Über die Biographie des Zentrumspolitikers Johannes Brockmann
geben nur wenige Quellen Auskunft.1 Die Abgeordneten der
zweiköpfigen Zentrumsfraktion im Parlamentarischen Rat (neben
Brockmann noch Helene Wessel) haben bislang nicht das Interesse
erfahren, das die Forschung anderen Abgeordneten des Parlamentarischen
Rates hat zuteil werden lassen. Dies hängt sicherlich nicht
zuletzt damit zusammen, das das Zentrum in der deutschen
Nachkriegsgeschichte schnell seine Bedeutung verloren hat und die
Bundespolitik schon mit seiner Wiedergründung 1945 nicht mehr
entscheidend mitprägen konnte.
Der Katholik Johannes Brockmann wurde am 17. Juli 1888 als Sohn
eines Eisenbahnschlossers und als viertes von zehn Kindern in
Paderborn geboren. Nach dem Besuch der Volksschule bildete er sich
mit Hilfe privater Gymnasialstunden bis zur Primarreife weiter und
besuchte anschließend das Lehrerseminar in Paderborn. Von 1911 bis
1913 war Brockmann als Lehrer in Stenern bei Bocholt tätig, von 1913
bis 1930 in Rinkerode bei Münster (heute Ortsteil von Drensteinfurt,
Kreis Warendorf). 1930 wurde er Schulleiter in Rinkerode, wo er bis zu
seinem Tode auch lebte.
Brockmanns politische Karriere begann 1919 mit seinem Eintritt in die
Zentrumspartei. Über berufsständische, parteipolitische und kommunalpolitische
Organisationen wurde er Vorsitzender der westfälischen
Windthorstbünde und gründete einen katholischen Junglehrerverband,
dem er auch auf Reichsebene vorstand. 1933 saß Brockmann im Reichsausschuß der Deutschen Zentrumspartei und war Vorstandsmitglied
des Landgemeindetages West, zudem engagierte er
sich als Kreis- und Gemeinderat im Münsterland. Von 1926 bis 1933
war er Mitglied des preußischen Landtages, wo er vor allem die
Interessen der Junglehrer vertrat und zu Fragen der Lehrerbildung
sprach, ansonsten jedoch eher unauffällig blieb. [...]
1 Der nachfolgende biographische Abriß orientiert sich an der Darstellung im Munzinger-
Archiv/Internationalen Biographischen Archiv, Lieferung 7/76 vom 14.02.1976, sowie an dem
biographischen Essay „Johannes Brockmann“ von Paul Ludwig in Walter Först (Hrsg.), Aus
dreißig Jahren: Rheinisch-Westfälische Politiker-Porträts (Köln und Berlin: Grote, 1979), S.
152-171, im folgenden zitiert als Ludwig, „Brockmann“.
Inhaltsverzeichnis
I. Zur Biographie des Zentrumsabgeordneten Johannes Brockmann
II. Zur politischen Bedeutung des Zentrums in der Nachkriegszeit
III. Die Arbeit des Abgeordneten Johannes Brockmann im Parlamentarischen Rat
1. Allgemeine Charakterisierung des Auftretens Brockmanns im Parlamentarischen Rat
2. Brockmanns Beiträge im Plenum und in den Ausschüssen
3. Stellungnahmen zu Finanzfragen und zur Ausgestaltung des Föderalismus
4. Stellungnahmen zum Wahlrecht
5. Stellungnahmen zu Elementen direkter Demokratie
6. Stellungnahmen zum Elternrecht
IV. Zusammenfassende Charakterisierung der Mitarbeit Johannes Brockmanns an der Entstehung des Grundgesetzes
Literaturverzeichnis
I. Zur Biographie des Zentrumsabgeordneten Johannes Brockmann
Über die Biographie des Zentrumspolitikers Johannes Brockmann geben nur wenige Quellen Auskunft.1 Die Abgeordneten der zweiköpfigen Zentrumsfraktion im Parlamentarischen Rat (neben Brockmann noch Helene Wessel) haben bislang nicht das Interesse erfahren, das die Forschung anderen Abgeordneten des Parlamen- tarischen Rates hat zuteil werden lassen. Dies hängt sicherlich nicht zuletzt damit zusammen, das das Zentrum in der deutschen Nachkriegsgeschichte schnell seine Bedeutung verloren hat und die Bundespolitik schon mit seiner Wiedergründung 1945 nicht mehr entscheidend mitprägen konnte.
Der Katholik Johannes Brockmann wurde am 17. Juli 1888 als Sohn eines Eisenbahnschlossers und als viertes von zehn Kindern in Paderborn geboren. Nach dem Besuch der Volksschule bildete er sich mit Hilfe privater Gymnasialstunden bis zur Primarreife weiter und besuchte anschließend das Lehrerseminar in Paderborn. Von 1911 bis 1913 war Brockmann als Lehrer in Stenern bei Bocholt tätig, von 1913 bis 1930 in Rinkerode bei Münster (heute Ortsteil von Drensteinfurt, Kreis Warendorf). 1930 wurde er Schulleiter in Rinkerode, wo er bis zu seinem Tode auch lebte.
Brockmanns politische Karriere begann 1919 mit seinem Eintritt in die Zentrumspartei. Über berufsständische, parteipolitische und kommunal- politische Organisationen wurde er Vorsitzender der westfälischen Windthorstbünde und gründete einen katholischen Junglehrerverband, dem er auch auf Reichsebene vorstand. 1933 saß Brockmann im
Reichsausschuß der Deutschen Zentrumspartei und war Vor- standsmitglied des Landgemeindetages West, zudem engagierte er sich als Kreis- und Gemeinderat im Münsterland. Von 1926 bis 1933 war er Mitglied des preußischen Landtages, wo er vor allem die Interessen der Junglehrer vertrat und zu Fragen der Lehrerbildung sprach, ansonsten jedoch eher unauffällig blieb. Nach 1933 wurde Brockmann aus dem Schuldienst entlassen und seine politische Tätigkeit von den Nationalsozialisten unterbunden. In den folgenden Jahren sicherte sich Brockmann mit Gelegenheitsarbeiten und der Hilfe von Freunden im Münsterland den Lebensunterhalt. Im Zusammenhang mit den Ereignissen des 20. Juli 1944 wurde Brockmann am 23. August 1944 von der Gestapo verhaftet und im Zuchthaus Münster sowie im Gefängnis Beckum gefangengehalten. Dem Konzentrationslager Sachsenhausen entging Brockmann nur knapp.
Nur wenige Wochen nach Kriegsende konnte Brockmann seine Tätigkeit als Schulleiter wieder aufnehmen und wurde zum General- referenten für Kultus in der Westfälischen Provinzialregierung bestellt. Nach der Wiederbegründung des Zentrums 1945 wurde Brockmann zu deren Vorsitzendem gewählt. Von 1947 bis 1958 vertrat er seine Partei als Fraktionsvorsitzender im Landtag von Nordrhein-Westfalen und gehörte 1948/49 dem Parlamentarischen Rat an.
Nachdem Brockmann Anfang Dezember 1948 im Parteivorsitz abgelöst wurde, war er ab 1951 wieder ein Mitglied der Vorstandschaft (des sog. „Drei-Mann-Direktoriums“) und übernahm nach der Niederlegung des Parteivorsitzes durch Helene Wessel Ende Januar 1952 den geschäftsführenden Vorsitz der Zentrumspartei. Bereits 1949 war Brockmann in den Deutschen Bundestag gewählt worden, er hatte sein Mandat jedoch niedergelegt, um weiterhin Fraktionsvorsitzender des Zentrums im nordrhein-westfälischen Landtag bleiben zu können. 1953 zog Brockmann, der nach einer von Vertretern der katholischen Kirche initiierten Absprache mit der CDU für den Wahlkreis Oberhausen kandidiert hatte, dann als fraktionsloser Abgeordneter doch noch in den 2. Deutschen Bundestag ein und sicherte seiner Partei eine weitere Beteiligung an der Bundespolitik, allerdings zu einem hohen Preis, denn in den entscheidenden Fragen hatte er sich an ein Abkommen zu halten und mußte mit der CDU stimmen.2
Brockmann blieb bis Mitte März 1969 Vorsitzender seiner Partei, dann wurde er altersbedingt von Gerhard Ribbeheger abgelöst und zum Ehrenvorsitzenden des Zentrums ernannt. In der Kommunalpolitik war er bis 1961 Abgeordneter im Kreistag von Münster-Land und bis 1973 Ratsmitglied seiner Heimatgemeinde Rinkerode sowie Mitglied der Amtsvertretung Wolbeck. 1953 wurde Brockmann von Papst Pius XII. zum Komtur-Ritter des Ordens vom hl. Gregor dem Großen ernannt, 1958 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz. Zeit seines Lebens blieb Brockmann Junggeselle. Er starb am 14. Dezember 1975 im Alter von 87 Jahren in Münster-Hiltrop.
II. Zur politischen Bedeutung des Zentrums in der Nachkriegszeit
Einer Untersuchung des Wirkens von Johannes Brockmann im Parlamentarischen Rat muß zuerst – in der gebotenen Kürze – die Frage nach der politischen Bedeutung der Deutschen Zentrumspartei in der Nachkriegszeit vorangestellt werden. Insbesondere ist zu klären, welchen Platz das Zentrum zum Zeitpunkt der Einberufung des Parlamentarischen Rat in der deutschen Nachkriegspolitik einnahm und mit welcher Reichweite seine Vertreter argumentativ in die Verfassungsdebatten eingreifen konnten. Als Indikatoren für die politische Bedeutung werden die Organisationsentwicklung sowie die Wahlergebnisse der Partei herangezogen. Programmatische Vorstellungen des Zentrums im Vorfeld des Parlamentarischen Rates werden anschließend im Kontext der Darstellung der einzelnen Verfassungspunkte eingearbeitet.
Die Deutsche Zentrums-Partei war bereits kurz nach Kriegsende wiedergegründet worden. Aus der Sicht des Zentrums herrschte Enttäuschung darüber, daß Parteivertreter bei gemeinsamen Gesprächen mit der entstehenden CDU in Wattenscheid und Dortmund
„vor vollendete Tatsachen gestellt“ worden seien. Insbesondere wurde bemängelt, daß die CDU über den Kreis der „Christlich-Sozialen“ hinaus das Bündnis auch für „Kreise von rechts“ offenhalten wollte.3 Dies war für etliche Zentrumspolitiker vor allem vom linken Flügel ihrer Partei untragbar.
Bereits bei den ersten Nachkriegswahlen zeichnete sich jedoch ab, daß das Zentrum an seine ehemalige Bedeutung nicht wieder anknüpfen sollte. Zwar zog die Partei mit zehn Abgeordneten und einem bundesweiten Ergebnis von 3,1 Prozent in den ersten Bundestag ein (in NRW stimmten 8,9 Prozent für die Zentrumspartei), angesichts der Konkurrenz von Seiten der CDU, die mit 25,2 Prozent der Stimmen (in NRW 36,9 Prozent) 115 Mandate gewann und in der Folgezeit ihre Stellung auch auf Landes- und Kommunalebene noch zu Lasten des Zentrums und anderer kleiner Parteien aus dem rechten und bürgerlichen Lager ausbauen konnte, wurde die Zentrums-Partei spätestens nach ihrem Ausscheiden aus dem nordrhein-westfälischen Landtag mit der Wahl von 1958 auf ihre kommunalpolitischen Hochburgen im ländlichen Münsteraner und Paderborner Raum zurückgeworfen, wo es bis in die siebziger Jahre hinein noch eine gewisse Bedeutung im traditionalistisch-katholischen Milieu innehatte, heute jedoch nur noch als marginaler „Traditionsverein“ im vorpolitischen Raum fortbesteht.4 Überhaupt hätte das Zentrum nur unter dem Zusammentreffen von äußerst günstigen Bedingungen, mit einer die verschiedenen Parteiströmungen einenden Programmatik und natürlich bei einer Unterstützung vor allem von der katholischen Kirche eine reelle Chance gehabt, sich dauerhaft neben der CDU zu behaupten. Daß dies nicht gelang, dafür gab es freilich schon kurz nach
1945 Anhaltspunkte, unter anderem der personelle Aderlaß zugunsten der CDU und später (im Falle Helene Wessels) der SPD und die gescheiterte Ausdehnung der Partei von Nordrhein-Westfalen und Teilen Niedersachsens auf den Rest der Bundesrepublik. Und selbst bei den Kommunalwahlen Ende der vierziger Jahre wurde deutlich, daß das Zentrum außerhalb seiner begrenzten westfälischen Hochburgen nicht verankert war und kaum nennenswerten Erfolg erzielen konnte.
In den Parlamentarischen Rat zog das Zentrum also, in diesem Punkt ähnlich der Deutschen Partei (DP), als regional vor allem auf Nordrhein- Westfalen und Teile Niedersachsens begrenzte Partei ein. Dies sollte jedoch nicht den Beitrag schmälern, den die Partei zur Entstehung des Grundgesetzes geleistet hat. Wenn auch politisch schon 1948/49 von nachgeordneter Bedeutung, so leisteten die beiden Zentrumsvertreter im Parlamentarischen Rat immerhin eine konstruktive Mitarbeit, die nach einem Exkurs zum Auftreten Brockmanns in diesem Gremium im Hauptteil der Arbeit dargestellt werden soll.
III. Die Arbeit des Abgeordneten Johannes Brockmann im Parlamentarischen Rat
1. Allgemeine Charakterisierung des Auftretens Brockmanns im Parlamentarischen Rat
Johannes Brockmann hatte als einer von nur zwei Vertretern einer kleinen Partei im Parlamentarischen Rat natürlich eine große Bandbreite verschiedener Themen abzudecken, für die die größeren Parteien jeweils Spezialisten in das Gremium und seine Ausschüsse entsenden konnte. Daß Brockmann dieser Aufgabe gerecht werden konnte, kann sicherlich auch auf seine parlamentarische Erfahrung in der Vorkriegszeit sowie im Düsseldorfer Landtag zurückgeführt werden. Willi Kreiterling, in den fünfziger Jahren Mitarbeiter der Zentrums- Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen, schildert Brockmann als Politiker, der in der Lage gewesen sei, „obwohl er sachlich nie sehr breit informiert war, sehr schnell den politisch springenden Punkt eines Problems zu erkennen.“5 Diese Fähigkeit des Generalisten dürfte Brockmann angesichts der Arbeitsbelastung im Parlamentarischen Rat sehr entgegengekommen sein.
Von Zeitgenossen gibt es einige Charakterisierungen von Brockmanns Auftreten, aus denen sich ein Bild von der Person und ihrer Wirkung gewinnen läßt. Aufschlußreich ist etwa eine Bemerkung des amerikanischen Verbindungsoffiziers Simons, der die dritte Sitzung des Plenums am 9. September 1948 als „decidedly boring“ empfand und den Redebeitrag Brockmanns eher als Predigt denn als Rede ansah:
„Mr. Brockmann tried in vain to lift the spirits by presenting a sermon rather than a speech.“6 In der Tat stellen die häufig von grundsätzlichen Überlegungen und gelegentlich von Pathos begleiteten Ausführungen Brockmanns einen deutlichen Kontrast etwa zu dem sehr viel konkreteren und nüchternen Vortragsstil mancher Kollegen der FDP dar.
[...]
1 Der nachfolgende biographische Abriß orientiert sich an der Darstellung im Munzinger- Archiv/Internationalen Biographischen Archiv, Lieferung 7/76 vom 14.02.1976, sowie an dem biographischen Essay „Johannes Brockmann“ von Paul Ludwig in Walter Först (Hrsg.), Aus dreißig Jahren: Rheinisch-Westfälische Politiker-Porträts (Köln und Berlin: Grote, 1979), S. 152-171, im folgenden zitiert als Ludwig, „Brockmann“.
2 Vgl. Ute Schmidt, „Deutsche Zentrums-Partei“, in Richard Stöss (Hrsg.), Parteien- Handbuch: Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980 (Opladen: Westdeutscher Verlag, 1986), Bd. II, S. 1205. Im folgenden zitiert als Schmidt, „Zentrum“.
3 Nach Volk ohne Mitte? – Das Zentrum im Kampf, herausgegeben von der Deutschen Zentrumspartei (Essen o.J.). Abgedruckt in Ossip K. Flechtheim (Hrsg.), Dokumente zur parteipolitischen Entwicklung in Deutschland seit 1945, Band I (Berlin: Dokumenten.Verlag Dr. Herbert Wendler & Co., 1962), S. 35ff. Im folgenden zitiert als Flechtheim, Dokumente.
4 Schmidt, „Zentrum“, S. 1242.
5 Kreiterling, zit. nach Ludwig, „Brockmann“, S. 170.
6 Der Parlamentarische Rat 1948-1949. Akten und Protokolle, Bd. 9: Plenum, bearb. von Wolfram Werner (München: Boldt, 1996), S. 149, Anm. 145. Im folgenden zitiert als PR 9.
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