Dieter Grossherr, viele Jahre Auslandskorrespondent beim ZDF, hat von 1952 bis 1962 als Student und junger Journalist in München gelebt und blickt in dem Buch zurück auf Zeitgenossen und Weggefährten, Schriftsteller und Publizisten, Theaterleute, Filmemacher und Kabarettisten. Sie haben das kulturelle und politische Klima in den ersten dreizehn Jahren der Bundesrepublik, in denen München zur "heimlichen Hauptstadt" Deutschlands wurde, entscheidend beeinflusst.
Die gedruckte Buchausgabe enthält zahlreiche Abbildungen.
Inhalt
Einleitung
1949 Zu neuen Ufern
1950 Spitze Federn, scharfe Zungen
1951 Weder Angsthasen noch Duckmäuser
1952 Großdemonstration gegen
Wiederaufrüstung
1953 Alte Burschenherrlichkeit im
Zwielicht
1954 Die Rückkehr der roten Bulldogge
1955 Mobilmachung der Vernunft
1956 Hauptstadt der Gegenbewegung
1957 Stadtrat ruft auf zum Widerstand
1958 Jubiläumsfeiern und Proteste
1958 Der Rundfunk soll gesäubert werden
1958 Vom Wimmer Damerl zum Vogel Hansi
1961/62 Wetterleuchten
Aufstieg zur heimlichen Hauptstadt
Dieses Buch erinnert an eine Zeit, in der das Alte noch lebendig und das Neue erst im Entstehen war. Es waren die Jahre des Aufbruchs nach den Schrecken des Krieges und den Entbehrungen der Nachkriegszeit, Jahre voller Hoffnungen, in denen das Leben sich zu normalisieren begann. Es war die Zeit des sogenannten Wirtschafts-wunders, aber auch des Ost-West-Konflikts, des Kalten Krieges, der Wiederaufrüstung der Bun-desrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, der Drohungen mit Atombomben.
In Rückblicken werden die fünfziger und frühen sechziger Jahre oft als geistfeindliche, muffige Spießeridylle bezeichnet, als „bleierne Zeit“, in der die historische Chance zu einem Neubeginn vertan wurde. Gewiss, die Mehrheit der Deutschen, seit Generationen zu gehorsamen Untertanen erzogen, mag auch den Vorgaben der neuen Herrscher allzu bereitwillig gefolgt sein. Doch zumindest in München war vieles anders. In der provisorischen Bundeshauptstadt Bonn regierte als Patriarch der Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU), in München der Oberbürgermeister Thomas Wimmer (SPD), der Wimmer Damerl, wie er im Volksmund hieß. Damals begann der Aufstieg der Isar-Metropole, der in Schutt und Asche gesunkenen „Hauptstadt der Bewegung“ von einst, zur heimlichen Hauptstadt Deutschlands. Nirgendwo sonst war das kulturelle Leben so vielfältig wie hier.
Nirgends waren mehr einfallsreiche und kritische Geister versammelt, die sich in Büchern, Zei-tungen und Zeitschriften, Theatern und litera-rischen Kabaretts zu Wort meldeten oder in Galerien und Konzertsälen an die Öffentlichkeit traten. „Sie können sich nicht vorstellen, welche Energien in München freigesetzt wurden. Nie mehr war es so spannend und schöpferisch“, hieß es noch fünfzig Jahre später in der Süddeutschen Zeitung vom 24. Mai 2002.
Der zeitliche Rahmen dieses Buches reicht von der Gründung der Bundesrepublik 1949 bis zu den sogenannten Schwabinger Krawallen von 1962, die das Ende einer Epoche markieren. Als Zeitzeuge blicke ich zurück, nicht als Historiker. Die ausgewählten Texte und Bilder von damals sind gleichsam Steinchen eines subjektiven Mosaiks der Erinnerung an jene Zeit des Aufbruchs in den fabelhaften fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts.
1949 Zu neuen Ufern
Im Herbst 1949 ruft der gelernte Schreiner Thomas Wimmer, seit einem Jahr Oberbürger-meister von München, vor dem Rathaus am Marienplatz einer großen Menschenmenge zu: „Rama dama!“ und schwingt die Schaufel. Aufräumen! heißt die Parole, denn endlich sollen alle Trümmerberge beseitigt werden, die der Krieg hinterlassen hat. Der Wimmer Damerl mit seiner Schaufel wird zur Symbolfigur für den Wiederaufbau. Die Versorgung von Zehntausenden ausgebombter und hungernder Menschen, Einheimische und Flüchtlinge aus den Ostgebieten, Kriegsheimkehrer und ehemalige Zwangsarbeiter, stellen die Stadt bis weit in die fünfziger Jahre hinein vor gewaltige Aufgaben.
Die Wunden des Zweiten Weltkrieges waren noch längst nicht verheilt. Aber der Kalte Krieg zwischen Moskau und Washington, Bonn und Ost-Berlin hatte schon begonnen. Bereits am 16. Dezember 1948 hatte Erich Kuby in der Süddeutschen Zeitung vor einer neuen „Kreuzzugs-Propaganda“ gewarnt: „Wie viele Deutsche sind im letzten Jahr auf den Gedanken gekommen, dass ein Kampf ‚Schulter an Schulter’ mit dem großen amerikanischen Weltanschauungs-Partner gegen den Osten die große Chance für uns sein könnte? Es sind Millionen. In den ersten Jahren nach Kriegsende konnte man behaupten, das sei die Denkweise der unbelehrbaren Nazi. Davon kann heute keine Rede mehr sein. Schreiten wir auf dem eingeschlagenen Weg fort, so wird es schwer sein, künftig bei uns zwischen einem Nationalisten und einem kämpferischen ‚Demokraten’ von heute noch zu unterscheiden. Möglich sogar, dass man in Amerika diese Unter-scheidung gar nicht erst zu machen wünscht. Ideologische Feldzüge können vielleicht abgeblasen werden... oder sie werden zu Ende geführt – und das Ende heißt Krieg.“
Gleichwohl waren zwei Organe der amerikani-schen Besatzungsmacht für ganz Deutschland zu Vorbildern einer unabhängigen und kritischen Berichterstattung geworden: Radio München, ab 1949 Bayerischer Rundfunk, und die in München erscheinende Neue Zeitung. Sie war von zwei als US-Soldaten nach Europa heimgekehrten Emigranten, Major Hans Habe und Sergeant Stefan Heym, gleich nach dem Krieg ins Leben gerufen worden. Bald wurde Hans Wallenberg ihr Chefredakteur. Zu seinen wichtigsten Mit-arbeitern gehörten Erich Kästner, Bruno E. Werner und Walter von Cube, der 1949 Chefredakteur beim Bayerischen Rundfunk wurde. Dort sagte er am 21. Mai 1949 in einem Kommentar: „Die Freiheit wurde noch nie in Deutschland geboren, aber schon oft zu Grabe getragen.“ Das zielte auf die Besatzungsmacht. Kurz zuvor nämlich hatten die Amerikaner im Zeichen des Kalten Krieges bei der Neuen Zeitung die Zensur verschärft. Hans Wallenberg, der liberale Chefredakteur, musste gehen, aus Solidarität mit ihm verließen auch einige der besten Mitarbeiter das Blatt freiwillig, unter ihnen Peter Boehnisch, Hildegard Brücher,
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Münchens Oberbürgermeister Thomas Wimmer griff
1949 zur Schaufel, um mit Bürgerinnen und Bürgern
den Schutt der Bombenangriffe wegzuräumen.
Zeichnung: Ernst Maria Lang/SZ
Carl Hermann Ebbinghaus, Gustav Rene Hocke, Walter Kolbenhoff und Lotte Stuart. Die Ausgeschiedenen erklärten in der Abendzeitung vom 31. März 1949:
„Deutsche Auffassungen, die sich von den offi-ziellen amerikanischen unterscheiden, dürfen nicht mehr wiedergegeben werden. Der neue Zu-stand scheint unserer Ansicht nach das Ergebnis einer extremen Skepsis gegenüber Deutschland zu sein, die sich in jüngster Zeit in einer plan-mäßigen antideutschen Kampagne geäußert hat. Der daraufhin erfolgte Rückfall in die schärfste Zensur ist den offiziell verkündeten außen-politischen Zielen der USA konträr entgegenge-setzt...“
Anders als diese Münchner Journalistinnen und Journalisten, mochte der junge aufstrebende CSU-Politiker Franz Josef Strauß den amerikanischen Lippenbekenntnissen zur Entmilitarisierung Westdeutschlands noch Glauben schenken. Er sprach 1949 den oft zitierten Satz: „Wer noch einmal ein Gewehr in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen.“ Auch Bundeskanzler Konrad Adenauer versicherte, er sei gegen eine neue deutsche Armee, denn „die Deutschen haben in den letzten beiden Weltkriegen zu viel Blut vergossen.“ Aber schon wenige Monate später propagierten beide die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik. Damit wurde auch München zu einem Brennpunkt politischer Auseinander-setzungen.
HILDEGARD BRÜCHER
Eine Stadtmutter klagt
Ein Ratsstuhl ist zwar kein elektrischer Stuhl, aber trotzdem fühlt man sich nicht immer wohl darauf, manchmal möchte man aufspringen, bevor einen der Schlag trifft (...)
Grundsätzlich sind Mann und Frau gleichberechtigt. Grund zur Aufregung gibt es erst dann, wenn ein Jemand den Versuch macht, das Wörtchen „grund-sätzlich“ zwar nicht gleich aus der Welt, aber immerhin doch aus einem Paragraphen zu schaffen. Und genau darum ist es den Münchner Stadtmüttern gegangen, als sie nachzuschauen begannen, was sich im Zusammen-hang mit der Gleichberechtigung innerhalb der Stadt-verwaltung hinter dem Wörtchen „grundsätzlich“ alles verborgen hält. Ich darf es verraten: Alles, nur keine Gleichberechtigung! (...)
Im gehobenen Verwaltungsdienst der Stadt gibt es über 1000 männliche und nur 23 weibliche Beamte, die allesamt trotz guter Examensnoten und Qualifikationen seit zwölf Jahren (und länger!) weder befördert wurden noch in bessere Gehaltsstufen vorrückten, während ihre männlichen Kollegen mit teilweise schlechteren Noten und Qualifikationen alle avancierten (...)
Süddeutsche Zeitung 12. April 1949
Zwei Münchner Schriftsteller veröffentlichten 1949 die ersten Bücher gegen Militarismus und Krieg und wurden damit zu Geburtshelfern einer neuen, realitätsnahen deutschen Literatur: Walter Kolbenhoff und Hans Werner Richter.
Kolbenhoff schildert in seinem Roman Heimkehr in die Fremde die seelischen Zerstörungen bei den im Nachkriegs-München zusammengewürfelten Men-schen. Zwei Jahre zuvor war sein Buch Von unserem Fleisch und Blut erschienen, ein Tatsachenroman über die von den Nazis verratene und als Kanonenfutter missbrauchte deutsche Jugend.
Hans Werner Richter, aus Pommern stammend, war nach der Entlassung aus amerikanischer Gefangenschaft in München ansässig geworden. In seinem Buch Die Geschlagenen verarbeitete er eigene Erlebnisse als Frontsoldat *). Gleich nach Kriegsende hatte er mit Alfred Andersch die legendäre Zeitschrift Der Ruf herausgegeben und mit Walter Kolbenhoff in der Münchner Schellingstraße die Gruppe 47 gegründet, in der sich bald alle wichtigen deutschsprachigen Auto-ren versammelten. Ihre Absichten beschrieb Richter so: „Wir waren überzeugt, dass der Mensch mit Hilfe des Wortes, das heißt der Literatur, verändert werden kann. Wir wollten die Mentalität der Deutschen grundsätzlich verändern, weg vom obrigkeitsstaatlichen Denken, hin zum demo-kratischen.“
*) Von Hans Werner Richter erschienen später noch die Zeitromane Sie fielen aus Gottes Hand (1951), Du sollst nicht töten (1955) und Linus Fleck oder der Verlust der Würde (1958).
WALTER KOLBENHOFF
Heimkehr in die Fremde
„Hast du etwas Neues gehört?“ fragte sie. „Kommen sie schon aus Russland zurück?“
„Allmählich kommen sie zurück“, sagte ich.
„Wie soll mich meiner finden?“ fragte sie. „Wir haben
zuletzt in Allenstein gewohnt, das ist oben in Ostpreußen. Wie soll er wissen, dass ich hier unten bin?“
„Geh zum Roten Kreuz“, sagte ich, „die helfen dir.“
„Du hättest meine Flucht erleben sollen“, sagte sie (...)
„Einmal habe ich einen kleinen Jungen zehn Kilo-meter auf meinem Rücken geschleppt. Wer weiß, wo der Bengel jetzt steckt.“
Sie lächelte. „Ich gab ihn in Stettin einer alten Dame. Beinah hätte ich ihn mitgenommen, aber was soll ich mit solch einem kleinen Jungen anfangen?“
„Wenn du nur einen hättest“, sagte ich. „Oder zwei oder drei. Ich glaube, du wärest die richtige Frau für Kinder“ (...)
„Hör auf!“ sagte sie. „Erst schlagen sie Millionen tot, und kein Hahn kräht danach, und dann setzen sie die ganze Staatsmaschine in Bewegung, um einen einzigen Totschläger zu fangen. Und sie sprechen von Säuglingspflege und richtiger Ernährung für die Kinder und moderner Erziehung, und dann sterben hunderttausend, und kein Hahn kräht danach. Nein, ich will keine Kinder haben. In zwanzig Jahren gibt es wieder Krieg, und sie müssen wieder sterben, und was habe ich dann davon?“
Aus dem gleichnamigen Buch
Als größter Unruhestifter in der traditionell ausgerichteten Theaterlandschaft begann 1949 Fritz Kortner seine Arbeit in München. Er rüttelte das Publikum auf und provozierte Kritiker zum Widerspruch.
Nach der Premiere des Dramas Der Vater von August Strindberg in der Bearbeitung und Insze-nierung von Kortner an den Kammerspielen schrieb Bruno E. Werner in der Neuen Zeitung vom 12. Oktober 1949: „Es war ein Theater-abend, der Maßstäbe aufrichtete.“ In der Titelrolle stand Kortner nach sechzehn Jahren im Exil zum ersten Mal wieder auf einer deutschen Bühne, mit ihm Maria Wimmer, Gertrud Kückelmann und Hans Christian Blech.
1949 kam auch der Spielfilm Der Ruf in die Kinos, in dem Kortner die Hauptrolle spielt, einen aus der Emigration zurückgekehrten jüdischen Professor, der erneut antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt ist. Kortner hatte auch das Drehbuch geschrieben, Regie führte Josef von Baky, Produzent war Erich Pommer. Schon vorher waren in München einige der ersten Nachkriegsfilme gedreht worden: Der Herr vom anderen Stern mit Heinz Rühmann, Harald Brauns Zwischen gestern und morgen und Rudolf Jugerts Film ohne Titel. Gegen Helmut Käutners satirischen Streifen Der Apfel ist ab – die alte Geschichte von Adam und Eva protestierte der Münchner Weihbischof, weil darin „Gestalten, die den Münchnern heilig sind“ lächerlich gemacht würden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fritz Kortner und Maria Wimmer 1949 in dem Schauspiel Der Vater von August Strindberg.
Foto: Kammerspiele München
Der Aufbruch zu neuen Ufern in der Kunst führte immer wieder zu Zusammenstößen mit erz-konservativen Kirchenleuten und Politikern. 1949 traf der Bannstrahl die vom Publikum und der Kritik begeistert gefeierte Aufführung des Balletts Abraxas von Werner Egk im Münchner Prinzregenten-Theater. In dem Werk kommt eine etwas freizügige „Satansmesse“ vor, was den bayerischen Kultusminister Alois Hundhammer als Hausherrn des Theaters veranlasste, weitere Vorstellungen zu untersagen: „Es ist nicht zu vertreten, dass auf einer Staatsbühne auf Staatskosten Satanstänze aufgeführt werden“. Noch ein Jahr später wetterte Hundhammer auf dem Katholikentag in Passau: „Eine Schweinerei, die nach Paris gehört“. Die CSU-Mehrheit im Bayerischen Landtag hatte dem Verbot zu-gestimmt. Werner Egk verließ München für immer und ging nach Berlin, als Direktor der [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]
Im „Pandämonium“, dem dritten von fünf Bildern im Ballett Abraxas von Werner Egk, thront Satan über der Menge, die sich wilden Tänzen hingibt. Diese Szene war der Anlass für das Verbot der Inszenierung und einen der größten Theaterskandale der Nach-kriegszeit.
Foto: Werner Borchmann
WERNER EGK
Abraxas und die Freiheit der Kunst
Seit dem Bekanntwerden des Verbots, das der bayeri-sche Kultusminister Alois Hundhammer gegen mein Faust-Ballett „Abraxas“ ausgesprochen hat, werden immer wieder dieselben Fragen an mich gerichtet. Man interessiert sich vor allem dafür, welche gesetzlichen Möglichkeiten der bayerische Kultusminister hat, Theaterstücke zu verbieten. Die Antwort ist einfach: er hat keine. Die bayerische Verfassung gewährleistet in dem Artikel 108 ausdrücklich die Freiheit der Kunst. Aus diesem Grunde setzte unmittelbar nach Publizierung des Verbots die außer-ordentlich starke Reaktion der öffentlichen Meinung ein, welche zu folgender Anfrage im bayerischen Landtag führte: „Will der Herr Kultusminister im Gegensatz zu Artikel 108 der bayerischen Verfassung die Freiheit von Kunst und Wissenschaft erneut durch staatliche Bewertung und Verbote beschränken?“ Der Minister Hund-hammer vermochte diese Frage nicht zu beantworten und zog es vor, sein rechtswidriges Verbot mit demagogischer Beweisführung zu begründen (...) Als er dann dem erstaunten Hause auch noch eine Beschreibung der Blocksbergszene vorlas, in welcher unter anderem die berüchtigte Schwarze Messe erwähnt war, erdröhnte der Sitzungssaal von den leidenschaftlichen Pfui-Rufen seiner Anhänger (...)
Tagesspiegel 15. Februar 1949
Unter Leitung der Literaten Ernst Klotz und Wolfgang von Weber hauchten die Schauspie-lerin Ursula Herking und der Chanson-Sänger Walter Hillbring, der hier schon dreißig Jahre zuvor aufgetreten war, 1949 dem berühmten Künstler-lokal Simplicissimus in der Türkenstraße neues Leben ein. Zwei Kellnerinnen aus dem alten „Simpl“, die schwarze Anni und die blonde Lotte, hatten die 1944 bei einem Luftangriff zerstörte und nun wiederaufgebaute Kneipe unter dem Namen Kathi Kobus neu eröffnet. Der Simplicissimus war 1903 von der urbayerischen Wirtin Kathi Kobus gegründet und auf den Namen der beliebten Satirezeitschrift getauft worden. Im Gastraum befand sich schon damals eine Brettl-Bühne, auf der als Hausdichter der Leipziger Marineleutnant a.D. Hans Bötticher alias Joachim Ringelnatz und viele andere ihre Verse vortrugen, Erich Mühsam und Frank Wedekind gehörten dazu, der junge Bertolt Brecht und Karl Valentin, Helmut Käutner mit seinem Kabarett Die vier Nachrichter. Der Schriftsteller Roda Roda, der Nichtbayern gern in „Preißn“ und „Schlawiner“ einteilte, erfand im „Simpl“ den Namen „Schwabylon“.
Der Wiener Unterhaltungskünstler Theo Prosel, der den Simplicissimus von 1935 bis 1944 geleitet hatte, betrieb unter dem Namen Neuer Simpl seit 1946 ein Kabarett am Platzl. Dort stand Karl Valentin zum letzten Mal auf der Bühne, kurz bevor er 1948 am Rosenmontag starb.
FRANZISKA VIOLETT
Im Neuen Simpl
Walter Hillbring, der Bedeutendsten einer in Schwa-bings Kabarett-Prominenz, feierte sein 30. Bühnen-jubiläum. Er ist einer der letzten Ritter Schwabings, Ritter teils im Sinne seines Grandseigneur-Stils und teils, weil er einer der klassischen Interpreten des Brettl-Chansons ist. Er ist außerdem noch alles mög-liche andere: Schauspieler, Conferencier, Brettl-Dichter und sogar (aber das ist schon einige Jahre her) Architekt, aber vor allem ist er dies: kein anderer versteht es wie er, literarische Chansons sowohl auf deutsch wie auf französisch (baltisches Deutsch und baltisches Französisch) so vorzutragen, dass sie im-mer ihre eigentliche Substanz behalten und gleich-zeitig so wirken, als wären sie von ihm persönlich ge-dichtet und vertont. Sein kleines Jubiläums-Programm zeigt ihn auf der Höhe seines Könnens. Doch auch das übrige Simpl-Programm konnte sich sehen lassen. Im Mittelpunkt stand Liesl Karlstadt, die ein längeres Gastspiel gibt und der Theo Prosels Einakter „Frau Minister“ Gelegenheit zur Entfaltung ihrer volkstümlichen Meisterschaft bietet (...)
Eine besondere Note aber erhielt dieser Abend durch das Auftreten prominenter Gratulanten. Da gab es den witzig-boshaften Wettstreit der drei Erzväter der Münchner Conference, Kiaulehn, Krüger und Gondrell, da las Erich Kästner vor und Axel von Ambesser tat auf reizende Weise das seinige (...)
Süddeutsche Zeitung 20. Dezember 1949
1950 Spitze Federn, scharfe Zungen
Den Ruf als Deutschlands heimliche Hauptstadt verdankt München nicht zuletzt seinen zahlrei-chen namhaften Journalisten, vor allem denen der Süddeutschen Zeitung. Seit die erste Ausgabe 1945 im Keller des zerbombten Verlagshauses der Münchner Neuesten Nachrichten aus dem Bleisatz von Hitlers Buch Mein Kampf gedruckt worden war, hatte sich die SZ zum Flaggschiff der Flotte deutscher Presseorgane entwickelt. Sie vermittelte ihren Leserinnen und Lesern, was ihnen so lange gefehlt hatte: Weltoffenheit, Toleranz und den Geist der freien Meinungsäußerung. „Edelfedern“ wie Werner Friedmann, Hermann Proebst, Erich Kuby, Fred Hepp, Ulrich Kempski, W. E. Süskind, Ernst Müller-Meiningen jr., Immanuel Birnbaum, Günter Gaus, Carl Weiß, Jesco von Puttkamer, Joachim Kaiser, Siegfried Sommer und viele andere, nicht zu vergessen Ernst Maria Lang mit seinen treffsicheren Karikaturen, gaben der SZ das unverwechselbare und geschätzte Profil.
Sehr früh schon warnte die Süddeutsche Zeitung vor der Wiederaufrüstung und der tödlichen Gefahr des atomaren Wettrüstens. Die Atombombe sei „die dümmste aller Waffen“, hieß es in der SZ vom 5. Oktober 1950.
FRED HEPP
Ein Mann auf vier Rädern
Er hat seinen Sitz vor dem großen Kaufhaus am Bahnhofsplatz. Dort ist es bedeutend günstiger als an der Oper, weil sich die abreisenden Fremden in Bahnhofsnähe mehr für Ansichtskarten interessieren als mitten in der Stadt. Nur hat sich der Anmarschweg für ihn dadurch um eine halbe Stunde verlängert, und das ist gar nicht so einfach.
Wir haben als Kinder alle einmal ein Schaukelpferd zu Weihnachten bekommen. Die Schaukelpferde kann man auch auf ein Gestell montieren, das vier kleine eiserne Räder hat. Ein solches Gestell dient dem Ansichtskartenmann zur Fortbewegung. Der Mann hat nämlich keine Beine mehr. Es sind diesen Sommer gerade sieben Jahre, dass er bei Bjelgorod auf eine Panzermine getreten ist. Der russische Pionier, der sie einbaute, hatte zur Tarnung Vergissmeinnicht darüber gepflanzt. Wegen dieser Blümchen sitzt der Ansichtskartenmann nun auf dem Holzgestell mit den vier Eisenrädchen.
Den Weg zum Bahnhofsplatz nimmt er immer etappenweise. Mindestens dreimal muss er sich aus-ruhen, denn das Sitzen auf dem mit Wasser gefüllten Ledersack ist nicht angenehm. Die Hände, mit denen er sich vorwärts bewegt, sind durch starke Lederkappen geschützt, wie sie Arbeiter benützen, wenn sie heißen Teer zu glattem Asphalt streichen. Manchmal gibt es kleine Verzögerungen, wenn ein Betrunkener oder Kinder ihn am Boden übersehen, stolpern oder ihm auf die Hände treten. Dann entschuldigt er sich und nimmt sich vor, dem Verkehr noch umsichtiger aus dem Weg zu gehen (...)
Manchmal streift ein Hund schnuppernd an ihm vorbei; mit dem Wolfshund eines Bahnpolizisten hat er sich sogar angefreundet. Er kann ihn streicheln und in die Augen schauen, ohne sich bücken zu müssen. Das ist sehr schön, und das Tier fühlt dies sicher auch. Menschen, die es mit ihm zu tun haben wollen, müssen sich bücken, was sie gern vermeiden. Und die Kinder, für die er ein Herz hätte, fürchten sich ein bisschen vor ihm.
Der Tag ist sehr abwechslungsreich. Neben ihm rufen Zeitungsverkäufer die neuesten Nachrichten aus. Neulich hielt ein Amerikaner vor ihm seinen Buick an, stieg aus und knipste ihn. Dabei sagte der Amerikaner mehrmals „damned war!“, verfluchter Krieg, und seine Frau warf ihm ein Schokoladentäfelchen in den Hut. Dann fuhren sie schnell wieder weg. Abends flammt eine Leuchtschrift auf und die letzten Meldungen fließen strahlend hell am Nachthimmel entlang. Der Mann auf den vier Rädern liest sie sehr genau: Panzerkämpfe in Korea – Frontverschiebungen – erbittertes Ringen – Verlustziffern.
Und wenn sich der Mann dann auf die Hände macht, um nach Hause zu rollen, denkt er über vieles nach. Dabei nimmt der Gedanke einen breiten Raum ein, dass man die Vergissmeinnicht von Bjelgorod einer Handvoll Politikern unter ihre grünen Tische pflanzen müsste.
Süddeutsche Zeitung 24. Juli 1950
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im August 1950 protestierte die Münchner Bevöl-kerung gegen die Wiederaufrüstung und gestiegene Lebenshaltungskosten.
Foto: Stadtarchiv München
Waren bei Münchens liberaler Presse kritischer Journalismus und Meinungsfreiheit gut aufge-hoben, so taten sich die Mitarbeiter des staatlich kontrollierten Bayerischen Rundfunks manchmal schwer damit. 1950 eröffnete der Rheinische Merkur mit der Schlagzeile „Rotgetupfter Bayernlöwe“ eine Hatz auf angebliche Marxisten beim Münchner Sender. Fritz Benscher und Helmuth M. Backhaus, zwei bei Hörerinnen und Hörern überaus beliebte Programmgestalter, hatten es gewagt, mitten im Kalten Krieg einen Friedensappell zu unterschreiben, zusammen mit Kommunisten. Auf Drängen der CSU-Vertreter im Rundfunkrat wurden Benscher und Backhaus zeitweilig von den Mikrofonen verbannt.
Die Unduldsamkeit der CSU, besonders ihres ultrakonservativen Kultusministers Dr. Dr. Alois Hundhammer, Ritter des Ordens vom Heiligen Grabe und Chef des Katholischen Männervereins Tuntenhausen, trug dazu bei, dass die CSU bei der Landtagswahl 1950 eine schwere Niederlage erlitt. „Hundhammer hat sich um das Vaterland verdient gemacht“, spottete der Kabarettist Oliver Hassencamp. Der Stimmenanteil der CSU sank von 52,3 auf 28 Prozent, sie behielt nur noch 64 Landtagsmandate, die SPD kam auf 63, die Bayernpartei auf 39, die Flüchtlingspartei BHE auf 26 und die FDP auf 12 Sitze. Die beiden großen Parteien bildeten eine Koalitionsregierung. Hans Ehard (CSU) wurde Ministerpräsident, Wilhelm Hoegner (SPD) Stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister. Hundhammer hatte sich erbittert gegen das Zusammengehen der CSU mit der SPD gewehrt, er musste sein Ministeramt abgeben und wurde Landtagspräsident. Das hinderte ihn aber nicht, weiterhin eifrig für getrennte katholische und protestantische Bekenntnisschulen zu kämpfen, für die Beibe-haltung der Prügelstrafe und gegen jegliches „Sauglockenläuten“ auf Bühne und Leinwand. Sogar den nackten Mädchen auf Plakaten für den Modellball im staatlich verwalteten Münchner Haus der Kunst mussten nachträglich Keuschheits-schürzen aufgemalt werden.
Zur schärfsten Gegenspielerin der CSU in der Kultur- und Schulpolitik wurde die junge Jour-nalistin Hildegard Brücher. Die bisherige Münchner Stadträtin war mit Unterstützung des bayerischen FDP-Vorsitzenden Thomas Dehler 1950 zum ersten Mal in den Landtag gewählt worden. Dort setzte sie sich unermüdlich für Geistesfreiheit und Gleichberechtigung zwischen Religionen und Geschlechtern ein.
Wichtige Impulse zur Festigung der Demokratie weit über Bayern hinaus gingen von zwei 1950 in München gegründeten Einrichtungen aus: der Hochschule für politische Wissenschaften und dem Institut für die Geschichte der NS-Zeit, ab 1952 Institut für Zeitgeschichte. Im Perlacher Forst entstand 1950 ein Ehrenhain für die 429 Münchner Opfer des Nazi-Regimes, unter ihnen die Geschwister Scholl.
HILDEGARD HAMM-BRÜCHER
Der schiere Klerikalismus
Heutige Leser werden sich kaum noch vorstellen können, in welchem Ausmaß in Bayern damals der schiere Klerikalismus herrschte, und er dauerte an, selbst dann noch als dem Kultusminister Hundhammer weniger fanatische, schulpolitisch aber genau so bigott-konservative Epigonen folgten.
Damit war und blieb für Liberale das Feld ständiger landespolitischer Auseinandersetzungen auf Jahr-zehnte abgesteckt: Sollte das vom Nationalsozialismus bis ins Mark indoktrinierte öffentliche Schulsystem konfessionell-klerikal übertüncht werden, oder sollten Schule und Bildung als Orte und Horte der personalen, sozialen und demokratischen Erziehung von Grund auf neu konzipiert werden? Sollte der überlieferte, ständische Klassen-charakter des deutschen Schulsystems mit einer Volksschule für 95 Prozent der Kinder und einer „Höheren“ Schule für 5 Prozent restauriert werden, oder sollte, wofür ich kämpfen wollte, die Schule als ein offenes, demokratischen Werten verpflichtetes System neu auf-gebaut und gegliedert werden? (...)
Meine Lehrjahre im Bayerischen Landtag verliefen ganz ohne „Jugendschutz“. Obwohl eine der Jüngsten, zudem Frau (damals noch „Fräulein“) , verflogen sehr bald schon alle anfangs gönnerhaften Attitüden seitens der „Herren CSU-Kollegen“ und baute sich stattdessen so etwas wie eine hemdsärmelig-feindselige Einstellung gegen mich auf (...)
Aus Freiheit ist mehr als ein Wort
An den Münchner Kammerspielen unter Intendant Hans Schweikart inszenierte Bertolt Brecht 1950 sein dramatisches Antikriegsepos Mutter Courage und ihre Kinder mit Therese Giehse in der Hauptrolle. Sie hatte hier schon vor 1933 auf der Bühne gestanden und war nun aus dem Exil in ihre Heimatstadt zurückgekehrt. 1949 hatte sie die Mutter Wolffen in Gerhart Hauptmanns Biberpelz unter der Regie von Peter Lühr gespielt. Mit Maria Wimmer und Maria Nicklisch bildete die Giehse das weibliche Dreigestirn des Ensembles der Kammerspiele.
Brechts Mutter Courage wurde auch angesichts der drohenden Wiederaufrüstung zu einem großen Publikumserfolg. Die Neue Zeitung allerdings, das Organ der amerikanischen Besatzungsmacht, spuckte Gift und Galle gegen den Kommunisten Brecht. Die Zuschauer jedoch ließen sich von „politisch-publizistischen Demonstrationen gewisser Kreise gegen Brecht nicht beeindrucken und feierten die Darsteller und den Dichter mit spontanem Applaus“, schrieb Fred Hepp am 11. Oktober 1950 in der Schwäbischen Landeszeitung.
Stücke von Bertolt Brecht, dessen erstes, Trommeln in der Nacht, 1922 hier uraufgeführt worden war, bildeten einen Schwerpunkt im Repertoire der Münchner Kammerspiele. Schon 1949 war seine Dreigroschenoper mit Hans Albers als Macky Messer in der Inszenierung von Harry Buckwitz hier zu sehen gewesen, ebenso Herr Puntila und sein Knecht Matti unter der Regie von Hans Schweikart. Er brachte später noch die Brecht-Dramen Der gute Mensch von Sezuan (1955), Das Leben des Galilei (1959) und Der kaukasische Kreidekreis (1961) heraus. 1949, 1950 und 1955 war Bertolt Brecht, der in den 1920er Jahren an den Kammerspielen als Dramaturg und Regisseur gewirkt hatte, bei den Proben in München dabei.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Therese Giehse 1950 als Mutter Courage
Foto: Hildegard Steinmetz/Theatermuseum München
1950 wurde auf Brechts Empfehlung an den Kammerspielen das bayerische Dialektstück Der starke Stamm von Marieluise Fleißer uraufgeführt, in der Hauptrolle Therese Giehse. In der bitterbösen Komödie geht es um Habgier, Betrug und kapitalistische Praktiken unter ländlichen Kleinbürgern. „Ein ehrliches, ein starkes Stück, und der herzliche Beifall war wohlverdient“, hieß es dazu im Münchner Merkur vom 9. November 1950. Brecht hatte die Ingolstädter Autorin, die er seit dreißig Jahren kannte, schon frühzeitig beeinflusst und gefördert.
Die allgemeine Aufbruchstimmung nach der Währungsreform von 1948 hatte natürlich auch Münchens Künstler- und Studentenviertel Schwabing erfasst. Im Pfälzer Hof in der Haim-hauser Straße, bei der rundlichen Wirtin Traudl Bräu, trafen sich an jedem Donnerstag Literaten und Vortragskünstler am Stammtisch von Peter Paul Althaus. In buntem Wechsel huldigten Schauspieler wie Axel von Ambesser, Gert Fröbe, Ursula Herking, Karl Schönböck und der damals noch kaum bekannte Klaus Kinski der Brettl- Tradition. Als Honorar gab es ein Glas Wein, oft auch ein warmes Abendessen. Von Malern, die knapp bei Kasse waren, und das waren nicht wenige, nahm „Mutti Bräu“ auch schon mal ein Bild in Zahlung. Wohl keine andere Schwabinger Wirtin wurde von ihren Stammgästen so geliebt wie sie.
Nachdem Traudl Bräu ihr Schwabinger Lokal für einige Jahre aufgegeben hatte, zog der Kreis um den „Traumstadt-Bürgermeister“, wie sich P.P. Althaus nannte, ein paar Häuser weiter in das altbayrische Gasthaus Seerose am Ende der Feilitzschstraße. Der Begriff „Traumstadt“ stammt übrigens von Alfred Kubin, der ihn schon 1908 in seinem Roman Die andere Seite verwendet hat. Das Buch gilt als eine Art Schwabinger Narrenspiegel. In der Wohnung über der Seerose vollendete einst Thomas Mann seinen Roman Buddenbrooks. Er stattete 1950, zum ersten Mal seit seinem von den Nazis erzwungenen Weggang zwanzig Jahre zuvor, München einen Besuch ab und hielt einen Vortrag über Goethe und die Demokratie.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Künstlerkreis um Peter Paul Althaus, Gustl Weigert, Gustl Wiesbek und Martin Lankes in der Seerose.
Foto: Archiv Grossherr
PETER PAUL ALTHAUS
Wir sanften Irren
Wir sanften Irren spielen manchmal Politik.
Die einen haben Karten
und die andren Schachfiguren.
Die mit den Schachfiguren rufen: „Trumpf!“
Die mit den Karten rufen : „Schach dem König!“
So spielen wir, die sanften Irren, Politik
mit Karten gegen Schachfiguren.
Und zwischen den Politikern da draußen und uns, den sanften Irren,
der Unterschied ist gar nicht groß.
Das Gute ist nur dies:
Wir sanften Irren spielen bloß.
* * *
Wir sanften Irren leben etwas hinterm Mond;
wir haben seine andre Seite oft betrachtet.
Wir sind das Leben hinterm Mond gewohnt:
es ist dort immer etwas leicht umnachtet.
Vielleicht, dass wir uns auf dem Mond mal treffen;
wenn ihr nach dorthin kommt
mit euren Mondraketen.
Zum Willkomm wird ein Mondkalb euch
entgegen bläffen;
wir aber wollen dann für eure gute Heimkehr beten.
Aus dem gleichnamigen Buch
Als lebendes Denkmal der Erinnerung an Schwa-bings goldene Zeiten geisterte in den 1950er Jahren ein zierliches Persönchen, wuschelköpfig und quicklebendig Nacht für Nacht durch die Künstlerkneipen zwischen Türkenstraße und Feilitzschplatz: Marietta di Monaco. Als Maria Kirndörfer, ein armes Bauernkind aus Nieder-bayern, war sie im zarten Alter von siebzehn Jahren 1910 nach München gekommen. Sie arbeitete als Kellnerin und Bürohilfe im Verlag Bachmair, als Malermodell und Sekretärin des Dichters Johannes R. Becher. In ihren freien Stunden lernte sie Verse von Wilhelm Busch, Endrikat und Ringelnatz auswendig, bis sie sich damit unter dem Namen Marietta auf die Bühne des berühmten Künstlerlokals Simplicissimus wagte. Erich Mühsam hat amüsant beschrieben, wie sie im Fasching über die Tische hüpfte, nur mit einer Tischdecke bekleidet, die sie bald „in lieber Gewohnheit“ auch noch verlor. Sie wurde die Muse des Dichters Klabund und galt bald als Königin der Schwabinger Boheme. Besonders gern verkehrte sie im Kreis jener Intellektuellen, die 1918 unter Führung von Kurt Eisner den Freistaat Bayern mit begründet und ein Jahr später, nach Eisners Ermordung, eine kurzlebige Räterepublik ausgerufen hatten. In ihr sollte Marietta, nach eigener Aussage, Kultusministerin werden. Später vermachte ihr ein reicher Holländer eine Villa in Nymphenburg. Mal lebte sie dort, mal in Paris, am liebsten jedoch in Schwabing.
Noch 1950 und danach schmetterte Marietta, breitbeinig und kühn auf einem Stuhl stehend, mit unnachahmlicher, trompetengleicher Jung- mädchenstimme Mühsams „Revoluzzer-Lampen-putzer“, eigene Verse oder die „Turngedichte“ von Ringelnatz ins rauchgeschwängerte Lokal: „Deutsches Mädchen – grätsche! Grätsche!“
MARIETTA DI MONACO
Meine erste Skizze
Manchmal weine ich keine Tränen.
Ich berausche mich täglich.
Gerne mache ich sündige Spiele.
Ich bin ein Knäuel von Sinnlichkeit.
Mein Kopf wird herumgeworfen.
Meine guten Gefühle werden von brutalen Händen erdrückt.
Ich schiele.
Ich rezitiere lyrische Anthologie.
Nachts tanze und schreie ich durch die Straßen.
Mein Mund ist ein Strich.
Meine Augen sind manchmal groß und leuchtend.
Mein Nacken ist ausrasiert.
Ich habe schlanke Beine.
Jeder Briefträger ist mein Vater.
In meinen Haaren beseitigt man den Schweiß der Hände.
Aber in der Sonne sind sie fließendes Gold.
Ich bin Marietta.
Aus Ich kam, ich geh
Marietta verkörperte noch jenes legendäre Schwabing, das die Stadtväter bei der Einge-meindung 1891 „Münchens schönste Tochter“ genannt hatten, das aber in Wahrheit seine rebellische ältere Schwester ist, wie Literaten, Künstler und Studenten gern sagen. Bajuwarische Einwanderer aus Böhmen nämlich hatten das Dorf Swapinga gegründet, lange bevor die ersten Siedler sich an einem Ort niederließen, der später München heißen sollte.
Um 1900 war aus dem Dorf Schwabing durch den Zuzug von Malerinnen und Malern, Literaten und Lebensreformern, Revoluzzern und Künstlern aller Art das berühmte „Wahnmoching“ geworden, Heimat der Boheme und Inbegriff geistiger Offenheit im wilhelminischen Deutschland.
In die Fußstapfen der Alten traten in den fünfziger Jahren Künstler wie Willi Baumeister und Rupprecht Geiger, die zusammen mit anderen 1949 die Gruppe ZEN gegründet hatten.
So manche unserer Gefährtinnen nahm sich die Schriftstellerin Franziska von Reventlow zum Vorbild, die als lebendes Schwabinger Skandalon schon zur Kaiser- und Prinzregentenzeit die Erotik als wichtigste der schönen und freien Künste praktiziert hatte.
Ein Zeitgenosse der Reventlow zog in den fabelhaften Fünfzigern noch immer predigend über die Leopoldstraße: Gusto Gräser, echtes Schwabinger Urgestein und ein früher Vorläufer der Grünen.
HERMANN WILHELM
Lebensreformer und Naturapostel
Um 1900 kommt ein Verfechter des Vegetarismus und des einfachen natürlichen Lebens erstmals nach München. Der Mann, am 16. Februar 1879 in Kron-stadt im damals österreichisch-ungarischen Sieben-bürgen als Sohn eines Bezirksrichters geboren, ist von durchaus imposanter Gestalt. Er ist groß gebaut, hat eine kräftige Statur und spricht mit sonorer, raumfüllender Stimme. Sein schulterlanges, wild wucherndes Haar hält er manchmal mit einem Stirn-band zusammen, sein Vollbart reicht bis auf die Brust. Gräser trägt eine sackähnliche Lodenkutte, die durch Holzstäbchen zusammen-gehalten wird, darüber einen breiten Ledergürtel. Die Füße stecken in Sandalen, wie sie auch bei Mönchen und Eremiten üblich sind. Fast immer hat Gräser ein Marktnetz dabei, in dem sich verschiedene Obst- und Gemüsearten, z. B. Kohlrabi, gelbe Rüben, Gurken, Blaukraut und Weißkraut befinden, sowie ein länglich-rundes Blechfutteral, in dem er seine Poesien mit sich herumträgt (...)
In München lebt Gräser vor allem von Einnahmen aus Vorträgen und dem Verkauf von Gedichten und Sinnsprüchen. In kleinen Auflagen hergestellt, vertreibt er diese zusammen mit „gustograspostkarten“ in diversen Gaststätten und Kneipen der Stadt. Auch durch die Veröffentlichung von Gedichten in der renommierten Zeitschrift Jugend, meist unter dem Pseudonym „Arthur Siebenbürger“ kommt etwas Geld ins Haus. Alsbald ist Gräser als Stammgast in der Bayerischen Staatsbibliothek in der Ludwigstraße anzutreffen (...)
Gerade 21 Jahre alt geworden, wandert Gräser im Herbst des Jahres 1900 (...) zu Fuß über die Alpen in Richtung Tessin. Ziel der Reise ist die Gegend um das Fischerdörfchen Ascona, das alsbald zum Zufluchts-ort und Treffpunkt für verschiedene „Rebellen“, Lebensreformer und Naturverehrer wird. Auf dem heute legendären Monte Verita gründet man eine vegetarische Landkommune, beschäftigt sich mit Fragen der Naturheilkunde und der natürlichen Ernährung (...)
1942 kehrt er wieder einmal von Berlin nach München zurück. Er überlebt das Inferno der Bombenangriffe und entgeht wie durch ein Wunder auch dem Zugriff der Geheimen Staatspolizei.
Am 5. Juli 1950 antwortet Gräser in einem ausführ-lichen Brief dem Schriftsteller und Journalisten Rene Prevot. Das Schreiben ist eine Replik auf einen ihn herabsetzenden und der Lächerlichkeit preisgebenden Zeitungsartikel im Münchner Merkur. Es macht deutlich, dass Gräsers „Weltfremdheit“ durchaus den politischen Wirklichkeiten Rechnung trägt (...):
„Über ein halbes Jahrhundert trage ich meinen Grünspecht im Kopf und schaue hinein in den rot, braun, schwarzen Wahnsinn und erlebe 50 Jahre lang, wie das, was man die Menschen heißt, immer toller verrückter und immer schwärzer und schwärzer wird, wie sie immer schneller zu ihren ‚Suppen-schüsseln’ rasen, sich die Broken vom Munde reißen, wie sich der Krampf ihrer Verrücktheit immer höher steigert, so dass ihnen ein paar Weltkriege schon nicht mehr genügen, ihre Verrücktheit auszutoben, während mein Grünspecht immer noch fidel über Wahnsinnswüsten in seine Wälder fliegt (...)“
Aus Schwabing Kunst und Leben um 1900
An Schwabings große Brettl-Tradition knüpften 1950 K. Th. Langen, Peter Paul Althaus und Gustl Weigert auch mit der Künstlervereinigung Katakombe an. Ihre Mitglieder und Freunde samt Anhang nannten sich „Kellerasseln“, denn sie trafen sich jeden Freitag in einem feuchten Gewölbe unter dem Mathäserbräu am Stachus beim spitzbärtigen Kellermeister Schratzenstaller. An langen Holztischen eng beieinander sitzend, lauschten sie bei Kerzenschein und Wein den meist humoristischen Vorträgen, die jeder, der gerade Lust dazu hatte, auf einer improvisierten Bühne zum Besten geben konnte. Einmal hielt sogar Theodor Heuß, der erste Bundespräsident, aus dem Stegreif eine launige Rede. Vor allem waren es Poeten wie Fritz de Crignis, Ernst Klotz und Wolfgang von Weber, die zusammen mit Marietta in der „Unterwelt“ der Münchner Innenstadt die Fahne des Künstlerviertels hoch hielten. „Wenn Sie mit mir sprechen“, pflegte Fritz de Crignis zu sagen, „sind Sie bereits in Schwabing.“ In den Gewölben der Katakombe wurden auch Bilder zeitgenössischer Maler ausgestellt. Nach durchzechter Nacht klommen dann die „Kellerasseln“ über eine steile Treppe frohgemut und keuchend wieder empor ins Dämmerlicht des neuen Tages.
FRITZ DE CRIGNIS
Aphorismen
In meiner Jugend war Schwabing ein Dorf vor den Toren Münchens. Heute ist München ein Dorf vor den Toren Schwabings.
Schwabing ist ein Begriff. Darum wird es so oft nicht begriffen.
Die Schwabinger heiraten nicht gern. Sie scheuen die Kosten der Scheidung.
Von zwei Schwabingern gehört meist einer zum anderen Geschlecht.
Zwei Schwabinger haben mindestens drei Meinungen.
Ein junger Mann, der Kunstmaler werden will, braucht dazu dreierlei: ein Atelier, eine Gitarre und ein Gspusi.
Das Problem der Kunst habe ich gelöst: Es gibt zu viele Maler und zu wenig Mäzene.
Nicht alle Schwabinger Maler sind arm. Ich kenne zwei, die es zu Geld gebracht haben. Der eine hat eine Erbschaft gemacht, der andere hat reich geheiratet.
1951 Weder Angsthasen noch Duckmäuser
Mit dem Theater Münchner Kleine Freiheit setzte Trude Kolman, eine Berliner Kabarettistin der 1920er Jahre, ab 1951 die große Tradition des literarisch-politischen Kabaretts der Zeit vor 1933 fort. Das erste war 1901 in der Münchner Türkenstraße von Frank Wedekind mit seinen Elf Scharfrichtern eröffnet worden, gleichzeitig mit Ernst von Wolzogens Überbrettl in Berlin. Jetzt traten Trude Kolman und ihre scharfzüngigen Spötter in die Fußstapfen der Münchner Schau-bude von Rudolf Schündler, dem ersten deutschen Kabarett nach dem Zweiten Weltkrieg, das aber die Währungsreform von 1948 nicht überlebt hatte.
Das Eröffnungslied und viele andere Texte für die Kleine Freiheit schrieb Erich Kästner, weitere Hausdichter waren Martin Morlock, Robert Gilbert, Oliver Hassencamp und Per Schwenzen. Die erste Vorstellung ging im 5. Stock eines Wohnhauses in der Schwabinger Elisabethstraße über die Bühne, wo Beate von Molo ein Theaterchen mit siebzig Plätzen eingerichtet hatte. Später, nach einigen Zwischenstationen, siedelte sich die Kleine Freiheit in der eleganten Maximilianstraße an.
ERICH KÄSTNER
Der Titel des Programms
Der Titel des Programms – DIE KLEINE FREIHEIT -
klingt eigentlich, als wüssten wir Bescheid.
Der Titel des Programms – DIE KLEINE FREIHEIT -
stammt nicht von uns. Den Titel schrieb – die Zeit!
Die große Freiheit ist es nicht geworden.
Es hat beim besten Willen nicht gereicht.
Aus Traum und Sehnsucht ist Verzicht geworden.
Aus Sternenglanz ist Neonlicht geworden.
Die Angst ist erste Bürgerpflicht geworden.
Die große Freiheit ist es nicht geworden,
die kleine Freiheit – vielleicht!
Wir sind so frei! Das heißt: So weit’s erlaubt ist.
Wir sind so frei (So weit man’s überhaupt ist.)
Wir dürfen wieder zittern, wenn wir frieren.
Wir dürfen staunend vor Geschäften stehn.
Wir dürfen atmen, lachen, vegetieren.
Wir dürfen schimpfen und den Kopf verlieren.
Wir dürfen, wenn’s so weitergeht, marschieren.
Wir sind so frei. Wir werden ja sehn.
Der Titel des Programm – DIE KLEINE FREIHEIT –
hat seinen Grund. Sie wissen nun Bescheid.
Der Titel des Programms – DIE KLEINE FREIHEIT –
Stammt nicht von uns. Der Autor heißt: Die Zeit.
Aus So weit die scharfe Zunge reicht.
OLIVER HASSENCAMP
Die Kleine Freiheit
Die Themen lagen, wo sie immer liegen – auf der Straße. In diesen Jahren gab nicht nur der wirtschaftliche Aufschwung Anlass, sich zu wundern. Vor allem die Restauration überwunden geglaubter Vorstellungen erwies sich neben Schildbürgerstreichen und schon wieder verpassten Chancen als zuverlässiger Zündstofflieferant. Wir beschmutzten das Nest, damit es sauber bleibe. Wiederbewaffnung, Ruhe und Ordnung, schlagende Studentenverbindungen, weiße Westen und braune Flecken, Korruption, Rüstungsaufträge, prügelnde Lehrer und verwandte Ertüchti-gungsmaßnahmen, NS-Richterkumpanei und andere alte Kameraden nahmen wir uns vor. Nicht immer zur Freude aller (...)
Da verließen zwei nordische Blondschöpfe in schwarzen Ledermänteln – noch immer Erkennungszeichen für gar nicht so ehemalige Angehörige der Waffen-SS – das Theater während der Pause und dröhnten: „Wir kommen wieder. Dann schlagen wir den Laden zusammen!“ Für uns ein Höhepunkt an Wirkung. Auch wenn sie ihr Versprechen nicht hielten (...)
Dies war die Zeit des Aufbruchs. Man brach wirklich auf. Es war keine unfröhliche Zeit, aber das Kabarett vermochte unser Lächeln zum Gerinnen zu bringen. Wir waren manchmal nach der Aufführung wirklich zu einem Aufbruch entschlossen – und waren doch nur in einem Kabarett-Keller gewesen (...)
Aus Die gute schlechte Zeit
Auch der Bayerische Rundfunk öffnete Satiri-kern seine Mikrofone, doch bald gab es Ärger. Alois Hundhammer rügte als Vorsitzender des Rundfunkrates 1951 eine Kabarettsendung, weil darin folgender Dialog vorkam: „Weißt du wofür die Münchner Polizei jetzt Wasserwerfer angeschafft hat?“ Antwort: „Ja, die werden eingesetzt, wenn der Mann auf der Straße anfängt zu denken...“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Autorenkonferenz für das erste Programm der Münchner kleinen Freiheit, von links: Hellmuth Krüger, Per Schwenzen, Robert Gilbert, Oliver Hassencamp, Erich Kästner.
Foto:Lukas Ammann
WALTER VON CUBE
Die Soldatenbündelei
Als wir vor zwölf Jahren auf den Kasernenhöfen lernten, dass Geist und Menschenwürde nichts, Disziplin und willenloser Gehorsam alles bedeuten, als wir vor zehn Jahren in den Wolchow-Sümpfen den russischen Winter und die Post von zu Hause erwarteten, als wir vor acht Jahren die gefallenen Freunde zählten und im Lazarett den Lautsprecher vom Endsieg dröhnen hörten, als wir vor sechs Jahren in der Gefangenschaft nach der Heimat hungerten – beschlossen wir da, sobald alles vorbei sein würde, Soldatenbünde zu gründen, Traditionsverbänden beizutreten, Wehrmachtsvereine zu finanzieren? Nein, dreimal nein. Wir hatten genug von der Uniform, wir hatten genug von allem Zwang, von allem Elend, von allem Heldentum und aller Angst. Wir wollten wieder frei und Zivilist sein. Jawohl, Herr General, das wollten wir.
Das wollten wir und das wollen wir noch. Wir, die Handwerker, die Arbeiter, die Bauern, die Schriftsteller, die Ärzte. Wir sind in der überwältigenden Mehrheit; aber leider, wir überwältigen sie nicht, unsere Widersacher. Sie haben den Terror der Organisation an die Stelle des Terrors der Uniform gesetzt; sie scharen zweihundert Ortsgruppen-angehörige um sich und sprechen im Namen von zwölf Millionen – von zwölf Millionen, die ihnen dazu keinerlei Auftrag gegeben haben (...)
Bayerischer Rundfunk 29. September 1951
Die Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung übernahm 1951 Werner Friedmann, bisher Lei-ter der Lokalredaktion. Der glänzende Journalist hatte schon 1949 die Münchner Abendzeitung gegründet, das erste deutsche Boulevardblatt nach dem Krieg. Auch die AZ zeichnete sich durch kritisch zupackende Berichte und Kommentare aus. Chefredakteur war bis 1961 Rudolf Heizler, für das hervorragende Feuilleton zeichnete Dorothea Federschmidt verantwortlich. Die AZ war ein Kind der Lehrredaktion des Werner-Friedmann-Instituts, das seit 1957 Deutsche Journalistenschule heißt. Aus ihr gingen im Lauf der Jahre nicht weniger als vierzig spätere Chefredakteure und Hunderte von namhaften Journalistinnen und Journalisten hervor. Friedmann hatte ihnen eingeschärft: „Wer nicht erkennt, dass Dinge, die ärgerlich sind, offen, kritisch und vielleicht sogar überspitzt zur Sprache gebracht werden müssen, dass man Missstände und Skandale beim Namen nennen soll, dass man das, was hinter den Kulissen schief geht, nicht unterschlagen darf, der hat das Wesen der Demokratie nicht begriffen.“
In diesem Sinne schrieb W. E. Süskind in der Süddeutschen Zeitung vom 6. Februar 1951: „Vom Nationalsozialismus befreit können wir nur werden, wenn außer den primitiven verfassungs-rechtlichen Sicherungen auch gegen die für die Nazizeit typische Verhaltensweise Sicherungen geschaffen werden. Das kann eine Verfassung nur in einem beschränkten Maß tun. Alles übrige muss der Geist vollbringen, in welchem die Verfassung ausgelegt wird (...) Etwa gegen den Kadavergehorsam, das Ideal der ‚Ausrichtung, das Verdächtigen hinten herum – kurz gegen alle die Unsitten, die aus uns im Endeffekt ein Volk von politischen Angsthasen und Duckmäusern gemacht haben (...)“
[...]
- Quote paper
- Dieter Grossherr (Author), 2009, Aufbruchzeit. München 1949 - 1962, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140125
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