Die Rolle der Frau wird hier aus Sicht des Islams durchleuchtet und bietet der Religion somit selbst die Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Hierbei werden einige Vorurteile und Missverständnisse beiseite geräumt.
Romal Ahmadzei
Frauenrolle und –rechte im Islam
Über dieses überaus sehr umfangreiche Thema haben sich bereits viele Menschen geäußert. Darunter Politiker, Frauenrechtler sowie andere Intellektuelle. Mein Ziel ist es jedoch im weiteren Verlauf des Aufsatzes, die Rolle der Frau aus islamischer Sicht darzulegen. Hierzu wird die Grundlage der Religion, die heilige Schrift, herangezogen. Wie in allen anderen Religionen gibt es sie auch im Islam, zu der jeder Zugang hat. Welchen Stellenwert hat aber der Quran im Islam? Diese Frage beantwortet der Quran selbst wie folgt:
„Dieses Buch, an dem es keinen Zweifel gibt, ist eine Rechtleitung für die Gottesfürchtigen.“ (Sure 2, Vers 2)
Der Vers besagt zweierlei Dinge. Zum einen, dass jeder Vers zweifellos vom Allmächtigen Gott stammt. Daran glaubt der Muslim. Zum anderen, dass das Handeln nach den Versen des Qurans rechtens ist. Widerspricht die Handlung eines Muslims dem Quran, ist es keine Rechtleitung mehr, sondern eine sündhafte Tat:
„Diejenigen, denen Wir die Schrift gegeben haben, lesen sie, wie es ihr zusteht; sie glauben daran. Wer sie jedoch verleugnet, das sind die Verlierer.“ (Sure 2, Vers 121)
Mit anderen Worten, ist das Handeln eines Muslims mit dem Quran begründbar bzw. konform, so fällt es unter das Dach des Islam. Ist es nicht der Fall, kann von keiner islamischen Handlung ausgegangen werden.
Somit ist auch die Begründung dafür gegeben, warum ich mich auf den Quran im weiteren Verlauf stütze.
Denn dadurch, dass die heilige Schrift der Muslime als Grundlage für die weiteren Ausführungen genommen wird, wird erreicht, dass dieses Thema nicht aus Sicht eines Muslims, der nicht immer den Islam repräsentieren muss, sondern wirklich aus Sicht des Islams, behandelt wird.
Dieser Aufsatz, dessen Kernfrage sich damit befasst, ob die islamische Frau gleichberechtigt ist oder unterdrückt wird, kann meines Erachtens sehr schnell abgekürzt werden, indem man den Islamkritikern die Möglichkeit gibt, einen Vers oder auch mehrere aus dem Quran hervorzubringen, der den Stellenwert der Frau unter den des Mannes setzt.
Doch stattdessen wird auf Menschen, die sich selbst als Muslime bezeichnen und muslimische Namen tragen, gezeigt und an denen der Islam statuiert. Die zweitgrößte Religion nach dem Christentum wird von diesen Personen kritisiert, die sich selbst nicht als Islamkritiker, sondern Islamkenner bezeichnen.
Frau Necla Kelek, Buchautorin und Sozialwissenschaftlerin, hat sich intensiv mit der Zwangsheirat in Deutschland beschäftigt und sich als Ziel gesetzt, diese Unart zu bekämpfen.
In der Frankfurter Allgemeinen vom 29. Juli 2008 äußerte sie sich wie folgt: „Mittlerweile ist unstrittig, dass hierzulande jährlich Tausende von muslimischen Frauen und Männern durch ihre Familien in Ehen gezwungen werden. Die Frauenhäuser und Beratungsstellen sind voll, weil junge Menschen fürchten, in den Ferien in der Heimat ihrer Eltern verheiratet zu werden.“
In dieser Passage spricht sie lediglich von muslimischen Eltern, die wahrlich Unrecht tun. Doch im weiteren Verlauf ihres Artikels setzt sie die Zwangsehe in Verbindung mit dem Islam, indem sie sagt: „Der zentrale, im Koran auf die Verheiratung bezogene Vers „Verheiratet die Ledigen“, Sure 24, Vers 32, fehlt in dieser Argumentation. Da steht nämlich nicht „Ihr Ledigen, heiratet“ – was bedeuten würde, dass die Menschen ein selbständiges Recht auf Eheschließung haben würden –, sondern mit dem Verdikt „Verheiratet die Ledigen“ wird die Verheiratung zur Sache der Familie, der Gemeinde.“
Ich muss ehrlich zugeben, dass dies eine interessante Argumentationsweise ist und jeder, der sich mit dem islamischen Glauben nicht auskennt und den Artikel liest, wird sagen, dass der Islam die Ursache für Zwangsheirat sei.
Schauen wir uns aber ihre Argumentationsweise genauer an.
Zunächst einmal sei gesagt, dass, wenn man einen Vers aus dem Quran zitiert und dafür noch den Nachweis liefert, es eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, den ganzen Vers darzulegen und nicht einen Bruchstück:
„Und verheiratet die noch Ledigen unter euch und die Rechtschaffenen von euren Sklaven und euren Sklavinnen. Wenn sie arm sind, wird Allah sie durch Seine Huld reich machen. Allah ist Allumfassend und Allwissend.“ (Sure 24, Vers 32)
Hier nachträglich der ganze Vers. Frau Kelek hat Recht, die Ledigen werden nicht direkt angesprochen. Wer aber wird angesprochen?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns mit dem Gebrauch der Ehe im Islam auskennen. Eines vorweg, aus diesem nicht eindeutigen Vers zu schließen, dass damit die Zwangsheirat im Islam legitimiert sei, ist wahrlich zu weit gefasst. Dazu komme ich jedoch später.
Im Islam ist es so, dass der Mann oder die Frau, die aneinander Gefallen gefunden haben, die Heirat vorschlägt. Dies läuft folgendermaßen ab: In der Regel stattet der Mann ein Besuch bei den Eltern des Mädchens/der Frau ab und tut sein Interesse kund. Dies ist keineswegs, um die Eltern von sich zu überzeugen, sondern ein Akt des Respekts. Denn was die Ehe in die Wege leitet, ist einzig und allein das Einverständnis des Mannes und der Frau. Ohne die Zustimmung beiderseits läuft gar nichts. Damit deute ich schon an, dass die Ehe im Islam nicht nur eine Zustimmungssache ist, sondern im zweiten Schritt, der den ersten voraussetzt, vertraglich festgehalten wird. Den weiteren Verlauf für die Frau übernimmt ein Wali, der so genannte “Vertreter der Frau“. Diesen Wali sucht sich die Frau nach eigenem Willen selber aus, sei es ihr Bruder oder sonst einer, dem sie vertraut.
Die Walis werden im heiligen Quran wie folgt angesprochen:
„Und verheiratet die noch Ledigen unter euch…“ (Sure 24, Vers 32)
Ich glaube hiermit ist die Frage, wer in diesem Verse zur Handlung aufgefordert wird, beantwortet. Es ist der Wali, der der zukünftigen Braut die lästige Papierarbeit abnimmt, sodass sie sich voll und ganz auf ihre bevorstehende Hochzeit konzentrieren kann.
Es ist übrigens nicht meine eigene Meinung, sondern die aller muslimischer Gelehrten und ich denke auch Frau Kelek hätte die Erklärung für diesen Vers erhalten, hätte sie sich ein bisschen detaillierter mit diesem Thema beschäftigt oder den Dialog mit muslimischen Gelehrten gesucht.
Nun wäre vielleicht bewiesen, dass dieser Vers nicht auf Zwangsheirat hinausläuft, aber es ist immer noch unklar, ob der Islam eine zwanghaft in Wege geleitete Ehe explizit verneint.
Frau Kelek sprach übrigens in ihrem Artikel von „Der zentrale, im Koran auf die Verheiratung bezogene Vers[…].“
Ich frage mich, welche Bedingungen sie herangezogen hat, um von den 19 Versen im Quran, die sie mit der Heirat befassen, zu sagen, dass dies der zentrale Vers sei. Es ist gewiss ein wichtiger Vers für den Ablauf der Heirat, aber keineswegs der zentrale und schon gar nicht eine Legitimation für die Zwangsehe.
Es kann aber von einem zentralen Vers im Quran für die Nicht- Legitimation einer Zwangsheirat gesprochen werden:
„O die ihr glaubt, es ist euch nicht erlaubt, Frauen wider (ihren) Willen zu erben. Und haltet sie nicht (von der Heirat mit einem anderen) ab, um (ihnen) einen Teil von dem, was ihr ihnen gegeben habt, zu nehmen, außer sie begehen etwas klar Abscheuliches. Und geht in rechtlicher Weise mit ihnen um. Wenn sie euch zuwider sind, so ist euch vielleicht etwas zuwider, während Allah viel Gutes in es hineinlegt.“ (Sure 4, Vers 19)
Ich glaube die Antwort auf die Frage, welcher Vers expliziter zur Zwangsheirat Stellung nimmt, liegt auf der Hand.
Doch auch hier braucht man Hintergrundwissen, um diesen Vers ohne Missverständnisse zu verstehen.
Was ist nämlich mit „ O die ihr glaubt, es ist euch nicht erlaubt, Frauen wider (ihren) Willen zu ERBEN. […]“ gemeint?
In der vorislamischen Zeit war es der Brauch, dass, wenn einer starb, sein nächster Verwandter kam und seinen Mantel bzw. Gewandt über die Witwe warf und sie als sein Eigentum bzw. Beute betrachtete. Falls sie hübsch war, heiratete er sie, und wenn er sie weniger attraktiv fand, so hielt er sie fest bis zu ihrem Tod, um sie zu beerben, oder sie musste sich mit Geld loskaufen. Nach islamischem Recht steht es der Frau zu, nach dem Tod ihres Mannes frei zu wohnen, wo sie möchte und zu heiraten, wen sie will.
Trotzdem reicht es einigen eventuell nicht, weil der Vers nicht „ O die ihr glaubt, es ist euch nicht erlaubt, Frauen wider (ihren) Willen zu VERHEIRATEN.“ lautet.
- Citation du texte
- Romal Ahmadzei (Auteur), 2009, Frauenrechte im Islam, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139726
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