Dargelegt wird Alasdair MacIntyres Moralphilosophie.
MacIntyre betrachtet die Aufklärung nicht nur als gescheitertes Projekt, mitunter sogar als Katastrophe für die Moralphilosophie. In ihrem Ergebnis sei uns, durch die Aufklärer, eine verwahrloste Sprache der Moral hinterlassen worden. Indem sie das Bezugsschema zerstörten, sei eine Bezugnahme auf den Kontext moralischer Überlegungen nicht mehr möglich.
Unter Berufung auf Aristoteles' Ethik legt MacIntyre einen Gegenentwurf vor.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Kommunitarismus
3 MacIntyres Kritik
4 Aristoteles’ Konzeption
5 Die Tugenden
6 Gerechtigkeit als Tugend
7 MacIntyres Fazit
1 Einleitung
Gegenüber dem mündlichen Vortrag des Referats wurden in dieser schriftlichen Ausarbeitung einige Abänderungen und Ergänzungen vorgenommen. Es handelt sich dabei in erster Linie um Informationen die im Seminar vom Dozenten vorgetragen wurden, aber für das Verständnis von MacIntyres Theorie nötig sind.
Einleitend werden zunächst einige Informationen zum Kommunitarismus als philosophische Bewegung gegeben. Dabei wird auch John Rawls Konzeption kurz wiedergegeben. Dies war von Nöten, da Alasdair MacIntyre sich am Ende seiner Ausführungen explizit auf diese Theorie bezieht. Im Anschluss ist, die ebenfalls vom Dozenten vorgetragene, Kritik MacIntyres zur Aufklärung dargelegt. Schließlich kommt die schriftliche Ausarbeitung des eigentlichen Referats zu den Tugenden des Aristoteles’ und MacIntyres Übertragung auf die moderne amerikanische Gesellschaft. Das abschließe Fazit MacIntyres wurde durch weitere Informationen ergänzt.
2 Kommunitarismus
Der Kommunitarismus ist eine sehr junge philosophische Strömung. Er bildete sich erst zu Beginn der 1980er Jahre als Gegenbewegung zum Liberalismus[1]. Der Liberalismus als Philosophie wiederum erfuhr eine Renaissance durch John Rawls. 1971 publizierte Rawls „Eine Theorie der Gerechtigkeit“, indem er eine explizit liberale Gerechtigkeitstheorie vertrat[2]. Rawls verstand Gerechtigkeit im Sinne von Fairness, auf der Basis eines Kontrakts[3]. Eine zentrale Rolle bei Rawls spielte der sogenannte „Schleier des Nichtwissens“. Nach Rawls müssten sich Beteiligte an einer Wahl zu einem gerechten Gesellschaftssystem hinter einem Schleier des Nichtwissens befinden, um eine gerechte Wahl treffen zu können. Das hieße, sie wären jeglichen Wissens über ihre Rolle in der Gesellschaft, ihre Erziehung, Lebensziele, Neigungen, etc. beraubt. Ihnen verbliebe lediglich die Vernunft, ein Zweckrationalismus und eine elementare Vorstellung von Gerechtigkeit. Wäre eine solche Wahl möglich, so würden die Wähler nach Auffassung Rawls sich zunächst auf einige Grundsätze einigen, die individuelle Freiheiten garantieren[4]. Eine zweite Klasse von Grundsätzen beträfe die gerechte Güterverteilung. Rawls vertrat die Position, dass die Wähler eine gleiche Güterverteilung erwählen würden, da niemand im vorneherein wisse, wie viele der zu verteilenden Güter ihm oder ihr zustehen. Die Beteiligten würden lediglich unter einer Bedingung ein ungleiches Verteilungssystem wählen. Diese Bedingung besagt, dass bei ungleicher Verteilung die am schlechtesten Gestellten immer noch mehr bekommen, als bei einer gleichen Verteilung. Rawls erhob für diese Theorie den Anspruch universeller Gültigkeit[5].
Wie bereits erwähnt bildete der Kommunitarismus einen Gegenpol zur Theorie Rawls. Wenn es sich auch um keine einheitliche Bewegung handelt und Kommunitarismus sich schwer in ein politisches links/rechts Schema einordnen lässt, so ist doch die Kritik am Liberalismus, im besonderen an John Rawls: „A Theory of Justice“, sowie an Kants deontologischer Ethik allen Vertretern dieser Strömung gemein. Des weiteren vertreten sie die Auffassung, dass der gemeinsame historischer Kontext und die Gemeinschaft, die community, die Moral bilden müssen. Eine universelle Gültigkeit irgendeiner ethischen Theorie lehnen sie ab[6].
3 MacIntyres Kritik an der Aufklärung
MacIntyre betrachtet die Aufklärung nicht nur als gescheitertes Projekt, mitunter sogar als Katastrophe für die Moralphilosophie[7]. In ihrem Ergebnis sei uns, durch die Aufklärer, eine verwahrloste Sprache der Moral hinterlassen worden. Indem sie das Bezugsschema zerstörten, sei eine Bezugnahme auf den Kontext moralischer Überlegungen nicht mehr möglich[8].
Ein erster Schritt aus diesem Dilemma, dem oft zitierten Sittenverfall und der Unfähigkeit diesem entgegenzuwirken, sei das Verstehen dieses Zustandes durch studieren der Geschichte, die aber ihrerseits dem Werteverfall unterliege. Daher stelle Geschichtsschreibung keine neutrale Chronik dar. Außerdem sei die oben erwähnte Katastrophe nicht einmal als solche erkennbar, da es sich um einen längere Zeit hinziehenden, komplexen und schwer zu erkennenden Prozess gehandelt habe, den man unterschiedlich deuten könnte.[9]
Scheitern musste die Aufklärung, weil sich ein Widerspruch bildete zwischen den neuen Konzepten von moralischen Vorschriften und den Überzeugungen über die menschliche Natur, welche die Aufklärer vertraten. Der Fehler bestand in der Abwendung vom klassischen Moralsystem, welches Aristoteles in seiner „Nikomachischen Ethik“[10] analysiert hatte, und das von den Scholastikern im Mittelalter durch theistische Elemente ergänzt worden war. Diese Ergänzung habe das ursprüngliche System jedoch nicht beeinflusst.[11]
Nach Aristoteles bestehe ein fundamentaler Unterschied zwischen dem Menschen wie er ist, und dem Menschen wie er sein könnte, wenn er sein wahres Wesen (sein Telos) erkennen würde. Die Ethik befähige den Menschen, den Übergang vom ersten in den zweiten Zustand zu erkennen und zu beschreiten. Diese Dreiteilung werde durch den theistischen Unterbau nicht beeinflusst. Die Liste der Tugenden und Untugenden sei lediglich erweitert worden, außerdem gelten sie als Wort Gottes und Zuwiderhandeln als Sünde. Schließlich könne der Mensch sein Ziel nur noch im Leben nach dem Tod erreichen. MacIntyre hält diese Modifikationen für unbedeutend, da dass Grundkonzept mit dem Menschen wie er ist, wie er sein könnte, wenn er sein Telos erkennen würde und der Tugendethik als Mittler, bestehen bleibe. Es handele sich lediglich um eine doppelte Norm. Auf der einen Seite seien die Handlungsweisen geeignet, dem Menschen sein Ziel erreichen zu lassen, auf der anderen Seite handele es sich um Gottes Gesetz, dass allerdings für die Vernunft einsichtig sei.
Das Problem der Aufklärer bestand nach MacIntyre, in ihrer protestantischen beziehungsweise katholisch, jansenistischen Tradition. Diese Tradition hätte nämlich einen gänzlich anderen Vernunftbegriff. Im Gegensatz zur klassischen Lehre werde die Meinung vertreten, die Vernunft könne seit dem Sündenfall Adams und Evas keine Einsicht in den wahren Telos des Menschen gewähren. Somit fehle der Vernunft die Kraft, unsere Leidenschaft zu korrigieren.[12]
Da nun die Ethik im klassischen Modell als Mittel zum Erkennen des Telos fungiere, diese Möglichkeit, den Telos zu erkennen, aber geleugnet würde, sei der Ethik die Existenzberechtigung entzogen worden. Damit verbunden sei auch das Scheitern der Aufklärer, moralische Gesetze aus der Natur des Menschen zu rechtfertigen. Diese könne man nur aus dem Telos rechtfertigen. Was blieb, seien lediglich Bruchstücke des alten Systems gewesen[13].
In der antiken Gesellschaft sei „Mensch“, so MacIntyre, ein funktionaler Begriff gewesen. Er hatte eine Vielzahl Rollen einzunehmen, er war Familienmitglied, Bürger, etc. Durch den Wandel der Vorstellung während der Aufklärung, hin zum Individuum Mensch, seien diese Rollen weitestgehend verloren gegangen, dadurch habe der Mensch seine Zwecke und Ziele verloren. In der klassischen Auffassung sei „gut“ die Bezeichnung für etwas (unter anderem auch Handlungen und Menschen) gewesen, das seinen Zweck oder sein Ziel erfüllt. Durch die Trennung des Begriffs Mensch von Zwecken oder Zielen sei das Kriterium für einen guten Menschen verloren gegangen.[14]
4 Aristoteles’ Konzeption
MacIntyre sagt von sich selbst, er habe eine unaristotelische Sicht auf Aristoteles. Unaristotelisch ist seine Sicht, da er Aristoteles in einer Tradition stehend betrachte. Aristoteles sei ein Glied in einer Kette von Moralphilosophen, Vorgänger und Nachfolger teilten zumindest einige seiner Auffassungen[15].
Unaristotelisch sei diese Sicht, da Aristoteles selbst kein Verständnis für Geschichte hatte. Aristoteles ist der Auffassung gewesen, die Theorien seiner Vorgänger seien nur Irrtümer und Halbwahrheiten, die er selbst durch seine umfassend richtige Theorie ersetzen musste. Nach MacIntyres Ansicht ist jede Theorie, Moral oder Wissenschaft nur in ihrer Tradition zu rechtfertigen. Wobei spätere Glieder dieser historischen Kette nicht unbedingt Fortschritte sein müssten. Weiter vertritt MacIntyre den Standpunkt, Aristoteles ausgereifte Position befände sich nicht, wie viele Experten meinten, in der Nikomachischen Ethik, sondern in der Eudemischen. Jedoch habe Aristoteles nicht den Anspruch erhoben, die Tugendethik erfunden zu haben, er habe lediglich expliziert, wonach der athenische Bürger implizit lebte.[16]
Nach Aristoteles sei der Stadtstatt die einzige Gesellschaftsform, in der sich die Tugenden vollständig entfalten. Es liege demnach nicht nur am einzelnen, ob er ein gutes Leben führt, auch die Rahmenbedingungen müssten stimmen, sonst sei alles streben umsonst. Das hieße auch, dass der Tugendhafte nur ein Bürger, im antiken Sinne, sein könne. Sklaven und Barbaren könnten, aufgrund ihrer Natur, kein tugendhaftes Leben führen, so sehr sie auch danach streben. Schließlich bedürfe der Bürger auch noch eines gewissen Wohlstandes um sein Ziel des tugendhaften Lebens zu erreichen.
[...]
[1] V. Weber: Tugendethik und Kommunitarismus; Würzburg; 2002; S. 34 ff.
[2] J. Rawls: A Theory of Justice; Harvard; 1971 (im folgenden: Rawls; 1971).
[3] Rawls; 1971; Kapitel 1.
[4] Rawls; 1971; S. 81.
[5] Rawls; 1971; S. 81 ff.
[6] V. Weber: Tugendethik und Kommunitarismus; Würzburg; 2002; S. 34.
[7] Alaisdair MacIntyre: Der Verlust der Tugend; Frankfurt a. M.; 1995; Kapitel 1 (im folgenden: MacIntyre; 1995).
[8] MacIntyre; 1995; S. 76 ff.
[9] MacIntyre; 1995; S. 15.
[10] Aristoteles: Nikomachische Ethik; Berlin; 1956.
[11] MacIntyre; 1995; S. 77/78.
[12] MacIntyre; 1995; S. 78.
[13] MacIntyre; 1995; S. 80.
[14] MacIntyre; 1995; S. 85.
[15] MacIntyre; 1995; S.197.
[16] MacIntyre; 1995; S. 199.
- Arbeit zitieren
- Daniel Brockmeier (Autor:in), 2003, Alasdair MacIntyres Gegenkonzept zum Projekt der Aufklärung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139370
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