Seit einigen Jahren werden in Industrieländern verschiedentlich pädagogische Hilfestellungen für die Bewältigung multikulturellen Zusammenlebens angeboten, sei es in Form von Modellen interkultureller Erziehung in Schulen, oder aber als Kurse zur Erlangung interkultureller Handlungskompetenz von Privatanbietern, meistens für Zielgruppen aus der Wirtschaft. Die große Mehrheit der Menschen aber, die für eine kurze oder lange Zeitspanne ihre Herkunftskultur verlassen, können auf keinerlei pädagogische Unterstützung zurückgreifen. Auch sie durchlaufen Lernprozesse, denn sie müssen ihr Verhalten in irgendeiner Form auf die neue Umgebung abstimmen, und werden wahrscheinlich auch Vorstellungen bezüglich ihrer eigenen oder der Aufnahmekulturen verhärten oder verändern. Doch diese Lernprozesse sind weder formalisiert noch strukturiert.
In der vorliegenden qualitativen Studie habe ich 10 westeuropäische Migranten in der Stadt Puebla (Mexiko) interviewt, mit dem Ziel, an den besagten Personen zu untersuchen, inwieweit solche informellen Lernprozesse zu "interkulturellem Austausch" führen können. Es ging mir auch darum, an dieser relativ heterogenen Migrantengruppe Gemeinsamkeiten in ihrer Migrationsbiographie auszumachen, d.h. ähnliche Entwicklungen aufzuspüren und zu interpretieren.
Um die Ziele der Studie noch detaillierter zu umreiβen, ist es zunächst einmal notwendig, etwas weiter auszuholen und Überlegungen zu den Begriffen "interkulturell" und "Kultur", sowie zu "Migrationsbewegungen" vorzuschieben, was ich in den folgenden drei Kapiteln tun werde. Im fünften Kapitel gehe ich dann genauer auf die Zielgruppe ein, aus der ich 10 Vertreter auswählte und interviewte. Im sechsten Kapitel beschreibe ich die Aufnahmegesellschaft (Mexiko) im Hinblick auf die Situation von Einwanderern. Das siebte Kapitel ist dann Ausführungen zu "interkulturellen Lernprozessen" gewidmet, sowie der Aufstellung von Kriterien, die als Kategorien in den Interviewleitfaden eingegangen sind.
Im zweiten Teil der Arbeit werden die Antworten der Leitfadeninterviews verglichen und beschrieben, im dritten werden die Ergebnisse noch einmal zusammengefasst und die Lernprozesse bewertet.
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1
- Einführung in die Ziele der Studie
- Was ist eigentlich "interkulturell"?
- Arbeitsdefinition des Begriffs "Kultur"
- Wanderbewegung von den Peripherien in die Zentren des Kapitæ lismus: ungünstige Bedingungen Ilir interkulturellen Austausch
- Wanderbewegung von Industrieländern in ein Schwellenland: Die Zielgruppe der Studie
- Einwanderer in Mexiko: kurzer Überblick
- Geschichte
- Rechtslage der Ausländer in Mexiko
- Einwanderungsstatistiken
- Die Stadt Puebla
- Kriterien zur Bewertung von interkulturellen [Ærnprozessen bei der Untersuchungsgruppe
- Methodische Erläuterungen
- Teil 2
- Besonderheiten der Zielgmppe
- Zum Wahrleitsgehalt der Interviewaussagen
- Nationale oder kulturelle Bezug,srahmen im Sprachgebrauch der Befragten
- Auswanderungsmotive der Befragten
- Integration in die Aufnahmegesellschaft
- Wirtschaftliche und berufliche Integration
- Soziale Integration
- Fremdkulturelle Elementen im Alltagsleben der Befragten
- Kulturelle Identität: Dialektik zwischen Prägung und
Eigenständigkeit
- Beziehungen zum Herkunftsland
- Auswanderung im Kommunikationszeitalter
- Zweisprachigkeit der Kinder als Ausbildungsvolleil
- Bewahren von Grundwerten bei Einstellungs- Verhaltensålllerung
- Werturteile und Stereotype bei den Befragten
- Interaktion mit Personen der Aufnahmekulturen
- Grenzen der Verständigung
- Westeumpäer mit einer sehr direkten Art schockieren
- Selbsteinschätzung der Befragten bezüglich ihres Einflusses auf Menschen der Aufnahmekulturen
- Auseinandersetzung mit den Aufnahmekulturen
- Lernphasen
- Teil 3
- Zusammenhänge zwischen den Untersuchungskkriterien
- Korrelation zwischen Ausbildungsstand, theoretischer Ausein- andersetzung mit der Aufnahmegesellschan und Lemprozess
- Einteilung der Befragten in drei verschiedene Gruppen und Bewellung der Lernprozesse
- Zusammenfassung der Ergebnisse
- Bibliographie
- Tabelle: Nähe oder Distanz der Befragten zu den Aufnahmekulturen
- Zusammenhänge zwischen den Untersuchungskkriterien
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende qualitative Studie untersucht, inwieweit informell verlaufende Lernprozesse von westeuropäischen Migranten in Puebla (Mexiko) zu einem "interkulturellem Austausch" führen können. Die Studie zielt darauf ab, an einer relativ heterogenen Migrantengruppe Gemeinsamkeiten in der Migrationsbiographie zu identifizieren, d.h. ähnliche Entwicklungen aufzuspüren und zu interpretieren.
- Interkultureller Austausch als Lernprozess
- Migrationsbiographie westeuropäischer Einwanderer in Mexiko
- Kulturelle Identität und Transformation in der Migration
- Werturteile, Stereotype und Relativierung in der interkulturellen Begegnung
- Integration und Akzeptanz in der Aufnahmegesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
- Teil 1
- Einführung in die Ziele der Studie: Die Arbeit stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Möglichkeit eines "interkulturellen Austauschs" im Kontext der informellen Lernprozesse von westeuropäischen Migranten in Puebla, Mexiko. Die Studie zielt auf die Identifizierung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Migrationsbiographie der Befragten und die Interpretation der beobachteten Entwicklungen.
- Was ist eigentlich "interkulturell"?: Das Kapitel beleuchtet die vielschichtige Bedeutung des Begriffs "interkulturell" und stellt fest, dass es im wissenschaftlichen Diskurs keine einheitliche Definition gibt. Der Fokus liegt auf einem wechselseitigen Austausch zwischen Kulturen, der auf annähernd machtgleichen Positionen basiert und möglicherweise im Lernprozess erworben werden kann.
- Arbeitsdefinition des Begriffs "Kultur": Der Begriff "Kultur" wird als ein dynamisches System verstanden, das die Lebensweise einer Gruppe oder Klasse in ihren Institutionen, Beziehungen, Glaubenssystemen, Sitten und Bräuchen, Objekten und im materiellen Leben widerspiegelt. Kultur dient als Orientierungssystem und Kommunikationsrahmen, wobei die Dialektik von Prägung und Eigenständigkeit von großer Bedeutung für den interkulturellen Austausch ist.
- Wanderbewegung von den Peripherien in die Zentren des Kapitalismus: ungünstige Bedingungen für interkulturellen Austausch: Es wird argumentiert, dass Migrationsbewegungen aus wirtschaftlichen Peripherien oder politischen Krisengebieten in hochentwickelte Wirtschaftszentren ungünstige Voraussetzungen für einen interkulturellen Austausch schaffen. Die Gründe dafür liegen in der Fluchtmotivation, dem fehlenden Bildungsniveau der Migranten und dem ungleichen Machtverhältnis zwischen Migranten und Aufnahmegesellschaft.
- Wanderbewegung von Industrieländern in ein Schwellenland: die Zielgruppe der Studie: Die Studie konzentriert sich auf eine spezifische Zielgruppe von Migranten, die aus freien Stücken und nicht aus Not ihre Herkunftsgesellschaft verlassen haben. Die Interviewpartner stammen aus verschiedenen Gegenden Westeuropas, aus verschiedenen sozialen Schichten und haben einen Mindestbildungsstand. Sie sind in der Lage, die Landessprache des Aufnahmelandes zu erlernen und ihre Migrantensituation theoretisch zu reflektieren. Das Machtverhältnis zwischen Migranten und Aufnahmegesellschaft ist in diesem Fall zwar immer noch ungleich, aber der Spielraum für individuelle Aktivitäten ist relativ groß.
- Einwanderer in Mexiko: kurzer Überblick: Das Kapitel bietet einen historischen Überblick über die Einwanderung nach Mexiko, beginnend mit der spanischen Kolonialzeit bis zur Gegenwart. Es werden die Herausforderungen für die Einwanderung in der Vergangenheit, die rechtliche Situation der Ausländer in Mexiko und die Einwanderungstatistiken beleuchtet. Die Stadt Puebla wird als Industrieknotenpunkt und Ort mit einer Vielzahl von Kulturen vorgestellt.
- Kriterien zur Bewertung von interkulturellen Lernprozessen bei der Untersuchungsgruppe: Es werden allgemeine Überlegungen zum Thema "interkulturelles Lernen" angestellt, die als Grundlage für den Interviewleitfaden dienen. Die Motivation zur Auswanderung, die wirtschaftliche und soziale Integration, die Beziehungen zur Herkunftsgesellschaft, die Identität, die Modifikation von Verhalten und Denkweisen, Stereotype, Grenzen der Verständigung, die Auseinandersetzung mit der Aufnahmegesellschaft und die Phasen des Lernprozesses werden als zentrale Kategorien identifiziert.
- Methodische Erläuterungen: Die Studie verwendet einen biographischen Ansatz zur Analyse der Interviewdaten. Die Antworten werden entlang der zuvor definierten Kategorien verglichen und interpretiert, wobei auch andere Aspekte berücksichtigt werden, die im Laufe der Interviews hervortreten. Die Ergebnisse werden in zwei Phasen ausgewertet: einem horizontalen Vergleich der Antworten aller Interviewten zu den gleichen Fragen und einer vertikalen Analyse, die Zusammenhänge zwischen den Aussagen zu verschiedenen Kategorien untersucht.
- Teil 2
- Besonderheiten der Zielgruppe: Die Interviewten zeigen im Gegensatz zu den Erwartungen des Autors eine eher positive Grundhaltung gegenüber dem Aufnahmeland und ihrer Lebenssituation in Puebla. Es wird deutlich, dass die Auswahlkriterien der Interviewpartner, wie die lange Aufenthaltsdauer, die freiwillige Auswanderung und die fehlende Abhängigkeit von einem europäischen Arbeitsvertrag, weitreichendere Konsequenzen für die Lebenshaltung der Befragten haben, als zunächst angenommen. Die Interviewpartner sind nicht eng an eine Gruppe der Herkunftskultur gebunden und haben hauptsächlich Kontakte zu Mexikanern.
- Zum Wahrheitsgehalt der Interviewaussagen: Der Autor reflektiert die möglichen Beeinträchtigungen der Validität der Ergebnisse durch die Interviewsituation und die Diskrepanz zwischen Selbstzuschreibungen und tatsächlichem Verhalten. Es wird darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse nur auf der Ebene der Selbstzuschreibungen der Befragten betrachtet werden können.
- Nationale oder kulturelle Bezugsrahmen im Sprachgebrauch der Befragten: Die Befragten verwenden häufig Formulierungen, die auf eine homogene Nationalkultur hindeuten, obwohl sie gleichzeitig Unterschiede zwischen den Menschen innerhalb des Herkunfts- und Aufnahmelandes wahrnehmen. Der Autor vermutet, dass die Verwendung des Singulars "Kultur" auf die Wahrnehmung zweier ganz unterschiedlicher Welten zurückzuführen ist, die zunächst einmal jeweils als gesellschaftliches Gesamtgefüge begriffen werden.
- Auswanderungsmotive der Befragten: Die Motive der Befragten, sich in Mexiko anzusiedeln, sind vielfältig und reichen von einer fixen Idee, nach Mexiko zu wollen, über die Liebe zu einem mexikanischen Partner bis hin zu einer inneren Stimme, die die Befragten nach Mexiko geführt hat. Die meisten Befragten hatten keine konkreten Vorstellungen von Mexiko und Puebla, bevor sie das Land besuchten. Sie waren eher offen für neue Erfahrungen und suchten nach Veränderungen in ihrem Leben.
- Integration in die Aufnahmegesellschaft:
- Wirtschaftliche und berufliche Integration: Die Befragten geben an, dass ihre finanzielle Lage in ihrem Herkunftsland wahrscheinlich besser gewesen wäre, aber sie sind mit ihrer wirtschaftlichen und beruflichen Situation in Puebla zufrieden. Sie schätzen die Freiräume für kreative Ideen und die Möglichkeit, sich in Mexiko zu verwirklichen. Es wird auf die Besonderheiten des mexikanischen Arbeitsmarktes hingewiesen, wie die fehlende strikte Ausbildungsbindung, die Möglichkeit, ohne einschlägige Ausbildung eine Existenzgründung zu schaffen, und die fehlende ausreichende soziale Absicherung für viele Einwanderer.
- Soziale Integration: Die Befragten fühlen sich in der Aufnahmegesellschaft akzeptiert und integriert. Sie empfinden die Mexikaner als freundlich und offen. Es wird darauf hingewiesen, dass westeuropäische Einwanderer in der Gegenwart keinen direkten Anfeindungen oder fremdenfeindlichen Aktionen ausgesetzt sind. Die meisten Befragten haben gute Sprachkenntnisse und bewegen sich im Bereich des dominanten spanischsprachigen Sektors der Gesellschaft. Die sprachliche Pluralität des Landes ist ihnen bewusst und sie zeigen Interesse an indigenen Sprachen.
- Fremdkulturelle Elemente im Alltagsleben der Befragten: Die meisten Befragten haben eine Mischung aus Elementen der Herkunftskultur und der Aufnahmegesellschaft in ihr Alltagsleben integriert. Sie essen sowohl mexikanische als auch europäische Gerichte, haben ihren Wohnstil beibehalten und mit mexikanischen Elementen bereichert, hören verschiedene Musikrichtungen und kaufen bestimmte Artikel aus ihrem Herkunftsland, die es in Mexiko nicht oder zu einem höheren Preis gibt. Es wird auf die besonderen Fälle von zwei Befragten hingewiesen, die entweder fast ausschließlich Elemente der Aufnahmegesellschaft in ihr Leben integriert haben oder aber ihre Herkunftskultur in ihrem Alltagsleben stark bewahren.
- Kulturelle Identität: Dialektik zwischen Prägung und Eigenständigkeit:
- Beziehungen zum Herkunftsland: Alle Befragten pflegen noch regelmäßige Kontakte zu Personen aus ihrem Herkunftsland, reisen regelmäßig dorthin und nehmen Veränderungen in ihrem Herkunftsland wahr. Sie sehen ihre eigene Identität und die Herkunftskultur als dynamisch und nicht als statisch an. Die Beziehungen zu engen Verwandten und Freunden bleiben trotz der Distanz erhalten, während weniger enge Freundschaften sich oft verlieren. Die Befragten nehmen Veränderungen in ihrem Herkunftsland wahr und reflektieren die eigene Position als Aussteiger aus dem Lebenszusammenhang der Herkunftsgesellschaft.
- Auswanderung im Kommunikationszeitalter: Die Befragten nutzen verschiedene Medien in ihrer Muttersprache, aber die meisten geben an, dass dies nicht von großer Bedeutung für sie ist. Sie leben am Ort, an dem sie sich befinden, und konsultieren auch regionale Medien. Sie fühlen sich nicht verpflichtet, in ständigem Kontakt mit der Herkunftsgesellschaft zu stehen. Nur drei der Befragten wählen noch im Herkunftsland. Die Befragten empfinden einen ständigen Kontakt zur Herkunftskultur nicht als notwendig, um ihre kulturelle Identität aufrechtzuerhalten.
- Zweisprachigkeit der Kinder als Ausbildungsvorteil: Die Zweisprachigkeit der Kinder der Einwanderer wird als praktischer Vorteil für die Zukunft der Kinder gesehen. Die Eltern erhoffen sich, dass ihre Kinder in Europa eine bessere Ausbildung erhalten, da sie dort die Ausbildungsqualität als wesentlich besser empfinden als in Mexiko. Es zeichnet sich eine Rückwanderungsbewegung der zweiten Generation der Einwanderer ab.
- Bewahren von Grundwerten bei Einstellungs- und Verhaltensänderung: Die Befragten geben an, grundsätzliche innere Werte und Prinzipien beizubehalten, auch wenn diese in ihrem Umfeld nicht dasselbe Gewicht haben. Sie empfinden Veränderungen, die sie im Laufe der Jahre erfahren haben, als positiv. Es wird darauf hingewiesen, dass die Fähigkeit zur Toleranz in diesem Fall auch als Strategie zur Bewältigung des Alltags angesehen werden kann. Die Befragten sind in der Regel freundlich aufgenommen und der Anpassungsdruck ist gering. Es wird auf die Bedeutung der Empathiefähigkeit für einen erfolgreichen interkulturellen Lernprozess hingewiesen.
- Werturteile und Stereotype bei den Befragten: Der Autor beleuchtet die Problematik von Werturteilen und Stereotypen in der interkulturellen Begegnung. Es wird darauf hingewiesen, dass Werturteile immer in der eigenen Kultur begründet liegen und die eigene Ausgangsbasis in den Bewertungen mitreflektiert werden muss. Es wird auch die Frage gestellt, ob ein "doppelter Perspektivwechsel" überhaupt möglich ist, wenn Eurozentrismus unvermeidbar ist. Es wird festgestellt, dass die Befragten in ihren Bewertungen der Aufnahmekulturen unterschiedliche Positionen vertreten: Einige von ihnen vertreten eine kulturrelativistische Position, während andere eher eurozentristische Bewertungsstrukturen an den Tag legen.
- Interaktion mit Personen der Aufnahmekulturen:
- Grenzen der Verständigung: Die Befragten geben an, dass es Grenzen der Verständigung zwischen ihnen und Personen der Aufnahmekulturen gibt. Sie sehen Unterschiede im Konzept von Freundschaft, in den kulturellen Codes und in den Werten. Es wird deutlich, dass die Befragten unterschiedliche Erfahrungen machen, je nachdem, ob sie hauptsächlich mit Personen aus ihrer Herkunftskultur oder mit Personen der Aufnahmegesellschaft in Kontakt stehen.
- Westeuropäer mit einer sehr direkten Art schockieren: Einige Befragte geben an, dass ihre direkte Art von Personen der Aufnahmegesellschaft als schockierend empfunden wird. Sie erklären, dass die mexikanische Kultur das Vermeiden von allzu großer Direktheit prägt und Kritik nur sehr vorsichtig geäußert wird. Europäer, die sich nicht an diese Gepflogenheiten anpassen, erscheinen als grob oder "enojones".
- Selbsteinschätzung der Befragten bezüglich ihres Einflusses auf Menschen der Aufnahmekulturen: Die Befragten halten es für möglich, dass sie in einem kleinen Kreis Veränderungen bewirkt haben, insbesondere in ihrer Funktion als Arbeitgeber oder Lehrkraft. Sie reflektieren ihre eigene Position als Ausländer und sehen sich nicht als diejenigen, die die Aufnahmegesellschaft verändern wollen.
- Auseinandersetzung mit den Aufnahmekulturen: Die Befragten zeigen prinzipiell eine Bereitschaft, sich theoretisch mit dem Aufnahmeland zu beschäftigen. Sie haben Bücher zu Themen der mexikanischen Gesellschaft gelesen, reisen in verschiedene Landesteile und zeigen Interesse an indigenen Sprachen. Die Intensität und Frequenz der Auseinandersetzung mit den Fremdkulturen lässt bei den meisten Befragten im Laufe der Jahre nach.
- Lernphasen: Es wird darauf hingewiesen, dass Lernphasen schwer auszumachen sind, da einzelne Lernschritte nicht immer bewusst ablaufen und das Leben in der Regel nicht in streng abgrenzbare Phasen eingeteilt werden kann. Die meisten Befragten erwähnen eine Art Eingewöhnungsphase, die dem langsamen Herantasten an die "neue Welt" dient. Es wird auf die Bedeutung des Faktors "Zeit" für den interkulturellen Austausch hingewiesen. Je länger der Aufenthalt in der Aufnahmegesellschaft, desto realistischer wird das Bild der Fremdkulturen und desto größer die Möglichkeit, sich mit den Menschen der Aufnahmegesellschaft zu identifizieren.
- Teil 3
- Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Untersuchungskriterien:
- Korrelation zwischen Ausbildungsstand, theoretischer Auseinandersetzung mit der Aufnahmegesellschaft und Lernprozess: Es lässt sich keine eindeutige Korrelation zwischen dem Ausbildungsstand der Befragten und der Intensität der theoretischen Auseinandersetzung mit der Aufnahmegesellschaft feststellen. Auch ein direkter Zusammenhang zwischen der theoretischen Auseinandersetzung und dem Verlauf des Lernprozesses ist nicht ohne weiteres feststellbar. Es wird darauf hingewiesen, dass neben der theoretischen Auseinandersetzung auch andere Faktoren, wie die Empathiefähigkeit, für den Verlauf des Lernprozesses ausschlaggebend sind.
- Einteilung der Befragten in drei verschiedene Gruppen und Bewertung der Lernprozesse: Die Befragten werden in drei Gruppen eingeteilt: diejenigen, die eine starke Nähe zu den Aufnahmekulturen zeigen, diejenigen, die wenig Nähe zeigen, und Mischtypen. Es werden die Eigenschaften der einzelnen Gruppen und die Ergebnisse des Lernprozesses beschrieben. Die Befragten, die eine starke Nähe zu den Aufnahmekulturen zeigen, zeichnen sich durch eine umfassende Integration fremdkultureller Elemente in ihr Leben, ein hohes Maß an Empathiefähigkeit und eine starke Akzeptanz des "Anderen" aus. Die Befragten, die wenig Nähe zeigen, halten stärker an ihren eigenen Werten fest und sehen viele Unterschiede zwischen ihrer Herkunftskultur und der Aufnahmegesellschaft. Es wird auf die Problematik der "Toleranz als Unverbindlichkeit und Wertneutralität" hingewiesen, die das Verschwinden des "Anderen" und damit auch die Möglichkeit eines interkulturellen Austauschs implizieren kann.
- Zusammenfassung der Ergebnisse: Die Studie zeigt, dass interkultureller Austausch nicht im luftleeren Raum existiert, sondern von verschiedenen Faktoren, wie den Machtverhältnissen, dem Ort des Austauschs, den Mengenverhältnissen, dem Alter der beteiligten Personen, der Intention und der Dauer des Kontakts abhängt. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass der Grad der Identifikation mit den Menschen der Aufnahmekulturen, die Fähigkeit zur Relativierung von Werten und die Frage, ob und wie eigene Werte an die Aufnahmegesellschaft herangetragen werden, wichtige Kriterien für einen erfolgreichen interkulturellen Austausch sind. Die Unterschiede zwischen den Befragten werden in unterschiedlichen Persönlichkeitstypen begründet, die schon vor der Einwanderung gegeben sind und den Lernprozess tiefgreifend beeinflussen. Es wird auf die Bedeutung der europäischen Moderne und ihrer Werte für die interkulturelle Begegnung hingewiesen. Die Studie stellt fest, dass die Befragten der ersten Gruppe einen erstaunlichen Abstand zu einer eurozentristischen Haltung gewonnen haben und den "Anderen" als gleichwertigen Partner akzeptieren. Es wird die Problematik der "Toleranz als Unverbindlichkeit und Wertneutralität" diskutiert und die Notwendigkeit betont, universelle Grundsätze zu erarbeiten, die das Zusammenleben der Kulturen, Völker und Staaten dieser Erde regeln können. Die Studie endet mit der Frage, wie eine Wertfindung in einem interkulturellen Aushandlungsprozess gelingen kann.
- Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Untersuchungskriterien:
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den interkulturellen Austausch, Migrationsbiographie, kulturelle Identität, Werturteile, Stereotype, Integration, Akzeptanz, Lernphasen, westeuropäische Einwanderer, Mexiko, Puebla, Fremdkulturen, Eurozentrismus, Kulturrelativismus, Moderne.
- Arbeit zitieren
- Magister Artium Dorit Heike Gruhn (Autor:in), 2002, Westeuropäische Einwanderer in einem Schwellenland: Interkultureller Austausch als Lernprozess? Eine Fallstudie in Puebla, Mexiko, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14000
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