Literatur ist ein Schlüssel zum Denken eines Volkes und ein Weg um sein Selbstbild kennenzulernen. Die japanische Literatur steht in einer langen Tradition und zieht seit langem Leser aus dem Westen in ihren Bann. Fragt man einen auf dem Gebiet der Japanologie eher unbewanderten Zeitgenossen, was er mit dem Begriff „japanische Literatur“ assoziiert,so stehen die Namen der Nobelpreisträger Kawabata Yasunari und Ôe Kenzaburô an erster Stelle. Möglicherweise, sofern sich der Befragte schon etwas näher mit dem Thema befasst hat, erhält man den Namen Natsume ôseki als Antwort oder, vor allem wenn es sich um einen jüngeren Leser handelt, Yoshimoto Banana. Fragt man ganz konkret nach Literatur aus dem „mittelalterlichen“ Japan1, so bekommt man vermutlich allenfalls das Genji Monogatari angeboten. Die Ausbeute an Antworten auf eine solche Frage ist auf alle Fälle sehr begrenzt. Abgesehen von diesen mehr oder minder allgemein bekannten Autoren gibt es jedoch einen verhältnismäßig kleinen Kreis von japanischen Autoren, die im Westen ebenfalls mehrfach übersetzt worden sind und werden. Zu diesem Kreis gehört auch Akutagawa Ryûnosuke, dessen 1921 verfasste Kurzgeschichte Yabu no Naka auf eine in dem im 12. Jahrhundert kompilierten Konjaku Monogatari enthaltene Parabel zurückgeht.
Inhaltsverzeichnis
I EINLEITUNG
II HAUPTTEIL
1. Wirkungsästhetischer Interpretationsansatz
a) Erzähltechniken und ihre Wirkung allgemein
b) Besonderheiten des Originals
2. Gesellschaftsbezogener Interpretationsansatz
a) Spiegel der Gesellschaft
b) Gesellschaftskritik
III KONKLUSION.
1 Zusammenfassung und Stellungnahme
2 Weitere interessante Punkte
IV ANHANG
V LITERATURVERZEICHNIS
I EINLEITUNG
Literatur ist ein Schlüssel zum Denken eines Volkes und ein Weg um sein Selbstbild kennen zu lernen. Die japanische Literatur steht in einer langen Tradition und zieht seit langem Leser aus dem Westen in ihren Bann. Fragt man einen auf dem Gebiet der Japanologie eher unbewanderten Zeitgenossen, was er mit dem Begriff „japanische Literatur“ assoziiert, so stehen die Namen der Nobelpreisträger Kawabata Yasunari und Ôe Kenzaburô an erster Stelle. Möglicherweise, sofern sich der Befragte schon etwas näher mit dem Thema befasst hat, erhält man den Namen Natsume Sôseki als Antwort oder, vor allem wenn es sich um einen jüngeren Leser handelt, Yoshimoto Banana. Fragt man ganz konkret nach Literatur aus dem „mittelalterlichen“ Japan1, so bekommt man vermutlich allenfalls das Genji Monogatari angeboten. Die Ausbeute an Antworten auf eine solche Frage ist auf alle Fälle sehr begrenzt. Abgesehen von diesen mehr oder minder allgemein bekannten Autoren gibt es jedoch einen verhältnismäßig kleinen Kreis von japanischen Autoren, die im Westen ebenfalls mehrfach übersetzt worden sind und werden. Zu diesem Kreis gehört auch Akutagawa Ryûnosuke, dessen 1921 verfasste Kurzgeschichte Yabu no Naka 2 auf eine in dem im 12. Jahrhundert kompilierten Konjaku Monogatari 3 enthaltene Parabel zurückgeht.
Schlägt man in J. Thomas Rimers A Reader´s Guide to Japanese Literature Informationen zu Akutagawa Ryûnosuke nach, so wird man auf drei Seiten im Kapitel „Modern Works“ verwiesen. Unter anderem heißt es dort:
“Going through old collections of medieval tales, such as Tales of Times Now Past, he would select a story or legend, then re-create it in terms of contemporary psychology, employing sophisticated literary devices sometimes gleaned from Western sources.
[...]
Much of Akutagawa´s reputation in Japan depends on works that directly satirize contemporary society.” (Rimer 1999: 142-143)
Aus diesem kurzen Zitat leiten sich drei mögliche Interpretationsansätze für die Geschichte Yabu no Naka ab. Es handelt sich dabei um den wirkungsästhetischen, den gesellschaftsbezogenen und den psychologischen Ansatz. Da der psychologische Interpretationsansatz den Rahmen dieser Arbeit schon allein sprengen würden, soll er außen vor gelassen werden. Der Hauptteil dieser Arbeit wird versuchen anhand des Textes den wirkungsästhetischen Ansatz zu verdeutlichen und anschließend soll untersucht werden, inwiefern die Kurzgeschichte Yabu no Naka etwas über die damalige Gesellschaft aussagt. Diesen Interpretationen liegt durchweg ein und dieselbe Gesamtaussage der Kurzgeschichte zugrunde: es gibt weder eine objektive Wahrheit – sie ist vielschichtig und hängt vom Standpunkt der einzelnen Person ab – noch eine Realität – sie differiert von Person zu Person und entsteht im Kopf.
„Rashômon4 isn`t about determining a chronology of what happened in the woods. It´s not about culpability or innocence. Instead it focuses on something far more profound and thought-provoking: the inability of any one man to know the truth, no matter how clearly he thinks he sees things. Perspective distorts reality and makes the absolute truth unknowable.” (Berardinelli 1998)
Die Konklusion wird abschließend eine Zusammenfassung von und Stellungnahme zu den vorgesellten Interpretationsansätzen beinhalten, sowie eine Auswahl an in dieser Arbeit zwar außen vor gelassenen, deshalb jedoch nicht minder interessanten Punkten, die in einem direkten Zusammenhang mit der Kurzgeschichte stehen.
II HAUPTTEIL
1. Wirkungsästhetischer Interpretationsansatz
a) Erzähltechniken und ihre Wirkung allgemein
Im Unterschied zu der Ursprungsgeschichte aus dem Konjaku Monogatari handelt es sich bei Yabu no Naka nicht um eine kurze Schilderung dessen was passiert ist, gefolgt von einer expliziten Moral der Geschichte. Akutagawa Ryûnosuke benutzte bewusst Erzähltechniken um aus der kurzen Episode mit rein didaktischem Charakter eine Kurzgeschichte von Format zu machen. Diese Erzähltechniken sind zu einem guten Teil von westlichen Autoren wie Nietzsche und Tolstoy beeinflusst, die Akutagawa Ryûnosuke schon in jungen Jahren las (Rimer 1999: 142). Der Grund für die Verwendung bestimmter schriftstellerischer Kunstgriffe kann natürlich nicht mit Sicherheit angegeben werden, jedoch wäre es denkbar, dass sie dazu dienen sollen den Leser im Rezeptionsprozess in eine bestimmte Richtung zu lenken.
Auf der reinen Textebene lässt sich feststellen, dass direkte Rede in Form von Gerichtsaussagen ohne jeglichen Autoren– oder Erzählerkommentar verwendet wird. Es wird lediglich kurz darauf hingewiesen, wer spricht. Dadurch fühlt sich der Leser persönlich angesprochen, wird in eine Art Richterposition erhoben. Es liegt an ihm zu urteilen, wer lügt und wer die Wahrheit spricht. Einzig und allein die Aussage des Toten durch ein Medium, also eine Vermittlungsinstanz, unterliegt anderen Gesetzen, eben weil es sich um eine vermittelte Version des Tathergangs handelt. Das ist auch der Grund dafür, dass die Aussage des Toten weniger plausibel erscheint als die anderen.
Die Kreation der Person der alten Frau ist ein raffinierter Weg um die unmittelbar beteiligten Personen näher zu beschreiben, um ihnen Namen, Gesichter und damit ein Leben zu geben. Die alte Frau trägt zur Handlung an sich nicht viel bei. Ihre Aussage erscheint sehr wirr, aus ihren Worten spricht die Verzweiflung einer Mutter, die Angst hat ihr Kind verloren zu haben. Schon in den ersten Sätzen, die sie spricht wird diese Verzweiflung sehr deutlich, da sie die Verbformen sehr inkohärent, wahlweise im Präsens oder Imperfekt, verwendet:
„Ja, der Tote ist der Mann meiner Tochter. Er stammt nicht aus der Hauptstadt, er stand in Kokufu in der Provinz Wakasa in Diensten. Sein Name ist Kanazawa no Takehiko. Sechsundzwanzig war er. Nein, er war so sanft und gütig, dass gewiß niemand Anlaß hatte, ihn zu hassen.
Meine Tochter ? Ihr Name ist Masago, sie ist neunzehn Jahre alt. Ihr Wille ist kaum schwächer als der eines Mannes. Ich bin sicher, dass sie keinen anderen Mann kannte als Takehiko. Ihr kleines, ovales Gesicht war ein wenig dunkel getönt. Im linken Augenwinkel hat sie ein Muttermal.“ (Akutagawa 1985: 334 – Kursivdruck nachträglich hinzugefügt )
Auch die Worte, die Akutagawa den anderen Personen in den Mund legt, sind sehr geschickt gewählt um den Leser zu lenken. Der Freigelassene zum Beispiel macht sich nicht nur selbst unglaubwürdig, indem er von der Frau auf dem Falben spricht, die er eigentlich nicht gesehen haben dürfte.
„Wenn dieser Verbrecher jenen Mann im Dickicht umgebracht hat, was mag er dann wohl mit der Frau gemacht haben, die auf dem Falben saß ?“ (Akutagawa 1985: 334)
Er rückt sich zudem selbst in eine unglaubwürdige Position, weil er zuerst Tajomaru als den Mörder hinstellt
„Ja, dann muss es Tajomaru gewesen sein ...“ (Akutagawa 1985: 333 ) daraufhin jedoch andere Schandtaten des Räubers, die er nur vom Hörensagen kennt, anführt
„Es heisst ja auch, dass er im Herbst des vergangenen Jahres [...] die Frau und das Mädchen [...] ermordet hat.“ (Akutagawa 1985: 334 ) um schließlich Tajomarus Schuld wieder in Frage zu stellen.
„ Wenn dieser Verbrecher jenen Mann im Dickicht umgebracht hat ...“ (Akutagawa 1985: 334 – Kursivdruck nachträglich hinzugefügt)
Der Freigelassene ist aber nicht der einzige, auch der Prediger verfängt sich mehr als einmal bei seiner Aussage in Widersprüchen. So will er erkannt haben, dass es sich bei dem Pferd um einen Falben handelte – eine nicht ganz alltägliche Farbe für ein Pferd – die Grösse des Tieres will er aber nicht einschätzen können.
„Das Pferd, ja, es war ein Falbe mit gestutzter Mähne. Wie groß es war ? Ob es vier Fuß und vier Zoll maß ? Herr, ich bin ein Diener Buddhas und kenne mich deshalb in diesen Dingen herzlich wenig aus.“ (Akutagawa 1985: 333)
[...]
- Citar trabajo
- B.A. Stephanie Wössner (Autor), 2001, Über Akutagawa Ryûnosukes "Yabu no naka", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138146
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