Als Christoph Ransmayr begann, sich intensiv mit den „Metamorphosen“ des Ovid
zu beschäftigen, hatte er ursprünglich vor diese in Form eines Prosatextes zu übersetzen.
Glücklicherweise kam es nie dazu; statt dessen resultierte aus dieser Arbeit sein zweiter
Roman: „Die letzte Welt“.
In diesem Roman erzählt Ransmayr die Geschichte des Römers Cotta, der in die
Stadt Tomi reist, um dort nach dem Verbannten Ovid und seinem Werk – den
„Metamorphosen“ – zu suchen. Soweit scheint der Roman in der Tradition der
historischen Romane zu stehen, doch schon bald bekommt dieses Bild Risse: Nicht nur,
daß Ovids Werk im Roman als verloren gilt, weil es von Ovid verbrannt wurde,
sondern auch die gesamte Zeit des Romans, in der die Handlung spielt, scheint auf dem
Kopf zu stehen. So läßt Ransmayr etwa im historischen Tomi eine verrostete
Bushaltestelle entstehen oder aber Ovid vor einem Strauß Mikrophone sprechen.
Neben den genannten Beispielen wimmelt das Werk geradezu von Anachronismen, die
2000 Jahre Menschheitsgeschichte vereinen. Warum bricht Ransmayr so deutlich mit
der Tradition des historischen Romans und läßt statt dessen die Zeiten miteinander
verschmelzen? Zudem tauchen die Figuren aus Ovids Metamorphosen, zumindest
namentlich, als Akteure in Tomi auf, wobei sie durchaus Eigenschaften ihrer
Namensgeber aufweisen, und erscheinen gleichzeitig auf Zelluloid gebannt – in
klassischen ovidischen Geschichten, die der Filmvorführer Cyparis zeigt.
Daneben sollen auch andere Probleme der Zeit in Ransmayrs Roman betrachtet
werden. Besonders hervorgehoben werden hierbei statische Elemente, wie z.B. der
„Maulbeerbaum“, welcher – im Gegensatz zu fast allen anderen Elementen des Romans
– im Laufe der Handlung keiner Veränderung unterliegt, aber auch zirkuläre Momente.
Hat „Die letzte Welt“ wirklich einen Schluß oder scheint mit ihrem Ende nicht auch ein
Neubeginn der Zeit erreicht?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gleichzeitigkeit
- Anachronismen
- Zweck und Wirkung
- Die Bewohner Tomis
- Anachronismen
- „Zeitlosigkeit“
- Der Maulbeerbaum
- Das Nashorn
- Zirkuläre Momente
- Rückblicke
- Beginn der Zeit
- Ende oder Anfang?
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht das Zeitproblem in Christoph Ransmayrs Roman „Die letzte Welt“. Der Fokus liegt auf der Analyse von anachronistischen Elementen, der Konzeption von „Zeitlosigkeit“ und zirkulären Momenten innerhalb der Erzählung. Es wird untersucht, wie Ransmayr die Zeit in seinem Werk subvertiert und welche Wirkung diese Subversion auf die narrative Struktur und die Rezeption des Romans hat.
- Anachronismen und ihre Wirkung auf die historische Einordnung des Romans
- Die Konstruktion von „Zeitlosigkeit“ durch statische Elemente wie den Maulbeerbaum
- Zirkuläre Momente und die Frage nach einem wirklichen Ende der Geschichte
- Die Integration von Ovids Metamorphosen in die narrative Struktur
- Die Rolle der Figur Cotta als Protagonist und sein Verhältnis zur Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Roman „Die letzte Welt“ vor und führt in die Problematik der Zeit in Ransmayrs Werk ein. Das Kapitel „Gleichzeitigkeit“ analysiert die Anachronismen, die im Roman auftreten, und erörtert ihre Wirkung auf die historische Einordnung und die Rezeption des Romans. Die Kapitel „Zeitlosigkeit“ und „Zirkuläre Momente“ setzen sich mit der Konstruktion von „Zeitlosigkeit“ durch statische Elemente und der Bedeutung von Rückblicken und der Frage nach einem wirklichen Ende auseinander.
Schlüsselwörter
Christoph Ransmayr, „Die letzte Welt“, Zeit, Anachronismus, „Zeitlosigkeit“, Zirkuläre Momente, Ovid, Metamorphosen, Geschichte, Roman, narrative Struktur, Rezeption.
- Citation du texte
- Tanja Stramiello (Auteur), 2002, Jenseits der Zeit(en)? Zum Problem der Zeit in Christoph Ransmayrs Roman "Die letzte Welt", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13902