektur entgegen, die nun von England auf den Kontinent überzusetzen begann. Sie propagierte eher das Entgegengesetzte: wilder Wuchs, keine geraden Wege, Zufälligkeit, Spontaneität.10 Im Werk Watteaus klingen Reflexe beider Gartenstile an und lassen das intensive Studium der gepflegten Natur deutlich erkennen.
2. Wie
a) Struktur
Vorder-, Mittel- und Hintergrund
Auf den ersten Blick fällt eine Einteilung des Bildes in Vorder- und Hintergrund auf. Zwischen den beiden Zonen sind Bäume (und auch ein Strauch) geschoben, die einen dunklen Schatten werfen. Die Figuren des Hintergrundes sind deutlich kleiner und in ihrer Ausführung eher dürftig. Zuerst zum Vordergrund: die hier gemalte Gesellschaft, welche hauptsächlich unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist durch ihr verschiedenartiges Beziehungsgeflecht sehr interessant. Bei der Frau in Gelb allerdings hält unser Blick an, denn sie scheint uns BetrachterInnen direkt anzusehen. Ihre Person wird durch den unmittelbar hinter ihr platzierten Baum noch hervorgehoben. Wenn wir unser Auge noch ein Stückchen weiter nach links wenden, werden wir von einer kleinen Gruppe spielender Kinder überrascht, von denen wiederum eines aus dem Bild und uns entgegen blickt. Der angesprochene Hintergrund zerfällt in zwei Zonen, wobei die vordere durch die in die Tiefe gestaffelte Baumreihe und die übrige Gesellschaft charakterisiert ist. Diese Zone muss allerdings von der hinteren Zone unterschieden werden, die einen Ausblick auf ein Dorf bietet, über dem sich der Himmel spärlich zeigt. Gerade dieser Ausblick, ist durch zwei Gruppen von Bäumen, die sich links und rechts davon im Vordergrund befinden, prononciert.
Vor der Gesellschaft im Vordergrund, ist durchwegs eine samtig-weiche Grasfläche sichtbar, die einerseits einen gewissen Abstand zwischen den BetrachterInnen und dem Bild sowie der galanten Gesellschaft herstellt11. Der Augpunkt der BetrachterInnen ist im Bild jedoch derartig hoch angesetzt, dass sich die Rasenfläche als gemeinsame Standfläche von Gesellschaft und Betrachtenden ergibt. Daher und auch aufgrund der Blickkontakte der Figuren im Bild lässt sich von einer inszenierten Verbindung von „Im-Bild“ und „Ausserhalb-des-Bildes“ sprechen. Ein weiteres visuelles Moment demonstriert diese Offenheit des Bildes: der erste Baum links im Bild. Dieser neigt sich dem Bildrand zu und schließt gerade noch eine Figur ein. Dadurch entsteht der Eindruck eines Ausschnittes, sodass wir angeregt sind, uns vorzustellen, wie sich die Landschaft fortsetzt. Bezüglich der rechten Bildseite fällt hingegen folgendes auf: Um die Abruptheit des hellgrauen Statuenbrunnens abzumildern, fügte Watteau die einleitende Rückenfigur des aufrecht stehenden Mannes ein. Er installierte zudem ein verspieltes Moment durch die Entsprechung der roten Mütze mit dem herunter hängenden Arm der Brunnenstatue.12
Linien
[...]
1 Roland Michel, Marianne: Watteau 1684-1721, München 1984, S. 22.
2 Roland Michel: Watteau, S. 34.
3 „Tizian war ein Meister im Disponieren figurenreicher Kompositionen“, notiert Hofmann hierzu. (Hofmann, Werner: Das Capriccio als Kunstprinzip, in: Mai, Ekkehard (Hg.): Das Capriccio als Kunstprinzip. Zur Vorgeschichte der Moderne von Arcimboldo und Callot bis Tiepolo und Goya. Malerei – Zeichnung – Graphik, Mailand 1996, S. 30.)
4 Roland Michel: Watteau, S. 51.
5 Börsch-Supan, Helmut: Antoine Watteau. 1684 – 1721, Köln 2000, S. 114.
6 Roland Michel: Watteau, S. 195.
7 Börsch-Supan: Watteau, S. 93.
8 Danzl, Barbara: Antoine Watteau. Gesellschaft im Freien. Zur Bedeutung der fêtes galantes, Diplomarbeit, Innsbruck 1995, S. 71.
9 Diese Idee geht zurück auf Leon Battista Alberti (vgl. Rohde, Michael: Gestaltungstendenzen der europäischen Gartenkunst im 16. und 17. Jahrhundert, in: Gärten und Höfe der Rubenszeit. Im Spiegel der Malerfamilie Brueghel und der Künstler um Peter Paul Rubens, hgg. von Ursula Alice Härting, München 2002, S. 13.)
10 Wolf, Norbert: Landschaft und Bild. Zur europäischen Landschaftsmalerei vom 14. bis 17. Jahrhundert, Passau 1984, S. 143.
11 Wolf: Landschaft und Bild, S. 147.
12 Börsch-Supan: Watteau, S. 48.
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