Die öffentliche Jugendhilfe soll einerseits helfend, fördernd und beratend tätig werden, um soziale Krisen und Problemlagen überwinden zu helfen und muß andererseits direkt intervenieren, wenn das Wohl von Kindern und Jugendlichen gefährdet ist und die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, diese Gefährdungen von ihren Kindern abzuwenden. Das seit 1990 geltende Kinder- und Jugendhilfegesetz hebt zwar den sozialpädagogischen Leistungscharakter der Institution „Öffentliche Jugendhilfe“ deutlich hervor, Eingriffe in die familiale (Rechts-)Struktur sind jedoch nach wie vor unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Dies ist zur Erfüllung der Aufgabe als staatliches „Wächteramt“ letzten Endes sicherlich auch nötig und sinnvoll und manifestiert sich im § 8a SGB VIII. Das Problem in der sozialpädagogischen Zusammenarbeit mit den Klienten ist jedoch, daß diesen die Eingriffsmöglichkeiten des Jugendamtes, wenn auch nicht unbedingt die gesetzlichen Grundlage dafür bewußt sind, und so eine fruchtbare Kooperation mit dem Bezirkssozialarbeiter in vielen Fällen von Anfang an durch Mißtrauen und Skepsis erschwert ist. Die kurze Darstellung des Doppelten Mandates soll mir in dieser Hausarbeit jedoch nur als Hintergrund für die Formulierung der eigentlichen ethischen Problemstellung dienen, mit deren Auseinandersetzung ich mich hier beschäftigen werde: Sind staatliche Eingriffe durch das Jugendamt in das Elternrecht moralisch vertretbar und zulässig oder stellen sie eine unverhältnismäßige Beschneidung klienteler Autonomie dar?
Im Zuge der Recherchen zu dieser Arbeit stieß ich auf das 6-Schritte-Modell nach Heinz Eduard Tödt, „eine ethische Theorie sittlicher Urteilsfindung“. Dieses Schema möchte ich als ethische Referenztheorie dahingehend überprüfen, ob und inwieweit es einem Bezirkssozialarbeiter in Entscheidungssituationen behilflich sein kann. Nicht zuletzt aufgrund der medialen Präsenz immer wieder neuer spektakulärer Fälle von Kindeswohlgefährdung in den letzten Jahren, scheint mir diese Frage eine besondere Aktualität und Brisanz zu haben. Den Druck der Öffentlichkeit entweder „endlich etwas zu unternehmen“ oder in konträr gelagerten Fällen „endlich von staatlichen Eingriffen in Familien abzusehen“ spüren die Jugendämter verstärkt und reagieren darauf u.a. mit Fachtagungen und der Entwicklung und Ausarbeitung immer neuer Instrumentarien zur Einschätzung und Bewertung von Kindeswohlgefährdung.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Analyse des Handlungsfeldes
2.1 Aufgaben der Institution „Jugendamt“
2.2 Gesetzliche Grundlagen
2.3 Die sozialpädagogische Arbeit mit den Ratsuchenden
3 Fallbeispiel
4 Ethische Konzepte in der Bezirkssozialarbeit
4.1 Autonomie
4.2 Eine ethische Theorie sittlicher Urteilsfindung nach Heinz Eduard Tödt
5 Eigene Stellungnahme
6 Quellenverzeichnis
1 Einleitung
Während meines Praxissemesters im Jugendamt der Stadt Freiburg von Februar 2008 bis August 2008 konnte ich viele Eindrücke der Arbeit eines Bezirkssozialarbeiters beim Allgemeinen Sozialen Dienst[1] sammeln.
Besonders auffällig und immer wieder Gegenstand auch kollegialer Diskussionen, war das Spannungsverhältnis zwischen Hilfe und Kontrolle, das sogenannte „Doppelte Mandat“, weshalb ich die Gelegenheit ergreife und diese Thematik im Rahmen meiner Hausarbeit auf ethischer Ebene ausleuchten möchte.
Die öffentliche Jugendhilfe soll einerseits helfend, fördernd und beratend tätig werden, um soziale Krisen und Problemlagen überwinden zu helfen und muß andererseits direkt intervenieren, wenn das Wohl von Kindern und Jugendlichen gefährdet ist und die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, diese Gefährdungen von ihren Kindern abzuwenden.
Das seit 1990 geltende Kinder- und Jugendhilfegesetz hebt zwar den sozialpädagogischen Leistungscharakter der Institution „Öffentliche Jugendhilfe“ deutlich hervor, Eingriffe in die familiale (Rechts-)Struktur sind jedoch nach wie vor unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Dies ist zur Erfüllung der Aufgabe als staatliches „Wächteramt“ letzten Endes sicherlich auch nötig und sinnvoll und manifestiert sich im § 8a SGB VIII.
Das Problem in der sozialpädagogischen Zusammenarbeit mit den Klienten ist jedoch, daß diesen die Eingriffsmöglichkeiten des Jugendamtes, wenn auch nicht unbedingt die gesetzlichen Grundlage dafür bewußt sind, und so eine fruchtbare Kooperation mit dem Bezirkssozialarbeiter[2] in vielen Fällen von Anfang an durch Mißtrauen und Skepsis erschwert ist.
Die kurze Darstellung des Doppelten Mandates soll mir in dieser Hausarbeit jedoch nur als Hintergrund für die Formulierung der eigentlichen ethischen Problemstellung dienen, mit deren Auseinandersetzung ich mich hier beschäftigen werde:
Sind staatliche Eingriffe durch das Jugendamt in das Elternrecht moralisch vertretbar und zulässig oder stellen sie eine unverhältnismäßige Beschneidung klienteler Autonomie dar?
Im Zuge der Recherchen zu dieser Arbeit stieß ich auf das 6-Schritte-Modell nach Heinz Eduard Tödt, „eine ethische Theorie sittlicher Urteilsfindung“.
Dieses Schema möchte ich als ethische Referenztheorie dahingehend überprüfen, ob und inwieweit es einem Bezirkssozialarbeiter in Entscheidungssituationen behilflich sein kann.
Nicht zuletzt aufgrund der medialen Präsenz immer wieder neuer spektakulärer Fälle von Kindeswohlgefährdung in den letzten Jahren, scheint mir diese Frage eine besondere Aktualität und Brisanz zu haben.
Den Druck der Öffentlichkeit entweder „endlich etwas zu unternehmen“ oder in konträr gelagerten Fällen „endlich von staatlichen Eingriffen in Familien abzusehen“ spüren die Jugendämter verstärkt und reagieren darauf u.a. mit Fachtagungen und der Entwicklung und Ausarbeitung immer neuer Instrumentarien zur Einschätzung und Bewertung von Kindeswohlgefährdung.
2 Analyse des Handlungsfeldes
2.1 Aufgaben der Institution „Jugendamt“
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß ich die Bezeichnung „Jugendamt“ hier als Synonym für den „ASD“ und umgekehrt verwende, da „Organisations- und Aufgabenprofil des ASD von Stadt zu Stadt und von Landkreis zu Landkreis variieren“[3].
Dies deshalb, weil die meisten Sozialarbeiter, die Aufgaben des Jugendamtes wahrnehmen, beim allgemeinen oder kommunalen Dienst als Abteilung innerhalb des Jugendamtes tätig sind.
Im Gegensatz zu diesem gibt es beim ASD keine gesetzliche Vorschrift für Organisation und Aufgabenstellung[4].
Die Tätigkeitsfelder der Verwaltung des Jugendamtes sowie des Jugendhilfeausschusses werde ich hier nicht erörtern.
Die Aufgaben des Jugendamtes werden bestimmt durch den gesetzlichen Auftrag und organisatorische Voraussetzungen, durch die dem ASD die Aufgaben der allgemeinen Daseinsfürsorge und der Sozial- und Jugendhilfe ganzheitlich übertragen sind. Die Aufgabenzuordnung und –inhalte verändern sich immer wieder, insbesondere infolge neuer Gesetze und damit verbundener neuer Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Nachhaltig wird die Arbeit beeinflusst durch Faktoren wie gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Veränderungen, durch sich ändernde Sozialstrukturen in den einzelnen Quartieren und das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein sozialer Infrastruktur in den Stadtteilen.
In diesen Prozessen ist der ASD eine Erstanlaufstelle und prinzipiell für alle individuellen Probleme der Bürgerinnen und Bürger sowie für die örtlichen sozialen Probleme im Bezirk zuständig. In seiner zentralen Funktion stellt er die psychosoziale Grundversorgung der Bevölkerung im Stadtgebiet sicher. Er bietet Normal- und Notfallpräsenz in der Dienststelle und im Quartier (Außensprechstunden, Bereitschaftsdienst, Hausbesuche) insbesondere bei Konflikt- und Krisensituationen
Dem ASD obliegt die Betreuung von Familien und Kindern, die einen jugendhilfespezifischen Unterstützungsbedarf haben sowie die Koordinierung weiterführender Hilfen. Rechtsansprüche von Bürgerinnen und Bürgern nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) werden über die Fachkräfte des ASD an die Kommune transportiert.
Andererseits ist der ASD im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags verpflichtet, bei vorliegender Kindeswohlgefährdung geeignete Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahr zu ergreifen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, daß sich beim ASD zu einem erheblichen Teil Entscheidungskompetenzen für die Hilfeentwicklung und Hilfegewährung bündeln. Er wird damit zu einer „Schlüsselinstanz“ für einen der individuellen Lage angemessenen Zugang zu Familien und Kindern in Problemsituationen.
Weitere Merkmale der Bezirkssozialarbeit sind das Prinzip der regionalen räumlichen Zuständigkeit, an das die Berufsbezeichnung angelehnt ist sowie die aufsuchende Arbeit: „Neben Terminen im Amt führen alle ASD-Fachkräfte auch Hausbesuche durch; die Notwendigkeit dafür ergibt sich aus der Zuständigkeit für Kinder- und Jugendhilfe. Um eine fachgerechte sozialpädagogische Diagnostik durchführen zu können, muss [...] das Verhalten und Agieren der Familienmitglieder im häuslichen Umfeld gesehen werden“.[5]
Zur oben angesprochenen psychosozialen Grundversorgung der Bevölkerung gehört auch die Basisversorgung im erzieherischen Bereich:
„Dazu gehören [...] die eigenständige Beratung von Familien zu erzieherischen Belangen, die Beratung über Hilfen zur Erziehung bis hin zur Antragstellung, die Trennungs- und Scheidungsberatung, wenn Anträge zum Sorge- oder Umgangsrecht gestellt wurden einschließlich Berichterstattung an das Familiengericht [sowie] die Wahrnehmung der Garantenpflicht.“[6] Zu Letzterem mehr im folgenden Kapitel.
2.2 Gesetzliche Grundlagen
In diesem Abschnitt möchte ich nicht auf die einzelnen Bestandteile des SGB VIII und dessen Paragraphen eingehen, sondern das Spannungsfeld zwischen gesetzlichem Auftrag und der sozialpädagogischen Arbeit mit der mittlerweile eher als Kunden bezeichneten Klientel anhand der Vorschriften im Gesetzestext aufzeigen.
Zentrale Gesetzesgrundlage für das Tätigkeitsfeld eines Bezirkssozialarbeiters ist das Kinder- und Jugendhilfegesetz, SGB VIII, welches am 1. Januar 1991 in Kraft getreten ist und damit das bis dahin gültige Jugendwohlfahrtsgesetz aus dem Jahre 1922 ablöste.
In § 1 des SGB VIII ist festgelegt, dass „jeder junge Mensch ein Recht auf die Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ hat.
Das gesetzliche Instrumentarium der Kinder- und Jugendhilfe bietet Kindern und jungen Menschen bis ins Erwachsenenalter eine Unterstützung durch den Staat und die Gesellschaft an, sofern diese geeignet und notwendig ist. Die Maßnahmen dieser Hilfe sollen besonders dann eingreifen, wenn die Entwicklung eines jungen Menschen gefährdet erscheint oder Schwierigkeiten in seiner Familie oder seinem gesellschaftlichen Umfeld auftreten. Dabei stehen nicht finanzielle Leistungen im Vordergrund, sondern Hilfen in Form von Dienstleistungen, die durch eigens hierfür ausgebildetes und qualifiziertes Personal erbracht werden.
Die Jugendhilfe hat bei seinen Maßnahmen immer die Entscheidung der Personensorgeberechtigten zu beachten und deren Wünsche möglichst weitgehend zu berücksichtigen – genau genommen sind sie sogar die Antragsteller und in den meisten Fällen auch die eigentlichen Leistungsempfänger.
In § 1 Abs. 3 SGB VIII wird unter anderem formuliert, daß es Aufgabe der Jugendhilfe sei, Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung zu beraten und zu unterstützen sowie Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen. Schon in der Leitnorm des SGB VIII wird also das Spannungsfeld zwischen dem Elternrecht, der Elternpflicht und dem staatlichen Wächteramt thematisiert und der gesetzliche Auftrag formuliert, in diesem Spannungsfeld tätig zu werden und macht damit den schwierigen gesetzlichen Auftrag der Jugendhilfe deutlich.
[...]
[1] Im Folgenden aus Gründen der Lesbarkeit abgekürzt als „ASD“ bezeichnet
[2] Aus Gründen der Lesbarkeit beschränke ich mich auch im Folgenden auf die männliche Form
[3] vgl. „Fachlexikon der Sozialen Arbeit“ S. 15
[4] vgl. ebd. S. 15
[5] vgl. „Fachlexikon der Sozialen Arbeit“ S. 15
[6] vgl. „Fachlexikon der Sozialen Arbeit“ S. 15
- Arbeit zitieren
- Rainer Wolff (Autor:in), 2009, Entmündigung im Jugendamt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138166
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