Gutachten zur Magisterarbeit für das Lehramt an Grundschulen
im Fachgebiet Sport- und Bewegungswissenschaften der Universität Erfurt
von Herrn Björn Sauer
Thema:
Einsatz von Musik im Sportunterricht
Die von Herrn Björn Sauer vorgelegte Arbeit beschäftigt sich mit einem für den Sportunterricht sehr bedeutsamen, jedoch selten fundiert bearbeitetem Thema. Der Autor schließt mit seiner Schrift fachkompetent und äußerst fundiert eine Lücke in den methodischen Möglichkeiten, die die Musik für den Sportunterricht anbieten kann.
Gliederung und Aufbau sind gut nachvollziehbar, die Auswahl der einbezogenen Teilthemen ist sinnvoll und gut abgestimmt auf die schulsportspezifischen Belange. Neben historischen Passagen findet sich eine sorgfältige Analyse der musikalische Parameter, sowie Beschreibungen zur Wirkung von Musik auf den menschlichen Körper. Sehr positiv hervorzuheben ist die stets kritische Distanz, die der Autor in den Darstellungen durchgängig wahrt und die dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit voll gerecht werden. Kern der Arbeit sind ohne Zweifel die Erörterungen zu wichtigen Funktionen und Kriterien für den verantwortungsvollen Einsatz von Musik im Sportunterricht. Hier spielt der Autor seine Fachkompetenz und sein kritischen Gespür, auch in Bezug auf die Grenzen des Musikeinsatzes, in umfassender Weise aus. Diese Passagen sollten auf Grund ihres Werten unbedingt in Lehrplangestaltungen mit Eingang finden und den Sportlehrern generell zugänglich gemacht werden. Ebenso überzeugen sich anschließende, weiterführende Betrachtungen zur Musik als Ergänzung, Erweiterung, Hilfe und Chance im Alltag Sportunterricht. Zwei Abschnitte zur konkreten Umsetzung, Capoeira und Urbanball, sowie Angaben zu zweckmäßigen Audiogeräten und nützlicher Software, runden die sehr gelungenen Darstellungen ab.
Die Literatur ist auf dem aktuellsten Stand. Zudem pflegt der Autor einen gut lesbaren und wissenschaftlich angemessenen Sprachstil.
GLIEDERUNG
Einleitung
1. Musik und Bewegung in der Geschichte des Menschen und der Pädagogik
1.1 Die Rolle der Musik in der Entwicklung des Menschen
1.2 Die rhythmische Gymnastik von Emile Jaques-Dalcroze
2. Musikalische Parameter und Werkzeuge
2.1 Der Rhythmus
2.2 Beat, Metrum, Takt
2.3 Melodie und Harmonie
2.4 Dynamik
2.5 Sound
2.6 Tonstrukturen: Form, Phrasierung, Artikulation
2.7 Instrumentarien
3. Die Wirkung von Musik auf den menschlichen Körper
3.1 Reize
3.2 Bewegung und Musik als sensumotorische Beziehung
3.3 Einflussmöglichkeiten der Musik auf den Sportler und Schüler
4. Wichtige Funktionen und Kriterien für den verantwortungsvollen Einsatz von Musik im Sportunterricht
4.1 Beziehungsmöglichkeiten von Rhythmus und Bewegung
4.2 Die Funktionen von Musik im Sportunterricht
4.2.1 Backgroundfunktion
4.2.2 Bewegungsstützende Funktion
4.2.3 Bewegungsleitfunktion
4.2.4 Inspirationsfunktion bei Bewegungsgestaltungen Bewegungsspielen und Bewegungsimprovisationen
4.2.5 Strukturierungsfunktion
4.3 Allgemeine didaktische Überlegungen und Anforderungen an den Sportlehrer
4.3.1 Emotionaler und Methodischer Aspekt - der Umgang mit Wirkungen
4.3.2 Die Hörgewohnheiten der Schüler und das Problem der kulturellen Gebundenheit
4.3.3 Die Ermittlung von bpm-Zahlen
5. Die Musik als Ergänzung, Erweiterung, Hilfe und Chance im Alltag Sportunterricht
5.1 Grundformen der Bewegung
5.2 Erwärmung
5.3 Konditionstraining, Krafttraining, Circuit-Training, Stationsbetrieb
5.4 Leichtathletik, Turnen
5.5 Entspannung / Meditation
5.6 Spiele
6. Musik als elementarer Bestandteil im Stoffbereich Gymnastik und Tanz
6.1 Gymnastik
6.2 Tanz
7. Freiräume im Sportunterricht
7.1 Capoeira
7.1.1 Was ist Capoeira
7.1.2 Wie wird Capoeira gespielt
7.1.3 Die Musik und ihre Bedeutung
7.1.4 Die Instrumente
7.1.5 Capoeira in der Schule
7.2 Urbanball
8. Anschaffung zweckmäßiger Audiogeräte und nützlicher Software
8.1 Audiogeräte - Hardware
8.2 Hilfen zur Wiedergabe - Software
Literaturverzeichnis
Anhang
Einleitung:
Der Sport und die Musik, welche, für sich eigens definiert, ein separates Universum bilden, finden im ganzheitlich betrachteten Individuum großflächige Überschneidungen im Gebrauch körperlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten. Um den gemeinsamen Nenner ausfindig zu machen, bedarf es keiner intensiven, wissenschaftlichen Forschung. Bereits beim Blick auf die Begriffswelten wird dieser ersichtlich. So sind beispielsweise „Rhythmus“, „Tempo“ oder „Dynamik“ unmittelbar miteinander verknüpft und beschreiben in der Musik, sowie im Sport ganz ähnliche Prozesse. Als angehender Sport- und eventuell Musiklehrer, sowie sehr engagierter Hobbymusiker, interessieren mich deshalb die Möglichkeiten für einen verantwortungsvollen Einsatz von Musik im Sportunterricht. Diese Arbeit entspringt der Motivation ein Stück Hobby in den Beruf einfließen zu lassen und zwei persönliche Leidenschaften zu addieren. Im Sinne eines fächerübergreifenden Unterrichts und der wieder erstarkenden Fokussierung auf die ganzheitliche Erziehung des Menschen, soll diese Arbeit dazu beitragen, den Leser auf eine engere Vernetzung beider Schulfächer hinzuweisen. Viel zu oft begegnen mir Sportler, als auch Musiker, welche ihre Interessen monopolisiert haben und den berühmten „Blick über den Tellerrand“ nicht wagen, den engen Zusammenhang ihrer Naturen übersehen und mit Scheuklappen behaftet streng in ihren Schubladen denken und handeln. Aber ist ein Pianist oder Gitarrist nicht eigentlich auch ein Sportler an seinem Gerät? Unterliegt das flüssige Spielen einer F-Dur Pentatonik nicht ebenso dem Erlernen eines Bewegungsmusters, wie das Turnen einer Kippe am Reck? Werden dabei nicht nahezu dieselben Pfade der Wahrnehmung, des Nervensystems und der Sinnesorgane benötigt, weil auch Musik, genau wie der Sport auf Bewegung basiert? Und benötigt nicht der Sport, wie auch die Musik, ein Gefühl für Rhythmus und Takt und sind beide nicht gleichwohl mit Emotionen behaftet? Natürlich ist das Ziehen dieser Parallelen keine neue Entdeckung von mir. Auch die ergänzende Kombination von Musik und Bewegung haben eine lange Geschichte, auf die ich speziell im ersten Kapitel eingehen möchte. Dennoch gibt es bisher keine umfassende und vor allem aktuelle Literatur zum Einsatz von Musik im Sportunterricht. Zwar bein]haltet der Lehrplan des Sportunterrichts einige Bewegungsbereiche, die den Einsatz von Musik erfordern, wie zum Beispiel den Tanz, jedoch finden sich bei genauer Betrachtung viel mehr Möglichkeiten der Anwendung. Ob zur Unterstützung der Bewegungsgrundformen oder neuartiger Bewegungskünste - die Anzahl der Sportarten, welche die Musik fundamental benötigen, nimmt immer mehr zu. Durch die rasende Globalisierung wachsen immer wieder unterschiedlichste Musik- und Bewegungskulturen zusammen und werden wieder feiner differenziert - oft auf der Suche nach den neuesten Trends. Das Kapitel Urbanball soll dafür als ein Beispiel dienen. Neue Sportgeräte werden entwickelt und natürlich neue Maßstäbe in der Musikverbreitung gesetzt. Spätestens seit der Entwicklung des Mp3-Players in Hosentaschenformat, welcher einen riesigen Speicherplatz für Musik bietet, hat vor allem der Einsatz von Musik im Freizeitsport einen neuen Stellenwert erreicht. Auch dem Schulsport dürfen solche Entwicklungen nicht verborgen bleiben. Wenn früher ein Problem darin bestand, Kassetten unter erheblichem Zeitaufwand zu überspielen oder Lieder zusammenzuschneiden, so ist es heute deutlich schwieriger den Überblick darüber zu bewahren, was es alles für Musik gibt. Die Aufgabe der Auswahl, welche Musik zu welcher Bewegung passt, kann dem Lehrer schon heute durch technische Hilfsmittel erleichtert werden. Dennoch darf man als verantwortungsbewusster Sportlehrer nicht blind der Technik vertrauen und sollte die Regeln und auch die Gefahren des Musikeinsatzes kennen.
Ziel meiner Arbeit soll sein, die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten von Musik im Sportunterricht, unter Beachtung der Parallelen musikalischer und bewegungstechnischer Strukturen, aufzuzeigen. Dabei soll dem Sportlehrer ein Blick in die Welt der Musik und ihrer Parameter und Werkzeuge gewährt werden, damit er die Zusammenhänge zu seinem Fach erkennt. Ich möchte zudem - über den Bewegungsaspekt hinaus - auf die Wirkungen, auf Chancen, aber auch Gefahren hinweisen, die in der Musik stecken.
Letztendlich soll diese theoretische Arbeit eine Inspiration und Animation für einen bunteren Sportunterricht sein. Den Anspruch auf die Vollständigkeit und die ganzheitliche Abdeckung des Themas „Einsatz von Musik im Sportunterricht“, kann ich mit meiner Arbeit jedoch ebenso wenig erheben, wie unzählige Ratgeber und Lehrbücher neuer Sportarten oder neuer Musik-Bewegungskombinationen dem Anspruch auf Schulsporttauglichkeit genügen.
1. Musik und Bewegung in der Geschichte des Menschen und der Pädagogik
1.1 Die Rolle der Musik in der Entwicklung des Menschen
Schon der Urmensch, dessen Dasein hauptsächlich darin bestand, den Kampf gegen Hunger und Not zu führen, nutze die beschwörende, befreiende Wirkung der Musik, um die Lebensangst zu überwinden. Mit tönendem Bogen, Steinen, Knochenflöten oder Körperschlägen wurde der gespielte Kampf und Tanz mit dem Tier begleitet und das Erlebnis des Jagens und Tötens verarbeitet (vgl. GREDER 1997). Rudolf SCHÄFKE schreibt: „Wie die Völkerpsychologie und Religionswissenschaft in der Magie und dem Dämonenkult eine Vorstufe der Religion erblickt, so stehen Tonzauber, musikalische Dämonie und Mantik am Anfange der Musikästhetik.“ (SCHÄFKE 1964, S. 6) Der Mensch betrat den Weg zu einem zunehmend „höheren“ Wesen. Er wurde zum Ackerbauer und Viehzüchter und nutzte die Stimme nicht einzig und allein zur Verständigung, sondern ebenso als Ausdrucksmittel des seelischen Erlebens. Die Musik stand dabei zu allen Zeiten in enger Verbindung mit dem Glauben. Vielen Berichten nach, wurde gar der Tempel- und Städtebau der alten Ägypter von Musik begleitet, da man ihr eine göttliche Kraft zuschrieb. Seelische und körperliche Krankheiten wurden mit Musik behandelt. Sie galt schon damals als Quelle von Trost und Lebensfreude (vgl. GREDER 1997). Ursprünglich erlebte der Mensch Töne und ihre unberechenbare Auswirkung als geheimnisvolle Kraft der Natur. In allen alten Kulturvölkern versuchte man sich daher der eigenen geistigen Ohnmacht zu entledigen und strebte zu einer Daseinsform des logisch-wissenschaftlichen Erkennens und Systematisierens. China besitzt seit uralter Zeit eine vollkommen ausgebaute theoretische Musiklehre, die die physikalischen Grundlagen der Tonkunst behandelt (vgl. SCHÄFKE 1964 S. 12f). Bei den alten Griechen galt der Musikunterricht als ein zentraler Punkt in der Erziehungsarbeit. Untersuchungen ergaben, dass nicht jede Musik die Seele zu harmonisieren vermag. Darum wurde die Wahl der Tonarten und Instrumente exakt vorgeschrieben, um den Nachwuchs vor aufreizenden Wirkungen zu bewahren (vgl. GREDER 1997). Sucht man nach den Ursprüngen der „Sportmusik“, so findet man diese zum Beispiel bei den Sportspielen im antiken Griechenland. Flötenspieler (Auleten) untermalten die Kulthandlungen und begleiteten Wettkämpfe - vor allem den Weitsprung und andere leichtathletische Übungen (vgl. MATHYS, F.K. 1984). Hinweise auf den Ursprung der Gesänge und der Musikbegleitung in heutigen Stadien, gehen bis in die Frühzeit zurück. So ist aus anderen Kulturen bekannt, dass beim sportlichen Zeitvertreib und bei athletischen Wettkämpfen, die Zuschauer durch rhythmisches Klatschen und Singen die Aktiven und sich in Stimmung brachten (vgl. KREBS 2005). Zur Zeit der alten Römer gab es Sport- und Zirkusveranstaltungen in unvorstellbar großem Ausmaß. Die blutigen Kämpfe der Gladiatoren in den Arenen wurden von einer neu entstandenen Art Unterhaltungsmusik begleitet, die nur dem billigen, sinnlichen Vergnügen diente und dabei zersetzende, zerstörende Kräfte freimachte. Man motivierte und animierte die Masse bis zur Ekstase, mordete zu Rhythmen und Klängen und marschierte mit Trommlern und Pfeifern zum Feind (vgl. GREDER 1997). Im Mittelalter dagegen, formte sich die Musik zu einer Art Gebet. Pflegestätten waren hauptsächlich die Klöster, was zur Folge hatte, dass Tanzformen und aufreizende Rhythmen als Sünde galten. Dennoch gab es Spielleute, die von Hof zu Hof zogen und sich bei der Bevölkerung großer Beliebtheit erfreuten. Jedoch erst gegen Ende des Mittelalters kam die weltliche Musik wieder zu ihrem Recht. Um 1600 führte die Wiedererweckung des griechischen Theaters zur Entwicklung der Oper. Musik wurde zum Mittel der Repräsentation der Fürstenhöfe und Kaiserreiche. In einem Zeitungsartikel nennt Hans-Dieter KREBS einen Namen zur Entstehungsgeschichte der modernen Sportmusik:
„Nach allen bisher bekannten Fakten und Überlieferungen heißt der erste musikalische Tonsetzer Johann Heinrich Schmelzer. […] Zwei Werke begründen seine Einstufung als ersten Sportkomponisten: das „Balletto a cavallo“ von 1667 und die „musikalische Fechtschul“ von 1668/69“ (KREBS 2005, S. 51)
Beim „Balletto a cavallo“ handelt es sich um ein Pferdeballett, welches zu den großen höfischen Spektakeln des 17. Jahrhunderts gehörte. Schmelzer schuf hiermit eine Partitur für 100 Musiker, die als Orchester auf vier Ecken der Wiener Hofburg verteilt, den prachtvoll choreographierten Auftritt von 1700 Reitern, Schauspielern, Artisten, Gauklern, unzähligen Prunkfahrzeugen und 600 Pferden begleiteten. (vgl. KREBS 2005)
Bis zu diesem Kapitel der Geschichte stand die Musik jederzeit unter der Obhut und Kontrolle der Obrigkeit. Erst nach der französischen Revolution fand diesbezüglich ein Wechsel statt und die Förderung der Musik ging mehr und mehr vom Bürgertum aus. Öffentliche Veranstaltungen führten zu einer Verbreitung der Musik in weite Kreise der Gesellschaft. Romantische Kompositionen erweckten das Gefühlsleben in neuem, überreichem Maße. „Die Musik wurde zum persönlichen Bekenntnis.“ (GREDER 1997, S. 7) Mit Hilfe der später entwickelten Medien, Radio und Fernsehen, wurde sie für nahezu alle Menschen zugänglich. Seither ändert sich ihr Klang mit den Ansichten und Empfindungen der einzelnen Generationen. Neue Instrumente und elektronische Effekte prägen immer vordergründiger den „Sound“. Die Technik macht es mittlerweile möglich, die schöpferischen, spielenden Musiker vollständig zu ersetzen. Somit ist eine Musik im Entstehen, welche mit der bisher dagewesenen nur noch wenig gemeinsam hat. Der Toningenieur als Klangdesigner, trägt heute maßgeblich zum musikalischen Endprodukt bei und beeinflusst Stimmung wie Charakter eines jeden Werks. Somit ist es heute möglich, stärker als je zuvor, die verschiedensten Interessen mit Musik zu bedienen, da deren Wirkung auf den Menschen wissenschaftlich exakt erforscht wird. Universitäten, politische Parteien, Werbefachschulen und Marketinginstitute greifen auf die gewonnenen Erkenntnisse über den gezielten Einsatz von Musik zurück (vgl. GREDER 1997). Aus der bloßen Kunst hat sich heute ein riesiges Industrieunternehmen entwickelt, welches Musik wie eine Art Volksdroge für jeden Augenblick des Lebens produziert.
1.2 Die rhythmische Gymnastik von Emile Jaques-Dalcroze
Betrachtet man die pädagogische Geschichte der Beziehung von Musik und Bewegung, so gelangt man unweigerlich zu den Erkenntnissen und künstlerischen Ideen des Schweizer Musikers Emile Jaques-Dalcroze. Er erkannte, mittels Beobachtungen von Schülern, den engen Zusammenhang von Bewegung und Musikalität und legte mit seiner „Rhythmischen Gymnastik“ den Grundstein in der rhythmisch-musikalischen Erziehung. „Dalcroze hat gezeigt, dass Zeit, Raum, Kraft als Ordnungsprinzipien sich in der Musik und in der Bewegung auf spezifische Weise manifestieren. Durch das Element des Rhythmus treten sie zueinander in Beziehung“ (BÜNNER/LEISER. In: BANNMÜLLER/RÖTHIG (Hg.) 2005, S.167) Im Zentrum seiner Praxis standen die „Realisationen“: Eine strenge Übertragung eines musikalischen Rhythmus, wie er als Zeitordnung der Töne erklingt, in eine konkrete Schrittfolge, sowie Armbewegung. Diese Methode hatte internationalen Erfolg. Nach aufsehenerregenden Vorführungen in weiten Teilen Europas, wurde die Methode Dalcroze zum Lehrgegenstand. 1911 entstand in Hellerau bei Dresden die erste Bildungsanstalt im Geiste des Rhythmus, an der Dalcroze Lehrer für Rhythmische Gymnastik ausbildete. (vgl. BÜNNER/LEISER. In: BANNMÜLLER/RÖTHIG (Hg.) 2005, S. 153) Die daraus resultierende intensive Beschäftigung mit diesem Kontext, führte zu einer immer feiner formulierten pädagogischen Bedeutsamkeit der Rhythmik in Verbindung mit der Bewegung und der Sinnestätigkeit. Laut Elfriede Feudel-Thurau, einer Schülerin von Dalcroze, zeigt der bewegungsmäßige Dialog mit dem Gegenspieler Musik exemplarisch die Doppelbeziehung des Menschen zur Wirklichkeit, in der er immer Wahrnehmender und Handelnder zugleich ist. (BÜNNER/LEISER. In: BANNMÜLLER/RÖTHIG (Hg.) 2005, S. 154) Freilich muss Musik in diesem Fall im weitesten Sinne verstanden werden. Beispielsweise auch als Rhythmus, der mit oder ohne Melodie auftritt und mit Musik- oder Schlaginstrumenten aller Art erzeugt wird. Heute findet die rhythmisch-musikalische Erziehung besonders in den Bereichen der Prophylaxe, der Therapie oder der Heilung ihren Platz. Sie schließt die Lücke zwischen Leibeserziehung und Musikerziehung, indem sie nicht primär die motorischen und musikalischen Fähigkeiten trainiert, sondern den Menschen in seiner gesamten Persönlichkeit erfassen und seine kognitiven, affektiven, und motorischen Fähigkeiten gleichzeitig ansprechen, fördern und entwickeln will (vgl. GREDER 1997, S. 33f).
2. Musikalische Parameter und Werkzeuge
Um Musik für den Sportunterricht gezielt auszuwählen, muss der Sportlehrer typische Merkmale hören und unterscheiden können. Je besser ihm die Strukturen der Musik bewusst sind, desto gezielter wird er sie an geeigneter Stelle im Unterricht einbringen können. Gerade im Bereich der Bewegungsunterstützung und Bewegungsförderung ist dies besonders wichtig. Es folgt somit eine Art Sachanalyse musikalischer Parameter und Werkzeuge, die sicher nicht dem musikwissenschaftlichen, aber dem sportunterrichtlichen Anspruch genügen soll. Vorab sei gesagt, dass meine Interpretation des Wortes „Musik“, von Schrittgeräuschen über spontane Schreie oder Händeklatschen bis zur modernen Popmusik reicht, da im Kontext der Bewegung, Musik - je nach Aufgabe - in ihrer unterschiedlichsten Form praxisrelevant sein kann.
2.1 Der Rhythmus
„Rhythmusdefinitionen gibt es mindestens so viele, wie Lexikaeinträge oder Handbücher zu diesem Thema existieren.“ (BRUHN In: Müller, Katharina / Aschersleben, Gisa (Hg.) 2000, S. 41) Das liegt daran, dass der Begriff und dessen Forschung interdisziplinär ausgerichtet sind. Im Kern aller Definitionen finden sich zwei Aspekte, die in allen Zweigen der betroffenen Wissenschaften zutreffen. Zum einen beschreibt der Begriff eine bestimmte periodische Ordnung und zum anderen eine zeitlich-dynamische Veränderung bzw. Bewegung. „Jedes akustische Phänomen, ob es nun der Musik zugerechnet wird oder nicht, ist nicht ohne zeitliche Dauer denkbar, ebenso wenig die kleinste körperliche Geste oder ein Schritt.“ (GREDER 1997, S. 20) Unser gesamtes Leben unterliegt verschiedensten Rhythmen. Der Schlafrhythmus, der Biorhythmus des Körpers und die innere Uhr, als eine Anpassung an die Zyklen der Natur, sind jedem bekannt. Im Sport beschreibt der Bewegungsrhythmus eine „charakteristische zeitliche Ordnung eines Bewegungsakts, die sich in der Dynamik des Kraftverlaufs und darüber hinaus auch im räumlich-zeitlichen Verlauf der Bewegung widerspiegelt“ (MEINEL, SCHNABEL 2007, S. 102). Gemeint sind motorische Prozesse bezüglich der Gewichtsverteilung und unterschiedliche Akzentuierungen der Glieder und ihrer Muskeldynamik. In der Musik hingegen ist der Rhythmus vorrangig als Folge von unterschiedlich betonten Schlägen, Akzenten und Tongebungen wahrnehmbar und bildet das eigentliche motorische Element. Er wird im Allgemeinen von der Rhythmusgruppe erzeugt, zu der zum Beispiel ein Schlagzeug, eine Rhythmusgitarre, eine Bassgitarre, sowie Percussion-Instrumente gehören. Diese bauen gemeinsam eine vielschichtige Spannung auf. Im musikalischen Sinn beruht der Rhythmus auf der Unterscheidung von kürzeren und längeren Zeitwerten, die in einer musikalischen Notenschrift notierbar sind. Dabei unterscheidet man regelmäßig und unregelmäßig geordnete Rhythmen (vgl. HURTH 1981). Im Bezug auf die Bewegung ermöglicht der Rhythmus die Organisation der körperlichen Kräfte. Er stimuliert, aktiviert, vitalisiert, ordnet und führt die Bewegung. Seine Empfindung vollzieht sich somit hauptsächlich im motorischen, sensorischen und physiologischen Bereich des Körpers (vgl. GREDER 1997). Weit verbreitet und besonders treibend und pulsierend können sogenannte punktierte Rhythmen sein. Ihr Name rührt von der Notationsweise, welche einen Punkt hinter der entsprechenden Note vorsieht, deren Zeitwert um die Hälfte verlängert werden soll. Die entstehende „Kurz - lang“ oder „lang - kurz“ -Rhythmisierung enthält somit eine besondere Betonung und beeinflusst in eigenartiger Weise den Grundcharakter eines Musiktitels. Laut HURTH (1981), reicht die Spannweite von leicht hüpfend, bei schneller Spielweise (z.B. Samba-Rhythmen), bis schleppend, schwer bei langsamer Spielweise (z.B. Blues-Rhythmen).
2.2 Beat, Metrum, Takt
Ist von der modernen Popmusik die Rede, über deren Einsetzbarkeit im Sportunterricht Peter HURTH schreibt, so ist das Bezugssystem, dem die rhythmischen Motive zugrunde liegen, der Beat (vgl. HURTH 1981). Gemeint ist der Grundschlag, bzw. der Pulsschlag des Musikstückes. Da jeder musikalische Prozess immer eine gewisse Dauer hat, also immer den zeitlichen Aspekt beinhaltet, soll dieser mess- und notierbar gemacht und einer festgelegten Ordnung unterlegt werden. Die Einheit „bpm“ (Beats per minute) gibt mittels Zählung der Grundschläge pro Minute das Tempo der Musik an. (Siehe Kapitel 4.3.3 S. 21) Eine andere Bezeichnung hierfür ist das Maß „MM“ (Mälzels Metronom). Die Organisation der Pulsschläge in ein regelmäßiges Betonungsmuster, erfolgt unter dem Fachbegriff „Metrum“. Dieses bildet das „Rückgrat“ der Musik, auf dessen Struktur sich die rhythmischen Motive der Instrumente beziehen. Dazu werden die Grundschläge in Gruppen geordnet, wobei der Hörer ein Schwerpunktgefühl in der Gruppierung spürt. Diese „subjektive Rhythmisierung“ ist in der experimentellen Rhythmusforschung, in Bezug auf die Organisation der menschlichen Wahrnehmung von Periodizitäten, ein seit 120 Jahren bekanntes Phänomen. Reinhard KOPIEZ beschreibt es folgendermaßen: „Wenn man Hörern eine gleichmäßige Pulsfolge von beispielsweise Klopfgeräuschen vorgibt und sie nach der subjektiv wahrgenommenen Gruppierung der Schläge fragt, erhält man in der Regel für einen mittleren Tempobereich als überwiegende Nennung Zweier- oder Vierergruppen.“ (KOPIEZ in: Aus dem Takt 2005, S. 132) Dies erklärt die Häufigkeit des Zweier- oder Vierermetrums in der Popmusik und vielen anderen Genres. Die Begriffe Takt und Metrum werden dabei oft als Synonym verwendet. Ein Grundschlag wird in der Regel mit einer Viertel- oder Achtelnote beschrieben. Je nach Anzahl von Grundschlägen in einer Gruppierung, lassen sich einfache gerade Taktarten (z.B. 2/4, 2/8, etc.), einfache ungerade Taktarten (z.B. 3/4, 3/8, etc.), zusammengesetzte gerade Taktarten (4/4, 4/8, 6/8 etc.) und zusammengesetzte ungerade Taktarten (5/4, 5/8, 7/8 etc.) unterscheiden (vgl. VENT, DREFKE, 1988, S. 106f.). Somit ergeben sich aus den Grundschlägen die Zählzeiten, welche besonders im Bereich des Tanzes eine große Rolle spielen. (vgl. GREDER 1997)
2.3 Melodie und Harmonie
Die Melodie eines Musikstückes wird oftmals zum Wiedererkennungsmerkmal und ist demnach sehr bedeutsam. Sie zieht, je nachdem wie markant sie zu Tage tritt, den Hörer in ihren Bann, bewegt zum Mitsingen oder hinterlässt den berühmten „Ohrwurm“. Melodien können emotional sehr unterschiedlich klingen. Als Aneinanderreihung von einzelnen Tönen, erscheint die Melodie als Verbindung des dem Musikstück zugrundeliegenden Harmoniegerüstes. Sie kann einen kleinen aber auch einen großen Tonumfang haben und ist wesentlich für die Zusammenstellung einer Bewegungsfolge. Natürlich ist die melodische Interpretation weitestgehend von der Instrumentation des Musikstückes abhängig. Eine Melodie kann abfallen und aufsteigen, sich in verschiedenen Geschwindigkeiten bewegen und, genau wie die Harmonie, durch die Tongeschlechter Dur und Moll bestimmt sein. Sie kann in Bögen beschrieben werden, aus kleinen Motiven zusammengesetzt sein und beispielsweise, ähnlich der Sprache, mit Fragen und Antworten spielen. „Sie hat ihre Wurzeln im Bereich der Seele, und ihr Ausdruck ist die Folge von Reaktionen im emotionalen, affektiven Bereich.“ (GREDER 1997, S. 11) Die Harmonie, besteht aus Akkorden, also aus dem Zusammenklang mehrerer Töne. Sie kann erst durch die Aktivitäten des Geistes an Gestalt gewinnen und ist daher die höchste Form der musikalischen Aussage (vgl. GREDER 1997).
2.4 Dynamik
In der Musik beschreibt die Dynamik die Tonstärke und damit das Verhalten von laut und leise. Man kann verschiedene Arten der Dynamik unterscheiden. Zum einen in das natürliche Lauter- und Leiserwerden, als eine Zu- und Wegnahme von Instrumenten, bei der die Lautstärke der einzelnen Instrumente gleich bleibt; zum anderen in ein künstliches Lauterund Leiserwerden, bei dem die Instrumente selbst die Dynamik des Spiels variieren. Zuletzt gibt auch die Einstellung und die Art des verwendeten Abspielgerätes bzw. Instruments die Dynamik an. Im Sport ist die Dynamik ein bestimmendes Element in der Bewegungsführung, welches den verschiedenartigen Krafteinsatz beschreibt. Sie steigert die Spannung und Lösung der Bewegung und deren Erlebnis (vgl. GREDER 1997).
2.5 Sound
Der Sportwissenschaftler Peter HURTH beschreibt den Sound, wie er als Wechselspiel zwischen elektronischer Technik und Musikinstrument zu Tage tritt, als nur schwer analytisch nachvollziehbar (vgl. HURTH 1981). Dies ist meines Erachtens nicht der Fall. Man kann den Sound sehr wohl auf verschiedene Eigenschaften hin analysieren und dessen Wirkung beschreiben. Traditionelle Instrumente werden durch verschiedenste Zusatzgeräte und unterschiedlichste Effekte in ihrem Klangbild verändert und entwickeln somit einen völlig neuen Charakter. Beim Abmischen im Tonstudio wird jedes Element - sei es die Gitarre oder eine Triangel, ein Synthesizer oder ein Geräusch - verschieden weit in den Vorder- bzw. Hintergrund positioniert. Durch diese Anordnung der einzelnen Instrumentensounds, zu denen auch die menschliche Stimme mit deren Timbre gehört, entsteht so ein Gesamtsound für das fertige Musikstück. Der Sound wächst also mit der Instrumentation, aber auch im Arrangement. Bestimmend ist hierbei natürlich die Art des Musikstils. So kann der hart oder weich, hell oder dunkel, altmodisch oder modern klingen. Vielen Menschen fällt es nicht schwer, ein Lied an Hand des Sounds in eine Zeit einzuordnen, da dieser sich im Laufe der Jahre sehr verändert hat. Er spricht die Hörer emotional an und fängt sie ein, da er elementar die Stimmung der Musik beeinflusst. Ein weiterer nicht zu missachtender Faktor in der Entstehung des Sounds, ist die Wiedergabetechnik. Die Art der Anlage, die Größe der Lautsprecher und deren Positionierung im Raum, spielen eine große Rolle. Jedes Handy kann mittlerweile Musik wiedergeben. Allerdings wird auf Grund der schlechten Qualität und der geringen Lautstärke, sowohl die bewegungsauslösende Funktion, als auch die Übermittlung der Emotionen, auf ein Minimum reduziert und ist somit für den Sportunterricht nicht geeignet.
2.6 Tonstrukturen: Form, Phrasierung, Artikulation
Die musikalische Form eines Musikstückes ist für den Sportlehrer besonders interessant. Sie ist im Bereich der Bewegungsbegleitung ein wichtiges Kriterium zur Ablaufbestimmung einer Bewegungsfolge. Sie beeinflusst die Ausführungslänge, die Reihenfolge, die Bewegungsatmungen, sowie die Größe der Bewegungsradien (vgl. GREDER 1997, S. 20). Ein Musikstück ist in ein oder mehrere Teile gliederbar, welche sich beispielsweise durch unterschiedliche Dynamiken, Tonhöhen, Metren, Instrumentationen, Rhythmen, Pausen, Harmonien oder melodische Motive unterscheiden können. Diese Ordnung in zeitlich größere Abschnitte, ist auch besonders beim Anfertigen möglichst fließender Schnittstellen maßgebend. Es sind verschiedenste Formen denkbar: Von einteilig (A), bei dem das gesamte Musikstück aus einem Teil besteht, der beliebig oft wiederholt werden kann (A A A), bis zu komplexen Formen aus ganz verschiedenen und sich ähnelnden Teilen (z.B. A B A‘ C B‘ A D A). Wird ein Musikstück zum Beispiel durch Improvisationen verändert, während formliche und harmonische Strukturen gleich bleiben, spricht man von der Variationsform (z.B. A1 A2 A3 A4). Die einzelnen Teile wiederum unterliegen einer musikalischen Formenlehre, welche weitestgehend stilübergreifend eine Gliederung aus zwei-, vier-, acht-, zwölf- und sechzehntaktigen Phrasen zulässt. Unter Phrasierungen versteht man somit einzelne musikalische Bewegungsphasen. In der übungsbegleitenden Musik sind diese beispielsweise darin bestimmend, wann eine Bewegung mit einem Melodiebogen anfängt bzw. abschließt. Unter Artikulation versteht man die Art der Verbindung oder Trennung einzelner Töne. Die Spannweite reicht von kurzen, voneinander abgesetzten „Staccato-Bewegungen“ bis hin zu fließend, nahtlos ineinander übergehenden „Legato-Bewegungen. (vgl. VENT/DREFKE 1988 und GREDER 1997)
2.7 Instrumentarien
Zum Abschluss diese Kapitels möchte ich noch kurz auf die Instrumente eingehen, die sich unter anderem für die Bewegungsbegleitung eigenen und somit den Begriff „Musik“ im Zusammenhang mit der Bewegung im Schulsport verdeutlichen. Gemeint ist nicht immer das einfache Abspielen von CD`s oder MP3`s über die Stereoanlage der Turnhalle. Das weitverbreitetste Instrument mit der größten Standhaftigkeit im deutschen Sportunterricht ist, meiner Beobachtung nach, das Tamburin, mit dem der Sportlehrer gegebenenfalls rhythmische Signale gibt. Das Tamburin gehört zur Familie der Orff-Instrumente, von denen ohne weiteres alle anderen ebenso zum Einsatz kommen könnten. Schlaghölzer, Röhrenholztrommeln, Bongos, Djembes, Congas und viele andere, könnten theoretisch das Tamburin ersetzen. In den meisten Fällen haben diese Instrumente allerdings im Musikraum ihren Platz. Um einen Rhythmus zu erzeugen, ist es aber auch möglich, Gymnastikgeräte wie Keulen, Stäbe oder Bälle zu verwenden. Auch die Stimme, das Klatschen und Stampfen und jede andere Form der Bodypercussion können wirkungsvolle Begleitformen sein.
3. Die Wirkung von Musik auf den menschlichen Körper
Dieses Kapitel soll physische und psychische Zusammenhänge von Musik und Bewegung schildern, jeweilig positive Einflussmöglichkeiten aufzeigen und somit als eine grundlegende Legitimation von Musik im Sportunterricht verstanden werden.
3.1 Reize
Die beschriebenen musikalischen Parameter können in der Musik einfach oder kombiniert zum Einsatz kommen und somit auf akustischem Wege unvergleichlich differenziert und vielfältig auf die Bewegung Einfluss nehmen, ohne das diese selbst eine Einschränkung erfährt. „Reiz“ ist dabei das entscheidende Stichwort. Reize, die mittels Musik auf uns transferiert werden, können unseren Körper und unsere Psyche in einer Weise beeinflussen und manipulieren, wie wir es nicht für möglich halten. Sie können in uns verschiedenste Verhaltensweisen auslösen und uns in unterschiedlichste Erregungszustände versetzen. Der Reiz des Schalls trifft dazu auf unsere immer offenen und empfangsbereiten Ohren, welche sich diesem nicht verwehren können. Doch egal ob es sich um ein monotones Geräusch, ein Kinderlied, um ein grooviges Jazzstück oder um funktionelle Musik im Kaufhaus oder beim Zahnarzt handelt, immer sind die körperlichen Verarbeitungsabläufe der Reize und die entstehenden Reaktionen des Körpers nahezu identisch. Entscheidend ist dabei nicht die Art der Musik, sondern der emotionale Gehalt. (vgl. GREDER 1997)
3.2 Bewegung und Musik als sensumotorische Beziehung
Unter dem Begriff „Audiomotorik“ versteht man die durch Hören ausgelösten Bewegungen. Diese können auch unterbewusst in Erscheinung treten, wie man beispielsweise bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Peking, am bis dato noch amtierenden Präsidenten der USA, beobachten konnte. George W. Bush, der im Publikum saß, nickte während des Einlaufes der Nationen über lange Zeit heftig mit dem Kopf zum Takt der gewaltigen Trommeln und tippte zusätzlich mit der Hand auf die Armlehne seines Stuhls. Er schien dabei - wie in Trance - gebannt von den Eindrücken zu sein, und bewegte sich wie ein Kind, sichtlich ohne darüber nachzudenken. Diese unbewussten Bewegungsreaktionen, die ein jeder auch von sich selbst kennt, geben Aufschluss darüber, dass während der Beschallung mit Musik, Spannungsänderungen in der Muskulatur hervorgerufen werden, die in der Regel synchron zum Rhythmus verlaufen. Die Fähigkeit des Menschen, sich zu einem periodischen Pulsschlag zu bewegen, hat nach McNEILL1 vorrangig eine sozio-biologische Funktion, denn dadurch wird in menschlichen Gruppen das soziale Gefühl für den Zusammenhalt verstärkt. Der Mensch, mit einem großen neuronalen Netzwerk, ist in besonderem Maße fähig seine Bewegungen zu einer gegebenen Pulsation zu synchronisieren. (vgl. KOPIEZ 2005, S. 138) Um diese Anlage zu nutzen, kann der Sport die Musik sehr gut gebrauchen. Allerdings nicht nur als Pulsgeber. Musik ist auch Träger und Übermittler von Emotionen und hat besonderen Einfluss auf die körperliche Aktivitätsbereitschaft bzw. die Motivation. Gemeinsam mit weiteren sensumotorischen Feldern, wie die Wahrnehmung über die Augen oder dem Tastsinn, sowie allgemein bestimmenden Faktoren wie Erfahrung, Intuition, Gedächtnisinhalte, rationale Merkmale und eben Emotionalität, bekommt die menschliche Bewegung eine besondere Qualität. (vgl. BÜNNER/LEISER. In: BANNMÜLLER/RÖTHIG (Hg.) 2005, S. 160f.) Die Musik braucht demnach umgekehrt auch die Bewegung, um in vollem Maße ausgelebt werden zu können. Was bedeutet, dass nonverbale Inhalte erlebt und bewusst gemacht, sowie der komplexe Charakter der Musik erschlossen werden kann. Die Verwendung von Musik im Sportunterricht unterliegt demnach einer Verpflichtung gegenüber dem Musikunterricht, um Bewegungen im größeren Maße zu ermöglichen. Allerdings kann die Bewegung aus dieser Verpflichtung heraus ebenso profitieren, da in der rhythmischen Arbeitsweise die Wahrnehmung und die Bewegung eine Einheit bilden, die als Kreis beschrieben werden kann. (vgl. BÜNNER/LEISER. In: BANNMÜLLER/RÖTHIG (Hg.) 2005, S. 160) Die Handlungen eines Kindes im Vorschulalter sind sehr stark von sensumotorischen Funktionen beeinflusst. Bewegungen erleben ihren Antrieb darin, eine akustische oder optische Wirkung zu erzielen (z.B. mit einem Stock an einem Zaun entlangfahren). Das Drehen des Kopfes zu einer Geräuschquelle, was selbst Säuglinge schon beherrschen, hängt damit zusammen, dass das Hören vom Sehen, von der Motorik, aber auch vom Berührungs-, Stellungs-, und Muskelsinn unterstützt wird. Die auditive Wahrnehmung wird durch die Koordination aller anderen Sinneseindrücke verstärkt. Bewusstes Zu- und Hinhören erfordert Aufmerksamkeit und Konzentration - die Voraussetzung für kognitive Denkleistungen. Die kindliche Lust am Ausprobieren im Bezug auf Bewegungen des eigenen Körpers und dem Erleben und Erkennen von Geräuschen, Klängen bis hin zur Musik, führt zu wichtigen Grunderfahrungen des Menschen mit Kraft, Raum und Zeit. Des Weiteren wird der Körper zum Ausdrucksträger seiner Gefühle und Stimmungen. Deshalb bildet Musik und Bewegung auch die Grundlage für die emotionale, intellektuelle und soziale Entwicklung (vgl. KÜFFER 1996).
3.3 Einflussmöglichkeiten der Musik auf den Sportler und Schüler
Positive Auswirkungen:
Im Sport gibt es eine Menge Möglichkeiten, mittels Musik die Leistungen und das Vergnügen zu steigern, sowie vorhandene Defizite auszugleichen. Sie kann beispielsweise in Stresssituationen beruhigen, kann Anspannung vor Wettkämpfen oder Leistungskontrollen mildern, kann hypnotisieren, das Zeitgefühl manipulieren, (vgl. GREDER 1996) kann die Ängstlichen ermutigen, die Einsatzbereitschaft der Lustlosen anheben und zum Mitmachen motivieren, kann die Leistungsintensivität steigern und ein Intervall-, Circuittraining oder den gesamten Sportunterricht strukturieren. Sie kann auf die Übungseinheit einstimmen und beispielsweise bei der Erwärmung unterstützen. Sie regt zur Beobachtungs- und Lernfähigkeit an, lenkt die Konzentration, tötet die Langeweile in gleichförmigen, monotonen Übungs- bzw. Trainingsphasen und bringt die Fantasie in Gang. Musik erfüllt demnach eine psychoregulative und stimulierende Funktion im Sport, indem sie eine angeregte bzw. gelöste Atmosphäre schafft. Sie hilft Bewegungen zu ordnen, zu gestalten, zu führen, zu unterbrechen und zu differenzieren, um zu sensibilisieren. Sie kann Ausführungen intensivieren und mehrere Akteure in Gleichklang bringen. Nicht zuletzt kann sie Anregungen für Bewegungsgestaltungen, Bewegungsimprovisationen oder Bewegungsspiele geben.
Negative Auswirkungen:
Doch die Musik birgt auch Gefahren. So kann sie rhythmisch überfordern, zu standardisierten, roboterhaften Bewegungen führen, Gespräche stören, zur Oberflächlichkeit in der Bewegungsausführung verleiten, zu Überanstrengungen führen oder von Schwierigkeiten ablenken. Durch zu starke Rhythmisierung können feine Bewegungsnuancen verloren gehen, ständige Beschallung kann die Sinne abstumpfen. Ein Bewegungsaufbau, also ein schrittweises Erlernen von bestimmten Bewegungstechniken, kann ebenso durch die Rhythmusvorgabe medial verbreiteter Musik gehemmt werden.
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1 McNEILL, William H.: Keeping together in time. Dance and drill in human history, Cambridge (MA) 1995.
- Citation du texte
- Master Björn Sauer (Auteur), 2008, Einsatz von Musik im Sportunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139362
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