„Schlüsselqualifikationen“, „Leistungsgesellschaft“, „PISA-Schock“ (u. a. TOPSCH 2002, 134; KLAFKI 1976, 152). Das alles sind Begriffe, die in unserer heutigen Gesellschaft immer wieder reges Aufsehen erzeugen, gerade dieses Jahr im sogenannten „Superwahljahr 2009“. Viele Politiker machen das Thema „Bildung“ zu einem zentralen Thema, um um die Gunst ihrer Wähler zu werben. Nähern wir uns diesem Thema „Bildung“ einmal näher, kommen wir um die schulische Ausbildung nicht herum. Doch wie sieht es innerhalb dieses Kreises aus? Wenn man einige Schüler befragt, warum sie in die Schule gehen, wird nicht selten die Antworten lauten: „Um gute Noten zu bekommen“ (WINTER 2005a, 69). Die Ziffernbeurteiligung regiert in Deutschland immer noch in sehr weiten Teilen als Leistungsbewertungsinstrument an deutschen Bildungseinrichtungen. Angesichts eines bekannten abgewandelten Zitats Winston Churchills über die Demokratie, das lautet, „die Beurteilung mit Noten sei zwar die (wissenschaftlich nachgewiesener Maßen) denkbar schlechteste aller Beurteilungsformen, es gäbe aber keine bessere“ (ANDEXER / THONHAUSER 2002, 156), sei dies jedoch mehr als kritisch zu hinterfragen. Die Leistungsbeurteilung mittels Noten ist zweifelsohne einfach und leicht nachvollziehbar, doch wie u. a. WEIß und INGENKAMP in ihren zahlreichen Forschungsversuchen bereits 1965 bzw. 1967 belegte, erfüllt die Ziffernbeurteiligung keines der Gütekriterien (Objektivität, Reliabilität und Validität). Warum hat sich in dieser doch enormen Zeitspanne von über 40 Jahren dennoch nichts geändert? Gibt es eine realistische Alternative zur tradierten Leistungsbeurteilung, die die negativen Seiten der Notenzensur aufheben könnte? Auffallend ist, dass in Deutschland zurzeit ein Umstellungsprozess im Gange ist, weg vom instruktionistischen hin zum konstruktivistischen Unterrichtsmethoden (REINMANN / MANDL 2006, 616). Das Portfoliokonzept, das sich seit geraumer Zeit als „neues“ Modewort entpuppt, orientiert sich weitgehend an dieser Lernpsychologie, indem es versucht das „Lernen zu lernen“ (HÄCKER, 17; In: BRUNNER et. al. 2008). Darüberhinaus verspricht die Portfoliomethode weitere Vorzüge zu enthalten, u. a. auch die Verbesserung der viel gefragten Schlüsselqualifikationen wie Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenz. Doch kann dieses Konzept auch den „angestrebten Paradigmenwechsel im Prüfungswesen“ (KOCH, 208; In: BRUNNER et. al. 2008) durchführen?
Inhaltsverzeichnis
1. Problemstellung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Definition und geschichtlicher Hintergrund
2.2 Komponenten der Portfolioarbeit
2.3 Portfolioarten
2.4 Das E-Portfolio als eine spezielle Form des Portfolios
3. Portfolioarbeit im Unterricht: Von der Theorie zur Praxis
3.1 Theoretische Realisierungsmöglichkeiten nach Inglin
3.2 Realisierungsmöglichkeiten in der Schule
3.3 Realisierungsmöglichkeiten in der Lehrerbildung
4. Leistungsbeurteilung durch Portfolios
4.1 Spannungsverhältnis: Portfolio vs. Beurteilung
4.2 Möglichkeiten der Leistungsbeurteilung von Portfolios
4.2.1 Vorgehensweise beim Bewertungsprozess
4.2.2 Entwickeln und Anwenden von Kriterien
4.2.3 Mögliche Bewertungsformen
5. Messen von Portfolios
5.1 Messqualität und Gütekriterien von Portfolios
5.2 Empirische Befunde zum Status Quo der Portfolioforschung
6. Diskussion und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Anhang
Versicherung
1. Problemstellung
„Schlüsselqualifikationen“, „Leistungsgesellschaft“, „PISA-Schock“ (u. a. Topsch 2002, 134; Klafki 1976, 152). Das alles sind Begriffe, die in unserer heutigen Gesellschaft immer wieder reges Aufsehen erzeugen, gerade heuer im sogenannten „Superwahljahr 2009“. Viele Politiker machen das Thema „Bildung“ zu einem zentralen Thema, mit dem sie um die Gunst ihrer Wähler werben. Nähern wir uns diesem Thema „Bildung“, kommen wir um die schulische Ausbildung nicht herum. Doch wie sieht es innerhalb dieses Kreises aus? Wenn man einige Schüler[1] befragt, warum sie in die Schule gehen und lernen, wird nicht selten die Antworten lauten: „Um gute Noten zu bekommen“ (Winter 2005a, 69). Die Ziffernbeurteiligung regiert in Deutschland immer noch in sehr weiten Teilen als Leistungsbewertungsinstrument an deutschen Bildungseinrichtungen. Angesichts eines bekannten abgewandelten Zitats Winston Churchills über die Demokratie, das lautet, „die Beurteilung mit Noten sei zwar die (wissenschaftlich nachgewiesener Maßen) denkbar schlechteste aller Beurteilungsformen, es gäbe aber keine bessere“ (Andexer / Thonhauser 2002, 156), sei dies jedoch mehr als kritisch zu hinterfragen. Die Leistungsbeurteilung mittels Noten ist zweifelsohne einfach und leicht nachvollziehbar, doch wie u. a. Weiß und Ingenkamp in ihren zahlreichen Forschungsversuchen bereits 1965 bzw. 1967 belegte, erfüllt die Ziffernbeurteiligung keines der Gütekriterien (Objektivität, Reliabilität und Validität). Warum hat sich in dieser doch enormen Zeitspanne von über 40 Jahren dennoch nichts geändert? Gibt es eine realistische Alternative zur tradierten Leistungsbeurteilung, die die negativen Seiten der Notenzensur aufheben könnte? Auffallend ist, dass in Deutschland zurzeit ein Umstellungsprozess im Gange ist, weg vom instruktionistischen hin zum konstruktivistischen Unterrichtsmethoden (Reinmann / Mandl 2006, 616). Das Portfoliokonzept, das sich seit geraumer Zeit als „neues“ Modewort entpuppt, orientiert sich weitgehend an dieser Lernpsychologie, indem es versucht das „Lernen zu lernen“ (Häcker, 17; In: Brunner et. al. 2008). Darüberhinaus verspricht die Portfoliomethode weitere Vorzüge zu enthalten, u. a. auch die Verbesserung der viel gefragten Schlüsselqualifikationen wie Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenz. Doch kann dieses Konzept auch den „angestrebten Paradigmenwechsel im Prüfungswesen“ (Koch, 208; In: Brunner et. al. 2008) durchführen?
Die nachfolgende Arbeit versucht diese Fragen zu beantworten, indem zuerst die theoretischen Grundlagen anhand einer Definitionsabgrenzung und eines geschichtlichen Hintergrundes aufzeigt werden. Anschließend wird auf die Komponenten und die Arten von Portfolios, insbesondere das E-Portfolio, näher eingegangen. Im Anschluss an den theoretischen Teil, wird aufgezeigt wie die Portfolioarbeit in der Praxis umsetzbar ist. Darauf aufbauend beschäftigt sich die Arbeit im Folgenden mit der Frage, ob der Portfolioansatz wirklich als ein alternatives Konzept der Leistungsbeurteilung anzusehen ist. Hier wird differenziert dargestellt, ob bzw. wie die mögliche Beurteilung anhand eines Portfolios ausschauen könnte. Empirische Daten zum Status Quo der Portfolioforschung aus verschiedenen Sichtweisen und die Messqualität von Portfolios runden die Arbeit ab.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Definition und geschichtlicher Hintergrund
Da das Portfolio sehr individuell verwendet wird (siehe dazu auch Punkt 2.3), gibt es bis heute keine allgemein anerkannte Definition (Häcker 2005a, 13). Exemplarisch sollen hier zwei mögliche Definitionen herausgegriffen werden. In Anlehnung an Paulson / Paulson & Meyer, die sich als Erste 1991 an eine Definition in der Fachliteratur heranwagten, versteht man unter Portfolio eine „zielgerichtete Sammlung von Arbeiten, welche die individuellen Bemühungen, Fortschritte und Leistungen der/des Lernenden auf einem oder mehreren Gebieten zeigt. Die Sammlung muss die Beteiligung der/des Lernenden an der Auswahl der Inhalte, der Kriterien für die Auswahl, der Festlegung der Beurteilungskriterien sowie Hinweise auf die Selbstreflexion der/des Lernenden einschließen“ (1991, 60). Schlicht und ergreifend definieren es Sembill / Seifried, wenn sie ein Portfolio als eine „Mappe, in der ausgewählte Belege der Arbeit bzw. der Leistung gesammelt werden“ bezeichnen (2007, 34). Doch alle in der Literatur angegeben Definitionen haben im Kern mehr oder weniger die Begriffe „Sammlung“, „Artefakte“, „Prozess“ und „Präsentation“ gemeinsam. Gerade der letzte Begriff grenzt ein Portfolio von einem Lerntagebuch, einer Arbeitsmappe bzw. einem gewöhnlichen Hefteintrag ab (Winter 2007, 116; Easley / Mitchell 2004, 49). Aus der USA kommend, unterscheidet man den Portfoliobegriff auch zwischen einer engen und einer weiten Fassung. In der engen Fassung wird Portfolioarbeit als alternatives Beurteilungsinstrument gesehen, in der weiten Fassung als Lehr-, Lern- und Entwicklungsinstrument (Häcker, 36; In: Brunner et. al. 2008).
Das Wort „Portfolio“ wird je nach Autor aus unterschiedlichen Sprachen hergeleitet. Thomas Häcker z. B. leitet es aus dem Italienischem „portafoglio“ ab, das sich aus den zwei Wörtern „portare“ (tragen) und „foglio“ (Blatt) zusammensetzt (27; In: Brunner et. al. 2008). Thomas Wiedenhorn u. a. verweist auf das lateinische „portare“ bzw. „folium“ und bezeichnet es als „etwas, womit man Blätter transportieren kann“ (2006, 10, Hornung-Prähauer 2007, 13). Aber auch im Englischen taucht der Begriff u. a. im „Oxford Reference Dictionary“ auf und heißt wörtlich übersetzt ein „Behältnis für lose Zeichnungsentwürfe oder Papierbehälter“ (Hawkins 1989, 650). Schon in der Renaissance haben Künstler und Architekten sich eben dieser „Zeichnungsentwürfe“ bedient, um sich einem möglichen neuen Arbeitgeber anhand ihrer besten Werke vorzustellen. Hinzu kamen mit der Zeit die Investmentportfolios, die eine Aufstellung der Wertpapierbestände aufzeigen. 1974 wurde der Begriff zum ersten Mal im schulischen Kontext verwendet. Ruppert Vierlinger (ein Österreicher) machte mit dem Begriff der „direkten Leistungsvorlage“, das synonym zum Portfoliobegriff verwendet werden kann, in den 70er Jahren eine Parallelerfindung. Anfänglich noch mit sehr viel Skepsis betrachtet, kam die Portfolioentwicklung zuerst im anglosächsischen Bereich aufgrund heftiger Kritik am Bildungssystem in den 80ern und zehn Jahre später im deutschsprachigen Raum zu mehr und mehr Ansehen (Pfeifer 2007, 36). Dies zeigte sich in der Anzahl der Veröffentlichungen, aber auch in der praktischen Anwendung der Portfolioarbeit. Doch auch bereits in der Reformpädagogik tauchen wesentliche Elemente, wie z. B. Beleghefte, Arbeitsmappen, Lebensbücher, olivgrünen Heft bzw. Jahresarbeiten auf (Häcker, 27 ff.; In: Brunner et. al. 2008; Winter 2006, 187; Hornung-Prähauer 2007, 16).
2.2 Komponenten der Portfolioarbeit
Thomas Häcker, aber auch Birgit Brouёr und Thomas Wiedenhorn unterscheiden sechs Phasen der Arbeit mit Portfolios, siehe Abb. 1 (Häcker 2005a, 15 – 17, Brouёr 2007, 160; Wiedenhorn 2006, 14 – 16, Endres et. al., 2007, 10 - 13).
Ein selbst- oder fremdgesetztes Problem bzw. eine Themen- oder Aufgabenstellung definieren dabei die Ausgangslage.
1. Context definition:
In dieser Phase werden die Rahmenbedingungen wie z. B. Zweck, Ziele, Anforderungen, Ressourcen, Einsichtmöglichkeiten und Verbleib festgelegt. Dies sollte möglichst zusammen mit dem Schüler besprochen und festgehalten werden, da hier der erste Grundstein für erfolgreiche
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Prozesskomponenten der Portfolioarbeit (Quelle: Häcker 2005a, 15).
Portfolioarbeit gelegt werden kann. Die hohe Transparenz, die damit hergestellt wird, kann als positiver Effekt bei späteren Beurteilungsphasen hilfreich sein. Desweiteren fühlen sich die Schüler ernst genommen, wenn sie an der Ausgestaltung des Unterrichts mitwirken können. (Pfeifer/Kriebel 2007, 39)Da Emotionen im Allgemeinen einen wichtigen Bestandteil beim Lernen spielen, sollte man diesen Aspekt nicht unterschätzen. „Wer bei der Organisation und Durchführung von Lehr-Lern-Prozessen auf die explizite Einbindung und Reflexion der Emotionalen Befindlichkeit verzichtet, handelt nach heutigem Erkenntnisstand fahrlässig“. (Sembill 2009, 7; Wild et. al. 2006, 207).
2. Collection:
Das gesamte Lernvorhaben umspannt die sogenannte Sammelphase. Hier sammeln die Schüler zuerst einmal alles, was sie zu ihrem Thema finden. In einem „dynamischen“ Inhaltsverzeichnis, wird notiert was die Schüler warum aufgenommen haben. Entstandene „Sammelsurien“ sind für diese Phase der Portfolioarbeit durchaus noch vertretbar, dies ändert sich jedoch im nächsten Schritt.
3. Selection:
Dies ist die bedeutendste Phase aus didaktischer Sicht. Hier wählt der Schüler nun aus dem Gesammelten die Dokumente aus, die ihm am Wichtigsten erscheinen. Wichtig ist hier, dass die Schüler ihre Auswahl schriftlich begründen, sodass dies im Laufe des Prozesses nachvollziehbar bleibt. Hier kann das sogenannte Mehrwert-Prinzip Anwendung finden, indem sich der Schüler die Kontrollfrage stellt: „Was würde meinen Portfolio fehlen, wenn ich dieses Dokument nicht aufnehmen würde“. In der Phase zwei und drei kann auf Wunsch des Lernenden eine Beurteilungseinheit seitens der Mitschüler oder der Lehrkraft erfolgen. Der hohe Beratungsbedarf, gerade bei Einführung von Portfolioarbeit, stellt in diesen beiden Schritten eine große, aber lohnende Herausforderung dar.
4. Reflection:
Die Selbstreflexion kann man als „Herzstück“ der Portfolioarbeit bezeichnen. Entscheidend ist hier, dass dies während des gesamten Prozesses stattfindet, sodass der Lernfortschritt optimal sichtbar gemacht werden kann. Diese Art der Beurteilung mag für viele Schüler anfänglich noch ungewohnt erscheinen und bedarf somit gezielten vorherigen Trainings. Damit es nicht zu „Pseudoreflexionen“ (Gläser-Zikuda / Göhring 2007, 203) kommt, ist es von entscheidender Notwendigkeit, dass die Beurteilung auf der Grundlage eines vorher gemeinsam erstellten Beurteilungsraster erfolgt (siehe Anhang 2).
5. Projection:
Der Ausblick des Lernenden schließt die Portfolioarbeit formell ab. Dies kann in Form eines Nachwortes zum Ausdruck gebracht werden. Hier formuliert der Schüler Einsichten zum Thema, seine Zielerreichung und gibt mögliche Verbesserungsvorschläge.
6. Presentation:
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Abb. 2: Dimensionen zur Charakterisierung von Portfolioarbeit (Quelle: Häcker 2006, 133)
Ein Portfolio zeichnet sich in besonderem Maße dadurch aus, dass es nach Abschluss nicht einfach vom Schüler mit nach Hause genommen wird, sondern öffentlich präsentiert wird. Dies kann dadurch erfolgen, dass jeder Schüler sein Portfolio der Klasse präsentiert und es anschließend in der Schule verbleibt. Eine besondere Würdigung erhält das Portfolio jedoch erst dadurch, wenn es in einer eigens dafür angelegten Veranstaltung einem Personenkreis außerhalb der gewohnten Klassenatmosphäre (Eltern, Lehrerkollegium, andere Schüler) aus- bzw. vorgestellt wird (Brunner / Schmidinger 2004, 83). Ein abschließendes Portfoliogespräch mit der Lehrkraft rundet die Portfolioarbeit ab (Häcker 2007, 145 – 148).
2.3 Portfolioarten
Analog zu den vielen verschiedenen vorhandenen Definitionen, gibt es eine ganze Reihe unterschiedlicher Portfolioarten, die manchmal auch zu Verwirrung unter Lehrern führen kann (Winter 2005a, 71). Thomas Häcker, der als ein Portfoliospezialist bezeichnet werden kann, nahm sich dieser Problematik an und entwickelte ein Modell, das die unterschiedlichen Typen im dreidimensionalen Raum darstellt (Abb. 2). Häcker unterscheidet Portfolios innerhalb den drei Kategorien Zweck, Inhalte und Entscheidung. Zu den Extrembeispielen zählen ein Individual Portfolio (links unten) und ein Showcase-Portfolio (rechts oben).
Das Individual Portfolio zeichnet sich dadurch aus, dass es eine formative (Selbst-)Beurteilung aufweist, sprich, es kommt zu einer fortlaufenden Bewertung während des gesamten Prozesses. Außerdem nimmt der Lernende „alles und jeden“ in die Mappe mit auf und trifft diese Entscheidung selbst.
Im Gegensatz dazu kommt es bei einem Showcase-Portfolio zu einer summativen (Selbst-)Beurteilung, was soviel heißt, als dass eine einzige abschließende Bewertung erfolgt. Die Inhalte begrenzen sich auf einige wenige Inhalte, die eine andere Instanz für den Lernenden trifft. Bei dieser Portfolioart ist der Prozessgedanke am wenigsten ausgeprägt. Vergleichbar ist diese Zusammenstellung mit einer Bewerbung auf eine Stellenausschreibung (vgl. hierzu auch Endres et. al. 2007, 31).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Portfoliotypen (Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Wiedenhorn 2006, 17)
Andere Arten von Portfolios befinden sich je nach Ausrichtung und Gewichtung zwischen diesen beiden Beispielen im dreidimensionalen Raum wieder. Je nach Autor gibt es eine ganze Reihe unterschiedlichster Typen von Portfolios. In Anlehnung an die Einteilung von Wiedenhorn unterscheidet dieser zwischen Prozess- und Produktportfolio, siehe Abb. 3 (2006, 17; vgl. dazu auch Winter 2007, 116; Häcker, 38; In: Brunner et. al. 2008). Steht beim Prozessportfolio die Dokumentation, Analyse und Beschreibung des Lernprozesses im Mittelpunkt, so konzentriert sich das Produktportfolio auf die zielgerichtete Auswahl von Arbeiten eines jeden Schülers. Beim Arbeitsportfolio stehen die Entwürfe des Lernenden im Vordergrund. Hier zeigen sich die Stärken und Schwächen eines Schülers sehr deutlich im Zeitverlauf. Das Entwicklungsportfolio zeigt das Wachstum und die Veränderung im Lernprozess eines jeden Schülers auf. Hier werden Arbeiten im Anfangszustand und in ihrer fertigen Ausführung abgelegt. Beide Portfolioarten können nach der Erarbeitung in ein Produktportfolio übergehen. Beispielhaft hierfür ist das Bewertungsportfolio, welches die besten Arbeiten des Lernenden beinhaltet. Maßgeblich hierfür ist der jeweilige Lehrplan. Diese Art dokumentiert, was ein Schüler in einem gewissen Zeitraum gelernt hat. Die Beurteilung kann aus einer Mischform aus Fremd- oder Selbstbewertung bestehen. Keith Lustig bringt es sehr einprägsam zum Ausdruck, indem er schreibt: „students assess their progress and see success through access“ (2001, 15).
Darüber hinaus kann man noch das Vorzeige- bzw. Präsentationsportfolio abgrenzen. Dies wird u. a. mit der Absicht erstellt, das Portfolio am Ende verschiedensten Adressaten vorzustellen. Die Beurteilung kann sowohl fremd als auch selbst als auch eine Kombination aus beiden vorgenommen werden (vgl. hierzu auch Sembill / Seifried 2007, 34; Häcker / Lissmann 2007a, 221/222; Brahm / Seufert 2007, 12 - 14).
Im Rahmen des Internationalen Jahr der Sprachen entwickelte der Europarat 2001 das sogenannte europäische Sprachenportfolio. Dieses zeigt auf, welche Sprachkenntnisse der Lernende besitzt und umfasst einen Sprachenpass, eine Sprachenbiographie, ein Dossier und kann auch in den Fremdsprachenunterricht integriert werden.
In der Literatur werden noch eine ganze Reihe weiteren Arten genannt, deren Abgrenzung zueinander meist nicht ganz einwandfrei ist. Ein Merkmal haben jedoch alle Arten von Portfolios gemeinsam: Es werden Dokumente zum Nachweis der Leistung gesammelt und man kann diese längerfristig einsehen (Winter 2005a, 71). Als eine besondere, ziemlich neue und zukunftträchtige Form wird das elektronsiche Portfolio im folgenden Gliederungspunkt 2.4 ausführlicher behandelt.
2.4 Das E-Portfolio als eine spezielle Form des Portfolios
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Mögliche Inhalte eines E-Portfolios (Quelle: Brahm / Seufert 2007, 7)
Neben den Selbst-, Methoden- und Sachkompentenz spricht man im Rahmen der Technologisierung immer wieder von der Verbesserung der Medienkompetenz. Um diesem zum Teil vorhandenen Missstand gerecht zu werden, zeichnet sich seit einiger Zeit eine neue Art des Portfolios mit dem Zusatz „e“ für electronic bzw. elektronisches Portfolio ab. Zusätzlich zu den oben genannten Definitionen, ist hier entscheidend, dass es sich um eine „digitale Sammlung“ (Schaffert et. al. 2007, 77) handelt. In Abb. 4 wird
ersichtlich, welche Inhalte ein E-Portfolio aufweisen kann. Im Gegensatz zum ursprünglichen Portfolio können hier direkte Verlinkungen zu anderen Homepages gemacht werden. Desweiteren wird das Hinzufügen von Audio-Dateien wesentlich erleichtert. Grundlage der Arbeit mit E-Portfolios ist ein internetbasiertes E-Portfolio-System. Einen bewerteten Auszug aus möglichen Anbietern geben Baumgartner et. al. in ihrer aktuellen Studie (siehe Anhang 1). Hier wird u. a. zwischen Open-Source-Anbietern und kommerziellen Anbietern unterschieden. Im Folgenden sollen einige Vorteile vom elektronischen Portfolio aufgezeigt werden. Hier ist zum einen die verbesserte Feedbackgestaltung zu nennen. Der Lehrer aber auch die Schüler sind nicht mehr an vorgegebene Zeiten im Unterricht fixiert, sondern können die (Mit-)Lernenden zeit- und ortsunabhängig beurteilen. Auch besteht hier die Möglichkeit, die Eltern mehr und mehr in die Portfolioarbeit und den Beurteilungsprozess einzubeziehen. Dadurch kann die Transparenz, aber auch die Akzeptanz weiter erhöht werden. Durch den Einsatz von E-Portfolios löst sich auch das Problem der Transportabilität und der Aufbewahrung. Des Weiteren werden Absolventen von Unternehmen immer mehr dazu aufgefordert, sich online zu bewerben. Hier wird das klassische Bewerbungsportfolio dann zum E-Portfolio, indem alle relevanten Inhalte eingescannt und dem potenziellen Arbeitgeber per E-Mail zugesandt wird. Dies hat u. a. neben dem finanziellen auch einen ökologischen Vorteil.
Doch auch bei der Arbeit mit E-Portfolios gibt es eine ganze Reihe von Nachteilen, die man nicht unterschätzen sollte (siehe auch Punkt 5.2 bzw. Anhang 7, Studie Brouёr). Im Rahmen der E-Portfolioarbeit wird zwar die Medienkompetenz gestärkt, doch muss von Anfang an eine technische Grundaffinität bei dem Schüler wie auch beim Lehrer vorhanden sein. Obwohl fast alle Jugendlichen einen Computer (98 %) und einen Zugang zum Internet haben (92 %), darf man dies nicht als gegeben voraussetzen (Schaffert et. al. 2007, 75). In der Hochschule schon weitesgehend Standard, müssten auch in der Schule frei zugängliche Computerplätze geschaffen werden, was natürlich mit einer enormen finanziellen wie auch räumlichen Belastung verbunden ist. Lehrkräfte sollten die Herausforderung der geänderten Lehrer-Schüler-Rolle ernst nehmen, und nun mehr als Tutor als als Lehrender auftreten (Brahm / Seufert 2007, 3 – 25; Schaffert et. al. 2007, 75 – 86).
Eine Bewertung eines E-Portfolios kann zum einen in summativer Form mittels Kriterien- und Kompetenzrastern (siehe Anhang 3), wie auch in formativer Form durch zeitnahes Feedback erteilt werden, welches als bessere Variante betrachtet werden kann (Christen / Hofmann 2008, 6/7). Durch den Einsatz von E-Portfolios lassen sich „Didaktik und Assessment beim E-Learning verzahnen“ (Reinmann 2009, 9).
3. Portfolioarbeit im Unterricht: Von der Theorie zur Praxis
3.1 Theoretische Realisierungsmöglichkeiten nach Inglin
Oswald Inglin hat hierfür ein theoretisches Modell entwickelt, dass die verschiedenen Einbindungsmöglichkeiten eines Portfolios in den Unterricht aufweist (Abb. 5, Grün = Unterrichtsphasen; Rosa = Portfolioarbeit).
Beim Parallel-Modell arbeiten die Schüler parallel zum regulären Unterricht an ihren Portfolios. Es werden sowohl traditionelle Unterrichtsphasen wie auch eigene Stunden für die Portfolioarbeit reserviert. Darüber hinaus sieht dieses Konzept vor, dass die Lernenden auch zu Hause in Einzelarbeit an ihrem Portfolio arbeiten. Freistunden können genutzt werden, um unter Aufsicht an den Portfolios zu arbeiten, dadurch wird die Selbstständigkeit der Schüler gefördert. Gerade zur Einführung von Portfolioarbeit kann dieses Modell sehr hilfreich sein. Das Zeitfenster kann sich auf ein Halbjahr bzw. auch über ein ganzes Schuljahr hinweg erstrecken.
Das Zentripedal-Modell sieht vor, dass die Schüler größtenteils ihr Portfolio in Einzelregie zu Hause anfertigen. Zwischenergebnisse können „in Form von Werkstattgesprächen“ oder „Showcase“-Lektionen (Inglin, 86/87; In: Brunner et. al. 2008) in den Unterricht integriert und beurteilt werden. Beurteiler können sowohl die Lehrkraft wie auch die Mitschüler sein.
Die idealste Form der Integration von Portfolios in den Unterricht bezeichnet Inglin als Zentrifugal-Model. Der gesamte Verlauf des Unterrichts wird nach dem Portfolio ausgerichtet, wobei die Schüler zentral bei der Organisation, Ausgestaltung und Realisierung mitwirken. Diese Handhabung von Portfolioarbeit fördert am stärksten das individuelle Lernen. Für diese Ausgestaltungsform sollten die Schüler jedoch schon erste Erfahrungen mit der Portfolioarbeit aufweisen.
Ein Modell, das in der Theorie von Inglin entworfen wurde, praktisch jedoch kaum zum Zuge kommt, ist das Einheits-Modell. Hier wird während des gesamten Unterrichts an der Erstellung und der Auswertung der Portfolios gearbeitet. Aufgrund der „stringenten Lehrplanvorgaben“ (Inglin, 86; In: Brunner et. al. 2008) ist dieses Modell meist nicht umsetzbar.
Erstreckt sich das Parallel-Modell noch über einen längeren Zeitraum, so werden die anderen Formen meist nur für kürzere Phasen im Schuljahr eingesetzt (vgl. hierzu auch Wiedenhorn 2006, 21/22).
Doch nun stellt sich die Frage, egal wie man das Portfolio im Unterricht implementiert, wie sich denn daraus eigentlich die vielgefragten Schlüsselqualifikationen wie z. B. Methoden- und Sozialkompetenz entwickeln können? Die Methodenkompetenz wird u. a. durch die eigenständige Informationsbeschaffung und deren kritischen Umgang geschult. Des Weiteren lernen die Schüler, welche Medien eingesetzt werden können, um z. B. eine Präsentation vorzubereiten. Durch die Gruppenarbeit, durch Feedback und durch die Beratungsgespräche erhält der Schüler eine gesteigerte Sozialkompetenz (Pfeifer / Kriebel 2007, 99/100).
3.2 Realisierungsmöglichkeiten in der Schule
Aufbauend auf den theoretischen Grundlagen, sollen nun praktische Ausgestaltungsmöglichkeiten in der Schule aufgezeigt werden.
Man sollte jedoch am Anfang nicht den großen Fehler machen und mit der sprichwörtlichen „Tür ins Haus fallen“. Denn möchte man Portfolioarbeit als Lehrer in seinen Unterricht einführen, kommt dem Lehrer höchstwahrscheinlich eine ganze Reihe von Widerstand entgegen. Neben dem internen Widerstand anderer Lehrer bzw. der Schulleitung, ist es von essenzieller Bedeutung, auch die Eltern der Kinder erst einmal ausführlich zu informieren. Deren Einfluss auf ihre Kinder bzw. auf die Bildung ihrer Kinder sollte nicht unterschätzt werden. Oftmals scheitern neu eingeführte Portfolioprojekte nicht am Widerstand der Schüler bzw. der Schulleitung, sondern an den Eltern. Ein aufgebrachter Vater beschrieb es mit den Worten: „Eltern, wehrt euch, und kämpft für die Zukunft eurer Kinder […] an der Schule meines Sohnes wollten die Lehrer die Zensuren bis zur vierten Klasse abschaffen. Mit viel Einsatz haben wir Eltern es geschafft, dies zu verhindern. Es lohnt sich, Widerstand gegen die Faulheit der Lehrer zu leisten“ (Röll 2009, 29). Oftmals halten diese sogenannten „helicopter-parents“[2] an der überholten Ziffernbeurteilung fest und wollen sich nicht auf das neue Konzept einlassen, da sie befürchten, dass ihr Kind damit Nachteile erlangen könnte. Neben den Schülern sollte somit auch bei den Eltern gezielt Aufklärung durch Kommunikation betrieben werden. Ein Elternbrief (siehe Anhang 5, Seite 37) bzw. noch besser ein spezieller Elternabend kann hierfür Abhilfe schaffen, um Akzeptanz, Verständnis und später auch eine konstruktive Zusammenarbeit zu erhalten (Wiedenhorn 2006, 23; Brunner / Schmidinger 2004, 25; Lustig 2001, 35). Wie auch Jürgen Seifried empirisch feststellte, ist die Sichtweise der Lehrkraft äußerst entscheidend für die Sichtweisen der Schüler und deren Eltern. Deshalb sollte zu aller erst der Lehrer vollkommen hinter dem Lehr-Lern-Arrangement „Portfolio“ stehen und sich durch anfänglichen Widerstand nicht entmutigen lassen, um anschließend andere mit ins Boot holen zu können (2009, 318 - 334). Hat man die Akzeptanz der Eltern und Schüler erreicht, zeigt sich eine weitere Hürde in der Einrichtung geeigneter Rahmenbedingungen. Hier spielen zum einen curriculare Voraussetzungen, Organisationformen, Raumordnung und Lehrkräfte eine wichtige Rolle. Die Lehrpläne stellen meist kein übermäßiges Hindernis dar, da meist bereits schon explizit genannt ist, dass individuelles Lernen, z. B. anhand eines Projekts, gefördert werden soll (vgl. KM-Bayern, Lehrplan für die Wirtschaftsschule, Fach BWL, Seite 11/12). Schwieriger wird es hier schon bei der Organisationsform. Für die Portfolioarbeit ist der 45-Minuten-Rhythmus nicht geeignet. Besser wäre hier die Errichtung von Projektwochen oder fächerübergreifenden Epochenunterricht. Auch die Raumordnung kann zum Problem werden, da die Schüler selbstständig ihre Informationen beschaffen sollen und dadurch meist die Klasse verteilt sind auf Klassenzimmer, Computerraum oder Bibliothek. Damit man das dadurch entstehende Problem der Aufsichtspflicht löst, könnte sich u. a. das Team-Teaching als hilfreich erweisen. Auch könnten die Lehrkräfte ihre Stunden gemeinsam „in einen Pool geben und sich daraus in Absprache mit den Kolleginnen und Kollegen dann bedienen, wenn sie bei der Betreuung von Portfolios Bedarf haben“ (Inglin, 83; In: Brunner et. al. 2008). Dies könnte auch ein Lösungsansatz darstellen, um dem vielzitierten Zeitaufwand der Portfolioarbeit entgegen zu wirken.
Eine mögliche Art des Portfolios, das sich im schulischen Alltag als sehr nützlich und effizient erwiesen hat, ist das Projekt-Portfolio (Ablauf, siehe Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.. Hier gibt der Lehrer lediglich ein sog. „Dachthema“ vor, welches den Schülern als Ausgangspunkt zur eigenen Forschungsfrage dienen soll.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Der Porfolio-Prozess (Quelle: Pfeifer/Kriebel 2007, 89)
Anschließend werden Gruppen gebildet, die wiederum die Forschungsfrage in einzelne Teilaspekte untergliedern, sodass jeder zwar in Einzelarbeit agiert, jedoch nicht den Blick für die Gruppe verliert. Als zeitlicher Rahmen sollte eine Doppelstunde pro Woche angesetzt werden. Die erste Einheit wird dazu genutzt, um das Projekt vorzustellen und in die Portfolioarbeit einzuführen. Sobald der Lehrer den Schülern „grünes Licht“ für ihre Forschungsfrage gegeben hat, arbeiten diese selbstständig an Ihren Portfolios. Zu Beginn jeder Doppelstunde berichtet jeweils eine Gruppe der Klasse ihre bisherigen Ergebnisse. Hieran kann sich eine Self- bzw. Peer-Beurteilung anschließen. Nach einer kurzen Instruktionsphase zu Portfolioarbeit seitens der Lehrkraft zu Beginn jeder Stunde, beginnt die Schülerarbeitsphase. Zum Abschluss des Projekts präsentiert jede Gruppe ihr Thema dem Plenum. Zur späteren besseren Feedbackmöglichkeit, hat es sich bewährt, diese Präsentationen auf Video aufzunehmen. Die Doppelstunde nach den Präsentationen dient der Selbstreflexion und des gegenseitigen Feedbacks. Abschließend sollte den Schülern ca. zwei Wochen Zeit gegeben werden, um ihr individuelles Portfolio fertigzustellen. Danach erfolgt die Beurteilung mittels eines Beurteilungsrasters (siehe Anhang 2, Seite 34). Die Beurteilung wird in einem Abschlussgespräch zusammen mit dem Schüler (oder auch mit den Eltern, als Grundlage bei Elternabenden) besprochen (Pfeifer / Kriebel 2007, 138 - 142).
Die hier vorgestellte Realisierungsmöglichkeit im Schulunterricht nach Pfeifer / Kriebel soll nur als Anregung dienen. Für jede Lehrkraft stellt sich nun jedoch die Herausforderung, dieses Konzept auf den jeweiligen individuellen Bedarf anzupassen. Im Buch „Portfolio im Unterricht“ werden 13 Unterrichtseinheiten mit Portfolio detailliert und verständlich vorgestellt und kann eine erste Anregung für Lehrer darstellen, die Portfolio auch in ihren Unterricht einführen wollen (Schwarz et. al. 2008).
3.3 Realisierungsmöglichkeiten in der Lehrerbildung
Doch nicht nur in der Schule, sondern auch in der universitären Ausbildung erhält das Portfoliokonzept mehr und mehr u. a. in der Lehrerausbildung an Bedeutung. Dies hat durchaus seine Berechtigung, sammeln doch die angehenden Pädagogen durch das „Learning by doing“ selbst Erfahrung und verlieren dadurch leichter die Scheu, dieses Konzept auch später in ihrem Berufsalltag zu integrieren (Richter, 235; In: Brunner et. al. 2008). Gerade jetzt in der Umstrukturierung der Studiengänge durch den Bologna-Prozess und die dadurch geänderten Prüfungsordnungen, kann es sich nun anbieten auch neue Beurteilungsinstrumente mittels eines Portfolios einzuführen. Inhaltlich kann ein Studenten-Portfolio u. a. folgende Bestandteile aufweisen: Hausaufgaben (Ausarbeitungen, Stundenprotokolle, etc.), Bibliografien, Zusammenfassungen von z. B. Fachliteratur, Reflexion zum Lernprozess und Selbstbeurteilungen (siehe auch Anhang 4, Seite 36). Als Portfoliotyp eignet sich, besonders im universitären Rahmen, das E-Portfolio, da es sich den flexiblen Strukturen aller Mitwirkenden optimal anpasst. Dies kann aber die Problematik der unsicheren Autorenschaft noch weiter verstärken, da man, genauso wie bei Hausarbeiten, nicht sicherstellen kann, ob nicht von anderen Kommilitonen abgeschrieben bzw. ob Passagen vom Internet übernommen wurden. Aufkommende Schwierigkeiten bei der Einführung von E-Portfolios werden im Gliederungspunkt 0 in den Forschungsergebnissen der Untersuchung von Frau Brouёr aufgezeigt. Um den individuellen Wünschen der Studierenden gerecht zu werden, sollte man feste aber auch frei wählbare Bestandteile mit einbauen. Die Beurteilung kann in Form einer Self-, Peer- oder Fremdbeurteilung mittels eines Bewertungsbogens durchgeführt werden (Richter 234 – 241; In: Brunner et. al. 2008; Andexer / Thonhauser 2002, 154 - 156).
Darüber hinaus lässt sich das Portfoliokonzept nicht nur im gewöhnlichen Schul- und Hochschulunterricht einsetzen, sondern z. B. auch im Rahmen des Referendariats oder eines Berufsvorbereitungsjahres. Ein Schulversuch in Hessen bzw. ein Pilotprojekt in Kooperation mit DaimlerChrysler hat hierfür erste zum Teil positive Erfahrungen gemacht (Iwan / Weidner, 218; Meissner 242 ff. In: Brunner et. al. 2008).
4. Leistungsbeurteilung durch Portfolios
4.1 Spannungsverhältnis: Portfolio vs. Beurteilung
Der übereinstimmende Konsens liegt darin, dass ein Portfolio beurteilt werden muss, aber muss es demnach auch bewertet werden? Hier liegt nämlich der kleine, aber feine Unterschied, der kontrovers diskutiert wird. Da dieses Konzept ursprünglich als Alternative zur traditionellen Leistungsbeurteilung eingeführt worden war, scheint es schon einwenig paradox, diese neue Konzept dann am Ende doch wieder mit einer Note zu belegen (Vierlinger 1999, 13). Ein Direktor einer Schule in der USA bringt es methaphorisch sehr schön zum Ausdruck, wenn er plakatiert: „Das ist, wie wenn man für Marathon trainiert und dann aber in Hochsprung geprüft wird“ (Winter 2003, 8). Die Möglichkeiten, wie eine Form der Leistungsbeurteilung auf Basis von Portfolios konzipiert werden kann, werden in Punkt 4.2 näher erläutert. Hier soll erst einmal der Grundstein dafür gelegt werden, ob hierfür überhaupt Bedarf besteht.
Die Gegner der Beurteilung von Portfolios bringen immer wieder den Einwand, dass der Lernende dadurch sein Verhalten dem Beurteilungsverfahren dementsprechend anpassen und sich nicht dem Thema voll und ganz öffnet (Jarvis, 48; In: Brunner et. al. 2008). Gerade bei der Selbstreflexion der Schüler, die bei der Portfolioarbeit eine zentrale Rolle spielt, könnte die spätere Benotung einer realistischen und kritischen Reflexion der Schüler entgegenstehen (Winter 2007, 111). Ein zweiter Punkt, der hier näher ausgeführt werden soll und auch gegen Beurteilung des Portfolios im traditionellen Sinne spricht, ist, dass der Lehrer keine „Doppelrolle“ einnehmen soll bzw. kann. Herr Baeriswyl hat es in seinem Vortrag auf dem Jubiläumssymposium (Bamberg, 12.06.2009) sehr bildlich zum Ausdruck gebracht: „Richter und Bewährungshelfer in einem kann ein Lehrer nicht sein!“ Dies zeigt deutlich die Problematik auf, in der sich Lehrer demnach befinden. Sicherlich würden sich viele Lehrkräfte dem Schüler gegenüber mehr öffnen und ihm bei seinem Lernprozess bei Seite stehen, doch im Hinterkopf spukt immer das spätere Beurteilungsverfahren mit, bei dem u. a. Objektivität und Validität gefragt sind. Dass diese Gütekriterien bei der traditionellen Ziffernbeurteilung nicht gegeben sind, wurde bereits in der Problemstellung thematisiert, ob jedoch die Portfoliomethode dieser messtheoretischen Problematik standhält, wird später noch näher erläutert (siehe Gliederungspunkt 5.1). Auch können viele Lehrer mit dem Druck bzw. der Macht, die Ihnen als Beurteiler auferlegt ist, nicht richtig umgehen, was u.a. Rupert Vierlinger zur Entwicklung der „direkten Leistungsvorlage“ (DLV) veranlasste. In seinem Buch „Leistung spricht für sich selbst!“ propagiert Vierlinger die Abschaffung der Ziffernbeurteilung hin zur DLV, die für kommende Instanzen (weiterführende Schulen, Arbeitgeber) weitaus aussagekräftiger ist als ein bisheriges Schulzeugnis (Vierlinger 1999, 36).
Die Befürworter einer Bewertung von Portfolios untermauern ihren Standpunkt meist mit dem Argument, dass es eine Alternative zur Notenbewertung geben muss und Portfolios ein gutes Instrument darstellt, um diese Problematik zu lösen. Desweiteren sei hier grundsätzlich auf den allgemeinen Ernstcharakter, die eine abschließende Bewertung zum Ausdruck bringt, hingewiesen. Schüler, denen bewusst ist, dass bzw. wie sie am Schluss bewertet werden, widmen sich dem Lerninhalt bewusster und intensiver, als wenn das Erarbeitete am Ende nicht Gegenstand der Beurteilung ist und somit unbeachtet bleibt (Winter, 212; In: Brunner et. al. 2008). Auch brauchen manche Schüler, wenn auch nicht alle, den Druck den Noten bewirken können, um überhaupt motiviert zu werden, Anstrengungen in ein vorgegebenes Projekt zu investieren (Winter 2007, 111). Franz Baeriswyl schreibt auch, dass Unterrichtsformen nur dann glaubwürdig sind, wenn dazu entsprechende Prüfungsformen entwickelt werden (2009, 28). Auch sollte man den Willen des Lernenden nicht unberücksichtigt lassen. Diese „fordern“ in gewisser Hinsicht die Beurteilung durch Noten, angesichts des Aufwandes den ein Portfolio für die Schüler bedeutet (Inglin, 84; Brunner, 92; In: Brunner et. al. 2008). Präziser bringen es Andexer und Thonhauser auf den Punkt, wenn sie schreiben „Portfolios ersetzen nicht die Noten“ (2002, 154).
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[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit durchgehend die männliche Form verwendet. Natürlich sind damit auch immer Frauen und Mädchen gemeint, also Lehrerinnen, Schülerinnen etc.
[2] überfürsorgliche Eltern
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- Angelika Neher (Author), 2009, Das schulische Portfolio, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138284
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