In unserer heutigen Zeit ist der Begriff Emanzipation ein gängiges Wort unserer Sprache. Es stellt ein Schlagwort dar, welches mit den Befreiungsaktivitäten verschiedener Gruppierungen und unterdrückter Minderheiten verknüpft wird. Die Bedeutung der Emanzipation hat sich aber im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung verändert , ähnlich wie ihre Gruppen, die sich für sie stark machten. Bereits im Mittelalter gab es eine große Anzahl von Frauen, die versuchten sich aus der Unterdrückung von dem Manne als Oberhaupt, Herrscher und kirchlichem Hierarch zu lösen. Damals hatten die Frauen weitaus weniger Möglichkeiten, als es heute der Fall ist. Sie konnten nicht allein aus einer Überzeugung heraus einen Befreiungsversuch unternehmen, da sie sonst kläglich gescheitert wären, schließlich herrschte eine viel zu mächtige Gegenmacht. Sie mussten ihre geringen Möglichkeiten nutzen, um sich einen Raum zu schaffen, in dem sie ihre Ideale leben konnten.
Die Beginenbewegung, eine Frauenbewegung im Mittelalter, wagte einen solchen Versuch um sich von auferlegten Zwängen zu befreien. Der Begriff „Beginenbewegung“ oder „Begine“ gilt in unserer Zeit allgemein als eher unbekannt; dieses könnte daran liegen, dass es in der damaligen von Männer beherrschten und an der kirchlich hierachisch ausgerichteten Gesellschaft für Frauentätigkeit keine oder nur wenig Aufmerksamkeit gab. Eine Bewegung ohne kirchliche Steuerung wurde zu damaliger Zeit ohnehin nicht wahrgenommen und erst recht nicht, wenn es sich um eine selbständige und spontane Frauenbewegung handelte. Aus diesem Grund wurde die Beginenbewegung in den Geschichtsbüchern und in der Kirchengeschichte auch lange Zeit vor allem in Deutschland nicht beschrieben.
Aus diesem Grund möchte ich in meiner Bachelorarbeit den Begriff „Beginen“ untersuchen und etwas zu seiner Aufklärung beitragen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die allgemeine ökonomische Situation im Mittelalter
3. Die gesellschaftliche Lage der Frauen im Mittelalter
4. Die Beginenbewegung – als Antwort auf die soziale Lage
5. Die Entwicklung und Abgrenzung des Beginentums
6. Die verschiedenen Arten von Beginen
7. Das Scheitern der Beginen
8. Beginenbewegung in der Gegenwart
9. Zusammenfassung
10. Fazit:
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis (Anhang)
Anhang
Gliederung (Anhang)
1. Einleitung
In unserer heutigen Zeit ist der Begriff Emanzipation ein gängiges Wort unserer Sprache. Es stellt ein Schlagwort dar, welches mit den Befreiungsaktivitäten verschiedener Gruppierungen und unterdrückter Minderheiten verknüpft wird. Die Bedeutung der Emanzipation hat sich aber im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung verändert[1], ähnlich wie ihre Gruppen, die sich für sie stark machten. Bereits im Mittelalter gab es eine große Anzahl von Frauen, die versuchten sich aus der Unterdrückung von dem Manne als Oberhaupt, Herrscher und kirchlichem Hierarch zu lösen. Damals hatten die Frauen weitaus weniger Möglichkeiten, als es heute der Fall ist. Sie konnten nicht allein aus einer Überzeugung heraus einen Befreiungsversuch unternehmen, da sie sonst kläglich gescheitert wären, schließlich herrschte eine viel zu mächtige Gegenmacht. Sie mussten ihre geringen Möglichkeiten nutzen, um sich einen Raum zu schaffen, in dem sie ihre Ideale leben konnten.
Die Beginenbewegung, eine Frauenbewegung im Mittelalter, wagte einen solchen Versuch um sich von auferlegten Zwängen zu befreien. Der Begriff „Beginenbewegung“ oder „Begine“ gilt in unserer Zeit allgemein als eher unbekannt; dieses könnte daran liegen, dass es in der damaligen von Männer beherrschten und an der kirchlich hierachisch ausgerichteten Gesellschaft für Frauentätigkeit keine oder nur wenig Aufmerksamkeit gab. Eine Bewegung ohne kirchliche Steuerung wurde zu damaliger Zeit ohnehin nicht wahrgenommen und erst recht nicht, wenn es sich um eine selbständige und spontane Frauenbewegung handelte. Aus diesem Grund wurde die Beginenbewegung in den Geschichtsbüchern und in der Kirchengeschichte auch lange Zeit vor allem in Deutschland nicht beschrieben.
Aus diesem Grund möchte ich in meiner Bachelorarbeit den Begriff „Beginen“ untersuchen und etwas zu seiner Aufklärung beitragen. Es wird Aufgabe dieser Arbeit sein, trotz einer sehr spärlichen geschichtlichen Dokumentation und der zum großen Teil widersprüchlichen Sekundärliteratur, die Geschichte der Beginen herauszustellen.
Dabei soll die Frage beantwortet werden, inwiefern sich die Beginen in ihrer Zeit entwickeln konnten und warum sie dennoch als große Bewegung gescheitert sind. Um diese Frage zu klären, ist es zunächst wichtig, die mittelalterliche Zeit und die Situation der Frau in dieser Zeitspanne zu erläutern, um ein Verständnis für die Beweggründe der Frauen zu erlangen. Dieses Kapitel fällt sehr umfangreich aus, da die Darstellung der spätmittelalterlichen Frau sehr unterschiedlich ist und sich je nach Klassenzugehörigkeit variiert.
Die Beginen- und Begardenbewegung ist vor allem eine Frauenbewegung und der männliche Teil – die Begarden – war zahlenmäßig dem weiblichen, den Beginen gegenüber sehr gering.[2] In meiner Arbeit werde ich deshalb die Beginenbewegung ausschließlich vom Standpunkt der Frauen her betrachten. Dabei werde ich zunächst auf die verschiedenen Arten von Beginen eingehen. Zunächst soll aber erläutert werden, warum und wie sich die Bewegung von anderen Bewegungen abgrenzte, verzweigte und auswirkte. Auch beabsichtige ich zu untersuchen, wie sie sich den kirchlich-klösterlichen Ordnungen unterwarf, entzog sowie widersetzte und inwieweit das auch durch kirchliche und päpstliche Entscheidung mitbestimmt wurde. Der letzte Teil meiner Hausarbeit soll darauf eingehen, woran diese Bewegung scheiterte, bzw. was von ihr heute geblieben ist.
2. Die allgemeine ökonomische Situation im Mittelalter
Im 12. Jahrhundert und zu Beginn des 13. Jahrhunderts kam es zu Umbrüchen in der Welt und der Kirche, welches hauptsächlich mit der Entstehung von städtischen Lebensformen zu tun hatte. Diese Urbanität entstand durch die Entwicklung des Handels. Auch in den belgisch-holländischen Gebieten, vor allem in Flandern und Barbant mit der Stadt Lüttich oder auch in Straßburg und Köln entstanden große Handelszentren. Die städtischen Marktwirtschaften waren Folgen eines Bevölkerungswachstums. Neben der wachsenden Bedeutung der (Markt-) Städte entwickelten sich auch die Landwirtschaft besonders in diesen Gebieten.[3]
Es kam zum Übergang von Natural- zu Geldwirtschaft und somit auch zur Ersetzung der Naturalrente durch die Geldrente. Die Steuern der Bauern an ihre Grundherren wurden nun nicht mehr mit landwirtschaftlichen Produkten, sondern mit Geld beglichen. Zudem wurde die Leibeigenschaft zunehmend gelockert, was allerdings nicht nur Vorteile mit sich brachte. Die Bauern wurden zwar insgesamt freier und konnten sich im Lande bewegen, aber unter den Bauern selbst entstanden große soziale Unterschiede. Diese Differenzen ließen es sogar zu, dass reich gewordene Bauern die immer ärmer werdenden Bauern als Tagelöhner ausbeuten konnten. Vielen Bauern, die in bitterer Armut lebten, blieb das Betteln als letzte Überlebenschance. Die Verarmung der Bauern wurde auch dadurch geschürt, dass die Geld-Steuer sich nicht nach einem Prozentsatz der jeweiligen Ernte richtete, sondern einen unabhängigen Betrag darstellte. Kam es also zu einen Missernte, war dies ausschließlich das Problem der Bauern. Außerdem erhob der Adel oftmals die Steuern, um sich selbst teure Bedürfnisse zu leisten. Einige Bauern waren somit gezwungen, ihre Höfe zu verlassen und zu fliehen[4]. Für diese Bauern kam es somit zu einer Verschiebung des sozialen Gefüges, sie wurden besitz- und mittellos. Die immer stärker werdende Kluft von Arm und Reich spitzte sich auch im Bereich des Adels, einiger Kaufleute und Handwerker zu.[5]
Das 13 Jh. war geprägt durch das Bild besitzloser Menschen. Dieses sogenannte Stadtproletariat versuchte, wenn es irgend möglich war, mit Tagelöhnerarbeiten zu überleben. Somit wurden die Tagelöhner zur unliebsamen und unkontrollierbaren Konkurrenz für die Handwerker. Deshalb versuchten die Handwerker sich durch strenge Zunftregeln zu schützen. Es kam zu einer Art Berufsverbot und gleichzeitig zu einem Heiratsverbot.[6] Inwiefern sich diese Verbote äußerten und das Leben der Frauen beeinträchtigten, soll im folgenden Kapitel erläutert werden.
3. Die gesellschaftliche Lage der Frauen im Mittelalter
Das Bild der Frau im Mittelalter ist sehr facettenreich und wird deshalb in der Forschung als sehr schwierig betrachtet. Historische Quellen sind zumeist katholischen Ursprungs. Theologische Lehrmeinungen beschrieben die Frauen als zweitrangig und minderwertig, leicht verführbar und dazu geneigt, Männer zu verführen. Sie stellten nach dessen Lehrmeinungen einen minderen Teil des Menschenpaares dar (Augustin). Thomas von Aquin betitelt sie sogar als missratene Männer.[7] Dieses stellt nur eine Auswahl von Ansichten der mittelalterlichen Frauenbilder dar. Die Kirche kennzeichnete das Frauenbild mit frauenfeindlichen und diffamierenden Schilderungen.[8] Es herrschte ein Sexismus, in dem die Frauen auf Grund ihres Geschlechtes benachteiligt und diskriminiert wurden. ( Anlage1)
Begründet wurde diese Aussage häufig mit der Argumentation, dass der Mann zuerst geschaffen worden sei und die Frau nur seine Gehilfin darstelle. Die Frauen galten als Pforte des Teufels (Tetullian); durch sie habe die Sünde begonnen (Ambrosius). Schließlich wurden sie zuerst verführt und verführten danach den Mann. Die Argumentation bezieht sich in der Regel auf Mose 2,18-23;3,1_6.16). Das Heil der Frauen lag somit in der Jungfräulichkeit[9], jegliche Art von Sexualität wurde verpönt.
Dies ging so weit, dass die Kirche innerhalb der Ehe die Sexualität nur duldete, wenn sie zeugungsorientiert war. Der Geschlechtsakt sollte nur zum Zweck der Fortpflanzung vollzogen werden und der reine Lustgewinn wurde abgelehnt[10] Die Sexualität, musste somit auch in der Ehe unter Kontrolle gehalten werden. So finden sich auch oft in Predigten Anleitungen, wie Ehefrauen ihre Rollen als Gatte oder Gattin wahrzunehmen haben. Während der Schwangerschaft und der Menstruation, aber auch an vielen kirchlichen Feiertagen wurden sexuelle Handlungen verboten. Beim Geschlechtsverkehr sollten die Eheleute sich nur auf die Fortpflanzung konzentrieren. Empfanden sie dabei Vergnügen, waren sie bereits beschmutzt. Gemäss Papst Gregor I. „übertraten" sie auf diese Weise „das Gesetz der Ehe". Die Eheleute mussten sich grundsächlich anschließend reinigen. Die Kirche drohte mit harten Strafen, sollten ihre Regeln missachtet werden. So predigte etwa Gregor von Tours, alle Missgeburten, Krüppel und schwächlichen Kinder seien in der Sonntagnacht gezeugt worden.[11]
Innerhalb der Ehe wurde der zeugungsorientierte Geschlechtsakt akzeptiert, außerhalb der Ehe wurde Sexualität aber in jeglicher Form verboten. Städte unterstützten diese kirchlich-moralischen Forderungen der Enthaltsamkeit, um sich vor weiteren Kindergeburten zu schützen und das Bevölkerungswachstum des Proletariats in den Griff zu bekommen. Die Keuschheit hatte somit auch einen handfesten ökonomischen Hintergrund.[12]
In der weltlichen Literatur tauchen meist nur Wunschbilder der Frau auf. Auch die höfische Epik gibt nur das Leben der adeligen Frauen wieder. Der größte Teil der Frauen, wie z. B. Städterinnen und Bäuerinnen bleibt unerwähnt. Aus diesen Gründen gibt es heute wenige historische Aufzeichnungen. Es herrschen somit widersprüchliche Aussagen zur Arbeit der Frauen z. B. in den Zünften. Zudem kann die wichtige Frage, wie Frauen im Mittelalter ihre Situation selbst erkannt und erlebt haben, nicht klar beantwortet werden.[13]
Die wirtschaftliche und rechtliche Lage der Frauen im Mittelalter unterschied sich je nach ihrer Zugehörigkeit zu ihrer Gesellschaftsschicht. Die Handwerksfrauen wiesen z. B ein gegensätzliches Bild zu den adeligen oder bäuerlichen Frauen auf: Im Gegensatz zu den adligen und bäuerlichen Frauen sah es relativ günstig für Handwerkerinnen aus, für Kauffrauen, Lehrerinnen und Ärztinnen — das heißt für die bürgerlichen Frauen in den Städten. Diese Frauen hatten eine große Auswahl an Berufen. Allein in Frankfurt wurden 65 Berufe für Frauen im Mittelalter registriert. Selbst in sogenannten Männerberufen wie Schmied oder Dachdecker sind Frauen bis in das 16. Jahrhundert vertreten. Die Fertigung von Textilien lag zum größten Teil in Frauenhänden. Auch im Metall- und Holzhandwerk waren Frauen stark vertreten. Das Bäckereihandwerk, die Bierbrauerei, die Fertigung von Kerzen und Seifen oblag ihnen. Es gab auch Abschreiberinnen und Briefdruckerinnen. Handels- und Kauffrauen waren ebenso keine Seltenheit. Frauen handelten auch oft mit Waren, die ihre Männer herstellten. Es gibt außerdem zahlreiche Belege über Frauen, die im Groß- und Fernhandel als Unternehmerinnen tätig waren.[14] (Anlage2) Aus den Steuerbüchern der Stadt Frankfurt z. B. geht hervor, dass im 14. und 15. Jh. 20-35% der Bevölkerung steuerpflichtige Frauen waren.[15]
Obwohl die bürgerlichen, städtischen Frauen ökonomisch sicherer und rechtlich selbständiger lebten als bäuerliche und adlige Frauen, befanden sie sich in einer ungünstigeren Position als die Männer.[16] Die germanische Rechtslage (Anlage 3) verwehrte den Frauen politische Rechte. Frauen durften beispielsweise nicht in den Rat der Stadt gewählt werden und wurden somit von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Sie besaßen auch kein Wahlrecht für städtische Körperschaften.[17] Außerdem durften sie keine Strafprozesse einleiten und mussten sich vor Gericht von einem Mann vertreten lassen, da sie für unfähig gehalten wurden vor Gericht Zeugnis abzulegen.[18] Wobei hier auch einige Gegenbeispiele anzuführen sind. Im Augsburger, Memminger sowie im bayrischen Stadtrecht war bestimmt, dass die Frau gleiches Recht wie ihr Mann hatte, aber Erbe und Eigen nicht verkaufen durfte. Somit hatten Markt- oder Kauffrauen einen Sonderstatus. Diese Ausnahmen galten aber nicht überall, beispielsweise in Prag wurde die Marktfrau weiter von ihrem Mann vertreten.[19]
Im Gegensatz zu den Handwerkersfrauen hatten Bauernmädchen keine so große Auswahl an Arbeit. Ihnen blieb nur übrig als mithelfende Tochter, Magd oder Tagelöhnerin zu arbeiten, es sei denn, sie fand eine Arbeit als Tagelöhnerin in der Stadt. Dieses wurde aber zunehmend schwieriger.[20]
Die berufliche Situation aller Frauen verschlechterte sich im Laufe des 15. Jh.. Die Frauen wurden aus fast allen Berufen verdrängt.[21] Töchter durften nicht mehr den Betrieb vom Vater übernehmen. Witwen wurde vorgeschrieben, dass sie innerhalb eines Jahres heiraten mussten, um ihre Zunftrechte zu behalten. Die Schicht der proletarischen Frauen wurde immer breiter. Somit stieg auch die Anzahl der Frauen, die als Tagelöhnerinnen, Bettlerinnen oder Prostituierte arbeiteten. Umherziehende Frauen und örtliche Prostituierte wurden im 15. Jahrhundert vermehrt festgestellt. Die meisten Soldatenheere wurden von einer Frauengruppe begleitet. 1180 bereits folgten 1500 Frauen dem Kreuzzug.[22]
Nun könnte man denken die adeligen Frauen besaßen eine bessere Lage im Mittelalter, da sie von der Armut verschont blieben. Doch diese Frauen hatten mit ganz anderen Dingen zu kämpfen, die sich keineswegs als besser herausstellten. Die Handwerkers- oder Bauersfrauen konnten noch weitestgehend über ihr Leben bestimmen und waren zumindest in ihrer Lebenswahl recht frei. Hingegen hatten adelige Frauen wenige Möglichkeiten ihr Leben mitzubestimmen. Ihr Weg war in der Regel vorbestimmt und sie wurden in einem Alter von 12 bis 16 Jahren verheiratet. Aus Gründen des Standes war es ihnen verwehrt sich durch Arbeit selbst zu ernähren. Die Mädchen stellten somit auch einen großen Kostenfaktor für ihre Familien dar, außerdem hatte der zukünftige Ehemann Anspruch auf eine Mitgift.[23]
Im Gegensatz zu anderen Schichten hatten adelige Frauen allerdings die Möglichkeit sich zu bilden. Somit konnten sie sich durch literarische und medizinische Kenntnisse einbringen. Den adligen Frauen blieb außerdem die Möglichkeit, ins Kloster zu gehen, als Kammerjungfer oder zu anderen Diensten an einem Hof zu leben. Die Frauen des Adels waren aber immer wirtschaftlich unselbständig und davon abhängig, ob und dass sie verheiratet wurden.[24]
Im späten Mittelalter gab es eine große Anzahl an unverheirateten Frauen. In England beispielsweise beweisen Steuerlisten von 1377, dass damals nur noch 67% der weiblichen Bevölkerung über 14 Jahren verheiratet war.[25] Als Grund für so viele ledige Frauen wurde ein allgemeiner Frauenüberschuss genannt. (Anlage 4)[26] Diese Annahme wurde in letzter Zeit aber vermehrt bestritten. Edith Ennen fand beispielsweise heraus, dass sich ein Frauenüberschuss nicht sicher beweisen lässt. Sie kritisiert, dass in der Untersuchung, ausschließlich Steuerlisten zugrunde liegen. Nach dem heutigen Stand der Forschung kann demnach nicht ohne Weiteres ein Frauenüberschuss, aber ebenso wenig das Gegenteil, vorausgesetzt werden.[27]
Sölle schreibt die Tatsache, dass viele Frauen unverheiratet blieben, den Umständen der damaligen Heiratspolitik zu, die Lehrlingen und Gesellen die Heirat grundsätzlich verbot. Ein weiterer Grund für Sölle ist die Tatsache, dass viele heiratsfähige Männer lieber eine geistliche Laufbahn einschlugen und eine Männergemeinschaft des Ordens oder des Priestertums vorzogen als den Stand der Ehe zu wählen. Für Sölle ist aber auch wichtig zu erkennen, dass viele, vor allem die mystisch Sensibilisierten, auch auf keinen Falle heiraten wollten.[28] Häufig wird in den Quellen berichtet, dass junge Mädchen, speziell aus dem Adel sich einer Heirat verweigerten, Christus als Bräutigam vorzogen und deshalb dem Kloster beitreten wollten. Dieses verursachte oft Streit zwischen den Eltern und dem Mädchen. Doch die entschiedenen jungen Frauen wollten kein Leben in Abhängigkeit ihres Mannes und wählten stattdessen ein Leben in Armut, welches vom Auftrag der vita apostolica[29] geprägt sein sollte. Außerdem galt der Verzicht auf Reichtum, Besitz und gesellschaftliches Ansehen als religiöser Wert. Bereits Mädchen im Alter von 9-12 Jahren äußerten den Wunsch Nonne zu werden.[30] Hierfür kann aber auch angenommen werden, dass viele Mädchen schlicht Angst vor der Ehe hatten. Schließlich stellte die Ehe eine schreckliche Vorstellung im Hinblick auf die unablässige Folge von Geburten dar, mit der Abhängigkeit vom Mann, der das Recht zur Züchtigung hatte.[31] Außerdem bedeutete eine Ehe häufig den Ausschluss von Bildung und geistlicher Entwicklung.[32]
Vor allem adelige Frauen dürstete es in der Zeit nach einer Art Gemeinschaftlichkeit ohne Fremdbestimmung. In einer Epoche, in der die Frau – speziell im vornehmen Kreise – immer von dem männlichen Familienoberhaupt finanziell abhängig und ohne öffentliche Rechte war, wurde der Wunsch nach einem unabhängigen Leben immer stärker. Sie wollten frei leben und nicht länger von fremden Besitztümern abhängig sein.
4. Die Beginenbewegung – als Antwort auf die soziale Lage
Um auf die soziale Lage der Frau im Mittelalter einzugehen, muss zunächst geklärt werden, welche Beweggründe die Frauen hatten, um eine solche Bewegung mit dem Namen ‚Beginen’ zu gründen oder sich ihr anzuschließen. Bis heute ist die Entstehung des Beginentums wissenschaftlich nicht geklärt und es finden sich bis heute sehr verschiedene Entstehungstheorien.
Im folgenden Kapitel sollen die verschiedenen Erklärungsmodelle kurz vorge-stellt werden.
Die Forschung zur Entwicklung der religiösen Laienbewegung ist hauptsächlich von zwei Fragen dominiert. Die erste Fragestellung beschäftigt sich damit, ob die Beginenbewegungsgründung eine Notlösung für arme, unbemittelte Frauen war, die in einer Gemeinschaft wie den Beginen Schutz suchten. Die zweite Frage will wissen, ob die gesamte Bewegung eine Reaktion gegen den Reichtum und die wirtschaftlich-kulturelle Entwicklung und gegen die derzeit mächtige kirchlicher Hierarchie war und die Beginenbewegung als Notlösung für eine religiöse Bewegung sah.
Zur ersten Fragestellung nimmt beispielsweise Karl Büchner Stellung und vertritt die Annahme, dass die Beginenbewegung eine Versorgungseinrichtung war, die mittellose, unversorgte Frauen unterstützte. Der Historiker bezieht sich auf den angeblichen mittelalterlichen Frauenüberschuss, der seines Erachtens für die hohe Ehelosigkeit verantwortlich war. Die Ehe war für ihn ein Versorgungsinstitut, welches bei ledigen Frauen fehlte und diese somit unversorgt ließ.[33] Da der Frauenüberschuss im Spätmittelalter wie bereits erläutert aber nicht haltbar ist, fällt damit auch Büchners These. Ebenfalls ist seine These zu kritisieren, da sie auch nicht weiter auf die religiösen Intentionen der Beginen eingeht.
[...]
[1] Vgl. Bertelsmann: Emanzipation. Band 5. Gütersloh 1992. S.154.
[2] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich: Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985. S.99.
[3] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich: Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985. S. 100.
[4] Der Erzbischof von Magdeburg beklagte in den Jahren 1368-1371, dass es in seinem Bistum 3000 >>wüste<< Höfe gebe, die Bauern seien geflohen.
Aus der Zeit der Verzweiflung. Zur Genese und Aktualität des Hexenbildes. Beitr. Von Gabriele Becker u.a., 1980, S.61.
[5] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich: Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985. S. 100f.
[6] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich: Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985. S.101.
[7] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich. Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985. S. 120.
[8] Vgl. http://www.frauenwissen.at/frauen_geschichte.php. Datum des Zugriffs: 02.06.2007.
[9] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich. Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985.S.121.
[10] Vgl. Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. In Beck´s Historischen Bibliothek. Auflage 5. München 1994. S. 45.
[11] Vgl. www.raffiniert.ch/gprost.html. Datum des Zugriffs: 20.05.2007.
[12] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich: Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985. S.101.
[13] Vgl. Rennewart, Gyburc: Frauen im Mittelalter. Verfügbar über: http://www.das-mittelalter.de/frauen_im_mittelalter.htm. Datum des Zugriffs: 20.05.2007.
[14] Vgl. Rennewart, Gyburc: Frauen im Mittelalter. Verfügbar über: http://www.das-mittelalter.de/frauen_im_mittelalter.htm. Datum des Zugriffs: 20.05.2007.
[15] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich. Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985. S.103.
[16] Vgl. Lamberty, Susanne: Frau im Mittelalter. Verfügbar über: http://mittelalter.kzk.de/frau-im-mittelalter2.php. Datum des Zugriffs: 20.05.2007.
[17] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich. Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985. S. 102.
[18] Vgl. Lamberty, Susanne: Frau im Mittelalter. Verfügbar über: http://mittelalter.kzk.de/frau-im-mittelalter2.php. Datum des Zugriffs: 20.05.2007.
[19] Vgl. Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. In Beck´s Historischen Bibliothek. Auflage 5. München 1994. S.135.
[20] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich: Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985. S. 102.
[21] Vgl. Lamberty, Susanne: Frau im Mittelalter. Verfügbar über: http://mittelalter.kzk.de/frau-im-mittelalter2.php. Datum des Zugriffs: 20.05.2007.
[22] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich: Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985. S. 103ff.
[23] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich: Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985. S. 106.
[24] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich: Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985. S. 102.
[25] Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. In Beck´s Historischen Bibliothek. Auflage 5. München 1994. S.134.
[26] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich: Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985. S.103.
[27] Vgl. Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. In Beck´s Historischen Bibliothek. Auflage 5. München 1994. S. 145.
[28] Vgl. Sölle, Dorothee: Mystik und Widerstand. Hamburg 1997. S. 213.
[29] Kursiv gedruckte Worte werden im Anhang erläutert.
[30] Vgl. Schirmer, Eva: Die Beginen – eine mittelalterliche Frauenbewegung. In: Schirmer, Dietrich: Kirchenkritische Bewegungen. Werkbuch für den Religionsunterricht. Band 1: Antike und Mittelalter. Stuttgart 1985. S.106.
[31] Vgl. Sölle, Dorothee: Mystik und Widerstand. Hamburg 1997. S. 213.
[32] Vgl. Grundmann, Herbert: Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Auflage 4. Darmstadt 1970.
S. 192.
[33] Vgl. Bücher, Karl: Die Frauenfrage im Mittelalter. 2. Auflage. Tübingen 1910. S. 32ff.
- Arbeit zitieren
- Tanja Bras (Autor:in), 2003, Die Beginen - Eine Frauenbewegung im Mittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140416
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