Über ein Theaterstück zu schreiben erweist sich oft problematischer als sich mit
einem Roman oder mit einem Werk zu beschäftigen, das nur für Leser geschrieben
worden ist. Im Vergleich mit dieser Art Literatur zeigt das Drama einen weiteren
Aspekt, der einige Schwierigkeiten in der kritischen Annäherung hervorruft: Das
von dem Autor geschriebene Originalstück muss für jede Aufführung dem Theater,
den Schauspielern, aber auch dem Geschmack des Regisseurs adaptiert werden.
Dadurch entstehen viele verschiedene Versionen, die große Unterschiede enthalten
und manchmal sogar wenig miteinander zu tun haben. Worauf sollte man sich
beziehen? Auf dem Original des Autors? Oder sollte man lieber ein bestimmtes
Regiebuch oder Einstudierung eines Regisseurs in acht nehmen? Oder sollte man
direkt eine Aufführung kommentieren?
Das kann allgemein für jedes Drama gesagt werden, aber mit Merlin oder Das
wüste Land von Dorst wird das Problem noch größer. Das Stück ist ein
gigantisches Werk, das mehr als dreihundert Seiten umfasst und in dem der Autor
gleichzeitig viele Varianten von derselben Szene einführt (ein Beispiel ist die
letzte Szene, von der uns Dorst drei verschiedene Versionen bietet: eine des
Theaters, eine der Naturwissenschaft – die berühmteste mit dem erloschenen
Zwergenplaneten – und eine des alten Märchens). Wenn man Merlin in voller
Länge im Theater spielen wollte, würde es eine Spieldauer von mindestens
fünfzehn Stunden ergeben. Ulrich Schreiber nennt es sogar „das umfänglichste
Theaterstück der Nachkriegszeit“2. Mit so einer kolossalen Länge sind für jede
Aufführung auf der Bühne radikale Kürzungen notwendig: Es reicht nicht, nur
Sentenzen und Auftritte zu schneiden, sondern es müssen auch ganze Teile
gestrichen werden, die in der ursprünglichen Version eine wichtige Rolle spielen.
Diese notwendigen Amputationen verdrehen die Geschichte, den Inhalt und die
behandelten Themen und führen somit zu Regiebüchern, die eine Verarbeitung des
Stoffes sind und in denen Dorsts Werk kaum zu erkennen ist. Der Text wird jedes
Mal von dem jeweiligen Regisseur neu interpretiert, und damit zu oft auch
reduziert und vereinfacht; mit den Kürzungen gehen unvermeidlich Themen und Ideen verloren, die bei Dorst im Mittelpunkt stehen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG:
- „DAS UMFÄNGLICHSTE THEATERSTÜCK DER NACHKRIEGSZEIT"
- ÜBER DIE ENTSTEHUNG VON DORSTS MERLIN
- MERLIN UND DIE FANTASY-LITERATUR
- DAS SCHEITERN VON UTOPIEN UND DER GENERATIONENKONFLIKT
- DER GENERATIONENKONFLIKT IM TEXT
- Der Teufel und Merlin
- König Artus und Mordred
- Die jungen und die alten Ritter
- Der Gral
- FAZIT
- BIBLIOGRAPHIE
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Belegarbeit befasst sich mit dem Generationenkonflikt in Tankred Dorsts Theaterstück "Merlin oder Das wüste Land". Die Arbeit analysiert, wie Dorst den klassischen Artus-Mythos für eine Auseinandersetzung mit der deutschen Gesellschaft der 1970er Jahre nutzt. Dabei werden die Hauptthemen des Stücks, wie das Scheitern von Utopien, die Kritik an der etablierten Ordnung und die unterschiedlichen Perspektiven der Generationen, beleuchtet.
- Scheitern von Utopien
- Generationenkonflikt
- Kritik an der etablierten Ordnung
- Parallelen zur deutschen Geschichte der 1960er und 1970er Jahre
- Aktualitätsbezüge in Dorsts Werk
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Theaterstück "Merlin oder Das wüste Land" von Tankred Dorst vor und beleuchtet die Herausforderungen, die sich aus der Länge und Komplexität des Werks für eine Interpretation ergeben. Die Arbeit konzentriert sich auf den Generationenkonflikt als zentrales Thema. Außerdem wird die Entstehung des Stückes im Kontext des "Hallentheaters" und der zeitgenössischen Fantasy-Literatur beleuchtet.
Das Kapitel "Merlin und die Fantasy-Literatur" analysiert den Einfluss der Fantasy-Welle der 1970er Jahre auf Dorsts Werk. Es wird deutlich, dass Dorst sich bewusst von dieser Art Literatur distanziert und den Artus-Mythos für eine kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Gesellschaft nutzt. Der Autor kritisiert die Flucht in fantastische Welten und betont die Aktualität seiner Themen.
Das Kapitel "Das Scheitern von Utopien und der Generationenkonflikt" untersucht die zentrale Botschaft des Stücks, die sich mit dem Scheitern von Utopien und dem Konflikt zwischen verschiedenen Generationen auseinandersetzt. Es werden Parallelen zur Studentenrevolte der 1960er und 1970er Jahre gezogen und die Enttäuschung der jungen Generation über die etablierte Ordnung der Nachkriegszeit beleuchtet.
Das Kapitel "Der Generationenkonflikt im Text" analysiert die verschiedenen Figuren und Szenen, die den Generationenkonflikt im Stück widerspiegeln. Es werden die Beziehungen zwischen dem Teufel und Merlin, König Artus und Mordred sowie die alten und jungen Ritter untersucht. Die Suche nach dem heiligen Gral wird als weiteres Motiv interpretiert, das die unterschiedlichen Ideale und Sehnsüchte der Generationen symbolisiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Generationenkonflikt, das Scheitern von Utopien, die Kritik an der etablierten Ordnung, den Artus-Mythos, die Fantasy-Literatur, die deutsche Gesellschaft der 1970er Jahre, die Studentenrevolte der 1960er Jahre, die Aktualitätsbezüge in Dorsts Werk und die Interpretation von "Merlin oder Das wüste Land" von Tankred Dorst.
- Arbeit zitieren
- MA Davide Bonmassar (Autor:in), 2003, Mythos und Aktualität. Der Generationenkonflikt in Dorsts "Merlin", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13917
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