Die Staaten Ostmitteleuropas spielten am Vorabend des Zweiten Weltkriegs eine entscheidende Rolle in den außenpolitischen Entwicklungen zwischen Großbritannien, dem Deutschen Reich und der Sowjetunion. Während Politiker wie Neville Chamberlain einen europäischen Krieg um jeden Preis vermeiden wollten, weil er die Existenz des "Empire" gefährdet hätte, schätzten sie die Absichten Hitlers während der sogenannten "Sudetenkrise", aber auch im weiteren Verlauf falsch ein: Aus strategischen Gründen, aus allgemeinem Befremden gegenüber der UdSSR und aus nationalem Interesse entschloss sich Großbritannien zu einem Bündnis mit Polen. Aus Furcht vor einer polnischen Neutralität verkündete man schließlich 1939 sogar eine Garantie für diesen Staat.
Zugleich wurde das Memelland ohne Widerstand dem Deutschen Reich überlassen und die "Appeasement-Politik" insofern auch nach 1938 fortgeführt. Die Gefahr einer deutsch-sowjetischen Annäherung nahm offenbar niemand ernst. Daher glaubten britische Politiker, weiter aus einer Position der Stärke heraus mit der Sowjetunion verhandeln zu können. Im Zentrum dieser Verhandlungen standen wiederum die Baltischen Staaten.
Die vorliegende Arbeit untersucht die britische Position vor allem mit Hilfe der "Documents on British Foreign Policy" und versucht, die Frage zu beantworten, ob Großbritannien mit Blick auf Ostmitteleuropa anders hätten handeln können.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die Sudetenkrise 1938
1.1. Hintergründe britischer Appeasement -Politik
1.2. Britische Politik in der Sudetenkrise Mai bis September 1938
2. Die Garantie für Polen und die Abtretung des Memellandes
2.1. Die britische Garantie für Polen
2.2. Großbritannien und das Memelland
3. Die gescheiterten Verhandlungen mit der Sowjetunion 1939
3.1. Lettland und Estland zwischen UdSSR und Deutschem Reich
3.2. Die Verhandlungen Mai bis August 1939
Zusammenfassung und Bewertung
Quellen- und Literaturverzeichnis
Einleitung
“You can imagine what a bitter blow it is to me that all my long struggle to win peace has failed. Yet I cannot belief that there is anything more, or anything different, that I could have done, and that would have been more successful […].”[1]
Der hier zitierte Neville Chamberlain starb am 9. November 1940 – zu früh, um den Zweiten Weltkrieg vollständig zu erleben und seine Appeasement -Politik in der Rückschau zu beurteilen. Diese Arbeit stellt das Vorgehen der britischen Politik bezüglich Ostmitteleuropa[2] dar und versucht, eine Antwort auf die Frage zu skizzieren, ob Chamberlain richtig urteilte – hätte Großbritannien am Vorabend des Kriegs anders handeln können, ja müssen? Gab es Alternativen? Und auf welchem Wissen konnte London seine Entscheidungen treffen?
Britische Appeasement -Politik geht nach Meinung zahlreicher Autoren zurück bis ins späte 19. Jahrhundert, ist aber untrennbar mit der Regierung unter Chamberlain verbunden, der 1937 Premierminister wurde und als Schatzkanzler bereits seit 1931 über erheblichen Einfluss verfügte.[3] Eine Darstellung britischer Politik in den Jahren 1938 und 1939 muss sich daher auf diese Regierung (und in Teilen auf Kritiker wie Winston Churchill) konzentrieren[4]. Auch demokratische Entscheidungsfindungsprozesse sind für diese Arbeit nicht von primärer Bedeutung, weil sie die tatsächliche britische Außenpolitik bezüglich Ostmitteleuropa darstellen will, wie sie von der Regierung vertreten wurde. Einbezogen werden muss dagegen die Frage, welcher Teil dieser Regierung den Kurs bestimmte.
Für Chamberlain hieß Appeasement, andere Mächte sukzessive in eine Reihe von Verträgen einzubinden, naturgemäß unter der Voraussetzung, dass diese Verträge auch eingehalten würden.[5] Dazu zählen das Coal Agreement 1933 und das Naval Agreement 1935 mit dem Deutschen Reich. Weiter gefasst, kann der Begriff Appeasement verstanden werden als „a policy of recognising and settling international disputes by means of rational negotiation, diplomatic bargaining and balanced compromise, avoiding recourse to armed conflict.“[6] Wodurch diese Politik bestimmt wurde und welches die determinierenden Faktoren waren, wird in Kapitel 1 dargestellt, um einen Verständnis- und Bewertungsrahmen für die britische Politik während der Sudetenkrise 1938 zu schaffen. In Kapitel 2 behandelt diese Arbeit die Entwicklungen, die zur britischen Garantie für Polen führten und wird u. a. mit Blick auf das litauische Memelland argumentieren, dass Appeasement 1939 ein Faktor der Außenpolitik blieb. Kapitel 3 hat die Verhandlungen mit der Sowjetunion ab Mai 1939 zum Inhalt. Diskussionen um Danzig werden wie die Ereignisse nach dem 24. August erwähnt, aber – teils analog zum Titel der Untersuchung – nicht ausführlich behandelt. Dies rechtfertigt sich dadurch, dass die wesentlichen Entscheidungen zu diesem Zeitpunkt bereits getroffen und die Verhandlungen zum Hitler-Stalin-Pakt[7] abgeschlossen waren.[8]
Dabei nutzt die vorliegende Arbeit in erster Linie die veröffentlichten Documents on British Foreign Policy, da diese Telegramme Zeugnisse der Kommunikation zwischen Foreign Office und seinen Botschaftern sind und aus diesem Grund sowohl Motive als auch Überlegungen sowie tatsächliches Vorgehen in offizieller Sichtweise untersuchbar machen. Handelnde britische Personen sind vor allem Chamberlain, der Außenminister Halifax, die Botschafter Phipps (Frankreich), Henderson und Ogilvie-Forbes (Deutsches Reich)[9], Newton (Tschechoslowakei), Seeds (Sowjetunion), Kennard (Polen), Hoare (Rumänien), Preston (Litauen) und Orde (Lettland)[10] sowie die Politiker oder Militärs Makins, Vansittart, Sargent, Runciman. Nicht veröffentlichte Primärquellen werden aus der Sekundärliteratur zitiert.
Die Aspekte der Zeit sind umfassend untersucht, in Bezug auf Ostmitteleuropa aber noch nicht zusammenhängend dargestellt worden. Hervorzuheben sind Watt (exzellenter, gut lesbarer und detaillierter Überblick), Adams, Ebersold und der Sammelband von Mommsen und Kettenacker (mit unterschiedlichsten Beiträgen zum Appeasement). Um die Baltischen Staaten machten sich John Hiden und in den 90er-Jahren, nach dem Ende der UdSSR, Autoren aus diesen Ländern verdient, wie zu Polen gibt es aber auch zahlreiche englische Veröffentlichungen. Zum Verhältnis Großbritannien-UdSSR siehe v. a. Gottfried Niedhart. Einblick in die Persönlichkeiten Chamberlains und Hitlers geben Keith Feiling und Gerhard L. Weinberg. Auch 70 Jahre später gibt es allerdings lebhafte Forschungskontroversen – so etwa zu den Fragen, ob die Garantie für Polen gleichbedeutend mit einem Ende des Appeasement gewesen sei, oder wann Stalin den Entschluss zum Pakt mit Hitler fasste.
1. Die Sudetenkrise 1938
1.1. „An exceedingly vulnerable Empire“: Hintergründe britischer Appeasement-Politik
Britische Appeasement -Politik lässt sich nicht vor dem Hintergrund eines einzelnen Politikfeldes erklären. Innen- wie außenpolitische Motive sind mit ökonomischen und strategisch-militärischen Gesichtspunkten zu einer komplizierten Gemengelage verbunden.
Verglichen mit anderen Mächten, hatte Großbritannien in der Transformation von traditioneller (Kohle, Wolle, Stahl) zu moderner Industrie (Chemie, Elektrizität, Auto- statt Schiffsbau) wertvolle Zeit verloren und sah sich, analog zu 1914, der Gefahr eines Wettrüstens just zu einem Zeitpunkt ausgesetzt, als die nationale Wirtschaft mitten in der Umstrukturierung steckte. Die Frage war nicht, ob das Deutsche Reich aufrüsten würde, sondern ob sich diese Aufrüstung in Grenzen vollziehen würde, die Großbritannien nicht zu drastischen Einschränkungen in Bezug auf die heimische Ökonomie zwangen. Diese stand schließlich vor wichtigeren Fragen: Wie konnte man auf die strukturelle Herausforderung reagieren, die soziale Probleme mit sich brachte? Welche Rolle sollte der Staat spielen, wo wollte er eingreifen?[11] „Appeasement can therefore be seen as a form of preventive diplomacy which was to ensure that economic recovery should be absorbed neither primarily nor totally by preoccupation with rearmament, but should benefit the social services.“[12] Ein Wettrüsten mit dem Deutschen Reich musste deswegen um nahezu jeden Preis vermieden werden.[13] Ausgerechnet in den traditionellen Wirtschaftsfeldern war dieser Staat außerdem ein wichtiger Handelspartner und wurde als integraler Bestandteil des westlichen Wirtschaftssystems betrachtet. Umformung und Modernisierung wurden gleichzeitig erst durch Einnahmen des britischen Weltreiches ermöglicht.
Jeder größere internationale Konflikt – dazu gehörte die Sudetenkrise – bedrohte nach Auffassung britischer Politiker daher das sozioökonomische System. Die Konfliktvermeidung musste in einem auf Handel ausgerichteten Weltreich wie Großbritannien an erster Stelle stehen.[14] „For the British, security policy not only involved providing for national and imperial defence but also implied the safeguarding of internal self-determination.”[15] Dies fand seinen sichtbaren Ausdruck in der so genannten „Ten Year Rule” von 1919-1922 bis 1934, mit der Großbritannien seine Waffenproduktion beschränkte. Erst 1936 wurde ein Vierjahresplan zur Wiederbewaffnung mit Fokus auf die defensiven Luft- und Wasserstreitkräfte implementiert, ein Vorhaben, das aber unter keinen Umständen negative Auswirkungen auf ökonomische oder soziale Politikfelder haben sollte.[16] Dementsprechend ging man in London – wohl zu Recht[17] – davon aus, anderen Großmächten militärisch nach wie vor unterlegen zu sein und spielte auf Zeit.[18] Innenpolitisch war Appeasement außerdem der Versuch, den sozialen Frieden nicht zu gefährden sowie einen Ausgleich zwischen Verständigungsbefürwortern und –gegnern zu finden.[19]
Weil Chamberlain – und mit ihm viele andere Politiker – nach wie vor an das Commonwealth glaubten, war Appeasement zwar eine Politik von Entspannung und Verteidigung: „The casus belli was imminent whenever concessions to revisionist states would signify withdrawal from key positions in world politics.“[20] Diesen Fall suchte die Regierung jedoch zu vermeiden. „We all agree – we want peace; not only because we are a satisfied and therefore naturally a peaceful people; but because it is in our imperial interests, having an exceedingly vulnerable Empire, not to go to war.”[21] Verteidigt werden mussten neben der Insel selbst das Mittelmeer, Indien sowie der Mittlere und Ferne Osten. Strategische Ziele waren die Einheit der britischen Inseln, Kontrolle über den Kanal und die Nordsee sowie die Unabhängigkeit der Niederlande; ferner freie Schifffahrt auf den Meeren, Sicherung der Handelsrouten durchs Mittelmeer sowie der Kommunikation zwischen den Mitgliedern des Commonwealth.[22] Das Deutsche Reich, Italien und Japan waren im Anti-Kominterpakt verbunden und als potentielle Aggressoren ausgemacht worden – Staaten, die in kritischen Regionen gefährlich werden und nahezu alle strategisch-ökonomischen Ziele gefährden konnten.[23] Großbritannien musste als Staat mit Weltmachtsanspruch aber Territorien auf jedem Kontinent außer Europa verteidigen[24], Gebiete also, die rund ein Viertel der Weltfläche einnahmen[25]. Den Völkerbund hielt man gleichzeitig für ineffektiv.[26] Verteidigungsminister Thomas Inskip fasste zusammen: „The plain fact which cannot be obscured is that it is beyond the resources of this country to make proper provision in peace for the defence of the British Empire against three major powers in three different theatres of war.“[27]
Wenn Neville Chamberlain ökonomische Motive als Brennstoff des außenpolitischen Motors ansah, dann verwundert nicht, dass darüber hinaus das deutsche Verlangen nach Lebensraum, die Nazi-Diktatur, die Person des Führers auf deutsche Massenarbeitslosigkeit und den Kollaps des deutschen Wirtschaftssystems nach 1914 zurückgeführt wurden. Das britische Tarifsystem von 1931/32 und der amerikanische New Deal, ebenfalls auf interne Belange abzielend, hätten den deutschen Wunsch nach Autarkie verstärkt. Britischer Protektionismus habe das Deutsche Reich, Italien und Japan nachgerade gezwungen, Märkte auf dem Balkan, am Mittelmeer oder in Asien zu suchen, sei aber nicht umkehrbar, denn: „Any opening of the British market to German commodities would revive the passionate debate of 1931/32 on the protective tariff, shaking the flimsy consensus between free-traders and protectionists.“[28] Selbst wenn es möglich gewesen wäre, das Reich in ein multilaterales Wirtschaftssystem einzubinden, blieb die Befürchtung, die Nazi-Diktatur damit zu stärken und ihr die Anschaffung von Waffen mit Hilfe des britischen Pfunds zu ermöglichen.[29]
Obwohl einige Autoren Appeasement auch nach Öffnung der Archive 1967 sehr kritisch beurteilten[30], geht die Forschung heute mehrheitlich davon aus, dass diese Politik eine notwendige Antwort auf die genannten Herausforderungen der Zeit war[31]. „Appeasement […] was the response to a whole series of national and international, political, economic and strategic problems with which Britain found herself confronted between the two World Wars.“[32] Die Politik bestand zugleich immer aus zwei Teilen: Zugeständnis und Abschreckung.[33] Nichtsdestotrotz basierte sie auf ihrem Höhepunkt 1938 auf einer Fehleinschätzung der Ziele deutscher Außenpolitik unter Adolf Hitler.
1.2. „Peace for our time“: Britische Politik in der Sudetenkrise Mai bis September 1938
Der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich am 12. März 1938 hatte für die Tschechoslowakei unmittelbare strategische Folgen: “The absence of fortifications along the former Czechoslovak-Austrian frontier lays the heart of Czechoslovakia open to German attack.”[34] Damit wandte sich Hitler dem so genannten „Fall Grün“[35] und den 3½ Millionen Sudetendeutschen zu, deren Forderung nach nationaler Selbstbestimmung nun in den Fokus der Weltöffentlichkeit rückte. Die Sudetendeutsche Partei (SdP) mit ihrem Vorsitzenden Konrad Henlein ließ sich auf die Machtpolitik Hitlers ein.[36] Henlein solle stets mehr fordern, als die tschechische Regierung annehmen könne, sagte Hitler.[37] Im „Karlsbader Programm“ vom 24. April 1938 erklärte Henlein, er wolle eine sudetendeutsche Selbstverwaltung, ein festgelegtes Siedlungsgebiet, Wiedergutmachung, Bekenntnis zum deutschen Volkstum, kurz: „Herstellung der Gleichberechtigung der deutschen Volksgruppe mit dem tschechischen Volk. “[38] Darauf wollte die Prager Regierung nicht eingehen, weil sie Unruhen in anderen Teilen des Staates fürchtete, die von polnisch- oder ungarischstämmigen Menschen bewohnt wurden. Hitler zielte indes keineswegs nur darauf ab, die Sudetendeutschen „heim ins Reich“ zu holen. Denn in den Sudetengebieten lockten nicht nur reichhaltige Kohlevorkommen, sondern auch eine starke Industrie. Außerdem befanden sich hier nahezu alle Verteidigungsanlagen der Tschechoslowakei. Den Gesamtstaat zu annektieren, war zudem schon geographisch Voraussetzung der deutschen Außenpolitik („Lebensraum“).[39]
Der Konflikt schwelte seit Anfang 1938, besonders seit Hitlers Reichstagsrede vom Februar[40] und dem „Anschluss“ im März. Mit Gerüchten um deutsche Truppenkonzentrationen an der Grenze begann dann am 19. Mai 1938 die so genannte „Wochenend-Krise“. Der britische Geheimdienst ging zwar einen Tag später von Truppenbewegungen aus, die nicht als Vorbereitung für einen Einmarsch, sondern als Drohung angesichts der Kommunalwahlen im Sudetenland am 22. Mai anzusehen waren.[41] Dennoch nahm man die Gefahr einer Eskalation ebenso ernst wie die Drohungen des Reichs:
“In German eyes question of principle is involved, namely that of nationality (Volkstum) […]. In the event of serious incident Sudeten appeal for intervention would be irresistible. There is, I beg you to believe, no bluff in announced intention of Germany to intervene in case of serious bloodshed.”[42]
Aus diesem Grund mussten die Nachrichten über zwei ermordete Sudetendeutsche sowie die tschechoslowakische Teilmobilisierung vom 21. Mai bedrohlich wirken. Der Ton zwischen der deutschen und der britischen Regierung, der in den Monaten vorher freundlich gewesen war, änderte sich merklich. So erklärte Ribbentrop gegenüber Henderson, er weise auf nahezu 100 Zwischenfälle in den vergangenen Tagen hin. „German Government appreciated the good intentions of His Majesty’s Government but our efforts had let to no result whatever. […] Germany would not wait much longer and if provocation continued her 75 million would act as one man.”[43] Dennoch verliefen die Wahlen letztlich reibungslos, die SdP wurde wenig überraschend die stärkste Kraft.
Bemerkenswert ist das Verhalten Großbritanniens gegenüber Sowjetunion, Frankreich, der Tschechoslowakei, Italien und dem Deutschen Reich. Dem sowjetischen Vorschlag im März, eine Konferenz einzuberufen[44], begegnete London mit Ablehnung[45], obwohl die Sowjetunion schon 1935 ein Bündnis mit den Tschechen geschlossen hatte[46]. Die tatsächlichen britischen Beweggründe wurden gegenüber der französischen Regierung offenbart[47]. Abgesehen von ideologischen Differenzen, wie sie Chamberlain wenige Monate später eingestand[48], war man sich im Außenministerium nicht sicher, ob die Sowjetunion tatsächlich eine Macht des Friedens war, oder ob dieser Haltung nicht taktische Motive zu Grunde lagen.[49] Zudem entsprach die sowjetische Konzeption, den status quo zu erhalten, kaum dem britischen Appeasement. In den Augen der britischen Regierung musste sie zur Blockbildung in Europa führen, eine Entwicklung, die Whitehall wegen der so wichtigen offenen und multipolaren Märkte auf keinen Fall mittragen wollte.[50] Die Flügelmächte UdSSR, die man als asiatischen Staat betrachtete[51], und USA, deren isolationistische Politik man für glaubhaft hielt[52], sollten zudem möglichst aus Europa herausgehalten werden: „To fail in appeasement would be to sign the death warrant of Britain as a Great Power.“[53]
Paris hatte mit der Tschechoslowakei ebenfalls ein Bündnis. Im Falle eines deutschen Angriffs auf Frankreich wiederum wären britische Interessen gefährdet gewesen. London gab daher zu verstehen, dass man durch den Völkerbund zu nichts verpflichtet sei. Indes:
“The inexorable pressure of facts, revealing threats to vital interests, might well prove more powerful than formal pronouncements, and in that event it would be well within the bounds of probability that other countries, besides those which were parties of the original dispute, would almost immediately be involved. This is especially true in case of two countries with longs associations of friendship like Great Britain and France, which are devoted to the same ideals of democratic liberty and are determined to uphold them.”[54]
Dies bedeute indes keineswegs, dass Großbritannien Frankreich bei einer Verteidigung der Tschechoslowakei beistehen werde, schränkte Halifax während der Wochenend-Krise ein:
„If […] the French Goverment were to assume that His Majesty’s Government would at once take joint military action with them to preserve Czechoslovakia against Germany, it is only fair to warn them that our statements do not warrant such an assumption. […] France and England, even with such assistance as might be expected from Russia, would not be in a position to prevent Germany over-running Czechoslovakia. The only result would be a European war, the outcome of which […] would be at least doubtful.”[55]
Entscheidend für die britische Haltung war, dass ein Anspruch auf Gebiete der Tschechoslowakei eben keine Gefährdung der „vital interests“ Großbritanniens darstellte. Diese seien “not concerned in the same degree as they are in the case of France and Belgium […]. For these reasons His Majesty’s Government feel themselves unable to give the prior guarantee suggested”, sagte Chamberlain vor dem House of Commons in Bezug auf einen entsprechenden Vorschlag Frankreichs[56]. Unmissverständlich waren auch seine Worte sechs Monate später, nach der Lösung der Sudetenkrise: “However much we may sympathise with a small nation confronted by a big and powerful neighbour, we cannot […] undertake to involve the whole British Empire in war simply on her account. If we have to fight it must be on larger issues like that.”[57] Ebenso entscheidend waren strategische Aspekte:
“You have only to look at the map to see that nothing that France or we could do could possibly save Czechoslovakia from being overrun by the Germans if they wanted to do it […]. Czechoslovakia […] would simply be a pretext for going to war with Germany. That we could not think of unless we had a reasonable prospect of being able to beat her to her knees in a reasonable time […].”[58]
Außerdem wurden die Ansprüche der Sudetendeutschen als legitim erachtet: “[…] the crux of the problem is not between Berlin and Prague so much as between Sudeten Germans and Czechs and the fact that whatever happens seven million Czechs cannot hope permanently to compel 3 ½ million Sudeten to remain subservient to them.”[59] Die ablehnende Haltung der Dominions trug ebenfalls dazu bei, keine Garantie für die Tschechslowakei abzugeben[60], wobei dies Chamberlains Meinung eher gefestigt als beeinflusst haben dürfte[61].
Gerade weil man sich bewusst war, dass die SdP auf Weisung der deutschen Regierung handelte, empfahl man der tschechoslowakischen Regierung also ab März, in Verhandlungen mit Henlein zu treten.[62] Churchill und Vansittart trafen mit dem SdP-Vorsitzenden am 14. Mai in London zusammen.[63] Briten wie Franzosen versuchten, ihren Einfluss geltend zu machen und in Prag auf eine Lösung zu drängen.[64] Überragendes Ziel war ein Ausgleich mit dem Deutschen Reich.[65] Am 20. Mai, als unklar war, wie viel Wahrheit in den Gerüchten steckte, nahm man hauptsächlich die tschechische Regierung in die Verantwortung: „Last hope of peaceful solution depends in my opinion of wisdom of the Czechs in this grave crisis“, schrieb der deutschfreundliche Henderson. Die Mobilisierung der tschechischen Truppen wurde nicht als Akt der Verteidigung, sondern als „unglücklich” bezeichnet.[66] Dies entsprach offenbar auch der Auffassung im Außenministerium. Schon im März hatte Halifax seinen Botschafter angewiesen, im Deutschen Reich nicht über Allgemeinplätze hinauszugehen, denn die Lösung liege derzeit nicht in Berlin, sondern in Prag, wo man sich noch immer weigere, die Realitäten anzuerkennen.[67]
Der deutschen Regierung gegenüber präsentierte sich Großbritannien gleichzeitig als kriegsbereit. „In such circumstances His M ajesty’s Government could not guarantee that they would not be forced by circumstances to become involved also. This point was quite clearly expressed by the Prime Minister in the House of Commons on March 24 […]”[68], einer Rede Chamberlains, die das Memorandum an Frankreich zitierte.
An dieser Politik des Ausgleichs und der Drohung änderte sich nach der Wochenend-Krise und trotz Besuchen von Oppositionellen im Sommer[69] wenig. Hitler dagegen erklärte am 30. Mai: „Es ist mein unabänderlicher Entschluß, die Tschechoslowakei in absehbarer Zeit durch eine militärische Aktion zu zerschlagen.“[70] Die Briten waren sich pätestens nach der Wochenendkrise anderer Beweggründe als der Selbstbestimmung bewusst; so heißt es in einem Protokoll: „The German Government were not moved by racial considerations alone. […] They are using the Sudeten German question as an instrument of policy, to strengthen their political and military position.”[71] Dennoch ging die Regierung nach wie vor von einem grundsätzlichen deutschen Verständigungswunsch aus.[72] Doch die Entsendung eines Vermittlers blieb erfolglos. Dabei hatte sich Chamberlain von dieser „Runciman-Mission“[73] ab Anfang August 1938 viel versprochen: „[…] I hope that it may mean that issues which hitherto have appeared intractable may prove, under the influence of such a mediator, to be less obstinate than we have thought.“[74] Stattdessen wurde bekannt, dass die deutsche Regierung die Aufstellung von sieben oder acht Divisionen für September angeordnet und den Ausbau der westlichen Verteidigungsanlagen forciert hatte.[75] Damit rückte der Reichsparteitag in Nürnberg vom 5. bis 12. September in den Mittelpunkt der Befürchtungen – „a good opportunity for whipping up the nation for what would be described as a last big effort towards the final realisation for German unity.“[76] Die Verhandlungen mit der SdP stockten.[77] Lord Runciman wies in Briefen auf die geringen Erfolgsaussichten hin.[78]
Zwar erfüllte Präsident Beneš mit dem „Vierten Plan“ schließlich nahezu alle Forderungen des Karlsbader Programms. Genau das wollte das Deutsche Reich aber nicht, denn Ziel war ja, einen Vorwand zur Eingliederung ins Reich zu bekommen[79] (andererseits zeigte sich auch der tschechische Präsident wenig kompromissbereit und musste von Runciman immer wieder unter Druck gesetzt werden: „[…] if the British people and Government had to choose between Henlein’s Carlsbad Eight points and war, there is no doubt as to the decision.“[80] ) . Großbritannien befand sich nun in einer unvorhergesehenen Lage: Die Forderungen waren erfüllt, aber ein Frieden nicht in Sicht. Henderson schrieb in den Tagen vor Nürnberg, dass Hitler die Sudetenfrage um jeden Preis nach seinem Interesse lösen wolle.[81] In der Tat wandte sich Hitler auf dem Parteitag mit deutlichen Formulierungen gegen die Tschechoslowakei und Westeuropa.[82]. „[…] only immediate action by Czechoslovak Government can avert recourse to force by Germany“, warnte Henderson in dieser Situation[83] und bestätigte damit Prognosen vom 30. Mai[84]. Während Frankreich eine Dreimächtekonferenz bevorzugte[85], entschloss sich Chamberlain in dieser Situation überraschend zu einem Besuch bei Hitler: „Please indicate earliest time at which you can see me and suggest place of meeting.“[86] Nach diesem Treffen in Berchtesgarden am 15. September zeigte sich Chamberlain gegenüber der Presse erleichtert. „Yesterday I had a long talk with Herr Hitler. It was a frank talk, but it was a friendly one, and I feel satisfied not that each of us fully understands what is in the mind of the other.”[87] Wegen angeblicher terroristischer Akte gegen Sudetendeutsche schraubte Hitler seine Forderungen bei einem zweiten Treffen am 22. September in Bad Godesberg aber in die Höhe, forderte eine Volksabstimmung in den Sudetengebieten[88] und die Besetzung der Landstriche durch deutsche Truppen ab dem 1. Oktober. Auch ermunterte er die Ukraine und Polen, ihrerseits Gebietsansprüche zu stellen.[89] Obwohl er sich nach einem Briefwechsel mit Chamberlain[90] zu Verhandlungen bereit erklärte, machte er noch am 26. September seine Forderungen unmissverständlich klar.[91] Und die Drohung wirkte: Das Münchner Abkommen kam schließlich am 29. September zwischen Großbritannien, Frankreich, Italien und dem Deutschen Reich zu Stande – ohne Beteiligung der Tschechoslowakei und ohne Beteiligung der Sowjetunion. Während die britische Regierung noch wenige Monate vorher von einer Autonomie ausgegangen war, sollten die Sudetendeutschen nun dem Reich angegliedert werden.[92] Die Räumung der Gebiete musste demnach am 1. Oktober beginnen und bis zum 10. Oktober abgeschlossen sein. Ein internationaler Ausschuss sollte über fragliche Gebiete und Abstimmungen entscheiden.[93] Die Gründe für die Bereitschaft Hitlers, auf diese Verhandlungslösung einzugehen, sind weniger darin zu suchen, dass es ihm lediglich und eine Revision des Versailler Vertrags ging, sondern darum, einen großen Krieg zu diesem Zeitpunkt zu vermeiden. So heißt es in der „Studie Grün“: „Es kommt dabei entscheidend darauf an, jegliche Handlungen zu vermeiden, die die politische Haltung der europäischen Großmächte ungünstig beeinflussen könnten.“[94] Deutlich wichtiger als die kommunizierte Kriegsbereitschaft der Großmächte dürften aber Einlassungen Mussolinis gewesen sein.[95]
[...]
[1] Neville Chamberlain nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, zitiert nach: Feiling 1970, S. 416f.
[2] Darunter werden hier Polen, die Tschechoslowakei, Estland, Lettland und Litauen verstanden.
[3] Vgl. Parker, R. A. C.: Chamberlain and Appeasement. British Policy and the Coming of the Second World War, Houndmills u. a. 1993, S. 1-12.
[4] Obwohl die Haltung der Labour Party untersuchenswert wäre, reicht der Hinweis darauf, dass Politiker der Partei meistens gegen Appeasement waren und international kaum eine Rolle spielten. Vgl. dazu Wichert, Sabine: The British Left and Appeasement: Political Tactics or Alternative Policies?, in: Mommsen, Wolfgang J. und Kettenacker, Lothar (Hg.): The Fascist Challenge and the Policy of Appeasement, London 1983, S. 125-141.
[5] Vgl. Douglas 1983, S. 79. Douglas weist an dieser Stelle darauf hin, dass diese Einstellung – Verträge, die geschlossen wurden, auch einzuhalten und regelrecht zu ehren – auf den kommerziellen Hintergrund Chamberlains zurückzuführen ist. Interessanterweise liegt natürlich schon in dieser Konzeption eine falsche Erwartung des Premiers gegenüber Hitler, wie beispielsweise der Bruch des Hitler-Stalin-Pakts im Jahr 1941, aber auch der Einmarsch in die „Rest-Tschechei“ im März 1939 zeigen, siehe Kapitel 1.2 und 2.1.
[6] Meyers, Reinhard: British Imperial Interests and the Policy of Appeasement, in: Mommsen, Wolfgang J. und Kettenacker, Lothar (Hg.): The Fascist Challenge and the Policy of Appeasement, London 1983, S. 340.
[7] Im Englischen Molotov-Ribbentrop-Pact.
[8] Mit der Unterzeichnung war “Britain’s attempt to construct a diplomatic deterrent […] destroyed. The Second World War was rendered inevitable”, Watt, David Cameron: The Initiation of the Negotiations Leading to the Nazi-Soviet Pact: A Historical Problem, in: Abramsky, C. (Hg.): Essay in Honour of E. H. Carr, London und Basingstoke 1974, S. 152-170, hier S. 153.
[9] Ogilvie-Forbes vertrat Henderson Anfang 1939.
[10] Alle weiteren Botschafter werden mit Ort angegeben. Zu einer Beurteilung vom Zielen und Meinungen der einzelnen Personen siehe Cowling, Maurice: The Impact of Hitler. British Politics and British Policy 1933-1940, Cambrige 1975, v. a. S. 143-208 und S. 223-312.
[11] Vgl. Schmidt 1983, S. 104.
[12] Ebd., S. 103.
[13] Vgl. Wendt 1983, S. 159-161 sowie S. 164. Vgl. zum Komplex des Economic Appeasement auch ders.: Economic Appeasement. Handel und Finanz in der britischen Deutsches Reichpolitik 1933-1939, Düsseldorf 1971.
[14] Vgl. Schmidt 1983, S. 101.
[15] Ebd.
[16] Vgl. Schmidt 1983, S. 103. Die neue Politik ist als Reaktion auf den Austritt des Deutschen Reiches aus dem Völkerbund, den deutschen Vierjahresplan sowie auf das Scheitern der Abrüstungskonferenz 1933 zu verstehen.
[17] Zahlen dazu bei Adamthwaite 1977, Appendix, S. 227f. Nur die Navy war zahlenmäßig deutlich überlegen.
[18] So Chamberlain: „I am pretty satisfied that, if only we can keep out of war a few years, we shall have an Air Force of such striking power that no one will care to run risks with it“, zitiert nach Feiling 1970, S. 314.
[19] Vgl. Aigner 1969, S. 266f. Die internen Auseinandersetzungen zur Wiederbewaffnung lassen sich dabei beschreiben als Gegensatz der Positionen „Watch on the Tyne“ (Labour in Bezug auf das Problem der Arbeitslosigkeit) und „Watch on the Rhine“ (Conservatives in Bezug auf die Grenzen von 1919), vgl. McElwee, W.: Britain’s Locust Years, London 1962, S. 228. Dabei muss beachtet werden, dass der Rhein als erste Verteidigungslinie angesehen wurde. Vgl. zu den innenpolitischen Problemen auch Schmidt 1983, S. 112f. Demnach habe es die Regierung für weniger gefährlich gehalten, außenpolitisch gewisse Risiken einzugehen, als innenpolitisch unter Druck der Labour Party zu geraten. Bei jeder Entscheidung habe daher notwendigerweise die Position dieser Partei mit einbezogen werden müssen.
Vgl. auch die Times vom 7. September 1938, deren Editorial die Sudetenkrise zum Inhalt hatte: „Some persons indeed will boldly aver that expenditure on arms is providing more work directly and indirectly than the tentative work schemes of the earlier years. Certainly the demand for war materials ought to offset the tendency of primary commodities to fall in price. But on the other side must be counted the injurious consequences of the vast taxes needed to pay for armaments, since they cannot fail in the long run to reduce the public expenditure on consumption goods or capital development.” Zu diesem Problemkomplex gehört auch die Frage, wie Profite nicht nur Waffenproduzenten, sondern auch den Arbeitern zugeführt werden konnten, Schmidt 1983, S. 112.
[20] Niedhart 1983, S. 291.
[21] Notes on Vansittart’s memo, 5. Januar 1937, Chatfield Papers, CHT/3/1, fo.190, zitiert nach: Douglas, Roy: Chamberlain and Appeasement, in: Mommsen, Wolfgang J. und Kettenacker, Lothar (Hg.): The Fascist Challenge and the Policy of Appeasement, London 1983, S. 79.
[22] Vgl. Meyers 1983, S. 342f.
[23] Chamberlain verdeutlichte dies in einem privaten Brief vom Janaur 1938: „[…] we are in no position to enter lightheartedly upon war with such a formidable power as Germany, much less if Germany were aided by Italian attacks on our Mediterranean possessions and communications”, zitiert nach Feiling 1970, S. 323f.
[24] Zu den Diskussionen um ein “Continental Commitment” siehe Bond, Brian: The Continental Commitment in British Strategy in the 1930s, in: Mommsen, Wolfgang J. und Kettenacker, Lothar (Hg.): The Fascist Challenge and the Policy of Appeasement, London 1983, S. 198-205.
[25] Vgl. Meyers 1983, S. 351. und Niedhart 1983, S. 286. So hatte die Regierung iel Mandate in Ägypten und Palästina übernommen, vgl. Bond 1983, S. 199ff. Der Schutz von Häfen und der Low Countries war demnach durch das Aufkommen von militärisch nutzbaren Langstreckenflugzeugen eher schwieriger geworden, wiewohl es das defensive Konzept der limited liability ermöglichte. Bei einem Angriff auf Frankreich sollte mit Flotte und Luftwaffe, nicht aber mit Landstreitkräften eingegriffen werden.
[26] Vgl. Rede vor dem House of Commons: “To pretend that this maimed and mutilated League can really afford security to the smaller Powers in Europe is […] disloyalty, because […] it would mean that they would be putting upon the League a burden which it is clearly unable to carry”, zitiert nach Chamberlain 1938, S. 215.
[27] CAB 24/274, zitiert nach Howard, Michael: British Military Preparations for the Second World War, in: Dilks, David (Hg.): Retreat from Power, Band I: 1906-1939, London und Basingstoke 1981, S. 107.
[28] Wendt 1983, S. 162.
[29] Vgl. ebd., S. 161-165. Weil Großbritannien von einem Konflikt zwischen gemäßigten und aggressiven Kräften in Deutsches Reich ausging (Goebbels, Himmler, Ribbentrop gegen Schacht, Göring oder Blum), erschien es sinnvoll, jede Maßnahme zu unterlassen, die das deutsche Volk und auch Hitler zur erstgenannten Partei geführt hätte – etwa die Verweigerung von Lebensraum oder ökonomische Einschränkungen.
[30] So zum Beispiel Adamthwaite 1977, S. 95: „In fact there were many variables, and ministerial appraisals were the product of prejudice and public opinion.“
[31] Vgl. z. B. Ebersold 1992, S. 18-20.
[32] Wendt 1983, S. 159.
[33] Vgl. Chamberlains Rede im Kabinett: „These are the two related members of our foreign policy – on the one hand, building up defence forces and on the other hand entering into friendly conversations and relations with other powers“, in: Chamberlain 1938, S. 213.
[34] Halifax to Phipps, 22. März 1938, DBFP 3, 1, Nr. 106, S. 85 (Memorandum an die französische Regierung).
[35] Das entsprechende Dokument enthält ebenso wie neuere Versionen („Weisung Grün“ vom 20. Mai 1938, „Studie Grün“ vom 30. Mai 1938) keinen konkreten Angriffszeitpunkt. Allen Dokumenten ist der Entschluss gemein, die Tschechoslowakei durch eine „blitzschnelle Aktion“ zu zerschlagen. Dass Hitler nicht ohne Rücksicht auf die europäischen Mächte einen Krieg riskieren wollte, zeigen Überlegungen, die einen vorherigen Zwischenfall als Bedingung nennen. Dies bezog sich vor allem auf (angebliche) Übergriffe auf die Sudetendeutschen. Vgl. „Studie Grün“ vom 22. April 1938, „Weisung Grün“ vom 20. Mai 1938 und „Studie Grün“ vom 30. Mai 1938, alle im Internet abrufbar unter http://www.ns-archiv.de/krieg/1938/tschechoslowakei/index.php, Stand: 23. Mai 2009, dort zitiert nach: Die Notwendigkeit eines legitimierten Übergriffs resultierte auch aus Bündnissen der Tschechoslowakei mit Frankreich und aus der „Kleinen Entente“, vgl. Weinberg, Gerhard L.: The Foreign Policy of Hitler’s Germany, Band I, Chicago / London 1980, S. 108.
[36] Die SdP war aus der „Sudetendeutschen Heimatfront“ entstanden. Diese, so erklärte Henlein, strebe zwar nach Autonomie der Gebiete, nicht aber nach Veränderungen der Grenzen. Von 1933 bis 1935 suchte Henlein dennoch engen Kontakt zur NSDAP, ohne in diesen Jahren seine Eigenständigkeit völlig aufzugeben. Den Wahlkampf 1935, in dem die SdP mit 44 Mandaten zweitstärkste Kraft wurde, bezahlte bereits die deutsche Partei. Bis 1938 steigt die Zahl der SdP-Mitglieder auch auf Grund dieser Unterstützung von 100 000 auf 1,3 Millionen. Im selben Jahr begann die SA mit der Ausbildung eines „Sudetendeutschen Freikorps“. Vgl http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/HenleinKonrad/index.html, Stand: 21. Mai 2009.
[37] Vgl. ADAP, Serie D, 2, Nr. 107, S. 158.
[38] ADAP, Serie D, 2, Die 8 Forderungen Konrad Henleins, 24. April 1938, Nr 135, S. 192.
[39] Vgl. Rönnefarth, Helmuth K. G.: Die Sudetenkrise in der internationalen Politik. Entstehung, Verlauf, Auswirkung, 2 Bände, Band 1, Wiesbaden 1961, S. 181-187. Siehe zur außenpol. Konzeption auch Watt 1989, S. 30-46, Kuhn, Axel: Hitlers außenpolitisches Programm, Entstehung und Entwicklung 1919-1939, Stuttgart 1970 und Weinberg, Gerhard L.: The Foreign Policy of Hitler’s Germany, 2 Bände, Chicago / London 1970 und 1980.
[40] Nachzulesen bei Domarus 1961, S. 792-804.
[41] Vgl. Henderson to Halifax, 19. Mai 1938, DBFP 3, 1, Nr. 232, S. 317: „Acting Consul at Dresden reports that he has strong reason to believe that German troops are concentrating in Southern Silesia and Northern Austria. […] Movement and suspension of Sunday leave may be connected with elections that day. There is no evidence here for any abnormal military preparation.” Siehe auch Henderson to Halifax, 19. Mai 1938, DBFP 3, 1, Nr. 234, S. 318: „Herr Hitler […] desires a peaceful solution, since he shrinks from big risk of armed intervention at this moment […]. Austria is not yet digested, the German army not yet ready for all eventualities and Four-Year-Plan far from its maximum development.”
[42] Henderson to Halifax, 19. Mai 1938, DBFP 3, 1, Nr. 234, S. 318. Vgl. auch Henderson to Halifax, 20. Mai 1938, DBFP 3, 1, Nr. 240, S. 323. Dort weist der Botschafter erneut auf den (angeblichen) prinzipiellen Friedenswunsch hin: “Nevertheless if there were a really serious incident on Sunday during the elections I have no doubt myself but that Herr Hitler would give orders for the German troops to cross the frontier immediately.”
[43] Henderson to Halifax, 21. Mai 1938, DBFP 3, 1, Nr. 249, S. 330.
[44] Vgl. Telegramm des russischen Botschafters in London an Halifax, 17. März 1938, DBFP 3, 1, Nr. 90, S. 360: “The Soviet Government is prepared to commence immediately together with other States in the League of Nations or outside of it the consideration of practical measures called for by the present circumstances.”
[45] Vgl. Halifax an den russischen Botschafter in London, 24. März 1938, DBFP 3, 1, Nr. 116, S. 101.
[46] Vgl. Watt 1989, S. 22.
[47] Vgl. Halifax to Phipps, 22. März 1938, DBFP 3, 1, Nr. 109, S. 90, zum sowjetischen Vorschlag: „[…] we did not think that it had any great value and we were rather disposed to feel that the Russian Government did not themselves feelt that, in making it, they were making any great contribution to European peace.“
[48] Vgl. Niedhart 1983, S. 288.
[49] Dies trotz des Beitritts der Sowjetunion zum Völkerbund 1934.
[50] Vgl. Niedhart 1983, S. 287-291. Adams Behauptung, der negative Standpunkt britischer Militärs zu einem Beistand der Tschechoslowakei sei wegen der angenommenen sowjetischen und amerikanischen Neutralität „predictable“ gewesen, greift daher zu kurz. Es ließe sich argumentieren, dass Großbritannien die Absichten der Sowjetunion falsch einschätzte und das Angebot einer Konferenz ernst gemeint war. Dennoch blieb ein Eingreifen Sowjetunions auf Grund der Konstellation in Europa unwahrscheinlich. Zudem wäre es unverantwortlich gewesen, statt des worst case den best case zu Grunde zu legen und wegen möglicherweise falscher Vorgaben einen europäischen Krieg zu riskieren, vgl. Adams 1993, S. 88f.
[51] Chamberlain: „After all, Russia is partly European but partly Asiatic“, zitiert nach Niedhart 1975, S. 609.
[52] Chamberlain war sich aber der Wirkung eines anglo-amerikanischen aber Abkommens. „U.S.A. and U.K. in combination represent a force so overwhelming that the mere hint of the possibility of its use is sufficient to make the most powerful dictator pause […]”, schrieb er in einem Brief vom 16. Januar 1938 (gedruckt bei Feiling 1970, S. 323). Dennoch stellte sich die Frage einer Kooperation gar nicht: US-Präsident Wilson erklärte Ende Februar, dass ein Bündnis mit den Westmächten wegen der drohenden Kriegsgefahr nicht in Frage komme.
[53] Wendt 1983, S. 170.
[54] Halifax to Phipps, 22. März 1938, DBFP 3, 1, Nr. 106, S. 86 (Memorandum an die französische Regierung).
[55] Halifax to Phipps, 22. Mai 1938, DBFP 3, 1, Nr. 271, S. 347. Allerdings formuliert Adamthwaite – der ohnehin sehr Britannien-kritisch wirkt – wohl zu stark, wenn er sagt, es sei beiden Regierungen von vornherein nur darum gegangen, unbeschadet aus den Verpflichtungen heraus zu kommen, vgl. Adamthwaite 1977, S. 77.
[56] Halifax to His Majesty’s Representatives at Berlin, Paris, Washington, Prague, and Budapest, 24. März 1938, DBFP 3, 1, Nr. 114, S. 96f.
[57] National Broadcast am 23. September 1938, zitiert nach: Chamberlain 1938, S. 276.
[58] Neville an Ida Chamberlain, 20. März 1938, NC 18/1/1042, zitiert nach: Douglas 1983, S. 83. Chamberlain wendete sich mit dieser Aussage auch gegen Churchills Plan einer „Grand Alliance“.
[59] Henderson to Halifax, 19. Mai 1938, DBFP 3, 1, Nr. 234, S. 318. Er bestätigte damit unwissentlich eine Annahme Hitlers, nach der „England, […] aber auch Frankreich die Tschechei bereits im Stillen abgeschrieben und sich damit abgefunden hätten, dass diese Frage eines Tages durch Deutsches Reich bereinigt würde“, ADAP, Serie D, 2, Niederschrift über die Besprechung in der Reichskanzlei, 5. November 1937, Nr. 19, S. 30.
[60] Vgl. MacDonald am 18. März 1938 zum Cabinet Committee on Foreign Policy: „On this issue the British Commonwealth might break in pieces […] South Africa and Canada would see no reason whatever why they should join in a war to prevent certain Germans from rejoining their fatherland“, zitiert nach: Ovendale, Ritchie: Britain, the Dominions and the Coming of the Second World War, 1933-39, in: Mommsen, Wolfgang J. und Kettenacker, Lothar (Hg.): The Fascist Challenge and the Policy of Appeasement, London 1983, S. 329.
[61] Vgl. Ovendale, Ritchie: Britain , the Dominions and the Coming of the Second World War, 1933-39, in: Mommsen, Wolfgang J. und Kettenacker, Lothar (Hg.): The Fascist Challenge and the Policy of Appeasement, London 1983, S. 335. Siehe dazu auch Meyers, Reinhard: British Imperial Interests and the Policy of Appeasement, in: Mommsen, Wolfgang J. und Kettenacker, Lothar (Hg.): The Fascist Challenge and the Policy of Appeasement, London 1983, S. 339.
[62] Vgl. Newton to Halifax, 24. Mai 1938, DBFP 3, 1, Nr. 306, S. 371.
[63] Vgl. Halifax to Newton, 16. Mai 1938, DBFP 3, 1, Nr. 219, S. 297-299.
[64] Auf diese Vorgehensweise hatten sich die Regierungen im April geeinigt, vgl. Record of Anglo-French Conversations, held at No. 10. Downing Street, on April 28 and 28, 1938, DBFP 3, 1, Nr. 164, S. 198-235.
[65] Dies ging so weit, dass Halifax Beamter Kirkpatrick Anfang Mai erklärte, das Deutsche Reich brauche nur Forderungen zu stellen, Großbritannien werde sie dann in Prag durchsetzen, vgl. Kuhn, Axel: Hitlers außenpolitisches Programm, Entstehung und Entwicklung 1919-1939, Stuttgart 1970, S. 221. Auch auf tschechische Gesandte in London wurde eingewirkt, indem darauf gedrängt wurde, Henlein schnell und öffentlich zu Verhandlungen einzuladen, vgl. Halifax to Newton, 20. Mai 1938, DBFP 3, 1, Nr. 242, S. 324.
[66] Vgl. Henderson to Halifax, 20. Mai 1938, DBFP 3, 1, Nr. 252, S 333.
[67] Halifax to Henderson, 11. März 1938, DBFP 3, 1, Nr. 203, S. 281f. Vgl. auch Halifax to Newton, 22. Mai 1938, DBFP 3, 1, Nr. 262, S. 340: „In these circumstances Czechoslovak Government will realise supreme importance of making every effort to prove their desire to keep the way open for a peaceful solution.”
[68] Halifax to Henderson, 21. Mai 1938, DBFO 3, 1, Nr. 250, S. 332.
[69] Darunter Oberstleutnant Hans Oster, der Hitler im Falle eines Krieges stürzen wollte, vgl. Thamer, Hans-Ulrich: Nationalsozialistische Außenpolitik: Der Weg in den Krieg, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Informationen zur politischen Bildung (Heft 266), im Internet abrufbar unter http://www.bpb.de/publikationen/06170038261947504027993510359889,11,0,Nationalsozialistische_Au%DFenpolitik:_der_Weg_in_den_Krieg.html, Stand: 11. Mai 2009.
[70] „Studie Grün“ vom 30. Mai 1938, im Internet abrufbar unter http://www.ns-archiv.de/krieg/1938/tschechoslowakei/fall-gruen-30-05-1938.php, Stand: 23. Mai 2009, zitiert nach Freund, Michael: Weltgeschichte der Gegenwart in Dokumenten. Geschichte des Zweiten Weltkrieges, Band I, S. 48ff.
[71] Notes by Mr. Strang on Conversations with Members of His Majesty’s Legation at Prague, May 26-7, 1938, DBFP 3, 1, Nr. 349, S. 404.
[72] Vgl. dazu etwa die Rede von Halifax vom 27. Juli 1938: „I do not believe that those responsible for government of any country in Europe today want war.” Dem Einwand, es handele es sich dabei um eine öffentliche Rede und demnach nicht unbedingt um die wahre Meinung des Außenministers, kann mit dem Hinweis begegnet werden, dass er sie an die Botschafter in Berlin und Prag sendete, vgl. Halifax to Henderson and Newton, DBFP 3, 2, Nr. 554, S. 17. Chamberlain glaubte ohnehin nicht an einen unabwendbaren Krieg.
[73] Der Vermittler selbst scheint keine sehr glückliche Figur gewesen zu sein, vgl. Watt 1989, S. 27f.: „[…] a faintly comic figure reminiscent, in the self-satisfied uprightness of his bearing and his vague air of puzzlement among all these bewildering Central Europeans, of the film comedian Stan Laurel.“
[74] “An Investigator and Mediator”, Rede vom 26. Juli 1938, in: Chamberlain 1938, S. 254. Runciman selbst vertrat einen eindeutigen Standpunkt: “Success depends on whether or not the Führer wants to got to war”, vgl. Viscount Runciman to Halifax, 10. August 1938, DBFP 3, 2, Nr. 602, S. 74
[75] Die britische Reaktion fiel deutlich aus. Man könne diese Maßnahmen nur als Drohung in Richtung der Tschechoslowakei interpretieren. Schnell drohe ein europäischer Krieg, vgl. Memorandum communicated to His Majesty’s Ambassador, Berlin, for transmission to Herr Hitler, DBFP 3, 2, 11. August 1938, S. 78-80.
[76] Henderson to Halifax, 3. August 1938, DBFP 3, 2, Nr. 573, S. 39. Im selben Telegramm vermutet Halifax, dass dieses deutsche Vorgehen ein Bluff sein könne, gerade weil es öffentlich nicht verschwiegen werde.
[77] Vgl. Runciman to Halifax, 12. August 1938, DBFP 3, 2, Nr. 611, S. 81. Demnach besuchte Henlein lieber ein Turnfest in Berlin und zog sich anschließend in die Wälder zurück.
[78] Vgl. beispielsweise die bereits zitierten Dokumente DBFP 3, 2, Nr. 602 und Nr. 611 sowie Nr. 644.
[79] Der deutschfreundliche Henderson zeigte Verständnis für diesen Kurs, weil Beneš nach drei Monaten stetigen Drucks lediglich ein Statut entwickelt habe, das von keiner der beiden Seiten angenommen werden könne, vgl. Henderson to Halifax, 22. August 1938, DBFP 3, 2, Nr. 662, S. 130. Newton dagegen beschwerte sich schon im Mai über Henlein. Vgl. Newton to Halifax, 24. Mai 1938, DBFP 3, 1, Nr. 306, S. 371f.: […] If nothing more is done at Prague it is now not the fault of the Czechoslovak Government but solely because of one excuse after another the Sudeten leaders postpone acceptance of a definite and formal invitation to negotiate.”
[80] Runciman to Halifax, 5. September 1938, DBFP 3, 2, Nr. 783, S. 248.
[81] Henderson to Halifax, 12. September 1938, DBFP 3, 2, Nr. 839, S. 299.
[82] Vgl. Domarus 1961, S. 900f.: Gott habe „die sieben Millionen Tschechen nicht geschaffen, dass sie 3 ½ Millionen Menschen überwachen, bevormunden und noch viel weniger vergewaltigen und quälen. […] Ich kann aber den Vertretern [der westlichen] Demokratien nur sagen, dass […] – wenn diese gequälten Kreaturen kein Recht und keine Hilfe selbst finden können, sie beides von uns bekommen werden.“
Die Stimmung des Volkes traf Hitler mit seinen Drohungen nicht: „Viele gingen mit Widerstreben, viele mit Angst im Herzen. Doch wer fragte nach der wahren Meinung der Menschen? Marschieren hieß es, und es wurde marschiert, dafür sorgten die »Obmänner«, die »Zellenwarte« und sonstige Aufpasser […]“, Aufzeichnungen aus der Biographie von Josepha von Koskull, im Internet abrufbar unter http://www.dhm.de/lemo/forum/kollektives_gedaechtnis/069/index.html, Stand: 11. Mai 2009.
Die Idee, das Sudetenland von der Tschechoslowakei abzutrennen, wurde öffentlich erstmals von der Times am 7. September artikuliert. Hitler wurde dadurch in seinem Eindruck bestärkt, Großbritannien werde einer solchen Lösung nicht entgegenstehen, vgl. Rönnefarth, Helmuth K. G.: Die Sudetenkrise in der internationalen Politik. Entstehung, Verlauf, Auswirkung, 2 Bände, Band 1, Wiesbaden 1961, S. 499-502.
[83] Henderson to Halifax, 13. September 1938, DBFP 3, 2, Nr. 849, S. 306.
[84] “I realise that if such a deadlock occurs it may be of vital importance to resolve it without delay so as not to give the Sudetendeutschen, nor indeed the German Government, a pretext for arguing that negotiations having failed there is nothing left for them but to resort to direct action.” Halifax to Phipps, DBFP 3, 2, Nr. 347, S. 401.
[85] Vgl. Phipps to Halifax, 13. September 1938, DBFP 3, 2, Nr. 858, S. 312. Eine Konferenz war bereits im Juli auch in England diskutiert worden, vgl. Henderson to Halifax, 2. August 1938, DBFP 3, 2, Nr. 568, S. 35f. Zu den Schwierigkeiten vgl. Halifax to Runciman, 18. August 1938, DBFP 3, 2, Nr. 643, S. 114. Halifax frage sich, so schrieb er, wer denn die betroffenen und damit einzuladenden Mächte seien: „Czechoslovakia, France and Great Britain? Or these, plus Poland, Hungary, Italy and Russia?“ Mittlerweile verdichteten sich auch die Anzeichen, dass Frankreich seinen Bündnisverpflichtungen nicht unbedingt nachkommen wollte, vgl. Douglas 1983, S. 84. Der Autor zitiert den französischen Außenminister Georges Bonet, der es als unmöglich erachtete, zehn Millionen Männer zu opfern, nur um die Eingliederung der Sudetendeutschen ins Reich zu verhindern.
[86] Halifax to Henderson, 13. September 1938, DBFP 3, 2, Nr. 862, S. 314. Der Premier hatte schon seit Wochen an einem solchen Schritt überlegt, Nürnberg gab dafür den Ausschlag, vgl. Watt 1989, S. 28.
[87] Chamberlain vor Vertretern der Presse am 16. September 1938, zitiert nach Chamberlain 1938, S. 265. Dass Chamberlain erleichtert über den guten Verlauf des Gesprächs war, erklärt sich auch aus der Annahme, Hitler sei zu solchen Verhandlungen vielleicht gar nicht fähig, vgl. dazu eine Anmerkung Hendersons, Hitler „may have crossed the borderline of insanity“, vgl. Henderson to Halifax, 12. September 1938, DBFP 3, 2, Nr. 839, S. 299.
[88] So schon im Interview mit der Daily Mail vom 19. September, nachzulesen bei: Domarus 1961, S. 910-912.
[89] Auf die einzugehen die Briten ebenfalls bereit waren, so zum Beispiel in Bezug auf das am 2. Oktober besetzte Teschen: „[…] this course should be earnestly considered, not from any parti pris in Poland’s favour, but in view of the overriding importance of keeping this country from slipping in the wrong side in the event of gerenal hostilities.“ Kennard to Sargent, 25. September 1938, DBFP, 3, 3, Nr. 46, S. 32.
Die Stimmung war auf dem Siedepunkt: Großbritannien mobilisierte seine Flotte, in England wurden Gasmasken verteilt und die tschechoslowakische Armee in Bereitschaft versetzt, vgl. Watt 1989, S. 28.
[90] Nachzulesen in: Chamberlain 1938, S. 266-272.
[91] Adolf Hitler im Berliner Sportpalast, 26. September 1938: Auf die „letzte territoriale Forderung, die ich in Europa zu stellen habe“ reagiere Beneš, indem er Hunderttausende Flüchtlinge aus dem Land treibe. „Ganze Landstriche werden entvölkert, Ortschaften werden niedergebrannt, mit Granaten und Gas versucht man die Deutschen auszuräuchern. Herr Beneš aber sitzt in Prag und ist überzeugt:‚Mir kann nichts passieren, am Ende stehen hinter mir England und Frankreich.’“ Er sei „Herr Chamberlain dankbar für seine Bemühungen“, aber zum 1. Oktober müsse die Tschechoslowakei die Gebiete abtreten, sonst drohe Krieg, zitiert nach: Domarus 1961, S. 930f. Die Passagen müssen auch vor dem Hintergrund gelesen werden, dass die deutsche Regierung aus der Presse von der „Runciman-Mission“ erfahren hatte. Von Ribbentrop kritisierte daher schon im August, dass sich die tschechoslowakische Regierung in seinen Augen nun noch unergiebiger zeige und offenbar auf Großbritannien als starken Partner setze. Sie sei deswegen für die weitere Entwicklung verantwortlich, vgl. Ribbentrop to Halifax, 21. August 1938, DBFP 3, 2, Nr. 661, S. 127-129 (Übersetzung des Originalbriefes).
[92] Vgl. zur Autonomie Halifax to Phipps, 22. März 1938, DBFP 3, 1, Nr. 106, S. 85.
[93] Abkommen gedruckt in: Celovsky, Boris: Das Münchener Abkommen 1938, Stuttgart 1958, Anhang I, S. 480f.
[94] „Studie Grün“ vom 30. Mai 1938, zitiert nach www.ns-archiv.de, dort zitiert nach Freund, Michael: Weltgeschichte der Gegenwart in Dokumenten. Band I, S. 48ff. (wie Anm. 35).
[95] Mussolini hatte Hitler zu diesem Zeitpunkt die Unterstützung verweigert, vgl. etwa Weinberg, Gerhard L.: The Foreign Policy of Hitler’s Germany, Band II, Chicago / London 1980, S. 458, oder Watt 1989, S. 28.
- Citation du texte
- Peter Seiffert (Auteur), 2009, Die Politik Großbritanniens bezüglich Ostmitteleuropas am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139606
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.