Migration ist Einwanderung in ein fremdes, unbekanntes Land, die verschiedene Erfahrungen, Schicksale und psychische Herausforderungen mit sich bringt (Frindte 2001). Jedes Jahr migrieren Millionen Menschen aus eigenem Entschluss oder infolge von Entscheidungen anderer, die ihr ganzes bewegliches Eigentum auf Lastwagen oder in Containern mit sich führen oder auch nur ein kleines Bündel mit Habseligkeiten (Sluzki 2004).Viele Menschen, die ihre Heimat mit ihren Kindern verlassen, die sich aus ihrer politischen, sozialen und ökonomischen Not befreien wollen und nicht nur für sich, sondern für ihre Kinder bessere Chancen und sichere Lebensbedingungen schaffen wollen, suchen ihre Zukunft in der Bundesrepublik Deutschland als eines der reichsten Länder der westlichen Welt (Müller 2004). Für einige Kinder, die das Nest der Kindheit verlassen und den elterlichen Wunsch erfüllen sollen, kommt die Entscheidung ihrer Eltern völlig überraschend. Viele Kinder sind von dem Entschluss ihrer Eltern überrollt worden und haben entsprechende Gefühle der Trauer, der Ohnmacht und vielleicht des Zorns erlebt. Der Ausreiseprozess wird vom Kind zum Kind unterschiedlich wahrgenommen. Jüngere Kinder sind offener und bereiter, sich auf neue Situationen einzulassen, weil sie häufig noch nicht so intensive Freundschaften geschlossen haben und noch nicht feste Bindungen eingegangen sind. Für ältere Kinder hat die Ausreise größere Konsequenzen, weil sie Freunde, Verwandte und Bekannte zurückgelassen haben und damit Verlusterfahrungen hinnehmen müssen (Hurrelmann und Bründel 1996).Obwohl die Entscheidung zur Auswanderung gut geplant ist und die Aufnahmebedingungen im Aufnahmeland optimal sind, wird die Migration der Jugendlichen von gesundheitlichen Risiken begleitet, so dass es negativ auf körperliche und psychosoziale Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund auswirkt (Weiss 2003).In diesem Zusammenhang steht im Mittelpunkt der Arbeit die Darstellung des psychischen Gesundheitszustands von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
Inhaltverzeichnis
1. Einführung in die Thematik
2. Phasen der Migration und ihre Auswirkungen auf den Gesundheitszustand von jugendlichen Migranten
3. Psychische Gesundheit in der Migration .
3.1. Psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen. Allgemein
3.2. Psychischer Gesundheitszustand und psychische Belastungen bei den Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
3.3. Zusammenhang der Integration und der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund
3.4. Suche nach Identität und ihre Auswirkung auf die Psyche der
Jugendlichen
4. Zusammenfassung
Literatur
1. Einführung in die Thematik
„Ein Leben ohne Träume ist wie ein trockener Brunnen ohne Wasser
Ein Land ohne Fremde ist wie ein Baum ohne Früchte
Lass dein Leben mit Farben bereichern
Denn die Menschen sind prachtvolle Farben unserer Erde“
(Dr. Hidir E. Çelik, 2006, URL: www.bimev.de)
Migration ist Einwanderung in ein fremdes, unbekanntes Land, die verschiedene Erfahrungen, Schicksale und psychische Herausforderungen mit sich bringt (Frindte 2001). Jedes Jahr migrieren Millionen Menschen aus eigenem Entschluss oder infolge von Entscheidungen anderer, die ihr ganzes bewegliches Eigentum auf Lastwagen oder in Containern mit sich führen oder auch nur ein kleines Bündel mit Habseligkeiten (Sluzki 2004).
Mit zunehmender Tendenz sind im Jahr 2005 in der ganzen Welt circa 200 Millionen Menschen umgesiedelt (Bericht der Globalen Kommission 2006). Die Zahl der ausländischen Migranten ist in der Bundesrepublik Deutschland von 5,9 Millionen im Jahr 1991 auf 7,3 Millionen im Jahr 2004 gestiegen (Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen 2004), davon ist allein die Zahl der ausländischen Kinder und Jugendlichen unter 21 Jahren 1,6 Millionen (Statistisches Bundesamt 2006).
Viele Menschen, die ihre Heimat mit ihren Kindern verlassen, die sich aus ihrer politischen, sozialen und ökonomischen Not befreien wollen und nicht nur für sich, sondern für ihre Kinder bessere Chancen und sichere Lebensbedingungen schaffen wollen, suchen ihre Zukunft in der Bundesrepublik Deutschland als eines der reichsten Länder der westlichen Welt (Müller 2004).
Für einige Kinder, die das Nest der Kindheit verlassen und den elterlichen Wunsch erfüllen sollen, kommt die Entscheidung ihrer Eltern völlig überraschend. Viele Kinder sind von dem Entschluss ihrer Eltern überrollt worden und haben entsprechende Gefühle der Trauer, der Ohnmacht und vielleicht des Zorns erlebt. Der Ausreiseprozess wird vom Kind zum Kind unterschiedlich wahrgenommen. Jüngere Kinder sind offener und bereiter, sich auf neue Situationen einzulassen, weil sie häufig noch nicht so intensive Freundschaften geschlossen haben und noch nicht feste Bindungen eingegangen sind. Für ältere Kinder hat die Ausreise größere Konsequenzen, weil sie Freunde, Verwandte und Bekannte zurückgelassen haben und damit Verlusterfahrungen hinnehmen müssen (Hurrelmann und Bründel 1996).
Obwohl die Entscheidung zur Auswanderung gut geplant ist und die Aufnahmebedingungen im Aufnahmeland optimal sind, wird die Migration der Jugendlichen von gesundheitlichen Risiken begleitet, so dass es negativ auf körperliche und psychosoziale Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund auswirkt (Weiss 2003).
In diesem Zusammenhang steht im Mittelpunkt der Hausarbeit die Darstellung des psychischen Gesundheitszustands von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Diese Hausarbeit ist auf vier verschiedene Kapitel aufgeteilt, sodass der Leser nach der Einführung in die Thematik im zweiten Kapitel einen Überblick über grundsätzliche Nuancen der Migration mit Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen bekommt. Im dritten Kapitel der vorliegenden Arbeit wird auf psychische und psychosoziale Probleme von Kindern eingegangen. Der Leser bekommt eine Vorstellung, wie die Suche nach Identität und Integration auf die Psyche der Jugendlichen auswirkt und welche Folgen zu erkennen sind. Die Hausarbeit wird mit einer Zusammenfassung zu diesem Thema abgeschlossen.
2. Phasen der Migration und ihre Auswirkungen auf den Gesundheitszustand von jugendlichen Migranten
Mit den Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund als auch mit den Erwachsenen geschehen verschiedene Ereignisse im Verlauf des Migrationsprozesses, sodass die Anfälligkeit für psychische Störungen sehr stark erhöht ist (Baune 2004). Ein Migrationsprozess mit seinen kurzfristigen aber auch langfristigen Auswirkungen scheint einen wichtigen Einfluss auf das psychische Wohlergehen sowie auf die Entwicklung psychischer Erkrankungen unter jugendlichen Migranten auszuüben (Baune zitiert nach Machleidt 2004, S. 124). Die Gestaltung der neuen Lebenswelt im Migrationsprozess wird von verschiedenen Faktoren belastet (Weiss 2003). Baune (2004) behauptet, dass die Dauer des Migrationsprozesses sehr unterschiedlich sein kann und von der Geschwindigkeit der beruflichen, sozialen und sprachlichen Integration von Kindern und Jugendlichen abhängig ist.
Sluzki (2001) unterteilt den Verlauf eines Migrationsprozesses in folgende sechs Stadien, die unterschiedlich auf den psychischen Gesundheitszustand bei Kindern und Jugendlichen einwirken (Siehe Abb.4):
Die Vorbereitungsphase.
Der Verlauf der Migration fängt an, wenn ein Familienmitglied sich mit der Auswanderung intensiv beschäftigt. Dabei wird das Bemühen gegeben, um eine Auswanderung zu konkretisieren. Die Dauer dieser Phase hängt vom Lebensstil und Zeitrhythmus der Familie ab. Die Vorbereitungsphase wird mit den ersten „Höhen“ und „Tiefen“ begleitet, sodass es einerseits in kurzen freudigen Euphorien und anderseits in kurzen Perioden von Angst, Enttäuschung und Überlastung äußern kann (Sluzki 2001). Die Neugier zur fremden Kultur beseitigt meistens negative Gefühle, weil man die eigene Erfahrung im Aufnahmeland sammeln und erleben möchte und nicht nur dieses Bild von Erzählungen der Bekannten vor sich haben will. Kindern und Jugendlichen wird viel versprochen, um ihre psychische Stabilität zu erhalten.
Der Migrationsakt.
Migration ist ein Prozess, für den keine Rituale vorgeschrieben sind. Migranten müssen aus ihrer Sichtweise für diesen schmerzhaften Akt persönliche Rituale aussuchen. Ablauf und Stil des Migrationsaktes ist in jeder Familie unterschiedlich. Einige Familien wollen alle Brücken abbrechen und sehen den Migrationsakt als etwas Endgültiges und Unwiderrufliches an. Andere wollen nur für eine gewisse Zeit migrieren und in dem Fall, wenn die Lebensbedingungen sich verschlechtern, kehren sie zurück (Sluzki 2001). Der Anfang der erheblichen psychischen Probleme beginnt in dieser Phase, wo der Wechsel des politischen und kulturellen Bezugsrahmens deutlich wird, und damit die Erschütterung des gewohnten Werte- und Normensystems, das Verlassen der gewohnten Umgebung, das Zurücklassen von Verwandten und Freunden, der Statusverlust und meistens Sprachschwierigkeiten vorhanden sind (Branik 1982). Der Migrationsakt ist für Jugendliche ein Übergangsprozess vom Heimatland in eine neue Umgebung. Während dieser Zeit sind jugendliche Migranten besonders verletzlich, weil sie die Welt der Kindheit verlassen und in die neue Welt eintreten müssen, wo die Pflichten zunehmen (Colijn 2001).
Phasen der Migration
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
III - Migrationsakt
IV - Phase der Überkompensation
V - Phase der Dekompensation
VI - Phase der generationsübergreifenden Anpassungsprozesse
Quelle: modifiziert nach Sluzki, 2001, S.103
Phase der Überkompensierung.
Die Belastungen der Migration sind nach Ankunft am größten. Sie äußern sich nach den ersten Wochen und Monaten als massive Krisen infolge der Umstrukturierung einer Familie. In der Anfangszeit unmittelbar nach der Migration werden die Probleme verdrängt, um Unstimmigkeiten zwischen den Erwartungen und der Realität nicht wahrzunehmen (Sluzki 2001). Stress wird in der Phase der Überkompensierung sehr oft vertuscht, um die mühsamen Anpassungsmöglichkeiten in die fremde Kultur zu realisieren. Die Familien verstärken häufig zur Konfliktabwehr die alten Familientraditionen und Familienbewältigungsstile (Leyer 1991).
Althammer und Kossolapow (1992) haben diese Phase als „Einstiegsphase“ gekennzeichnet, in der bei Kindern und Jugendlichen psychosoziale Irritationen aufgrund mangelnder Angepasstheit entstehen. Sie leben eher retrospektiv als prospektiv und die Grenze zwischen Wunsch und Wirklichkeit verschwimmt.
Die positive Einstellung, die in den ersten inhaltlichen und persönlichen Begegnungen mit dem Aufnahmeland und dessen Kultur stattfindet, besteht aus persönlichen Vorstellungen und Wünschen der jugendlichen Migranten. Die Stimmung kann von Neugier, Euphorie und Überidealisierung beeinflusst sein, obwohl es mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Dabei ist aber die Erreichung eigener Ziele am wichtigsten (Baune 2004).
Die Ankunft bedeutet für Kinder und Jugendliche als auch für Erwachsene eine gewaltige Umstellung auf „die neue Zukunft“. Es heißt, dass sie Ordnungen und Gesetzen folgen sollen, die sie nicht kennen. Die Gesellschaft reagiert auf Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund meist ablehnend oder teilnahmslos, so dass für sie diese Haltung der Gesellschaft eine physische und psychische Belastung ist. Es gibt irgendwann eine Entladung, weil kein Mensch sich ständig in seiner Ehre oder in seinem Persönlichkeitsbild angreifen lassen kann (Funke 1986). Kinder und Jugendliche erleben in dieser Phase den Zustand des so genannten „Kulturschocks“, der mit dem Verlust alter Bindungen und mit dem Nichtbescheidwissen in der neuen Welt verbunden ist und krankhafte, psychosomatische Erscheinungen mit Misstrauen, Angst und Depression auslösen kann (Branik 1982).
Phase der Dekompensation.
Eine stürmische Periode erleben die jugendlichen Migranten in der Phase der Dekompensation (Leyer 1991). Diese bewegte Phase ist mit Konflikten, Symptomen und Problemen besonders belastet, weil migrierte Kinder und Jugendliche eine neue Realität gestalten sowohl wie auch die Anpassungsfähigkeiten an die neue Umwelt erhalten müssen (Sluzki 2001). Baune (2004) bezeichnet diese Phase als einen psychologischen Migrationsprozess, in dem die Anpassung an neue kulturelle Werte gleichzeitig eine kritische Auseinandersetzung mit kulturellen Werten der eigenen Kultur bewirkt. Die Aufgabe von Kindern und Jugendlichen in dieser Phase besteht darin, sich an neue Lebensverhältnisse anzupassen, ohne ihre eigene Identität völlig zu verlieren. Leyer (1991) erwähnt ein weises Zitat von dem französischen Philosoph Diderot. Er schrieb: „Man ziehe den Rock des Landes an, das man besucht, und bewahre den Rock des Landes, aus dem man stammt“ (Leyer 1991).
Die Auswirkung auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen wird durch Krisen in der Familie, Unsicherheit in der Gesellschaft, erste Enttäuschungen und Frustrationen in dieser Phase verschärft.
Phase der generationsübergreifenden Anpassungsprozesse.
Die Phase wird nach Sluzkis Modell in Form eines Generationskonflikts dargestellt. Obwohl Erwachsene den Anpassungsprozess verzögern, pflegen Kinder und Jugendliche aktiv ihre Kontakte zur Außenwelt im Aufnahmeland. Aus diesem Grund entstehen heftige Konflikte mit den Eltern, die alte Werte, Sitten und Normen in Zweifeln stellen (Sluzki 2001). Die psychische Belastung wird in dieser Phase bei den Kindern und Jugendlichen besonders erhöht, weil sie unter dem gesellschaftlichen und familiären Druck stehen.
3. Psychische Gesundheit in der Migration
3.1. Psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen. Allgemein
Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist entscheidend für den Aufbau und den Erhalt einer stabilen Gesellschaft. Migration, geänderte Beschäftigungsaussichten, geänderte Familienmuster und eine Belastung durch familiäre Konflikte sind die kritischen Lebensereignisse, die sich auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auswirken. Wenn es in der Gesellschaft die Anwesenheit „gefährdeter“ oder manifest gestörter Kinder und Jugendlicher gibt, führt es zu destabilisierenden Bedingungen für die Gesellschaft insgesamt (ohne Autor, URL: www.euro.who.int).
In dem Modell über die wichtigsten Einflüsse auf die Gesundheit im Jugendalter (Siehe Abb. 5) kann man erkennen, dass man Lebensereignisse und Dauerbelastungen als normativ und non-normativ unterscheidet. Unter normativen Belastungen, die sich aus gesellschaftlichen Anforderungen und Normen oder aus allgemeinen Entwicklungsbedingungen ergeben, lebt der überwiegende Teil der Jugendlichen. Um sich positiv im Jugendalter zu entwickeln, muss ein Individuum folgende Entwicklungsaufgaben bewältigen:
- „Akzeptieren der eigenen körperlichen Veränderungen,
- Übernahme der männlichen/weiblichen Geschlechtsrolle,
- Emotionale Unabhängigkeit und Ablösung von den Eltern,
- Aufbau und Gestaltung von Peer-Beziehungen,
- Umgang mit sexuellen Bedürfnissen,
- Entwicklung eigener Werte und eines persönlichen ethischen Systems,
- Vorbereitung zum Beruf,
- Vorbereitung auf Ehe und Familienleben“ (Faltermeier zitiert nach Oerter et al. 2005, S.249).
Identität ist für Jugendliche das zentrale Entwicklungsthema, weil sie für sich herausfinden müssen, wer sie sind und wie sie sein wollen. Eine Reihe von psychischen Belastungen ergibt sich aus den Entwicklungsaufgaben. Da die körperlichen Veränderungen wie zum Beispiel körperliche Reifung, Körperwachstum, sexuelle Reife in der Pubertät bei den Jugendlichen deutlicher sind, werden sie ohne Erfahrung dadurch verunsichert, so dass es zu psychischen Belastungen führt (Faltermeier 2005).
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- Arbeit zitieren
- Master of Education, Bachelor of Science (BSc), Dipl.Ing. Margarita Esterleyn (Autor:in), 2007, Migration und psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138513
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