Die Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander, wie zuverlässig Analysteneinschätzungen von Aktienmärkten überhaupt sind.
Auf Basis von (I/B/E/S)Schätzungen wurden verschiedene Aktienmärkte auf Basis von EPS analysiert. Es liess sich zeigen, dass die Prognosen für industrialiserte Länder gut bis sehr gut waren, jedoch in Entwicklugsländern zu starken Verzerrungen führte.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Darstellung der Bewertungsansätze für Gewinnprognosen auf Aktienmärkten
1.1 Der „Top-Down“-Ansatz
1.2 Die „Bottom- up“-Methode
1.3 Sell side versus Buy-side Analysten
1.4 Darstellung der Interessenskonflikte
2 Definition und Problem der I/B/E/S-Gewinnschätzungen
2.1 Definition der I/B/E/S Gewinnschätzungen
2.2 Probleme der I/B/E/S Gewinnschätzungen
3. Datenbeschreibung und Darstellung der Analyseverfahren
3.1 Selektion der Stichprobe
3.2 Die Vorgehensweise bei der empirischen Untersuchung
3.3 Darstellung der Regressionsanalyse und des Hypothesentests
4. Auswertung und Analyse der Daten
4.1 Ergebnisse für die Untersuchung der rollenden 12-Monatsprognosen
4.2 Auswertung der Konjunktursensitivität von EPS-Schätzfehlern
4.3 Resultate für die Untersuchung der EPS-Schätzfehler im Zeitablauf
5. Implikationen und Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
„Erschiesst alle Analysten“ forderte die englische Financial Times provokativ vor etwa einem Jahr in einem Leitartikel.
In der Tat hatte das Zusammenspiel zwischen Emittenten, Journalisten und Analysten in der Hausse bis zum Frühjahr 2000 bei den Anlegern Erwartungen geweckt, die zwangsläufig ir- gendwann enttäuscht werden mussten. Im Zuge der New Economy schossen Anlegermagazi- ne wie Pilze aus dem Boden, zitierten am laufenden Band Analysten und solche, die sich da- für hielten.
Seit Oktober 2000 befinden sich die weltweiten Börsen in einem mehr oder weniger stark an- haltenden Abwärtstrend und Analysten stehen vermehrt unter Beschuss. Erzürnte Anleger führen in den USA Sammelklagen, und die Börsenaufsicht SEC untersucht, wie unabhängig die Analysen der Finanzanalytiker geschrieben wurden. Die Unabhängigkeit ist es dann auch, die von vielen angezweifelt wird und mit verantwortlich dafür gemacht wird, dass die Ge- winnprognosen für Aktienmärkte und Unternehmen ständig revidiert werden müssen .
Auf Basis eines Konsensus, der aufgrund verschiedener Analysteneinschätzungen von renommierten Investmenthäusern wie Merril Lynch oder der Credit Suisse First Boston abgegeben wird, werden in einer Datenbank Gewinnschätzungen von Analysten gesammelt. Aus dem Pool von Meinungen wird die durchschnittliche Markterwartung generiert. Das sogenannte Institutional Brokers Estimate System (I/B/E/S) soll eine Entscheidungshilfe bei der Determinierung von über- und unterbewerteten Aktienmärkten darstellen und widerspiegelt die allgemeine Meinung für die Attraktivität eines Finanzplatzes.
Werden die Summen betrachtet, die auf grund dieser Einschätzungen investiert und verschoben werden, so ist es nachvollziehbar, dass der Markt nach objektiven Einschätzungen verlangt. Bereits kleinste Veränderungen oder Abweichungen von den Konsensusschätzungen können Aktienpreise steigen oder fallen lassen. Dass Konsensusschätzungen nur selten oder gar nicht die Realität vorhersagen, lässt sich unter anderem auf unterschiedliche Bewertungsansätze bei der Gewinnberechnung zurückführen.
Das Lager der Analysten lässt sich grundsätzlich in zwei Gruppierungen spalten. Auf der einen Seite findet sich das Lager der Analysten, die ihre Gewinnschätzungen aufgrund des „Bottom-up“ Ansatzes abgeben und auf der anderen Seite die Analysten, die ihre Gewinnerwartungen aufgrund des „Top-down“ Approaches gestalten.
Eine Studie von DARROUGH (2000) zeigt, dass „Bottom-up“ Analysen optimistischere Gewinneinschätzungen abgeben als Analysen, die den „Top-down“ Ansatz verwenden. Die starke Diskrepanz in den Gewinneinschätzungen führt dazu, dass Vorhersagen und Einschätzungen je länger je mehr unter die Lupe genommen werden und deren Glaubwürdigkeit und Reliabilität in Frage gestellt wird.
Ziel ist es deshalb in dieser Arbeit die Qualität und Zuverlässigkeit von Gewinneinschätzungen auf Aktienmärkten für ausgewählte Industrieländer zu untersuchen.
Dabei wird zu Beginn darauf eingegangen, welche Bewertungsansätze bei der Einschätzung von Aktienmärkten existieren und die Problematik des Interessenkonfliktes zwischen Analys- ten und Unternehmen dargelegt. In einem zweiten Teil wird die Problematik der I/B/E/S De- finition behandelt bevor im dritten Teil die Daten diskutiert werden und ein Blick auf die verwendeten Analysemethoden geworfen wird. Der vierte Teil bildet den eigentlichen Kern der Arbeit und stellt die Ergebnisse für die zu untersuchenden Fragestellungen dar. Zum Schluss wird ein kurzes Resümee gezogen, in dem die wichtigsten Erkenntnisse nochmals kurz dargestellt werden.
1 Darstellung der Bewertungsansätze für die Gewinn- schätzungen auf Aktienmärkten
Bei der Allokation von Vermögensanteilen ist es unabdingbar sowohl die makroökonomi- schen Grössen eines Landes, wie auch die unternehmensspezifischen Chancen und Risiken zu erkennen und zu nutzen. Bei einem Investitionsentscheid, der sich nicht nur auf ein Asset konzentriert, sondern verschiedene Regionen und Firmen berücksichtigt, bedienen sich Insti- tutionelle für die Diversifikation und den Investitionsentscheid zweier unterschiedlicher An- sätze. Für die Betrachtung des volkswirtsichtlichen Umfeldes wird der „Top-down“-Ansatz und für unternehmensspezifische Analysen die „Bottom-up“-Betrachtung herangezogen.
1.1 Der „Top-Down“-Ansatz
Der „Top-down“ Ansatz ist eine Betrachtung der Märkte, die das ganze makroökonomische Umfeld eines Aktienmarktes berücksichtigt. Die finanzielle Verfassung und die politischen Gegebenheiten der Märkte, sowie alle Faktoren welche Veränderungen bewirken können, werden laufend überwacht. Unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Indikatoren, werden die Märkte mit der besten Performance herausfiltriert. Entscheidend ist aber nicht nur die Qualität und die Stabilität eines Marktes, sondern auch die Bewertung und die Wachstumsperspektiven. Das Ergebnis dieser globalen Analyse bildet die Basis für einen Investitionsentscheid. Die Analyse der volkswirtschaftlichen Grössen bildet das Fundament für Entscheide und wird deshalb auch als Fundamentalanalyse bezeichnet.
1.2 Die „Bottom-up“-Methode
Dieser Ansatz richtet sich nicht nach dem volkswirtschaftlichen Umfeld, sondern setzt sich mit Unternehmen mit attraktivem Wachstumspotenzial auseinander. Dabei werden z.B. posi- tive Veränderungen innerhalb einzelner Unternehmen bzw. ihrer Führungsebene berücksich- tigt. Auf der Suche nach künftigen Wachstumsunternehmen wird der Fokus auf finanziell ge- sunde Gesellschaften mit intelligenten Strategien gelegt. Instrumente für eine Einschätzung der Gewinne sind dabei das „Stock Picking“, wo Aktien mit tiefen Kursgewinnverhältnissen gesucht werden oder die Analyse der Charts, wie auch die Betrachtung von Sektoren, wo Un- ternehmen der gleichen Sparte auf Basis von Kennzahlen miteinander verglichen werden (HE- RI 1996).
Wichtig bei der Vermögensallokation ist die vernünftige Anwendung dieser beiden Ansätze. Ein Investitionsentscheid kann deshalb nur als Synthese dieser beiden Ansätze verstanden werden. Für die Synthese greifen Asset Management- oder Brokerage-Häuser deshalb auf ein System zurück, indem die Einschätzungen für Märkte und Unternehmen von verschiedenen Analyseabteilungen der Welt zusammenlaufen. Das Institutional Brokers Estimate System (IBES) dient als Basis für die Bewertung von Assets und widerspiegelt die durchschnittliche Markterwartung. Gleichzeitig dient die Konsensusschätzung auch als Messlatte für die eigene Markteinschätzung, indem so festgestellt werden kann, ob man selber mit seiner Prognose zu hoch oder zu tief liegt.
1.3 Sell side versus Buy-side Analysten
In der Finanzanalyse wird klar differenziert zwischen Sell-side und Buy-side Analysten. Noch vor einigen Jahren war dies nicht der Fall. Früher als Broker benannt, tragen die Intermediäre zwischen Vermögensverwaltern und Investoren heute den Titel Sell-side Analyst. Vor ein paar Jahren kauften Investoren Aktien, die von den unabhängigen Brokern empfohlen wurden. Zu dieser Zeit waren die Broker von den Investmentbankern vollständig isoliert, was in der Fachsprache auch als Chinese Wall bezeichnet wird. Broker und Investmentbanken tätigten ihre Geschäfte unabhängig voneinander.
Diese Chinese Walls konnten ohne Probleme aufrecht erhalten werden, da die Broker wussten, dass ihre Kommissionen aus dem Aktienverkauf genug einbrachten und die Investmentbanken in einem anderen Geschäftsfeld tätig waren.
Erst als im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs der letzten Jahren das Discount-Broker Geschäft einen grossen Stellenwert einzunehmen begann und die Kommissionen für Aktienverkäufe sanken, orientieren sich die Broker neu. Als Resultat der zerfallenden Margen resultierte das Schwinden der Chinese Walls. Eine Folge der schwindenden Mauer war die Aufgabe der Unabhängigkeit zwischen Brokern und Investmenthäusern.
Sell-side Analysten
Sell-side Analysten sind in der Regel bei Investmentbanken anzutreffen. Ihre Arbeit besteht darin, aufgrund von fundierten Kenntnissen der Unternehmen Research Berichte und Empfeh- lungen zu schreiben. Sie stehen in engem Kontakt zu den Unternehmen und werden von die- sen über die zukünftigen Entwicklungen orientiert, indem sie zu Pressekonferenzen eingela- den werden und persönliche Gespräche mit dem CEO oder CFO führen können. Unmittelbare Konsequenz dieser engen Zusammenarbeit ist, dass Unternehmen von den Analysten meist gute Ratings erhalten. Dies führt zu verzerrten Einschätzungen und somit auch zu nicht objek- tiven IBES Schätzungen (LOVALLO 1993).
Buy-side Analysten
Buy-side Analysten sind in der Regel in den Bereichen Treasury, Fund Management, Mutual Funds oder im Private Banking anzutreffen. Sie erstellen keine eigenen Analysen, sondern stellen anhand von Analysen Dritter eine Research-Empfehlung zusammen. Buy-side Analys- ten werden zwar regelmässig von den Unternehmen eingeladen und auf dem Laufenden gehalten, erhalten aber eher einen oberflächlichen Einblick in das Unternehmen und kennen das Management nur bedingt. Zusätzlich deckt ein Buy-side Analyst zwischen 10 und 25 Un- ternehmen mit seinen Research-Berichten ab, was im Vergleich zu einem Sell-side Analyst, der maximal für 5 Unternehmen verantwortlich ist, einen immensen Unterschied darstellt.
1.4 Darstellung der Interessenskonflikte
Interessenskonflikte entstehen zwischen der Investmentbank und den analysierten Gesell- schaften, da ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Bank und dem Unternehmen besteht. Die Bank ist auf die Zusammenarbeit mit den Firmen angewiesen, da diese Unternehmen nicht nur Kunden, sondern gleichzeitig auch Informationslieferanten für das Research darstel- len.
Ein weiterer Interessenskonflikt stellt die Diskrepanz zwischen Analystenratings und dem Investmentbanking bzw. der Corporate Finance dar. In diesem Geschäftsbereich ist die Investmentbank daran interessiert eine hohe Kundenzufriedenheit und Kundenbindung zu erreichen, da in diesen Bereich grosse Kommissionen erzielt werden können.
Da der Konkurrenzdruck im Bereich des Corporate Finance enorm gross ist, blieb in der Vergangenheit den Banken nichts anderes übrig als den Unternehmen zu versprechen, dass die Unternehmen von den Analysten ein gutes Rating erhalten werden. Ein weiterer Punkt ist die strategische Beteiligung einer Bank an einem Unternehmen. Durch eine Einsitznahme der Bank in den Verwaltungsrat oder als Grossaktionär einer Beteiligung kann ein vertiefter Einblick in das Unternehmen gewonnen werden. Das Interesse der Bank liegt in der Wertsteigerung der Investition und führt ein weiteres Mal zu einem Konflikt zwischen Eigeninteresse und Objektivität der abzugebenden Gewinneinschätzungen.
Die potentiellen Nutzniesser eines Informationsvorsprunges sind in den Bereichen Handel, Market Making und Sales anzutreffen. Für den Bereich Handel und Market/Making besteht das Konfliktpotential darin, dass im Wissen um Research-Studien bereits frühzeitig eigene Handelspositionen aktiv auf- oder abgebaut werden können. Eine Insiderproblematik besteht im Sales-Bereich insofern, als dass sie für den Verkauf von Neuigkeiten zuständig sind. Ein weiterer Konflikt besteht auf Seite der Researchabteilung, welche direkten Einfluss auf die Bewertung von Wertpapieren nehmen kann. Es liegt Nahe, dass Analysten Interesse daran haben, ihre eigenen Anlagen zu empfehlen um dadurch den Kurs positiv zu beeinflussen.
Externe Konflikten resultieren hauptsächlich durch das Angewiesensein auf Informationen von Unternehmen. Analysten erhalten diese Informationen von den Gesellschaften nur, wenn gute Empfehlungen abgegeben werden. Objektive Beurteilungen, die zu einer tieferen Einstufung führen, ziehen nach sich, dass in der Zukunft wahrscheinlich nur spärliche Informationen von der entsprechenden Unternehmung zu erhalten sind.. Um dieses Problem zu lösen besteht im Interesse erhöhter Transparenz die Forderung, dass Gesellschaften die Pflicht haben Analysten zu empfangen (CARL und CHARPILLOZ, 2002).
Die Schweizerische Bankiersvereinigung hat sich dieser Problematik angenommen und eine Arbeitsgruppe „Finanzanalyse“ ins Leben gerufen, welche strengere Vorschriften und Rahmenbedingungen ausarbeiten sollen.
Das Ziel dieser Arbeitsgruppe ist die operative und organisatorische Trennung zwischen Research-Abteilung und den übrigen Geschäftsbereichen. Im Mittelpunkt der Diskussion steht das Konzept der Chinese Walls.
2 Definition und Problem der I/B/E/S-Gewinnschätzungen
Die Daten, die in dieser Untersuchung verwendet werden, basieren auf den jährlichen Vorher- sagen der Gewinneinschätzungen für die Aktienmärkte USA, Schweiz, Deutschland Europa, England und Japan. Im Speziellen werden die sogenannten „earnings per share“ (EPS) analy- siert.
2.1 Definition der I/B/E/S Gewinnschätzungen
Die von I/B/E/S zur Verfügung gestellten Daten sind folgendermassen zusammengesetzt: Einerseits aggregieren sich die Schätzungen aufgrund der „Bottom-up“-Schätzungen der Analysten und andererseits aufgrund von „Top-down“-Bewertungen von Marktstrategen. Am Beispiel der EPS für den S&P500 errechnet I/B/E/S die Konsensusschätzungen wie folgt:
S&P500*(average of the P/E - Ratio)
wobei die „Price/Earnings-Ratio“ kalkuliert wird aus den totalen „earnings“ der 500 im Index enthaltenen Firmen, dividiert durch die totale Marktkapitalisierung aller 500 Unternehmen.
2.2 Probleme der I/B/E/S Gewinnschätzungen
Unglücklicherweise sind die Faktoren nicht auf Basis derselben EPS berechnet worden. Der „Bottom-up“-Approach berücksichtigt in seinen EPS Schätzungen Einnahmen der laufenden Operationen und vernachlässigt transitorische Verluste oder Gewinne, während „Top-down“- Betrachtungen Einnahmen der laufenden Periode und die transitorischen Grössen miteinbe- zieht.
I/B/E/S trägt dieser Diskrepanz Rechnung, indem sie ihre Zahlen aufgrund der Schätzungen festlegt, die eine Mehrheit der Analysten mit ihrer Prognose erfüllen werden. SKANTZ und PIERCE (2000) konnten in ihrer Untersuchung zeigen, dass gewisse Analysten Vorkommnisse, die einen Unternehmensgewinn schmälern, in ihre Schätzung einpreisen und dementsprechend tiefere Werte für die Schätzung angeben, und andere Analysten ihre Gewinnschätzungen genau gleich lassen, obwohl sie von gewinnschmälernden Investitionen wissen. Dies führt systematisch zu verzerrten Werten, was sich durch symptomatisch übertriebene Werte ausdrückt und Konsensuseinschätzungen tendenziell zu positiv ausfallen lässt.
Ein weiteres Problem sind die variablen Gewinneinschätzungen. Teilweise werden Vorhersagen bereits über zwei Jahre im voraus abgegeben, womit eine objektiv richtige Einschätzung nur schwer zu erreichen ist und systematisch wieder angepasst werden muss. DARROUGH (2000) konnte in seiner Untersuchung zeigen, dass EPS, die aufgrund des „Top-Down“- Ansatzes gemacht wurden, ein volatileres Verhalten an den Tag legten als „Bottom-up“ Einschätzungen. Dies impliziert, dass der erstere Ansatz mit seinen zahlreichen Variablen eine inhärent schwierigere Bewertungsweise darstellt, als der „Bottom-up“-Approach.
Nach der Darstellung der Bewertungsansätze und der möglichen Interessenskonflikte muss die implizite Schlussfolgerung sein, dass die in I/B/E/S als Konsensusschätzung vorliegenden Gewinnschätzungen verzerrt sein müssen und keinerlei Aussagekraft haben. Die Vermutung liegt Nahe und wird deshalb in den nächsten beiden Abschnitten für ausgewählte Industrie- länder untersucht. Für den amerikanischen Aktienmarkt konnten EASTERWOOD und NUTT (1999) in ihrer Analyse der „consensus earnings forecasts“ zeigen, dass diese systematisch verzerrt waren und Analysten auf negative Informationen eher weniger stark reagierten haben als auf positive Meldungen. Zum selben Ergebnis kam auch BROWN (1996) in seiner Studie über „forecasting errors“. Für Europa liegt noch keine entsprechende Untersuchung vor. Diese Arbeit soll deshalb für ausgewählte Märkte erste Indizien dafür liefern, ob die für Amerika vorliegenden Resultate auch für europäische und asiatische Märkte gelten.
3. Datenbeschreibung und Darstellung der Analyseverfahren
3.1 Selektion der Stichprobe
Die Daten, die in dieser Arbeit untersucht werden, basieren auf Gewinneinschätzungen für die Aktienmärkte USA, Schweiz, Deutschland Europa, England und Japan. Die Daten wurden von der Economic Research & Consulting der Credit Suisse zur Verfügung gestellt und erstrecken sich für jedes zu untersuchende Land über einen Zeitraum von 15 bis 18 Jahren auf monatlicher Basis und für Makroökonomische Grössen auf Basis von vierteljährlichen Be- trachtungen.
Die Untersuchung hat zur Aufgabe, aufgrund von linearen Schätzmethoden die wichtigsten quantitativen Grössen und statistischen Kennzahlen wie Streuungsmasse und Erwartungswerte, für die „EPS realized“ und die „EPS forecasts“ zu ermitteln. Die quantitative Auswertung legt ihr Augenmerk weiter auf etwaige Zusammenhänge zwischen Gewinnveränderungen und Konjunkturindikatoren, wie auch auf die Korrelationen zwischen Schätzfehlern und Konjunkturgrössen. Um Vermutungen und Hypothesen hinsichtlich der Verzerrung von Gewinneinschätzungen zu überprüfen, wird in dieser Untersuchung ein t-Test verwendet.
3.2 Die Vorgehensweise bei der empirischen Untersuchung
Als erstes wurden für jeden zu untersuchenden Aktienmarkt mit dem Statistikprogramm E- views lineare Schätzungen durchgeführt, um einen ersten Eindruck über den Datengehalt und die Erklärungsgüte der Zeitreihen zu erhalten. Es ist dabei zu erwähnen, dass die Koeffizien- ten je nach betrachteter Zeitperiode variieren können und je nach zur Verfügung stehender Zeitreihe ein mehr oder weniger objektives Bild für die Schätzung der Alphas und Betas wie- dergegeben wird. Die Aussagekraft der Alphas und Betas wird an dieser Stelle insofern disku- tiert, als dass bei exakter Prognosefähigkeit Alpha einen Wert von Null annehmen und das Ergebnis für den Betakoeffizienten gleich eins sein müsste. Die Problematik der Alpha- und Betaschätzung ist nach ZIMMERMANN (2000) in empirischen Studien immens Es ist zu beden- ken, dass die errechneten Werte alle auf historischen Werten basieren und deshalb keine fort- dauernde Aussage für die Zukunft gemacht werden kann. Dennoch werden sie in dieser Un- tersuchung herangezogen, um eine Beurteilung darüber abzugeben, wie gross der systemati- sche Fehler der Schätzungen ist. Die Zeitreihen in dieser Studie reichen mehr als 10 Jahre zu- rück, so dass die errechneten Regressionsgleichungen als einigermassen valide betrachtet werden können.
Für die Schätzung wurden die Veränderung der „EPS forecasts“ auf die Veränderungen der „EPS realized“ regressiert. Das Delta, was die Veränderungsrate symbolisiert, definiert sich deshalb als:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auf Basis dieser Gleichung wurden für die ausgewählten Aktienmärkte Regressionen ge- schätzt. Tabellarisch wurden die errechneten Werte für jeden Markt zusammengetragen, so dass sie einander gegenübergestellt und Vergleiche gezogen werden konnten. Quantitativ wurde untersucht, ob ein signifikanter Einfluss auf die realisierten EPS Verände- rungen vorlag.
Im Kontext der Regressionsanalyse wurden weitere Schätzungen vorgenommen. Als weitere Betrachtung wurden Schätzfehler auf die Konjunktursensitivität hin analysiert. Dabei definiert sich der Konjunkturzyklus als die jährliche Zuwachsrate des Bruttoinlandproduktes (BIP) und der Schätzfehler als:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Schätzfehler berechnen allein genügt jedoch noch nicht, um Aussagen über Sensitivitäten zu machen. Es wurden deshalb Korrelationen zwischen Schätzfehler der 12-Monats-EPS- Schätzungen und den Konjunkturzyklen analysiert.
Als dritte Untersuchungsgrösse interessierte das Konvergenzverhalten von EPS Schätzungen im Zeitablauf.
Die Arbeit untersucht die Abweichungen 24-, 12-, 6- und 3-Monate vor dem „earnings re- lease“, wobei der Endstand der EPS jeweils der Februar-Wert des darrauffolgenden Jahres gemäss I/B/E/S-Definition darstellt.
Um das Konvergenzverhalten zu analysieren, definieren wir den Fehler wie folgt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ländervergleiche lassen sich am Besten in tabellarischer Form ziehen. Die quantitativ ermittelten Grössen werden deshalb in Abschnitt 4.3 in einer Tabelle dargestellt.
3.3 Darstellung der Regressionsanalyse und des Hypothesentests
Als geeignetes Analyseinstrument für lineare Schätzungen empfiehlt sich die Regressionsanalyse und damit verbunden das Testen der Koeffizienten auf deren Signifikanz. Als Grundlage für die Überprüfung der in dieser Arbeit bisher dargelegten Theorie , bietet sich der Hypothesentest an. Die zwei verwendeten Analyseverfahren werden deshalb kurz vorgestellt.
Die Regressionsanalyse dient der Analyse von Beziehungen zwischen einer abhängigen, einer sogenannten endogenen Variablen und einer oder mehreren unabhängigen (exogenen) Variablen. Verwendet die Regressionsgleichung mehr als eine unabhängige Variable, so spricht man von einer multiplen Regression.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Durch die Regression sollen einerseits Zusammenhänge zwischen abhängiger und unabhängiger Variablen erkannt und erklärt werden, andererseits dient sie der Prognose und Schätzung der abhängigen Variable (BACKHAUS et al 1996).
Bei diesem Verfahren ist wichtig, dass sowohl abhängige, wie auch die unabhängige Variable metrisch skaliert sind.
Bevor mit der Analyse begonnen wird, ist es von zentraler Bedeutung, die abhängige wie auch die unabhängigen Variablen zu identifizieren.
Die Veränderung in den realisierten EPS stellt dabei die abhängige Variable und die Veränderung in den I/B/E/S Schätzungen die unabhängige Variable dar.
Die Gewinneinschätzungen unterstehen wie eingangs gezeigt einer Vielzahl von Einfluss- grössen. Es würde sich deshalb eine multiple Regression anbieten. Um jedoch nur den Ein- fluss einer einzelnen Variablen zu zeigen, wird in dieser Arbeit das einfache lineare Regressi- onsmodell verwendet.
Um die jeweilige Wirkung der unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable vergleichbar zu machen, berechnet man die standardisierten Regressionskoeffizienten, die sogenannten Beta-Koeffizienten.
Dazu werden alle Variablen normiert, d.h. die Variablen werden so umgerechnet, dass ihr Mittelwert über alle Ausprägungen gleich 0 und ihre Varianz gleich 1 ist. Die Standardisierung wird vorgenommen durch:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aus dieser Gleichung lässt sich nun der Beitrag der einzelnen unabhängigen Variablen zur Erklärung der abhängigen Variablen unmittelbar an den Beträgen der Beta-Koeffizienten ablesen. Die Standardisierung hat allerdings zur Folge, dass die Werte der abhängigen Variablen in ihrer Rohdatendimension nicht mehr geschätzt werden können.
Als Gütemass für die gesamte Schätzung des Models verwendet man das Bestimmtheitsmass R2 . Das R2 zeigt, wieviel der Streuung durch die Regressionsgerade erklärt wird - im Prinzip eine Masszahl, die das Verhältnis von erklärter Streuung zur gesamten Streuung wiedergibt. Erklärt das Modell die gesamte Streuung, so nimmt das R2 einen Wert von 1 an, erklärt das Modell jedoch keine der Einflussgrössen, so strebt das Gütemass gegen Null. Das Bestimmtheitsmass liegt also zwischen 0 und 1.
Leider wird das R square von der Anzahl der unabhängigen Variablen beeinflusst, was ein höheres R2 zur Folge hat. Dieser unerwünschte Einfluss wird beim korrigierten Bestimmtheitsmass, dem „Adjusted R square“ berücksichtigt.
Um zu prüfen, ob sich das Bestimmheitsmass nur aufgrund zufälliger Einflüsse ergeben hat oder aber eine Veränderung der abhängigen Variable auf die Veränderung der unabhängigen Variablen zurückzuführen ist, werden die Aktienmärkte in dieser Studie mit einem Hypothesentest untersucht. Auf Basis eines t-Tests werden die aufgestellten Hypothesen analysiert. Die t-Verteilung ist durch spezielle Eigenschaften charakterisiert. T-Verteilungen sind symmetrisch und besitzen einen Erwartungswert von E[t(m)] = 0. Dabei stellt (m) den ŧWert in Abhängigkeit von der Anzahl an Freiheitsgraden (m) dar.
Um eine Verteilung zu definieren bedarf es weiterer Momente. Das 2. Moment, die Varianz, ist bei der t-Verteilung definiert durch var[t(m)] = m/(m-2), wobei die Freiheitsgrade die Anzahl unabhängiger Variablen darstellen (Hill 2001, 92ff).
In der simplen Regressionsanalyse liegt eine einzige unabhängige Variable vor, und deshalb wird bei der Bestimmung des kritischen t-Wertes (tc) nur 1 Freiheitsgrad von der Anzahl der Beobachtungen abgezogen.
Der kritische Wert gibt Auskunft darüber, ob eine aufgestellte Hypothese verworfen werden kann oder ob sie angenommen wird.
Werden Hypothesen getestet, so wird die kleinste quadrierte Abweichung von der Regressi- onsgeraden gesucht (= b2). Im Fachjargon sprechen Ökonometriker vom OLS-Schätzer (ordi- nary least square) oder von der „Kleinsten Quadrate Methode“. Weiter wird die Standardabweichung benötigt, um den entsprechenden t-Wert berechnen zu können. Liegen diese Werte vor, kann eine Konklusion über das Verwerfen oder Annehmen der Hypothese gezogen werden.
Bei der Durchführung des Hypothesentests ist es unabdingbar, folgende 4 Schritte der Reihe nach durchzuführen:
1. Schritt: Aufstellen der Null-Hypothese. Ho
2. Schritt Aufstellen einer alternativen Hypothese, H1
3. Schritt Durchführen der Teststatistik
4. Schritt Bestimmung des kritischen Wertes
Die Nullhypothese spezifiziert dabei den Wert des Parameters und wird in der Regel folgendermassen dargestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine Aussage lässt sich machen, wenn der berechnete Wert mit dem kritischen Wert (tc )auf Basis eines bestimmten Signifikanzniveaus verglichen wird. Normalerweise wird eine Irr- tumswahrscheinlichkeit von 1%, 5% oder 10% verwendet. Ist t ≥ tc oder t ≤ tc , wird die Ho abgelehnt.
4. Auswertung und Analyse der Daten
4.1 Ergebnisse für die Untersuchung der rollenden 12-Monatsprognosen
Für die Mehrheit der untersuchten Indizes konnte gezeigt werden, dass die rollenden 12- monats Prognosen die tatsächlichen EPS- Schätzungen vorhersagen können. Die Resultate beruhen auf Regressionsanalysen für folgende Grössen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Statistische Kennzahlen für ausgewählte Indizes Quelle: eigene Berechnung
Die Werte in Tabelle 1 zeigen, dass eine Regression der geschätzten EPS auf die realisierten EPS relativ hohe Bestimmtheitsmasse aufweisen. So kann zum Beispiel für den S&P500 gezeigt werden, dass die I/B/E/S Schätzungen die tatsächlichen Gewinne mit 89.24% richtig vorhersagen, respektive fast 90% Streuung durch Vorhersagen erklärt werden können. An zweiter Stelle folgt der DAX mit 87.42% gefolgt vom FTSE100 mit 52.51%. Weniger gut sieht die Aussagekraft für den Topix und den MSCI Europe aus. Für diese Indizes scheint die Datenlage noch nicht ausgereift zu sein und eine richtige Einschätzung der Gewinne wird nur mit 19.11% und 34.35% erreicht. Die Schweiz liegt mit einer erklärten Streuung der Gewinne mit 43.27% an der Grenze zu signifikanten Gewinnschätzungen.
Die relativen Standardabweichungen bewegen sich in einer Schwankungsbreite von 17% bis 52% vom Mittelwert, wobei der TOPIX den Spitzenplatz in der Abweichung einnimmt, gefolgt vom DAX mit rund 39% und dem S&P500 mit 35%. Der SMI und der FTSE100 weichen mit 17% und 19% vom Erwartungswert ab. Der MSCI Europe bewegt sich im Mittelfeld mit 25% Schwankung um den Mittelwert. Tabelle 1 zeigt die absoluten Abweichungen von den geschätzten wie auch realisierten EPS.
Betrachten wir die systematischen Fehler, so lässt sich erkennen, dass Alpha bei keiner Reg- ressionsgleichung gleich Null ist und die perfekte Prognosefähigkeit in Frage gestellt werden muss.
Die durchgeführte Regression bringt zwar hohe Bestimmtheitsmasse jedoch auf Kosten der Residuen. Der Durbin-Watson Test 1 zeigt für alle Indizes hohe Autokorrelation mit Werten zwischen 0.02 und 0.10. Für normalverteilte unabhängige Zufallsfehler müsste der DurbinWatson Test einen Wert von 2 annehmen. Dies lässt vermuten, dass die Regression noch nicht das gewünschte Resultat bringt.
Um das Autokorrelationsproblem zu lösen, werden in einer zweiten Analyse die Veränderungsarten der I/B/E/S-EPS auf die Veränderungsrate der realisierten EPS regressiert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Werte für die Regression der Veränderungsraten Quelle: eigene Berechnung
Tabelle 2 zeigt die Werte nach Durchführung der Regression. Es zeigt sich, dass bei der Betrachtung der Veränderungsraten die Erklärungsgüte für die Vorhersage der tatsächlichen EPS Veränderungen abnimmt. 25% der Gewinnveränderungen werden für den SMI erklärt, gefolgt vom DAX mit 5.78% vor dem S&P500 mit 5.3%. Keine Erklärungsgüte scheint der TOPIX und der MSCI Europe zu haben. Die realisierten Veränderungsraten werden durch die Veränderungsraten der geschätzten „EPS forecasts“ nahezu gar nicht erklärt.
Das Autokorrelationsproblem konnte verbessert werden. Der Durbin-Watson Wert zeigt nun Werte zwischen 0.64 und 2.34.2
Der systematische Fehler reduzierte sich ebenfalls. Für Alpha ergeben sich nun Werte zwischen 0.001 und 0.03, was Nahe am Idealzustand von Alpha = Null liegt.
Der Betakoeffizient, der idealerweise 1 für perfekte Prognostizierbarkeit annehmen müsste, wird bei keiner der Regressionen erreicht. Es stellt sich somit die Frage nach der Signifikanz der untersuchten Variablen.
Mit Hilfe von Hypothesentests lässt sich eine Untersuchung auf signifikante Koeffizienten durchführen. Die Vermutung liegt Nahe, dass die tatsächlich realisierten Werte nicht durch I/B/E/S-EPS Schätzungen vorhergesagt werden können.
Die dieser Studie für diesen Punkt zu Grunde liegende Nullhypothese wurde deshalb wie folgt definiert:
Ho: Die Veränderungsraten der I/BE/S Schätzungen können die tatsächlichen Veränderungen der realisierten EPS nicht erklären. gegen
H1: Die Veränderungsraten der I/BE/S Schätzungen erklären die tatsächlichen Veränderungen der realiserten EPS.
⇒ Ho: ß1 = 0 gegen H1: ß1 ≠ 0
Unter Verwendung einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% und der Durchführung der unter Abschnitt 3.4 dargestellten Schritte kann gezeigt werden, dass die Vorhersagen für Amerika, Deutschland, England und die Schweiz signifikant sind. Die aufgestellte Nullhypothese wird abgelehnt und die Gegenhypothese H1 wird angenommen.
[...]
1 Vgl. dazu Anhang A, Abbildungen 1 bis 6
2 Vgl. dazu Anhang A, Abbildungen 9 bis 15.
- Quote paper
- Lic.rer.pol. Oliver Riberzani (Author), 2002, Qualität und Zuverlässigkeit von EPS-Schätzungen für Aktienmärkte ausgewählter Industrieländer, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139464
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