Im Zusammenhang mit der Forderung, es müsse die wirkliche Welt ins Klassenzimmer getragen und die außerschulische Wirklichkeit in den Unterricht integriert werden, fällt oftmals das Wort "authentisch", welchem als Kriterium bei der Auswahl von Lernmaterialien und Strukturierung unterrichtlicher Kommunikation eine entscheidende Bedeutung beigemessen wird. Authentische Texte seien motivationsfördernder als ihre didaktisch aufbereiteten Gegenstücke in den traditionellen Lehrwerken, ein authentischer situativer Kontext gilt mittlerweile fast als ein Muss, um Schüler adäquat auf den "Ernstfall" realer Sprachanwendung mit einem native speaker vorzubereiten, authentische soziale Interaktionen als notwendig, um die Sprachkompetenz aufzubauen. Fast kein Lehrer gestaltet heutzutage guten Gewissens seinen Unterricht, ohne zumindest punktuell etwas von dem einzusetzen, dem gemeinhin der Stempel authentisch aufgedrückt wird. Hier kommen vielerlei Pressetexte genauso zur Anwendung wie Gedichte, Werbung, Aufzeichnungen von Radio- und Fernsehprogrammen, sowie dem oft bemühten Koffer voller Realien, welcher von der Tafel Cadburys über Walkers Crisps bis hin zu Earl Grey Tea eben jene Gegenstände enthält, die besonders häufig mit dem Partnerland assoziiert werden.
Das Problem, was denn nun eigentlich die Klassifikation "authentisch" verdient, wird in dieser Arbeit ebenso thematisiert wie die Bedeutung von Authentizität für das autonome Lernen und die Frage ob, wie und in welchem Maße sie unterrichtlich verwirklicht werden kann. Hier bietet sich eine nähere Betrachtung des bilingualen Unterrichts an, dem sehr häufig attestiert wird, dass er durch seine Struktur und Inhalte eben jene Forderung nach Authentizität der Kommunikation und der Materialien erfüllt. Ob und mit welchen Mitteln er das tut bzw. welche Probleme dabei auftreten können, wird im Folgenden untersuchet. Dabei werden sowohl grundlegende Techniken im Umgang mit authentischen Lernmaterialien vorgestellt als auch wird der Frage nachgegangen, inwieweit sich unvermeidbare Faktoren wie eine Bewertung der schülerischen Leistungen oder die Korrektur von Fehlern auf Authentizität auswirken.
Inhalt
1. Einleitung
2. Konstruktivistische Prinzipien und autonomes Lernen
3. Was bezeichnet der Begriff authentisch ?
4. Die Rolle der Authentizität im autonomen Lernkontext
5. Kognitive Lerntheorie, Authentizität und bilingualer Unterricht
6. Organisation und Charakteristika der bilingualen Methode
7. Authentizität der Kommunikation(ssituation) und der Sprache
8. Techniken für den Umgang mit authentischen Texten
9. Der Einfluss von Sprachmischung, Leistungsbewertung und Fehlerkorrektur auf Authentizität
10. Schlussbemerkungen
Bibliographie
1. Einleitung
Immer häufiger vernimmt man die Forderung, es müsse die wirkliche Welt ins Klassenzimmer getragen und die außerschulische Wirklichkeit in den Unterricht integriert werden. In diesem Zusammenhang fällt oftmals das Wort authentisch, welchem als Kriterium bei der Auswahl von Lernmaterialien und Strukturierung unterrichtlicher Kommunikation eine entscheidende Bedeutung beigemessen wird. Authentische Texte seien motivationsfördernder als ihre didaktisch aufbereiteten Gegenstücke in den traditionellen Lehrwerken, ein authentischer situativer Kontext gilt mittlerweile fast als ein Muss, um Schüler adäquat auf den ‘Ernstfall’ realer Sprachanwendung mit einem native speaker vorzubereiten, authentische soziale Interaktionen als notwendig, um die Sprachkompetenz aufzubauen. Fast kein Lehrer gestaltet heutzutage guten Gewissens seinen Unterricht, ohne zumindest punktuell etwas von dem einzusetzen, dem gemeinhin der Stempel authentisch aufgedrückt wird. Hier kommen vielerlei Pressetexte genauso zur Anwendung wie Gedichte, Werbung, Aufzeichnungen von Radio- und Fernsehprogrammen, sowie dem oft bemühten Koffer voller Realien, welcher von der Tafel Cadburys über Walkers Crisps bis hin zu Earl Grey Tea eben jene Gegenstände enthält, die besonders häufig mit dem Partnerland assoziiert werden.
Das Problem, was denn nun eigentlich die Klassifikation authentisch verdient, soll in dieser Arbeit genauso thematisiert werden wie die Bedeutung von Authentizität für das autonome Lernen und die Frage ob, wie und in welchem Maße sie unterrichtlich verwirklicht werden kann. Hier bietet sich eine nähere Betrachtung des bilingualen Unterrichts an, dem sehr häufig attestiert wird, dass er durch seine Struktur und Inhalte eben jene Forderung nach Authentizität der Kommunikation und der Materialien erfüllt. Ob und mit welchen Mitteln er das tut bzw. welche Probleme dabei auftreten können, ist im folgenden zu untersuchen. Dabei sollen sowohl grundlegende Techniken im Umgang mit authentischen Lernmaterialien vorgestellt als auch der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich unvermeidbare Faktoren wie eine Bewertung der schülerischen Leistungen oder die Korrektur von Fehlern auf Authentizität auswirken.
Der Vollständigkeit wegen möchte ich zunächst aber auf die theoretische Fundierung autonomen Lernens, auf den Konstruktivismus und die konstruktivistische Lerntheorie, eingehen. Dies erscheint mir vor allem deshalb sinnvoll, weil er als philosophische Basis für die Lernerautonomie auch gleichzeitig den Ursprung für die Forderung nach dem Kriterium Authentizität darstellt und ihre Notwendigkeit theoretisch zu begründen weiß.
2. Konstruktivistische Prinzipien und autonomes Lernen
Die Grundthese, auf welcher die Philosophie des (radikalen) Konstruktivismus fußt, trifft die Aussage, dass der Mensch auf der Grundlage seines ständigen Modifikationen unterworfenen Erfahrungswissen und der individuellen Auseinandersetzung mit der Umwelt immer seine eigene Wirklichkeit aufbaut. Demnach gibt es keine objektive Wirklichkeit, die von allen Menschen gleich wahrgenommen wird, sondern sie ist vielmehr ausschließlich als etwas Subjektives denkbar, als etwas, das in der einzelnen Person geschaffen wird und nicht losgelöst von ihr existieren kann. Der Mensch wird als selbständiges System begriffen, welches sich seine Realität anhand der über den Sinnesapparat wahrgenommenen Phänomene eigenständig konstruiert und insofern geschlossen funktioniert, als es nicht gemäß eines ‘Reiz®Wirkung Prinzips’ von der Außenwelt zielgerichtet beeinflusst werden kann. Es ist nicht dazu in der Lage, aus den Impulsen der Umwelt unmittelbare Informationen zu ziehen, da ein Erwerb von Wissen immer nur dann geschieht, wenn die kognitive Realität durch einen unerwarteten Widerstand (Wissen, das noch nicht konstruiert wurde) verändert und dementsprechend eine neue Wirklichkeit erschaffen wird.
“Es gibt also nach Auffassung des Konstruktivismus keine objektiv erfassbare Wirklichkeit, die unabhängig vom wahrnehmenden Menschen existiert. Die Wirklichkeit wird immer durch den Menschen geschaffen und existiert deshalb nur subjektiv in seinem Gehirn. (...) Konstruktivistische Lerntheorien sind Wissenserwerbstheorien. Es gilt das Grundprinzip: Lernen = Wissenserwerb = Konstruktion. Wissen kann nur dann als gelernt gelten, wenn es vom Lernenden konstruiert worden ist.“[1]
Lernprozesse werden also ausschließlich vom Lerner selbst kontrolliert und können nur dann als solche bezeichnet werden, wenn das subjektive Konstrukt mit den Vorerfahrungen und dem bereits gewonnenen Wissen verbunden werden kann. Durch diesen Vorgang wird es permanent verändert und umstrukturiert. Die Annahme, dass der Konstruktionsvorgang lernergesteuert abläuft und dessen Vorwissen zur Grundlage hat, erklärt die Pluralität von Lernergebnissen selbst bei solchen Personen, die unter gleichen äußeren Bedingungen gelernt haben. Wenn der Mensch sein Lernen und damit seine Wirklichkeit bzw. sich selbst autonom organisiert und sich in diesem Prozess nicht wesentlich von außen beeinflussen lässt, müsste nicht nur der Schluss nahe liegen, dass so viele Arten von Wirklichkeit existieren wie es Lerner gibt, sondern es liegt - bei oberflächlicher Betrachtung - auch den Schluss nahe, dass „der Mensch als in sich geschlossenes System“[2] auf den sozialen Kontext theoretisch verzichten könnte. Dies trifft jedoch keineswegs zu, ist es doch gerade die Interaktion mit anderen Menschen, die - wenn sie von sich aus auch keinen direkten Lernprozess in Gang setzen kann - dazu benötigt wird, die Gültigkeit der eigenen Weltkonstruktion zu überprüfen und Defizite und Divergenzen gegenüber anderen Wissensschemata aufzuzeigen. Bei dem Ausgleich dieser Unterschiede findet ein Lernprozess statt.
Die einzige Beeinflussungsmöglichkeit liegt demnach in der sozialen Interaktion, die dem Lerner ‘Material’ zur Verfügung stellt, um neues Wissen zu konstruieren und ihm trotz ihres ‘Unvermögens’ der direkten Einflussnahme auf den Lernprozess doch eine Hilfestellung bietet, seine eigene Theorie von der Welt zu entwickeln. Zusammenfassend stellt sich die konstruktivistische Lerntheorie wie folgt dar: „Lernen ist ein vom Lerner eigenständig gesteuerter Konstruktionsprozess, der auf dem individuellen Lernerwissen aufbaut und daher zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Er ist eingebettet in soziale Kontexte, die Interaktion mit anderen ist von großer Bedeutung. Es ist ein Produkt der Selbstorganisation des Lernenden und kann nur in Eigenverantwortung durchgeführt werden.“[3]
Wenn eigenes Lernen selbständig in die Hand genommen werden soll, bedeutet dies für die schulische Praxis vor allem, dass in ihrem Rahmen der autonome Lerner dazu befähigt wird, seine Lernziele und -inhalte sowie die ihm gemäßen Arbeitstechniken selbst zu bestimmen. So erscheinen z.B. die minutiös festgelegten Lerninhalte der Lehrwerken des traditionellen Fremdsprachenunterrichts, welche in Form einer festen Progression aufeinander aufbauen, nicht geeignet, um neues Wissen zu konstruieren, da sie in ihrer Festgelegtheit und Unflexibilität oftmals am subjektiven Wissen des autonomen Lerners vorbeizielen und dieser den neuen Inhalt nicht in das bereits vorhandene Wissen einfügen kann. Statt einer punktuellen Auswahl von Lerninhalten sollte vielmehr der Akzent auf eine komplexe, die ganze Bandbreite eines Gebietes abdeckende Darstellung gelegt werden, etwa durch den Einsatz von (nicht ausschließlich vom Lehrer ausgewählten) authentischen Lernmaterialien, die durch die komplexe Behandlung bzw. Repräsentation eines Lerninhalts im Idealfall den Schüler dazu befähigen, sein bisheriges Wissen zur Konstruktion und Integration des neuen Lerninhalts zu nutzen.
Dass konstruktivistische Lernprinzipien sich im schulischen Kontext - wenn auch nicht überall im Schulalltag - manifestieren, macht ein Blick in die Richtlinien deutlich, wo es heißt: „Eine entscheidende Rolle im Umgang mit authentischen Texten spielt die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler bei der Auswahl der Texte und der Gestaltung der Textbearbeitung. Sofern die Schülerinnen und Schüler keinen eigenen Zugang zu englischsprachigen Texten haben, sollten im Englischunterricht Texte von der Lehrerin oder dem Lehrer bereitgestellt werden, damit eine Auswahl erfolgen kann.“[4]
Bevor ich zur Rolle der Authentizität im autonomen Lernen bzw. im bilingualen Unterricht komme, möchte ich zunächst versuchen, die Bedeutung des häufig und in zahlreichen verschiedenen Zusammenhängen verwendeten ‘buzz-words’ authentisch zu sondieren sowie die Komponenten , welche unter diesem Begriff subsumiert werden, schärfer eingrenzen und von denen abheben, die vielleicht authentisch aber nicht unbedingt didaktisch sinnvoll sind. Dies halte ich vor allem deswegen für angebracht, weil mir die Definition authentischer Materialien „als solche, die originär nicht für den schulischen Gebrauch produziert wurden“ als nicht besonders aussagekräftig erscheint und eine genauere Abklärung des Begriffs wünschenswert wäre.
3. Was bezeichnet der Begriff authentisch ?
Authentizität liegt meiner Meinung nach dann vor, wenn Sprache auf die gleiche Weise verwendet wird, wie von einer Person, die sich nicht im Rahmen der offensichtlichen fremdsprachlichen Lernsituation äußert, sondern vielmehr ein wirkliches Kommunikationsanliegen vertritt, das sie verbal oder in schriftlicher Form vermitteln will. Ein Text kann also nur dann als authentisch bezeichnet werden, wenn er auch außerhalb des schulischen Kontexts eine kommunikative Intention verfolgt. Dabei sollte diese in einer angemessenen und natürlichen Sprache präsentiert werden. Ich benutze im Hinblick auf sprachliche Authentizität bewusst den Ausdruck natürlich, da aufgrund der subjektiven Meßlatte für Sprachrichtigkeit selbst bei native speakers die Ansichten darüber auseinanderklaffen, ob ein bestimmter Ausdruck jetzt sprachlich korrekt, in use und appropiate ist, und daher ein Text schnell auf der Basis von persönlichen Einstellungen als unauthentisch abgeurteilt wird, obwohl andere Muttersprachler ihm (mit dem gleichen Recht) einen hohen Grad an sprachlicher Authentizität bescheinigen würden. „Natürlich gibt es da so etwas wie einen „common core“ von allgemein akzeptierter Sprachrichtigkeit. Doch (...) was spielt da nicht alles - vor allem wieviel Subjektives - eine Rolle bei der Entscheidung darüber, ob der Text „accurate“ ist?“[5]
Die Forderung nach Natürlichkeit der Sprache macht vor allem deswegen Sinn, weil durch sie die Qualität eines Textes differenzierter beurteilt werden kann als durch den bloßen Blick darauf, ob er in seiner Quelle und der in ihm vertretenen Sache authentisch ist oder nicht. Ein Text, der gedankliche Stringenz vermissen lässt, schlecht gegliedert ist oder sein Anliegen nicht klar artikuliert und eben dadurch als unnatürlich empfunden wird, wird durch die bloße Tatsache seiner in anderen Punkten vorhandenen Authentizität sicherlich nicht besser und sollte dementsprechend auch nicht eingesetzt werden. Der Gesichtspunkt der Natürlichkeit ändert zwar nichts an der Authentizität eines Textes - auch nicht dann, wenn Textpassagen von einem Muttersprachler zugunsten einer bündigeren, einfacheren oder sprachlich natürlicheren Version umgeschrieben werden - ist aber ein entscheidendes Kriterium bei der Auswahl der Materialien für den Unterricht. Vor diesem Hintergrund verdienen also auch solche Texte das Prädikat authentisch, die aufgrund ihres zu hohen sprachlichen Niveaus, welches dem Wissensstand und Fähigkeiten der Lerngruppe unangemessen ist, von einem native speaker reorganisiert wurden. Für die vorgenommenen Veränderungen gilt allerdings ebenfalls die Prämisse, dass eine Mehrzahl von repräsentativ ausgewählten Muttersprachlern das Material als akzeptabel einstuft, bevor es als authentisch und natürlich bezeichnet werden kann.
„The writers of simplified texts do not need to be great authors: they need only the skill of limiting the vocabulary, idioms and grammatical patterns they use to various prescribed levels, so that the students can have a chance to understand within the limits of what they have already learnt.“[6]
Bei der Vereinfachung oder Kürzung eines Textes, dessen individuelle Beschaffenheit die Grenzen der möglichen Änderungen determiniert, ist jedoch das Augenmerk darauf zu richten, dass er durch den vorgenommenen Eingriff nicht an Wirkung (und damit an Authentizität) verliert. So halte ich es beispielsweise für begründet, die häufig benutzten easy readers Ausgaben von solchen Romanen wie Stevensons Dr. Jekyll and Mr. Hyde oder Austens Pride and Prejudice als authentisch zu etikettieren, da ihre Wirkung primär auf dem Handlungsgang, der Abfolge der Ereignisse bzw. der erzählten Geschichte an sich basiert und sie bei Beibehaltung der story line auch in einer sprachlich vereinfachten und stellenweise gekürzten Variante wohl kaum geschmälert wird. Die simplified edition bietet sich als Lektüre in vielen Fällen eher an als das Original. „The alternative is the old one of tackling original texts when one is linguistically still quite unequipped to understand them, and laboriously working out their meaning with the help of a dictionary and a grammar.“[7]
Problematisch wird es jedoch bei anderen Textsorten, die ihre Wirkung durch die Sprachästhetik oder den elaborierten formalen Aufbau erzielen, wie z.B. im Bereich der Lyrik. Der Effekt eines romantischen Gedichts wie Wordsworths I wandered lonely as a cloud beruht besonders auf dessen verträumter Atmosphäre, die wiederzugeben in einer vereinfachten Version, in der vielleicht neben dem Austausch einzelner Wörter auch ganze Versatzstücke umgestaltet wurden, ein Ding der Unmöglichkeit sein dürfte, diese Variante eo ipso auch sprachlich unauthentisch machte.
Neben schriftlichen Texten werden im Unterricht eine Reihe anderer Sorten, wie z.B. Hör- und Sehtexte verwendet, für die in bezug auf ihre sprachliche Authentizität ebenfalls das bereits zitierte Kriterium der unkünstlichen, realitätsnahen Sprachform gilt, welche bis ins Detail eben jene Facetten beinhaltet, die dafür ausschlaggebend sind, dass der native speaker sie als natürlich empfindet. Dies schließt sowohl die spontane, mündliche Sprache des direkten Gesprächs als auch jene in bereits vorformulierten Texten ein, wie wir sie etwa in Spielfilmen, Nachrichtensendungen, Bahnhofs- und Flughafendurchsagen, Theaterstücken oder in Hörspielen finden.
Das der Gesamtzusammenhang bzw.der Rahmen, in dem Sprache vorkommt, mit darüber entscheidet, ob sie nun angemessen und realistisch verwendet wird, dürfte einleuchten. So wäre der flüssige vortragsähnliche Stil von jemandem, der sich innerhalb eines spontanen Diskurses äußert, genauso unangebracht und unauthentisch wie ein Nachrichtensprecher, welcher seine Satzenden vergisst, syntaktisch unvollständige Äußerungen macht und sich im Laufe seiner Rede selbst korrigiert. Ein guter authentischer Hörtext zeichnet sich also dadurch aus, das er auf der inhaltlichen Ebene das zu behandelnde Thema in seiner komplexen Ganzheit beleuchtet, eine wirkliche kommunikative Intention verfolgt und Sprache so verwendet, wie es ein Muttersprachler unter den gegebenen Rahmenbedingungen erwarten und als natürlich ansehen würde. An keiner Stelle sollte also der native speaker beim Anhören einer Unterhaltung das Gefühl haben, dass das Gespräch in der Realität anders ablaufen würde als auf der Kassette.[8]
Wenn es um Authentizität der Kommunikation im Rahmen des Unterrichts geht, (auf die hier nur kurz eingegangen werden soll, da sie in einem späteren Kapitel ausführlicher behandelt wird), fällt die Abgrenzung authentisch-unauthentisch tendenziell leichter, weil Lernersprache, sofern sie als Vehikel eingesetzt wird, um im Moment der Äußerung real vorhandene Vorstellungen, Meinungen, Gedanken, Wünsche etc. zu artikulieren, eigentlich immer authentisch ist. Entscheidende Bedeutung kommt dabei dem situativen Kontext zu, in dem Sprache verwendet wird. So ist die Äußerung eines Schülers, welche auf einer wirklichen Sprechabsicht beruht, wohl wesentlich authentischer als die innerhalb eines Rollenspiels o.ä., wo zwar in Situationen wie Am Fahrkartenschalter Alltagssprache simuliert und eine wirkliche Sprechabsicht zugrunde gelegt wird, jedoch aufgrund der Unauthentizität der Umgebung - wir befinden uns im Klassenzimmer und nicht an einem englischen Ticketschalter - wohl kaum von jedem Schüler erwartet werden kann, dass er eine wirkliche kommunikative Motivation aufbringt. Wichtig erscheint mir, dass die Situation für den Lerner relevant ist, er sie als für sein Leben bedeutsam ansieht und den Eindruck gewinnt, dass das von ihm Gesagte nicht nur Teil einer Gesprächsroutine sondern von wirklichem Interesse ist. Diese Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit er sich mit seiner Äußerung identifiziert und diese authentisch genannt werden darf. Es sind also nur dann die Bedingungen für Authentizität in der Interaktion gegeben, wenn der Lerner das in Worte kleidet, was er gerade denkt und fühlt, „im Sinne des Reflektierens eigener Gedanken, Vorstellungen, Einstellungen, Gefühle und möglichst angemessener fremdsprachlicher Aussagen darüber.“[9]
[...]
[1] Wolff, D. „Der Konstruktivismus: Ein neues Paradigma in der Fremdsprachendidaktik?“ (1994), S.410ff
[2] ebd., S.415
[3] Wolff, D. (1994), S.416
[4] Richtlinien und Lehrpläne Englisch, Gymnasium / Sekundarstufe I (1993), S.128
[5] Bludau, M. „What is ‘authentic’? (1)“ (1996), S.12
[6] Hill, L. A. „Authenticity in simplified texts“ (1996), S.19
[7] ebd., S.19
[8] Vgl. Fritz, T. „Authenticity RULES OK“ (1997), S.13
[9] Siebold, J. „What is ‘authentic’? - Ein Resümee“ (1997), S.20
- Quote paper
- Marcus Münch (Author), 1999, Authentizität im Autonomen Lernen und ihre Verwirklichung im bilingualen Englischunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139372
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