Das Proslogion ist 1077/78 das Ergebnis der Suche Anselms nach einem Begriff für das besondere Dasein Gottes. Es ist der Nachfolger des Monologion und baut in seiner Beweisführung auf die Erkenntnisse dieses ersten Werkes Anselms von Canterbury auf, worauf er auch selbst in der Vorrede des Proslogion hinweist.
Es demonstriert das wissenschaftliche Programm der Theologie: fides quaerens intellectum, der Glaube sucht den notwendigen Beweisgrund. Das gesamte Werk beschäftigt sich mit der Suche nach dem einen Argument, durch das die Existenz Gottes bewiesen werden soll...
Anselms Gottesbeweis muss in Verbindung mit dem augustinisch-neuplatonischen Denken begriffen werden. Der Glaube ist nicht ohne das Verstehen, das Verstehen ist nicht ohne die Vernunft. Er wollte mit seinem Beweis weder sich selbst, noch seine Gegner von der Existenz Gottes überzeugen, „[...] sondern er wollte lediglich die ihm auf Grund des Glaubens unerschütterlich feststehende Gewißheit, daß Gott existiert, auch auf dem Weg des philosophischen Arguments erreichen, um deutlich zu machen, daß zwischen Glauben und Erkennen kein Gegensatz besteht“. Dieses Vorhaben bedarf allerdings der Unabhängigkeit des philosophischen Beweises vom Gottesglauben. Anselm von Canterbury setzt in seiner Beweisführung jedoch solch einen Glauben voraus, um die Argumentation und somit auch Gott verstehen zu können...
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung: Anselms Denken und die Problematik des ontologischen Gottesbeweises
2 Das Leben des Anselm von Canterbury – ein kurzer biografischer Einblick
3 Der Gottesbeweis im Proslogion II - IV
3.1 Allgemeines zum Werk und dessen Bedeutung
3.2 Der Kerngedanke des ontologischen Gottesbeweises
4 Die Kritik an Anselms Argumentationsführung im Proslogion zur Existenz Gottes
4.1 Zeitgenössische Kritik
4.2 Die Kritik im Laufe der Geschichte
4.3 Die heutige Bedeutung des ontologischen Gottesbeweises
5 Schluss: Fazit zum ontologischen Gottesbeweis
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung: Anselms Denken und die Problematik des ontologischen Gottesbeweises
Bei Anselms Theologie handelt es sich um eine umstrittene und vielschichtige, die nicht die Absicht hatte, eine umfassende oder gar systematisch gegliederte Fassung einer theologischen Gesamtsicht darzustellen. Die Deutungen der Texte Anselms von Canterbury haben bis heute keinen Konsens gefunden. Einerseits wird er als vorbildlicher Theologe gewürdigt und andererseits wird er für so manchen Irrweg in der Theologie- und Kirchengeschichte verantwortlich gemacht und stark kritisiert.
Anselm stand in der Tradition der Theologie Augustins. Er war kein Systemdenker und war noch nicht in die Denkschulen der Scholastik eingebunden. Er stand noch vor der Scholastik und hat diese mit seinem Denken vorbereitet. Betrachtet man die Methodik der Theologie nach Augustin, so ist ersichtlich, dass die kirchliche Lehre immer mehr erstarrte. Die Fragen nach der Vermittlung der Theologie standen im Vordergrund, und die Kirche als Institution im Mittelpunkt. Nach Augustin wurden die theologischen Inhalte nur wenig weiterentwickelt. Es wurde Wert auf die Bewahrung gewonnener Erkenntnisse und Inhalte gelegt. „Christliche Lehre bleibt also überlieferte Autorität, Theologie besteht in der Interpretation von Autorität.“[1] Die Gefahr bei dieser Methodik liegt darin, den Verstand des Menschen zu unterschätzen. Deshalb betont Anselm die ratio, welche den Menschen befähigt göttliche Wahrheiten zu erkennen und den Tod Jesu am Kreuz als notwendig zu begründen, worauf er in seinen Schriften näher eingeht.
Gottes Existenz kann jedoch nicht mit den Mitteln menschlicher Vernunft bewiesen werden, wie auch Paulus schon sagte. Man muss jedoch bedenken, dass ratio bei Anselm nicht mit dem heutigen Verständnis von Vernunft gleichzusetzen ist. Ratio steht im Verhältnis zum Glauben und setzt diesen auch voraus. Anselm meint nicht die selbstständige Vernunft, sondern eine didaktische Dimension, die das Verstehen meint.
Gott nähert sich dem Menschen und gibt sich zu erkennen. Der Glaube darf Einsichten haben und auch machen. Der Mensch darf fragen und verstehen.
Er traut dem menschlichen Verstehen einen Einblick in die Rationalität Gottes zu und versucht, den Traditionsstoff der Theologie als Antworten auf Fragen, die neue Fragen freisetzen, darzustellen. Durch dieses Vertrauen auf die menschliche Vernunft, versucht Anselm die Existenz Gottes zu beweisen. Dieser Gottesbeweis, der im nachhinein von Immanuel Kant als ontologisch bezeichnet wurde, erfolgt in dem Werk Proslogion und wird im Monologion, Anselms erster Schrift, schon vorbereitet, worauf Anselm auch in der Vorrede des Proslogion hinweist.
Als Ontologie bezeichnet man die Lehre vom Sein bzw. das philosophische Nachdenken über das Seiende, sofern es tatsächlich ist.[2] Bezeichnet man also den Gottesbeweis Anselms als ontologisch, so nimmt man dessen wahrhaftes Sein an. Durch diese Annahme, im Proslogion ließe sich ein ontologischer Gottesbeweis finden, zog und zieht das Werk bis heute noch viel Aufmerksamkeit auf sich. Bedeutende Philosophen und Theologen, wie beispielsweise Thomas von Aquin, Karl Barth, Immanuel Kant oder auch Descartes, analysierten, kritisierten und nutzten die Erkenntnisse Anselms für eigene Darstellungen und Interpretationen. Jedoch führte genau diese vielfältige Betrachtung des Werkes zu der Frage, ob Anselm überhaupt versuchte Gottes Existenz zu beweisen, oder ob er lediglich den Versuch tätigte zu demonstrieren, wie Gott gedacht werden muss, um ihn wirklich richtig denken zu können.
2 Das Leben des Anselm von Canterbury – ein kurzer biografischer Einblick
Anselm von Canterbury war bereits zu Lebzeiten eine Legende. Sein Ruhm stand dem eines weltlichen Fürsten in nichts nach.[3]
Er ist 1033 in Aoste, im heutigen Italien, geboren. Dort verbrachte er 23 Jahre seines Lebens. Der Tod seiner Mutter und die vielen Streitigkeiten mit seinem Vater, bewegten ihn jedoch 1056 dazu seine Heimat zu verlassen, um, im Glauben an Gott und damit im gnadenlosen Stand der ewigen Verdammnis, einer Todsünde, den Bildungsweg nach Frankreich einzuschlagen. Anselms Ziel war es sich umherziehend Wissen anzueignen.
Auf seiner Suche nach den besten Lehrern gelangte er in die Normandie ins Kloster Bec, wo der gelehrte und anerkannte Lanfrank Prior war. Lanfranks Ansehen ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass er in Bec eine offene Klosterschule eröffnete, in welcher auch Anselm 1059 zu lernen begann. Denn diese offene Klosterschule ermöglichte das Studium auch ohne Ordenszugehörigkeit.
Nach kurzer Zeit kam für ihn allerdings die Frage auf, ob er sich nach Cluny wenden, oder in Bec verweilen sollte. In Cluny war eine Spiritualität betonende Klosterreform vollzogen wurden, weshalb Anselm befürchtete dort zu wenig Theologie betreiben zu können. In Bec hingegen sah er nur wenige Möglichkeiten zur Selbstentfaltung, aufgrund der überragenden Größe Lanfranks und seines Desinteresses am Verfassen eigener Schulbücher oder Kommentaren zu den Kirchenvätern.
Er blieb schließlich in Bec und wurde 1060 Mönch. Drei Jahre später übernahm er dort schon das Amt des Priors als Nachfolger Lanfranks, welcher als Abt in das Kloster in Caen berufen wurde. Dieses Amt als Prior und somit als Leiter der Klosterschule hatte er 16 Jahre inne.[4] Die Schule und das Konvent in Bec wurden unter Anselms Leitung Orte hoher Gelehrsamkeit und Spiritualität. Er hatte die Verantwortung für die theologische Bildung der Klosterschüler. In diesem Zusammenhang war ihm sowohl die Verstandes- als auch die Herzensbildung wichtig. Anselm befasste sich mit den Fragen der sittlich-religiösen Erziehung und erkannte die Bedeutung der affektiven Aufmerksamkeit und Geduld für die Erziehung der Jugendlichen. Anselm wies stets ausdrücklich auf die Gefahren einer Erziehung, die durch Zucht und Strafe bestimmt ist, hin. Das dialogische Lernen stand bei ihm im Mittelpunkt. Die Erziehungsmethoden des Anselm von Canterbury ähnelten der modernen Pädagogik, entsprachen jedoch nicht dem Geist des Mittelalters, in dem eine überlieferte Form des Seins im Mittelpunkt der Erziehung stand, in welche die Schüler hineinwachsen mussten, ohne das jegliche Art von Widerstand geduldet wurde. Anselm sah die Züchtigung jedoch nicht nur als äußeres Mittel, weshalb sich diese auch auf die Seele der Schüler auswirke. In den Disziplinen des Triviums sah er die Basis des Bildungsganges, wodurch er zum Wegbereiter der Scholastik wurde. Textarbeit und begriffliche Anstrengungen, Grammatik und Dialektik, holten nicht nur die philosophische und theologische Tradition ein, sondern verarbeiteten sie, zum neuen zeitgemäßen Wissen.[5] Anselm gibt also einen neuen Anschub im Blick auf die Art und Weise, Theologie zu betreiben.
In seiner Zeit als Prior entstanden seine ersten beiden großen Werke, das Monologion und das Proslogion, mit welchem sich diese Hausarbeit näher beschäftigen wird.
Nach dem Tod des Abtes Herluin wurde Anselm gegen sein Interesse zu dessen Nachfolger ernannt und empfing am 22.Februar 1079 die Abtweihe.
In den folgenden Jahren verfasste er die sogenannten Freiheitsschriften De grammatico, De veritate, De libertate arbitrii und De casu diabolie.
Sowohl in der Zeit als Prior, als auch als Abt war Anselms wirtschaftliche Tüchtigkeit nicht optimal. Trotz der Besitztümer des Klosters in England gab es ökonomische Engpässe, weswegen Anselm oft nach England reisen musste, wo Lanfrank seit 1070 Erzbischof von Canterbury war. Nach dem Tod Lanfranks 1089 übernahm Anselm, nach langem Zögern und durch die Ermutigung des Erzbischof Mauritius von Rouen, 1093 dieses Amt als Erzbischof von Canterbury.
Als Primas der Kirche kämpfte er im englischen Investiturstreit um die Freiheit und Unabhängigkeit von der Krone. Die weltliche und geistliche Macht rangen um die Vorherrschaft. Anselm, der seine Loyalität gegenüber dem Papst bewies, bekam dadurch Schwierigkeiten mit dem englischen König William II., wodurch er letztendlich 1097 bis 1100 ins Exil nach Rom ging. Dort vollendete er seine wichtigste Schrift Cur Deus Homo und verteidigte 1098 auf der Synode von Bari das filioque.
Als Heinrich I. 1100 die Regentschaft in England, nach dem Tod seines Bruders William II., übernahm, kehrte Anselm für kurze Zeit zurück nach England, wo er jedoch nach drei Jahren erneute Differenzen mit dem König hatte, die ihn von 1103 bis 1106 zurück ins Exil trieben. Nachdem ein Ausgleich mit dem König angestrebt und auch bekräftigt wurde, kam er 1107 wieder zurück nach England. Dieser Kompromiss beinhaltete den Verzicht des Königs auf die Investitur und das Leisten des Lehenseides Anselms. Der König versprach somit die Rückerstattung der eingezogenen Güter der Kathedralkirche und Anselm sollte die Gemeinschaft mit den investierten Bischöfen aufnehmen. Am 21.April 1109 starb Anselm.
Er wurde 1494 heilig gesprochen und 1720 von Clemens XI. zum Kirchenlehrer ernannt.
[...]
[1] Ekkehard Mühlenberg: Dogma und Lehre im Abendland. In: Carl Andresen (Hrsg.): Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte. Band 1. Die Lehrentwicklung im Rahmen der Katholizität. Göttingen 1982, S.406-566, hier: S.555.
[2] vgl.: Dr. Renate Wahrig-Burfeind (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. 7.Aufl., Gütersloh/ München 2002, S.942.
[3] vgl.: Bernd Lutz: Anselm von Canterbury. In: Bernd Lutz (Hrsg.): Metzler Philosophen Lexikon. Von den Sokratikern bis zu den Neuen Philosophen. 3.Aufl., Stuttgart 2003, hier: S.21.
[4] vgl.: Georg Plasger: Gottes Eigenart verstehen – Anselm von Canterbury oder der Auftakt zur Scholastik. In: Ralf K. Wüstenberg (Hrsg.): „Nimm und lies!“ Theologische Quereinstiege für Neugierige. München 2008, S.76.
[5] vgl.: Ludwig Höde: Anselm von Canterbury. In: Gerhard Müller (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie. Band 2, Berlin/ New York 1978, S.759-778, hier: S.760.
- Arbeit zitieren
- Lisa Hornung (Autor:in), 2009, Der ontologische Gottesbeweis im 'Proslogion' des Anselm von Canterbury und die Kritik an diesem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139848
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