“Wir brauchen fortan eine persönliche Erziehung (nicht Einprägung einer Gesinnung)”, appelliert Max Striner vor über 160 Jahren in der “Rheinischen Zeitschrift” unter dem Titel “Das unwahre Princip unserer Erziehung”.
Diese Forderung stand im Gegensatz zu den dem damaligen Erziehungsprinzipien. Zu seiner Zeit galt Erziehung als Zuchtmittel und diente der Formung der Kinder. Es gab eine Erzieher-Erziehenden-Hierachie, in welcher der Erzieher stets über dem Kind stand.
Stirners Forderung nach neuen Erziehungsmethoden wurde lange nicht wahrgenommen. Es gab zwar immer kritische Meinungen über Erziehungstheorien und Praktiken, aber erst in der 68er Revolution gab es radikale Veränderungen in der Erziehung. Es wurden viele Reformen in der Pädagogik durchgeführt und zahlreiche Theoretiker entwickelten neue Konzepte.
Durch die Kritik wurde Erziehung immer wieder neu betrachtet und gewertet und war somit gezwungen sich umzugestalten. Ziel der Bemühungen war es, eine ständige Verbesserung der Erziehung zu erreichen. Trotz der Streitigkeiten stand fest, daß Kinder und Jugendliche erzogen werden müssen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Max Stirner
2.1. Biografische Übersicht
2.2. Das Unwahre Princip unserer Erziehung
2.2.1. Der Humanismus
2.2.2. Der Realismus
2.2.3. Vergleich Humanismus – Realismus
2.2.4. Stirners Aufassung
3. Antipädagogik
3.1. Was ist Erziehung bzw. Pädagogik?
3.1.1. Menschenbild der Pädagogik
3.2. Was ist Antipädagogik?
3.2.1. Die Entwicklungsphasen der Antipädagogik
3.2.2. Hintergrund
3.2.3. Das Menschenbild der Antipädagogik
4. Ansätze der Antipädagogik in Stirners Artikel?
5. Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
“Wir brauchen fortan eine persönliche Erziehung (nicht Einprägung einer Gesinnung)”1, appelliert Max Striner vor über 160 Jahren in der “Rheinischen Zeitschrift” unter dem Titel “Das unwahre Princip unserer Erziehung”.
Diese Forderung stand im Gegensatz zu den dem damaligen Erziehungsprinzipien. Zu seiner Zeit galt Erziehung als Zuchtmittel und diente der Formung der Kinder. Es gab eine Erzieher-Erziehenden-Hierachie, in welcher der Erzieher stets über dem Kind stand.
Stirners Forderung nach neuen Erziehungsmethoden wurde lange nicht wahrgenommen. Es gab zwar immer kritische Meinungen über
Erziehungstheorien und Praktiken, aber erst in der 68er Revolution gab es radikale Veränderungen in der Erziehung. Es wurden viele Reformen in der Pädagogik durchgeführt und zahlreiche Theoretiker entwickelten neue Konzepte.
Durch die Kritik wurde Erziehung immer wieder neu betrachtet und gewertet und war somit gezwungen sich umzugestalten. Ziel der Bemühungen war es, eine ständige Verbesserung der Erziehung zu erreichen. Trotz der Streitigkeiten stand fest, daß Kinder und Jugendliche erzogen werden müssen.
In den 70er Jahren entstand jedoch die Antipädagogik, eine Bewegung, die sich nicht mehr für eine Veränderung der Erziehung einsetzte, sondern die totale Aufhebung und Abschaffung von Erziehung forderte.
In dieser Arbeit möchte ich mich mit Stirners Erziehungsverständnis beschäftigen und wissen, ob er aus heutiger Sicht einen antipädagogischen Ansatz hatte, oder sogar einer war.
Zuerst möchte ich den Menschen Max Stirner kurz vorstellen, um dann zu seinem Aufsatz “Das unwahre Princip unserer Erziehung” zukommen. Danach werde ich mich der Antipädagogik im Allgemeinen widmen und das antipädagogische Schulbeispiel Summerhill vorzustellen. Zum Schluss vergleiche ich Stirners Ansicht mit dem heutigen Verständnis der Antipädagogik, um festzustellen, inwieweit er in diesem Gebiet eine Vordenkerrolle inne hat.
2. Max Stirner
2.1. Biografische Übersicht
Max Stirner, dessen bürgerlicher Name Johann Casper Schmidtwar, wurde im Jahre 1806 in Bayreuth als einziger Sohn protestantischer Eltern geboren. Der Vater, ein Instrumentenbauer, verstab früh. Nach dem Abitur in Bayreuth zog es Stirner nach Berlin an die Humboldt Universität, um Jura zu studieren. Dieses Studium brach er jedoch bald ab, um vor allem philosophische und theologische Studien zu betreiben, neben Berlin (1826-28) auch an den Universitäten von Erlangen (1828/29) und Königsberg (1829). Am Ende dieses Studiums mit längeren Unterbrechungen bestand Stirner nur knapp das Lehramtsexamen in Berlin (1834). Nach dem Referendariat an der königlichen Realschule in Berlin (1835/36) wurde er nicht in den Staatsdienst übernommen und scheiterte auch später bei Versuchen, in Brandenburg an einem Gymnasium Anstellung zu finden. So mußte er die folgenden Jahre ein Auskommen als Privatlehrer suchen. In diesen Jahren fand Stirner Kontakt zu den “Freien”, einem anarchisch-bohèmehaften Kreis von Junghegelianern um den Philosophen Bruno Bauer, der vor allem durch völlig ungezügelte, eskapistische Lebensführung die Gesellschaft zu provozieren versuchte. In diesem Kreis lernte er die wohlhabende Apothekertochter Marie Dähnhardt kennen, mit der er seine zweite Ehe schloß (die erste war 1837 nach nur kurzer Dauer durch den Tod der Frau beendet worden). Durch das Vermögen der Frau konnte Stirner nun das Leben eines philosophierenden Privatiers führen. 1842 begann die philsophisch fruchtbare Phase mit Rezensionen und Zeitungsartikeln, um 1844 mit dem großen, freilich einzigen, Werk “Der Einzige und sein Eigentum” einen raschen Höhepunkt zu erreichen. Eine breitere Aufmerksamkeit blieb dem Werk zunächst verwehrt. Schon kurz darauf verlor sich Stirner's Schaffenskraft in Übersetzungsarbeiten und Kompilationen. Am Ende standen der finanzielle Ruin und das Zerbrechen der Ehe. Stirner's Weg verlor sich in Not und Dunkelheit. 1856 verstarb er an einer Vergiftung infolge eines Insektenstiches.
2.2. Das unwahre Princip unserer Erziehung
Der Artikel „Das unwahre Princip unserer Erziehung, oder: Humanismus und Realismus“ erschien 1842 in der „Rheinischen Zeitung“, als Antwort auf Theodor Heinsius „Konkordat zwischen Schule und Leben oder Vermittelung des Humanismus und Realismus aus nationalen Standpunkte betrachtet“ aus dem selben Jahr. In seiner Schrift möchte Heinsius einen Kompromiss zwischen den abgeschafften Humanismus und dem seit der Aufklärung immer weiterverbreiteten Realismus schaffen.
Stirner kritisiert an Heinsius, dass er sich nicht klar mit beidem auseinandersetzt und ausser einem historischen Abriss zu keiner endgültigen Meinung kommt.
“Ohne es mit den einen oder anderen verderben zu wollen, redet Heinsius in dem Büchelchen mit jener Milde und Versöhnlichkeit, die beiden ihr Recht widerfahren zu lassen meint und dabei der Sache selbst das grösste Unrecht tut, weil dieser nur mit schneidender Entschiedenheit gedient ist. Es bleibt nun einmal diese Sünde wider den Geist der Sache das unablösbare Erbteil aller weichmütigen Vermittler. [...] Heinsius entwirft, ehe er an seine eigenen Vorschläge kommt, eine kurze Skizze des historischen Verlaufs von der Reformation an.”2
Für Stirner sind weder die von Heinsius eingeführten Begriffe Realismus noch Humanismus der Ausweg für eine gute Erziehung. Beide Begriffe sind seiner Meinung nach von Heinsius schlecht gewählt, doch behält er sie in seinem Artikel bei.
2.2.1. Der Humanismus
Zuerst beschäftigt er sich mit dem Humanismus, um von ihm aus die
Verbesserungen des Realismus´ zu verdeutlichen.
Im Humanismus, den Stirner vor der Aufklärung einordnet, ist die Bildung ein
Machtsymbol der Herrschenden, die dadurch Gewalt über das ungebildete Volk erhalten. Der regierende Adel nutzt seine Bildung zur Machtausübung und um die Herrschaftsverhältnisse zu erhalten.
“Abgesehen von jedem anderen Grunde, der zu einer Überlegenheit berechtigen mochte, hob die Bildung, als eine Macht, den, der sie besass, über den Ohnmächtigen, der ihrer entbehrte, empor, und der Gebildete galt in seinem Kreise, so gross oder klein derselbe war, als der Mächtige, der Gewaltige, der Imponierende: denn er war eine Autorität.”3
Die humanistische Bildung ist eine ausschliessliche, die nur darauf abzielt, die Ständegesellschaft zu festigen. Der Schwerpunkt der Bildung lag dabei nicht auf das gegenwärtige Wissen oder ein „Lernen für das Leben“, sondern auf den antiken Klassikern und der Religion.
“...und seine Stützen sind Latein und Griechisch.”4
Somit wird deutlich, dass die Bildung nur höheren den Schichten vorbehalten ist. Der religiös geprägte Lehrplan, welcher Sprachen wie Latein und Griechisch große Bedeutung beimisst, hat keine Relevanz für das Lebens eines Bauerns oder Handwerkers.
2.2.2. Der Realismus
Als sich dann die Aufklärung durchsetzt, sollen ihre Forderungen nach allgemeinen Menschenrechten sich auch in der Bildung niederschlagen. Grundsätze wie Freiheit und Gleichheit sollen Einzug in die Schulen halten.
“...Anerkennung unverlierbarer und allgemeiner Menschenrechte gesellte sich die Forderung einer alle umfassenden, einer menschlichen Bildung.”5
Im Realismus ist es ein Anliegen der Institution Schule, dem Volk Wissen zu vermitteln. Dieses Wissen soll sich nun nicht mehr auf der reinen Theorie begründen, sondern den Menschen auf das Leben vorbereiten.
“...den Laienstand des Volkes aufzuheben ist das Streben des Realismus.“6
Die formelle Bildung gewinnt jetzt immer mehr an Wissenschaftlichkeit und wird strukturierter. Dadurch wird der Mensch dazu gebracht, sich mit dem Stoff und dessen Handhabung aufs genaueste auseinander zusetzen. So lernen die Educanden, wie sie das Gelernte auf das Leben anwenden können.
Doch Stirner fragt sich, ob der Realismus so revolutionär ist.
Sowie der Realismus, als auch der Humanismus, besitzen Forderungen, die man nicht absprechen kann. Die formelle Bildung des Humanismus ist genauso richtig, wie das Bestreben des Realismus´, jeden Stoff in der Schule zu behandeln.
“Die Humanisten haben darin Recht, dass es vornehmlich auf die
formelle Bildung ankommt - darin Unrecht, dass sie diese nicht in der Bewältigung jedes Stoffes finden; die Realisten verlangen das Richtige darin, dass jeder Stoff auf der Schule angefangen werden müsse, das Unrichtige dann, wenn sie nicht die formelle Bildung als hauptsächlichen Zweck ansehen wollen.”7
Doch Stirner sagt ganz klar, das weder der Humanismus noch der Realismus dazu dient, einen freien Mensch zu erziehen. Beide unterdrücken seinen Willen und machen aus ihm einen unterwürfigen Menschen, die sich der Gesellschaft anpassen. Besonders im Realismus prangert Stirner an: “...macht man sie hingegen nur gebildet, so werden sie sich auf höchst gebildete und feine Weise allezeit den Umständen anpassen und zu unterwürfigen Bedientenseelen ausarten.”8
Die Praxisnähe des Realismus´ ist für Stirner kein Zeichen für eine adäquate Bildung, da Tiere auch ein “praktisches Leben [führen], sobald die Mutter sie ihrer theoretischen Säuglingschaft entwöhnt hat, und suchen entweder nach Lust in Feld und Wald ihr Futter, oder werden ins Joch eines - Geschäftes eingespannt.”9
[...]
1 Striner, Max: Das unwahre Princip unserer Erziehung“ S. 97
2 Stirner, M: Das unwahre Princip unserer Erziehung, S. 75f
3 Stirner, M: Das unwahre Princip unserer Erziehung, S. 77
4 Stirner, M: Das unwahre Princip unserer Erziehung, S. 79
5 Stirner, M: Das unwahre Princip unserer Erziehung, S. 79
6 Stirner, M: Das unwahre Princip unserer Erziehung, S. 80
7 Stirner, M: Das unwahre Princip unserer Erziehung, S. 83
8 Stirner, M: Das unwahre Princip unserer Erziehung, S. 91
9 Stirner, M: Das unwahre Princip unserer Erziehung, S. 91f
- Arbeit zitieren
- Stefanie Tödt (Autor:in), 2008, Inwieweit ist Stirner ein Antipädagoge?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138322
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