Diese 129-seitige Examensarbeit trägt den Titel "Motivation im Fremdsprachenunterricht als Grundlage für die Förderung von Mehrsprachigkeit" und erfolgte als Abschlussarbeit für das 1. Staatsexamen im Rahmen des Grundschullehramts. Es geht um die Bedeutung und den Zusammenhang von Motivation im Fremdsprachenunterricht (der Grundschule) und Mehrsprachigkeit. Die Thematik kann aber auch auf alle höheren Schulstufen übertragen werden. Das detaillierte Inhaltsverzeichnis (vierstellige Untergliederungen) gibt Einblick in die extrem tiefgehende und umfangreiche Aufarbeitung des Themas!
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
2. DIE BEDEUTUNG VON FREMDSPRACHEN
2.1. DIE GEGENWÄRTIGKEIT FREMDER SPRACHEN UND KULTUREN IN DER KINDLICHEN LEBENSWELT
2.2. DER KULTURBEGRIFF
2.3. „FASZINATION“ FREMDSPRACHE
2.4. FREMDSPRACHENLERNEN ALS NOTWENDIGKEIT
3. DIE ROLLE DER GRUNDSCHULE BEIM UNTERRICHT MIT FREMDEN SPRACHEN
3.1. DIE ZIELE DES FREMDSPRACHENUNTERRICHTS DER GRUNDSCHULE
3.2. DIE RISIKEN IM FREMDSPRACHENUNTERRICHT
4. MOTIVATION
4.1. DEFINITION ALLGEMEINER MOTIVATION
4.2. LERNMOTIVATION IM FREMDSPRACHENUNTERRICHT
4.3. MOTIVATION UND MOTIVE
4.3.1. MOTIVE IM FREMDSPRACHENUNTERRICHT
4.4. ARTEN VOM MOTIVATION
4.4.1. MOTIVATIONSART IM FREMDSPRACHENUNTERRICHT
5. MOTIVATION IM UNTERRICHT MIT FREMDEN SPRACHEN IN ABHÄNGIGKEIT EINZELNER FAKTOREN
5.1. DIE UNTERRICHTSZIELE
5.2. DER UNTERRICHTSGEGENSTAND
5.2.1. DIE AUSWAHL DER THEMEN
5.2.2. DER SCHWIERIGKEITSGRAD DER LERNAUFGABE
5.2.3. DAS LEHRWERK
5.3. DIE UNTERRICHTSMETHODEN
5.3.1. DIE EXISTIERENDEN UNTERRICHTSMETHODEN
5.3.2. GRUNDSÄTZE MOTIVATIONSFÖRDERNDER UNTERRICHTSMETHODEN
5.3.2.1. Kommunikationsorientierte Methoden
5.3.2.2. Selbstt ä tigkeitsf ö rdernde Methoden
5.3.2.3. Abwechslungsreiche Methodenwahl
5.4. DIE UNTERRICHTSGESTALTUNG
5.4.1. VARIATIONSREICHTUM
5.4.2. DIE VERWENDUNG VON MEDIEN
5.4.3. EINSATZ KREATIVER SPRACHSPIELE
5.4.4. BERÜCKSICHTIGUNG VON VORWISSEN & ANWENDUNG DES GELERNTEN
5.4.5. ROUTINEN
5.4.6. EMOTIONALE UNTERRICHTSGESTALTUNG
5.4.7. HUMORVOLLE UNTERRICHTSZUGÄNGE
5.4.8. BELIEBTE LERNMOTIVATIONSFÖRDERNDE AKTIVITÄTEN
5.4.9. EINBEZUG DES EUROPÄISCHEN SPRACHENPORTFOLIOS
5.5. DIE SOZIALFORMEN
5.6. DER LEHRER
5.6.1. SCHAFFEN EINER VERTRAUENSBASIS
5.6.2. SCHAFFUNG EINER POSITIVEN LERNATMOSPHÄRE
5.6.3. BEREITSTELLUNG VON INPUT
5.6.4. ERFOLG „ERLEBEN“ LASSEN
5.6.5. FEEDBACK
5.6.5.1. Lob und Belohnung
5.6.5.2. Fehlerkorrekturen
5.6.6. VERMITTLUNG VON LERN- UND KOMMUNIKATIONSSTRATEGIEN
5.6.7. FRAGESTELLUNGEN
5.6.8. DAS SPRECHVERHALTEN
5.6.9. UMGANG MIT LERNSCHWÄCHE UND LEISTUNGSVERSAGEN
5.6.10. DIE MOTIVATION UND EINSTELLUNG DES LEHRERS
5.6.11. GESAMTKOMPETENZ DES LEHRERS
5.7. DER LERNENDE
5.7.1. WECHSELSPIEL VON PERSÖNLICHEN MERKMALEN UND UMWELTEINFLÜSSEN
5.7.2. DIE PERSÖNLICHKEITSSTRUKTUR DES LERNENDEN
5.7.2.1. Intelligenz
5.7.2.2. Analytische F ä higkeiten
5.7.2.3. Sprachlerneignung
5.7.2.4. Psychische Stabilit ä t
5.7.2.5. Empathief ä higkeit
5.7.2.6. Introvertiertheit und Extrovertiertheit
5.7.3. DER EINFLUSS AFFEKTIVER FAKTOREN
5.7.3.1. Einstellung
5.7.3.2. Der emotionale Zustand
5.7.4. DER EINFLUSS BIOLOGISCHER FAKTOREN
5.7.4.1. Geschlecht
5.7.4.2. Lebensalter
5.7.5. DER EINFLUSS SOZIALER FAKTOREN
5.7.5.1. Grad der objektiven Notwendigkeit
5.7.5.2. Einfluss durch Gesellschaft und Eltern
5.7.5.3. Sozio ö konomische Hintergrund
5.7.5.4. Die unmittelbare Notwendigkeit
5.8. DIE UNTERRICHTSINTERAKTION
5.9. DIE INSTITUTIONELLEN RAHMENBEDINGUNGEN
5.10. ZUSAMMENFASSUNG
6. MEHRSPRACHIGKEIT ALS FERNZIEL DES FREMDSPRACHENUNTERRICHTS
6.1. DEFINITION "MEHRSPRACHIGKEIT"
6.2. DIE GESELLSCHAFTLICHE BEDEUTUNG UND NOTWENDIGKEIT VON MEHRSPRACHIGKEIT
6.3. MEHRSPRACHIGKEIT IN UNSERER GESELLSCHAFT
6.4. MEHRSPRACHIGKEIT & SCHULISCHER FREMDSPRACHENUNTERRICHT
6.4.1. UNSERE SCHULEN SIND MEHRSPRACHIG
6.4.2. MEHRSPRACHIGKEIT ALS FORDERUNG DER EUROPÄISCHEN UNION
6.4.3. BEDENKEN ZUR MEHRSPRACHIGEN ERZIEHUNG AN SCHULEN
6.4.4. MEHRSPRACHIGKEITSDIDAKTIK
6.4.5. BETRACHTUNG DES LEHRERS ALS ERZIEHER ZUR MEHRSPRACHIGKEIT
6.4.6. KONZEPTIONEN ZUR ETABLIERUNG VON MEHRSPRACHIGKEIT
6.4.6.1. Das Begegnungskonzept
6.4.6.2. Lerne die Sprache des Nachbarn
6.4.6.3. Das Immersionsmodell
6.4.6.4. Bilingualer Sachfachunterricht
6.4.6.5. Fremdsprachenfr ü hbeginn
6.4.7. MEHRSPRACHIGKEITSFÖRDERNDE LEHRANSÄTZE
6.4.7.1. Reflexion ü ber Sprache
6.4.7.2. Sprachbewusstheit
6.4.7.3. Interkulturelles Lernen
7. SCHLUSS
8. LITERATURVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
„ Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht die M ä nner zusammen, um Holz zu beschaffen und Werkzeug vorzubereiten oder die Arbeit einzuteilen und Aufgaben zu vergeben
- sondern lehre die M ä nner die Sehnsucht nach dem endlos weiten Meer. “
(Antoine de Saint-Exupéry, Der kleine Prinz)
Das Stichwort Motivation weckt besondere Aufmerksamkeit und Hoffnungen auf Hilfe in der alltäglichen Unterrichtspraxis angesichts der beträchtlichen Schwierigkeiten, mit denen Fremdsprachenunterricht aller Schulstufen im Hinblick auf die Lernbereitschaft seiner Schüler zu kämpfen hat. In der Fachliteratur findet sich kaum noch ein Aufsatz zu didaktischen und methodischen Fragen, in dem nicht wenigstens in einem Nebensatz das Problem der Schülermotivation angesprochen wird. Eine Vielzahl an Untersuchungen beschäftigt sich mit der Analyse, warum so oft eine Atmosphäre von Langeweile, Lustlosigkeit und Unzufriedenheit herrscht, die verbunden ist mit einer Abneigung der Schüler gegenüber dem Fremdsprachenunterricht. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, warum es anscheinend so schwer ist, Schüler zur Teilnahme an fremdsprachlichen Lernprozessen zu motivieren.
Bezogen auf den Fremdsprachenunterricht der Primarstufe ist diese Frage einfach zu beantworten, denn im Gegensatz zu der Situation beim Zeitspracherwerb von Kindern nationaler Minderheiten oder von Kindern aus einer zweisprachigen Familie, stellt die Situation im Fremdsprachenunterricht eine völlig künstliche Kommunikationsbedingung dar. Dies bedeutet, dass deutsche Grundschulkinder keinen Grund sehen, warum sie eine Sprache lernen sollten, deren sich weder Eltern, Geschwister oder Freunde bedienen. Maier schreibt, dass die Kinder kein „existentielles Bedürfnis“ verspüren eine fremde Sprache zu erwerben, denn sie können sich ja mit ihren Mitschülern, Familienmitgliedern und Freunden in ihrer Erstsprache, also der eigenen Muttersprache, verständigen. Hieraus erwächst die Bedeutsamkeit der Motivation, die das zentrale Problem und die Grundlage der Fremdsprachenvermittlung in der Primarstufe darstellt.1
Die Kernfrage, die sich daraus für die Fremdsprachendidaktik erschließt lautet, wie grundschulgemäßer Unterricht durch den Lehrer gestaltet werden muss, um die Grundschüler zum Erlernen von fremden Sprachen zu motivieren.2 Fremdsprachenunterricht in der Grundschule stellt in den meisten Fällen die erste Begegnung der Kinder mit fremden Sprachen dar. Aus diesem Grund ist es von zentraler Bedeutung, dass der Unterricht mit fremden Sprachen in der Grundschule die Kinder motiviert, so dass sie Interesse daran entwickeln, diese und andere Sprachen weiter zu lernen.
Verfügen Kinder über Kenntnisse in einer bzw. mehreren Fremdsprachen, dann bezeichnet man sie als zwei- bzw. mehrsprachig. Die Förderung dieser Mehrsprachigkeit ist Bestandteil des Bildungsauftrages der Grundschule. Die Thematik der Mehrsprachigkeit scheint noch nie so intensiv diskutiert worden zu sein wie in den letzten Jahrzehnten. Dabei geht es zumeist um ein Abwägen der Vor- und Nachteile einer mehrsprachigen Bildung in Schule und mehrsprachiger Erziehung im Elternhaus, und um den Verweis auf deren Chancen und Risiken. Meines Erachtens liegen die Ursachen für das wachsende Interesse an der Thematik Mehrsprachigkeit am gesellschaftlichen Bedarf an Fremdsprachen, der in den letzten Jahren erkennbar gestiegen ist. Die Gegenwärtigkeit von Mehrsprachigkeit spiegelt sich laut Helfrich & Riehl auch in der europäischen Sprachpolitik, u.a. durch die Erweiterung der Europäischen Union, wieder.3
Längst geht es nicht mehr um die Frage, ob mehr Fremdsprachen gelernt werden sollen. Die rasant fortschreitende Europäisierung und Globalisierung von Wirtschaft und Politik lässt uns keine Wahl. Im Rahmen von Internationalisierung wird Sprachenvielfalt ist unseren Gesellschaften zu einem Dauerstand und die Ausbildung und Nutzung von Mehrsprachigkeit wird somit zu einer entscheidenden Forderung an unsere Bildungsinstitutionen. De Flori-Hansen unterstützt diese Forderung und betont, dass vielen Menschen gesellschaftliche Partizipation vorenthalten bleibt, wenn die Institution Schule wichtiges Potential nicht nutzt und bei der Ausbildung von Mehrsprachigkeit versagt.4 Unsere Schulen müssen folglich mehr Sprachen vermitteln, und das mit deutlich besseren Ergebnissen, denn alle Kinder müssen in der Zukunft bestimmte fremdsprachliche Voraussetzungen mitbringen, um in einer sprachenvielfältigen Gesellschaft gut leben zu können.
Die Entscheidung für die Auseinandersetzung mit dem von mir gewähltem Thema lässt sich vielfach begründen. Zum einen ist Motivation im Unterricht mit fremden Sprachen für mich als zukünftige für die Primarstufe qualifizierte Fremdsprachenlehrerin von hoher Bedeutung, so dass ich persönliches Interesse an der Ergründung der vielfältigen Motivationsmöglichkeiten habe. Zum anderen habe ich während meiner eigenen Schulzeit positive aber auch negative Erfahrung in diesem Bereich gesammelt, die ich an geeigneter Stelle einfließen lassen möchte. Meine Entscheidung wurde des Weiteren beeinflusst, durch die beschriebene Aktualität der Thematik der Förderung von Mehrsprachigkeit im schulischen Fremdsprachenunterricht der Primarstufe.
Unter Berücksichtigung dessen, habe ich mich dazu entschieden, das Thema meiner wissenschaftlichen Hausarbeit als eine Hypothese zu formulieren, die von der Annahme ausgeht, dass die Motivation im Fremdsprachenunterricht der Grundschule die Grundlage für die Förderung, und damit der Entstehung, von Mehrsprachigkeit darstellt. An dieser Stelle möchte ich verdeutlichen, dass es in der vorliegenden Arbeit ausschließlich um den Zusammenhang von schulischem Fremdsprachenunterricht und Mehrsprachigkeit geht, und nicht etwa um Mehrsprachigkeit die aus natürlichen Situationen heraus entsteht.
Aufgrund des von mir angestrebten Lehramts der Grundschule, gilt meine gesamte Aufmerksamkeit in dieser Arbeit der Primarstufe. Es sei jedoch vermerkt, dass sämtliche, die Motivation und Fremdsprachenunterricht betreffende Aspekte in ihren Grundzügen auch auf die Sekundarstufe übertragbar sind. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass aufgrund des höheren Alters der Sekundarschüler, die einzelnen Faktoren in ihrer Bedeutsamkeit variieren.
Unter Beachtung der Tatsache, dass die wichtigste Voraussetzung für fremdsprachliches Lernen, der Aufbau der Motivation ist, ist das Anliegen der vorliegenden Arbeit darzustellen, wie Lehrer Fremdsprachenunterricht motivierend gestalten können, um Grundschüler für das Erlernen von fremden Sprachen zu interessieren. Die Entwicklung von Interesse an fremden Sprachen ist von hoher Bedeutsamkeit, denn es bildet die Grund- und Ausgangslage für das Erlernen von Fremdsprachen und als Folge daraus, die Grundlage für die Entstehung von Mehrsprachigkeit. Im Verlauf der Arbeit möchte ich ferner die Möglichkeiten zur Förderung von Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht der Grundschule aufzeigen. Es soll herausgestellt werden, welches Potential für die Etablierung von Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht der Primarstufe steckt, und wie Fremdsprachenlehrer dieses Potential nutzen können um Kindern den Weg zur Mehrsprachigkeit zu eröffnen.
Das Gesamtanliegen dieser Arbeit impliziert, dass professionelle Fremdsprachenlehrer umfassendes Wissen über die enorme Komplexität unterrichtlichen Handelns und die einzelnen Faktoren haben sollten, welche die Motivation beim Fremdsprachenlernen und den Unterricht mit fremden Sprachen beeinflussen. Denn nur dann können sie das beschriebene Potential erkennen, aufgreifen und motivierend unterrichten. In meiner Auseinandersetzung mit der vorliegenden Thematik werde ich die bedeutendsten Bereiche aufzeichnen, in denen qualifizierte Fremdsprachenlehrer fundierte Kenntnisse besitzen sollten, um in der Lage zu sein, Fremdsprachen mit dem Ziel der Förderung von Mehrsprachigkeit, kompetent zu unterrichten.
Zur Orientierung für den Leser möchte ich an dieser Stelle noch erwähnen, dass ich aus stilistischen Gründen und im Zuge der besseren Lesbarkeit, im weiteren Verlauf dieser Arbeit ausschließlich die maskuline Form verwenden werde, gemeint sind aber selbstverständlich immer beide Geschlechter.
2. DIE BEDEUTUNG VON FREMDSPRACHEN
In diesem Kapitel möchte ich die Bedeutsamkeit und Gegenwärtigkeit von Fremdsprachen herausstellen und begründen, warum das Lernen von fremden Sprachen in unserer heutigen Gesellschaft eine Notwendigkeit darstellt.
2.1. Die Gegenwärtigkeit fremder Sprachen und Kulturen in der kindlichen Lebenswelt
Kinder haben bereits vor ihrer Schulzeit Kontakt zu anderen Sprachräumen. Sie begegnen anderen Sprachen heute öfter und auf vielfältigere Weise als noch vor einigen Jahren. Dafür gibt es eine Vielzahl von Ursachen, zu denen Siebert- Ott u.a. die berufliche Mobilität der Eltern und veränderte Reisegewohnheiten zählt. Des Weiteren sieht sie die Ursachen in der Unterhaltungs- und Konsumgüterindustrie, welche die Begegnung mit fremden Sprachen fördert.5 Werbeprodukte werden beispielsweise anhand modischer englischer Begriffe vermarktet und auf vielen Genussmittelverpackungen befinden sich Aufdrücke in mehreren Sprachen.
Nicht nur vor, sondern auch während der Grundschulzeit sind Fremdsprachen im Alltag der Kinder zweifellos präsent. Sie begegnen ihnen dann nicht nur im Urlaub, in den Medien oder beim Einkaufen, sondern auch in der eigenen Klasse und in ihrer gesamten Schule. Schmitt & Valtin fügen hinzu, dass heute besonders in den Grundschulklassen in Großstädten, Kinder mit verschiedenen Muttersprachen gemeinsam lernen.6 In Hamburg beispielsweise beträgt der durchschnittliche Anteil ausländischer Kinder ca. 20 Prozent.
Der tagtägliche Umgang mit fremdsprachigen Mitschülern, der Tourismus, die Medien, die Nahrungsmittelindustrie oder auch die Spielzeugindustrie tragen demnach gezielt zur Anreicherung der kindlichen Alltagssprache mit fremdsprachlichen Elementen bei, so dass fremde Sprachen, fremde Kulturen und ferne Länder heute als Bestandteile der Kinderwelt betrachtet werden.
2.2. Der Kulturbegriff
Aufgrund der häufigen Verwendung des Begriffes der Kultur im Zusammenhang mit Sprachen, scheint es mir an dieser Stelle erforderlich, auf diesen Begriff näher einzugehen.
Die Wissenschaft ist noch zu keiner einheitlichen Definition gelangt. Kultur (lat. cultum = das Bebaute, Gepflegte) kann man jedoch allgemein formulieren, als die Gesamtheit des vom Menschen Geschaffenen und Zusammenfassung der Lebensumstände einer bestimmten ethnischen Gruppe oder historischen Epoche. Dies schließt einerseits physische Dinge wie Werkzeuge ein, aber auch die durch Menschen hervorgerufene Veränderungen der Natur, sowie die geistigen Hervorbringungen der Menschheit wie Schrift, Kunst, Theater, Literatur etc. Ferner werden auch Sitten, Bräuche und Traditionen unter Kultur verstanden. Der Kulturbegriff weiterhin die sozialen Organisationsformen, in denen Menschen zusammenleben, elementare Verhaltensregeln die deren alltägliches Leben bestimmen, sowie die gesetzlich festgehaltenen Vorschriften eines Staates oder einer Religion. Luchtenberg fasst zusammen und beschreibt Kultur als einen sehr „weiten Begriff, der nicht nur Literatur, Kunst und Musik, sondern auch vor allem den Alltag mit seinen vielfältigen kulturellen Äußerungen wie Essen, Trinken, Wohnen, Kleidung etc. umfasst. Neben solchen materiellen Formen des Lebens gehören die soziale und institutionelle Gestaltung des Lebens, ebenso wie Werte, Haltungen und Deutungsmuster zur Kultur.“7
Abschließend sei gesagt, dass jeder Mensch dadurch geprägt ist, in welcher Kultur er aufwächst. Die Umgangsformen und Vorschriften, die jede Kultur vermittelt, erlernen wir schon in der frühen Eltern-Kind-Beziehung und sie dienen und als Orientierungshilfe in der Beschreitung des täglichen Lebens.
2.3. „Faszination“ Fremdsprache
Wir benutzen unsere Muttersprache um mit Menschen dem gleichem Sprachraum zu kommunizieren. In dieser Aussage liegt die Faszination von Fremdsprachen begründet, denn durch Verwendung einer fremden Sprache kann man den eigenen, relativ begrenzten Sprachraum verlassen und einen anderen erkunden.
Für Stedtfeld geht die Faszination einer fremden Sprache genauer gesagt von der „durch sie zu eröffnenden Möglichkeit aus, den Rahmen des gewohnten zu verlassen und ohne (allzu große) Behinderung durch eine Sprachbarriere das Fremde zu erkunden, zu erfahren.“8 Wenn Kinder Fremdsprachen lernen, wollen sie „etwas Faszinierendes entdecken und Freude haben“, andere Beweggründe für das Lernen von fremden Sprachen wie z.B. ein späterer beruflicher Vorteil, sind für Kinder laut Edelenbos & Kubanek nicht vordergründlich.9 Primärer Fremdsprachenunterricht sollte darum die vorhandene Faszination der Kinder aufgreifen und sich zum Ziel setzen, diese Faszination in eine anhaltende Begeisterung für fremde Sprachen zu verwandeln. Warum es bedeutungsvoll ist, eine Begeisterung der Kinder am Erlernen von Fremdsprachen herbeizuführen und aufrechtzuerhalten, soll im folgenden Abschnitt anhand der wichtigsten Gründe für das Lernen von Fremdsprachen dargestellt werden.
2.4. Fremdsprachenlernen als Notwendigkeit
Über die Bedeutung von Sprache in der humanistischen Bildungsauffassung schreibt Hano, dass Fremdsprachenkenntnisse, aufgrund deren positiven Einfluss auf die Gesamtentwicklung der Menschen, bereits in der Zeit des Humanismus als zentrales Element galten.10 Der Reformator des preußischen Bildungswesens Humboldt, sah Sprache als „das bildende Organ der Gedanken.“ Aus seiner Sicht wird erst durch Sprache die Welt greifbar. Mangelnde fremdsprachliche Fertigkeiten bedeuteten für ihn folglich eine Einschränkung der menschlichen Fähigkeiten die Welt zu ergründen. Aber nicht nur die Humanisten des 15. Jahrhunderts verstanden die Bedeutsamkeit von Sprache, sondern auch Goethe definierte später im 18. Jahrhundert die Sprache als eine Bildung der Welt.11
Diese Anschauung über Sprache spiegelt sich noch heute in unserer Gesellschaft wieder. Solmecke ist der Ansicht, dass die Notwendigkeit für Fremdsprachenlernen hauptsächlich in der gesellschaftlichen Überzeugung von dieser Notwendigkeit begründet liegt. Diese Überzeugung, so der Autor, „drückt sich [...] vor allem in der Schaffung von Lernmöglichkeiten wie Einrücken des Faches in den Stundenplan, Ausbildung von Fremdsprachenlehrern, Schaffung von Lernmaterial [...] aus.“12 Fremdsprachenkenntnisse werden also von unserer Gesellschaft als fundamentale Qualifikationen aller Bildungsgänge betrachtet und „der Umgang mit fremder Sprache und die damit verknüpfte Erfahrung fremder Kulturen werden zu den für alle Kinder notwendigen Kulturtechniken gezählt.“13 Aus diesem Grund hält es Klippel für notwendig, fremdsprachlichen Unterricht schon in der Grundschule einzuführen.
Neben der gesellschaftlichen Überzeugung, existieren eine Vielzahl weiterer Gründe, die das Erlernen von Fremdsprachen erforderlich machen. Durch die zunehmende internationale Kommunikation von Individuen, Gruppen, Institutionen, Gesellschaften und Medien, ist ein stark angewachsener Fremdsprachenbedarf zu verzeichnen. Aufgrund der Einigungsprozesse und Wanderungsbewegungen in Europa, der weltweiten Veränderungen und der Verflochtenheit unseres Lebens gewinnen Fremdsprachen und die Befähigung zu transnationaler Kommunikation im Zeitalter der Globalisierung einen immer höheren Stellenwert.
Jespersen hat die tragende Funktion von Sprache als das wichtigste Kommunikationsmittel metaphorisch folgendermaßen beschrieben: „Language is not an end in itself, just as little as railway tracks; it is a way of connecting between souls, a means of communication.“14 Mit den Worten von Schmitt & Valtin ausgedrückt, dient das Erlernen fremder Sprachen demnach primär der Verständigung zwischen Menschen und Völkern.15 Diese Verständigung ist in unserer zunehmend multilingualen und -kulturellen Gesellschaft von fundamentaler Bedeutung für ein friedliches Miteinander.
Eine weitere Bedeutung in dem Erlernen von fremden Sprachen liegt in der Tatsache, dass man zeitgleich auch immer eine andere Weltsicht, Lebensform und Kultur kennen lernt. Oder in den Worten von McLaughlin & Matute- Bianchi ausgedrückt: „Language learning is cultural learning.“16 „Cultural learning“ wiederum bezieht sich auf die Werte, Traditionen und Verhaltensregeln die wir durch Sprachlernen erfassen. Auf Kinder bezogen ist dieser Aspekt insbesondere bedeutungsvoll, denn die Fähigkeit, tolerant und flexibel mit fremden Verhaltensweisen und Kulturen umgehen zu können, zählt in unserer heutigen Gesellschaft zu den Schlüsselqualifikationen.
Des Weiteren ist Sprache ein unentbehrliches Medium zur Identitätsentwicklung. Marschollek vertritt die Auffassung, dass Sprache „viele Aspekte des psychischen, sozialen und kulturellen Lebens (berührt)“ und unterstreicht, dass demzufolge „der Umgang mit dem Fremden und die Persönlichkeitsentwicklung nicht nur eng miteinander, sondern auch eng mit Sprache vernetzt (sind).“ Der Autor teilt meine Auffassung, dass man durch Kommunikation mit andern Menschen auch immer etwas über sich selbst lernt, indem er schreibt, dass man „über die Erfahrung und das Verstehen von Fremden [...] seinen Erfahrungshorizont erweitern und eine veränderte Perspektive auf seine Umwelt und auch auf die eigene Persönlichkeit gewinnen (kann).“17 Persönlichkeitsmerkmale die durch Fremdsprachenerwerb positiv beeinflusst werden, umfassen z.B. die Förderung von Toleranz und Bereitschaft zum sozialen Engagement sowie den Abbau von egozentristischer Selbstgefälligkeit und regional bzw. national beschränktem Denken.
Betrachtet man die Berufswelt, kann man auch hier die Notwendigkeit für Fremdsprachenkenntnisse begründen. In den deutschsprachigen Ländern wuchs der Anteil jener Menschen kontinuierlich, deren Alltagsbewältigung eng an die Beherrschung mehrerer Sprachen geknüpft ist. Fremdsprachliche Begriffe sind somit fester Bestandteil vieler Berufe. In einigen Berufen gelten Fremdsprachenkenntnisse sogar als Einstellungsvoraussetzung, so dass es für viele Menschen unentbehrlich ist mehrere Sprachen zu beherrschen. Die Situation in Europa wird treffend durch Zydatiß beschrieben. Er schreibt, dass funktionale Fremdsprachenkenntnisse als „elementare Kulturtechniken angesehen (werden), sie sind fast so selbstverständlich wie [...] muttersprachliche Kompetenz, Verständnis grundlegender mathematischer Funktionen oder Grundkenntnisse der Daten- und Textverarbeitung.“18
Als letzter Aspekt ist an dieser Stelle das veränderte, immer mobiler werdende Freizeitverhalten unserer Gesellschaft zu erwähnen. Da die Welt nun vielen Menschen zum Reisen offen steht und man im Ausland nicht erwarten kann, dass überall die eigene Muttersprache gesprochen wird, sind Kenntnisse fremder Sprachen erforderlich und hilfreich.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Gründe für die Notwendigkeit des Erlernens von Fremdsprachen aus der gesellschaftlichen Auffassung über Bildung, der Verständigung verschiedener Völker, dem kulturellen Lernen, der identitätsbildenden Prozesse, sowie der veränderten Berufs- und Freizeitwelt ergeben.
Verglichen mit Früher, steht heute nicht mehr eine frühzeitige kognitive Förderung der Kinder durch die Fremdsprache im Mittelpunkt des Interesses. Sondern durch fremde Sprachen und Kulturen als Bestandteil der Bildung in der Primarstufe, sollen die Kinder befähigt werden, die Anforderungen unserer multikulturell gewordenen Gesellschaft erfüllen zu können, denn wie Hegele akzentuiert, „prägen diese Veränderungen [...] heute nämlich nicht mehr nur das Leben der Erwachsenen, sondern insbesondere auch schon den Alltag des kleinen Kindes.“19
Nachdem in diesem Kapitel die Bedeutsamkeit von Fremdsprachen illustriert wurde, soll das folgende Kapitel darstellen, welche Rolle der Grundschule beim Umgang mit fremden Sprachen zukommt.
3. DIE ROLLE DER GRUNDSCHULE BEIM UNTERRICHT MIT FREMDEN SPRACHEN
Nachdem in dem vorhergehenden Kapitel die Signifikanz von Fremdsprachen erläutert wurde, soll es in diesem Kapitel darum gehen, die Aufgabe der Grundschule bei der Auseinandersetzung mit fremden Sprachen und Kulturen darzustellen. Bevor ich auf die Ziele des Fremdsprachenunterrichts eingehe, möchte ich zunächst darauf verweisen, dass die Primarstufe in Bezug auf die Auseinandersetzung mit dem Fremden einen wesentlichen Vorteil, verglichen mit der Sekundarstufe oder dem Bereich der Erwachsenenbildung, besitzt.
Dieser Vorteil besteht darin, dass die Grundschule ein Ort ist, in dem sich viele Sichtweisen noch nicht gefestigt haben und deshalb die Aufgeschlossenheit gegenüber dem ,,Fremden" noch vorhanden ist. Grundschulkinder sind meistens interessiert und enthusiastisch, und ohne Einschränkungen und Vorurteile wie viele ältere Lernende. Sie besitzen eine natürliche Neugier und Empfänglichkeit für die Auseinandersetzung mit dem Fremden.20 Aufgrund ihrer Neugier kann man Kinder leichter motivieren und dadurch ihre Aufmerksamkeit für das Unterrichtsgeschehen gewinnen. Wie bereits in der Einleitung erläutert, empfinden Kinder keine Notwendigkeit eine fremde Sprache zu lernen, die einzige Begründung für das Erlernen einer neuen Sprache liegt in den Augen der Kinder im Spaß am Lernen, also im rein emotionalen Bereich. Ihre Offenheit und Neugier allem Neuen gegenüber, sowie ihre Beobachtungs- und Nachahmungsgabe und Sprachfreudigkeit sollte sich die Grundschule daher als Grundantrieb für fremdsprachliches Lernen zu nutze machen.
3.1. Die Ziele des Fremdsprachenunterrichts der Grundschule
Im Fremdsprachenunterricht der Grundschule geht es vorrangig um die Begegnung mit sprachlicher Vielfalt. Es geht nicht um „Sprachtraining“ sondern vielmehr um die „Vermittlung sprachlicher Bildung.“21 Auch Schmitt & Valtin sehen darin das Grundprinzip. Für sie stellt Fremdsprachenlernen in der Grundschule ebenfalls eine erste Begegnung mit fremden Sprachen dar, und nicht etwa „systematischer Fachunterricht.“22 Ebenso unterstreichen Edelenbos & Kubanek, das im Mittelpunkt steht, „mittels Geräuschen, Lauten, Reimen, Geschichten und Spielen die Ordnung in der Sprache zu erkennen und aktiv zu genießen“ und Spaß zu haben.23 Fremdsprachenunterricht soll Interesse an Sprachen wecken und Freude an ihrem Lernen entwickeln.
Eine weitere bedeutsame Aufgabe ist es, Verständnis für andere Sprachen und fremdkulturelle Erscheinungsformen herbeizuführen. In der Fachliteratur wird in diesem Zusammenhang oft der Begriff interkulturelles Lernen verwendet. Timm versteht interkulturelles Lernen als Teil der fremdsprachlichen Handlungsfähigkeit und meint damit, die Fähigkeit und Bereitschaft „sich mit bestimmten sozialen, politischen und kulturellen Gegebenheiten des fremden Landes auseinander zusetzten und sich kulturtypischen Interaktionsformen anzupassen.“ Er weist darauf hin, dass diese funktionalen Fremdsprachenfertigkeiten in unserer zunehmend globalen Gesellschaft zweifellos eine wichtige berufliche Qualifizierung darstellen.24 Die Begegnung mit fremden Sprachen in der Primarstufe leistet einen wesentlichen Erziehungsbeitrag zu einer differenzierten Beurteilung andersartiger bzw. fremder Mentalitäten und soll fächerübergreifende Ziele wie Erziehung zu Toleranz und Völkerverständigung verfolgen. Die Kinder sollen bereits im Grundschulalter, ihr durch die Muttersprache und das eigene soziale Umfeld geprägtes Weltbild zu erweitern.25 Die unterschiedlichen Umgangs- und Lebensformen sollen bewusst wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Dadurch wird auch die eigene Kultur besser wahrgenommen sowie relativiert. Diese Öffnung für fremde Kulturen soll Kindern die Chance geben, sich in der Welt zu orientieren.
Der Fremdsprachenunterricht ist eine Ergänzung des Grundschullehrplans und leistet einen Beitrag zur Gesamtentwicklung der emotionalen, kreativen, sozialen und kognitiven Fähigkeiten. Neben der die Weiterentwicklung der Persönlichkeit ist es erklärtes Ziel, bei jedem Kind eine positive Einstellung zum lebenslangen Fremdsprachenlernen und eine Unbefangenheit und Beweglichkeit beim Erwerb fremder Sprachen zu entwickeln.
Wie alle anderen Lernbereiche der Grundschule, dient auch der Unterricht im Lernbereich Sprache zur Stärkung der Urteils- und Ausdruckskraft und Dialogfähigkeit der Kinder. In den Lehrplänen wird die Befähigung der Schüler zum fremdsprachlichen Handeln als Zielstellung zusammengefasst. Die Kommunikation in der zweiten Sprache steht jedoch im Sekundarbereich mehr im Vordergrund als dies in der Grundschule der Fall ist. Selbstverständlich sollen Schüler der Primarstufe motiviert werden, sich in einer anderen als in der eigenen Sprache zu verständigen, schwerpunktmäßig sollen sie dabei aber Spaß empfinden.
Die Entwicklung von Sprachbewusstheit stellt einen weiteren Aspekt der Zielsetzung primärer Fremdsprachenvermittlung dar. Language awareness bedeutet, dass Kindern durch das Erlernen einer anderen Sprache, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit der Muttersprache bewusst werden. Die Bildung von Hypothesen und ihre Prüfung durch Ausprobieren oder Nachfragen spielt beim Prozess des Sprachlernens eine beachtliche Rolle. Kindern müssen sprachliche Erscheinungen bewusst gemacht werden und es muss ihnen die Möglichkeit gegeben werden, diese zu reflektieren. Ein bewusster Umgang mit Sprache gilt als Voraussetzung für erfolgreiches Sprachlernen. Luchtenberg äußert sich zusammenfassend und sagt, dass sprachliche Bildung in der Schule die Kinder zu einem „selbständigen, reflektierenden und kritischen Umgang“ mit Sprache und damit zu Kommunikation“ befähigen soll.26
Der Fremdsprachenunterricht aller Schulstufen versteht die so genannte Kompetenzbildung als umfassende Aufgabe. Dazu zählt die Ausbildung von Selbstkompetenz, was z.B. die Entwicklung eines positiven Selbstwertgefühls und von Selbstvertrauen beinhaltet. Sozialkompetenz erwerben die Schüler durch Sensibilisierung für die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Kulturen und durch die Entwicklung von Toleranz und Achtung vor den Äußerungs- und Verhaltensformen anderer Menschen. Im Bereich der Methodenkompetenz lernen die Schüler eine Vielfalt methodischer Arbeitsweisen kennen. Durch entdeckendes, erprobendes und übendes Handeln entwickeln sie elementare Techniken und Lernstrategien. Die Sachkompetenz beschreibt schließlich, welches Niveau des Sprachverständnisses Schüler bei dem Abschluss einer bestimmten Schulstufe erreicht haben sollten. Auf die Grundschule bezogen, lässt sich sagen, dass Ende der Klassenstufe vier alle Kinder in der Lage sein sollten, zusammenhängende Äußerungen und Texte grob zu erfassen und detaillierte Bitten, Aufforderungen und Fragen zu vertrauten Themen zu verstehen.
Zusammenfassend formuliert, besteht die vorrangige Zielstellung des Fremdsprachenunterrichts der Grundschule darin, bei den Kindern Freude und Interesse am Sprachlernen zu wecken und aufrechtzuerhalten, so dass sie eine positive Einstellung gegenüber der fremden Sprache und damit auch der durch sie repräsentierten Kultur entwickeln. Die Betonung der Lust im fremdsprachlichen Unterricht bedeutet aber keinesfalls den Verzicht von Leistung, denn Lust und Leistung bedingen einander. Der Fremdsprachenunterricht nutzt die besonderen Lernvoraussetzungen dieser Altersstufe und hilft den Kindern, sich in der Welt zu orientieren, sich zu verständigen und handlungsfähig zu werden. Edelenbos & Kubanek ergänzen, dass im Fremdsprachenunterricht der Primarstufe Fundamente für das weitere fremdsprachliche lebenslange Lernen im Sekundar- und Hochschulbereich gelegt werden.27
3.2. Die Risiken im Fremdsprachenunterricht
Es wurde zu Beginn des Hauptkapitels dargelegt, dass Schüler im Grundschulalter besonders empfänglich und sensibel für die Auseinandersetzung mit fremden Sprachen sind. An dieser Stelle darf jedoch nicht vergessen werden, dass Kinder nicht nur für positive Einflüsse empfänglich sind, sondern dass auch negative Einwirkungen schwerwiegende Folgen auf deren fremdsprachliches Lernen haben können.
Vor dem Hintergrund der von Gardner & Lambert erstellten These, dass Erfolg beim fremdsprachlichen Lernen von der Aufgeschlossenheit gegenüber fremdkulturellen Erscheinungen abhängig ist, offenbaren sich an dieser Stelle die Risiken, die sich für die Grundschule bei der Auseinandersetzung mit dem Fremden ergeben.28 Aus deren These lässt sich schlussfolgern, das der Erfolg beim Fremdsprachenlernen ausbleibt, sofern es dem Fremdsprachenunterricht nicht gelingt, bei Schülern eine Offenheit für fremde Kulturen und Sprachen zu entfalten.
Hegele ist sich ebenfalls dieser Risiken bewusst. Die Autorin drückt ihre Schlussfolgerungen mit folgendem Wortlaut aus: „Versäumt es die Schule [...], den Kindern das Verständnis fremder Sprachen und Kulturen zu erschließen, beschneidet sie nicht nur ihre späteren beruflichen und privaten Möglichkeiten als Erwachsene, sie beeinträchtigt und behindert sie auch in ihrem Kindsein im Hier und Jetzt.“ Hegele hebt hervor, dass die heutigen vielfältigen Lebensformen den Kindern nicht versagt werden dürfen, denn sonst werden die Kinder „künstlich auf eine nationale oder regionale Lebensperspektive eingeschränkt.“29 Die Risiken, die der Unterricht mit fremden Sprachen birgt, werden auch von Marschollek umfassend beschrieben. Er weist u.a. darauf hin, dass sich negative Erfahrungen mit Fremdsprachen dauerhaft nachteilig auf die Haltung gegenüber fremder Sprachen und sogar deren Sprechern und der dazugehörigen Kultur auswirken können.30
Die Gefahren, die fremdsprachlicher Unterricht birgt, habe ich wie bereits in der Einleitung festgehalten, während meiner Schulzeit persönlich erfahren. Rückblickend habe ich die Zeit des Fremdsprachenunterrichts der Grundschule ausschließlich positiv erlebt. Alle Klassenstufen vier meiner Grundschule haben in dem Jahr 1990 an einem Schulversuch für frühzeitige fremdsprachliche Begegnung im Unterricht teilgenommen. Ich erinnere mich an eine vorwiegend spielerische Begegnung mit der Fremdsprache Englisch und einen kompetenten, sympathischen Lehrer der den Unterricht abwechslungsreich und erlebnisvoll gestaltete.
In der Sekundarstufe habe dann ich erlebt, welche Auswirkungen Fremdsprachenunterricht haben kann, der die Interessen der Schüler unberücksichtigt lässt und die Vermittlung von Grammatik als Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens sieht. Meine negativen Erfahrungen während dieser Zeit stehen sicherlich auch im Zusammenhang mit der verständnislosen, distanzierten Lehrerperson, die Französisch nach dem „Drillprinzip“ unterrichtete. Ich erinnere mich an Erniedrigungen einzelner Schüler die dem Druck der erwarteten Leistungen nicht Stand halten konnten oder schlicht keine Sympathie bei dem Lehrer hatten. Die Angst vor den fast täglichen, unangekündigten Leistungskontrollen war jedem Schüler ins Gesicht geschrieben. Aufgrund von Angst vor Fehlern und der Erniedrigungen bei Versagen, sank die freiwillige mündliche Mitarbeit rapide und hinzu kam Furcht vor dem „auserwählt werden“ für Einzelaktivität im Unterricht.
Diese überwiegend negativen Erfahrungen hatten gravierende Folgen auf mein fremdsprachliches Lernen bezüglich der französischen Sprache. Vier Jahre Französischunterricht ließen mir nicht mehr als wenige grundlegende französische Phrasen und einzelne Wörter in Erinnerung. Die Ursache dafür sehe ich darin, dass Lernen nicht der Sprache wegen, sondern nur auf die „nächste Leistungskontrolle“ hin geschah.
Es wurde den Schülern kein Raum gegeben, um Interesse und Freude an der Sprache zu entwickeln. Als Folge daraus, hatte ich nur begrenzte Begeisterung für die dazugehörige Kultur und das entsprechende Land entwickelt und für lange Zeit verlor ich das Interesse an dem Erlernen weiterer Sprachen. Zwischenzeitlich sind meine negativen Erfahrungen aus dem damaligen Französischunterricht verblasst und meine Begeisterung für Sprachen ist wiederhergestellt. Ich verbinde keine negativen Assoziationen mit dem Land oder der dazugehörigen Kultur, jedoch stößt das Stichwort „Französisch“ bei mir noch immer auf „Abwehr.“ Als bizarr empfinde ist, dass ich aufgrund meines schon immer stark ausgeprägten Interesses für Sprachen besonders die französische Sprache als „sympathisch“ und klangschön empfinde. Zu einem erneuten, ernsthaften Lernversuch fehlte mir bisher jedoch die benötigte Motivation und ich bedauere die vergeudete Chance bei der schulischen Begegnung mit dieser Sprache.
Nachdem ich an der Universität wieder motivierenden und schülerzentrierten Spanischunterricht erlebt habe, der sich mit meinen positiven Erfahrung der ersten fremdsprachlichen Begegnung in der Grundschule deckte, ist mir die beachtliche Verantwortung die auf dem Fremdsprachenlehrer lastet, umso mehr bewusst.
Im weiteren Verlauf der Arbeit sollen die mannigfaltigen Möglichkeiten aufgezeigt werden, deren Lehrer sich bedienen können, um fremdsprachlichen Unterricht motivierend und schülerorientiert zu gestalten, denn das höchste Interesse des Fremdsprachenlehrers sollte darin bestehen, die beschriebenen negativen Erfahrungen und deren schwerwiegenden Folgen zu verhindern. Zunächst soll jedoch der Begriff der Motivation definiert werden. Dabei werde ich speziell die Lernmotivation im schulischen Fremdsprachenunterricht betrachten.
4. MOTIVATION
Fremde Sprachen und Kulturen sind im Leben der Kinder allgegenwärtig. Der Fremdsprachenunterricht der Primarstufe muss u.a. aus diesem Grund den Schülern die Bedeutung des Erlernens von fremden Sprachen „erleben“ lassen. Sie sollen erleben, dass sie durch Fremdsprachen miteinander kommunizieren können. Mit dem Fernziel der Mehrsprachigkeit, muss besonders in der Primarstufe Fremdsprachenunterricht stattfinden, der motivierend ist und Kinder dadurch für Sprachen und Sprachenlernen beigeistert. Doch was ist unter motivierendem Fremdsprachenunterricht zu verstehen? Und von welchen Faktoren hängt die Motivation im fremdsprachlichen Unterricht ab? Bevor ich mich der Beantwortung dieser Fragen zuwende, gilt es in diesem Kapitel zunächst den Motivationsbegriff zu erläutern.
4.1. Definition allgemeiner Motivation
Zu Beginn möchte ich festhalten, dass ich Einengungen und Spezifizierungen bestimmter Aspekte vornehmen werde, denn im Folgenden steht nicht die Motivation menschlichen Verhaltens allgemein im Mittelpunkt des Interesses, sondern die Motivation des Menschen als Teilnehmer im schulischen Fremdsprachenunterricht. Eine knappe Erläuterung bezüglich Motivation im allgemeinen Sinne soll an dieser Stelle jedoch nicht fehlen.
Der Begriff Motivation geht aus der Psychologie hervor, und erklärt warum bestimmte Handlungen vollzogen werden. Individuen zeigen in ein- und derselben Situation unterschiedliches Verhalten aufgrund unterschiedlicher Interessen, Bedürfnisse, Antriebe und Absichten die diese Verhaltensweisen bestimmen. Motivation kann man folglich beschreiben, als die Summe der Beweggründe, die das menschliche Handeln beeinflussen und die Suche nach den Ursachen eines bestimmten Verhaltens, also die Suche nach den Motiven, die den Ausgangspunkt von Verhalten darstellen.31 Oksaar versteht unter Motivation ebenfalls die Faktoren, die „die Entscheidungen und Handlungen eines Individuums beeinflussen.“32 Wode definiert Motivation dagegen als „Wille und [...] Bereitschaft, ein Ziel anzugehen.“33 Die wissenschaftliche Fragestellung der Motivationspsychologie als Teil der Allgemeinen Psychologie erklärt, wie Motive entwicklungspsychologisch entstehen und von welchen Bedingungen es abhängt, ob jemand für eine spezielle Handlung motiviert ist.34 Motiviertes Verhalten ist nicht zufällig, sondern immer zielgerichtet.
4.2. Lernmotivation im Fremdsprachenunterricht
Die Definitionsansätze von Motivation im vorhergehenden Abschnitt beziehen sich auf menschliches Verhalten generell. Nachfolgend soll die Motivation, genauer gesagt die Lernmotivation, im Fremdsprachenunterricht als Sonderfall schulischen Lernens behandelt werden.
Eine Vielzahl von Beweggründen die sich gegeneinander beeinflussen bestimmen menschliches Verhalten und damit auch Lernverhalten. Eine „optimale Gestaltung der Lernsituation [...] zur Erzielung einer größtmöglichen Lernbereitschaft der Schüler“ ist das von Solmecke verstandene Ziel von Motivation im Fremdsprachenunterricht. Der Autor bezeichnet einen Schüler dann als motiviert, wenn er in einer vom Lehrer erwünschen Weise handelt. Lernmotivation stellt für ihn die Bereitschaft des Schülers dar, in entsprechenden Situationen dem Lernen dienende Aktivitäten durchzuführen oder an ihnen teilzunehmen.35
Inwieweit Schüler ihre Lernmotivation aufrechterhalten und motiviert am Unterrichtsgeschehen teilnehmen, hängt in hohem Maße davon ab, ob sie einen fremdsprachlichen Unterricht erleben, der sie in ihrer Lebenswirklichkeit anspricht. Genauer betrachtet kann man die Lernmotivation als einen Sammelbegriff für kognitive und emotionale Prozesse ansehen, die dem Lernenden helfen, bislang unbekannte Dinge zu verstehen. Die Motivation vieler Grundschüler ist wesentlich durch deren Freude am Lernen geprägt.
4.3. Motivation und Motive
Man unterscheidet zwischen Motivation und Motiven, wobei Motivation „der eine Handlung aktuell antreibende und ausrichtende, innere, nicht beobachtbare Prozess der Motivanregung und -entfaltung“36 ist, und Motive die bestimmten Antriebe eines Individuums sind, in einer Situation so und nicht anders zu handeln. Im täglichen Leben sind uns diese Motive oder Beweggründe bekannt als Ängstlichkeit, Aggression, Ehrgeiz, Hilfeleistung, Hunger, Machtstreben, Leistungsbestreben etc. Die Gesamtheit der Motive spiegelt „das Verhältnis des Individuums zu seiner Umwelt wieder.“37 Apelt argumentiert, dass Motivation und Motive „immer direkt oder indirekt umwelt-, vor allem aber gesellschaftlich und historisch bedingt“ sind und sich vorrangig „durch ihre [...] emotionale Bedingtheit sowie ihre Aktivitätsbezogenheit und Zielorientiertheit auszeichnen.“38
4.3.1. Motive im Fremdsprachenunterricht
Die Motive, die den Antrieb des Verhaltens der Menschen im Alltag darstellen, sind im Allgemeinen bekannt. Doch welche Motive sind es speziell, die im Fremdsprachenunterricht eine Rolle spielen? In der Forschungsliteratur gibt es bisher keine Übereinstimmung darüber, welche Motive insbesondere fremdsprachlichen Unterricht beeinflussen.
Im Folgenden beziehe ich mich auf die Ausführungen von Solmecke, der sich auf die Benennung der wichtigsten bekannten Motive beschränkt. Der Autor stellt zunächst das Gesellschaftsmotiv heraus, welches die gesellschaftliche Notwendigkeit für das Lernen von Fremdsprachen als Lernantrieb erklärt. Anschließt erwähnt Solmecke das Elternmotiv, bei dem Kinder lernen, um ihren Eltern Freude zu bereiten bzw. um deren Willen zu erfüllen. Das N ü tzlichkeitsmotiv verbirgt den Gedanken, dass das Lernen der Fremdsprache mit seinem Nutzen für das spätere Leben verbunden wird. Schüler haben als Antrieb für ihr fremdsprachliches Lernen das Lehrermotiv, wenn sie dessen Vorbild nacheifern oder ihm gefallen möchten. Das Wissens- bzw . Neugiermotiv erwächst laut dem Autor aus dem Streben nach neuen Kenntnissen. Auf der Grundlage des Kommunikationsmotivs äußern die Kinder das menschliche Bedürfnis nach Informations- und Meinungsaustausch. Das Wesen des Geltungsmotivs stellt das Streben nach Achtung und Anerkennung dar, denn in vielen Gemeinschaften gilt die Beherrschung einer Fremdsprache als Prestige.39
Boosch fügt hinzu, dass im Anwendungsbereich der Pädagogik u.a. auch das Motiv zu kooperativem Handeln und das Lernmotiv unter institutionalen Zw ä ngen beachtet werden muss.40 Vernon gibt den Hinweis, dass Lehrer die Motive der Kinder kennen sollten: „Teachers should be very clear about identifying children´s behaviors in terms of actual fact and should avoid guesses at motives or intentions.“41 Solmecke beendet seine Gedanken über die Motive die fremdsprachliches Lernen bestimmen mit der Aussage, dass ein Lehrer „durch gezielte Förderung [...] an diese Motive anknüpfen (kann) und so den Grad ihrer Wirksamkeit beeinflussen“ kann.42
4.4. Arten vom Motivation
Motivation lässt sich in zwei verschiedene Arten aufteilen, in die intrinsische und in die extrinsische Motivation. In der Literatur findet man manchmal auch die Begriffe der prim ä ren und sekund ä ren Motivation oder es wird unterschieden zwischen sachbezogener bzw. sachfremder Motivation. In der amerikanischen Forschung sind die Begriffe integrative und instrumentelle Motivation bekannt.
Intrinsische Motivation bedeutet Lernen oder Arbeiten aus eigenem, innerem Antrieb, also aus persönlichem Verlangen. Dagegen ist extrinsische Motivation definierbar durch einen Lern- oder Arbeitsanreiz, der durch die Erwartung nachfolgender Belohnung, entweder in materieller Art oder in Form von sozialer Anerkennung durch Personen im Umfeld, bewirkt wird.
4.4.1. Motivationsart im Fremdsprachenunterricht
Boosch erklärt, dass „intrinsisch motivierte Handlungen [...] mit hoher Motivation, angenehmen Gefühlen, persönlicher Zuständigkeit und Verantwortlichkeit und hoher innerer Befriedigung bei Erreichen des Handlungszieles verbunden (werden), während extrinsische Motivation eher mit äußerem Zwang, innerem Widerstand gegen die Handlung und Gleichgültigkeit gegenüber dem Handlungsergebnis assoziiert wird.“43
Bezogen auf den fremdsprachlichen Unterricht, lernt ein intrinsisch motivierter Schüler eine Sprache aus Interesse und um über sie am Leben der Gemeinschaft der Zielsprache und ihrer Kultur teilnehmen zu können. Extrinsisch motivierte Schüler dagegen lernen Sprache um die Erwartungen der Eltern zu erfüllen, um dem Lehrer zu gefallen oder weil er sich vom Erwerb der Fremdsprache Nutzen für sein späteres Leben verspricht, z.B. um bessere berufliche Chancen zu haben. Über die Verbreitung der Ansicht in der Literatur, dass intrinsische Motivation wirkungsvoller ist und vom erzieherischen Standpunkt auch wertvoller ist, gibt Solmecke zu bedenken, dass der Lernwille durch extrinsisch bewirkte Motivation unter Umständen gleich stark und ebenso wertvoll sein kann.44 Den Einspruch des Autors kann ich gut nachvollziehen, jedoch teile ich die verbreitete Auffassung, dass primäre Motivation zumindest längerfristig größere Erfolgschancen verspricht.
An dieser Stelle ergibt sich die Frage, mit welcher Art der Motivation Kinder in den Fremdsprachenunterricht der Primarstufe kommen und welche Motivationsart der Antrieb ihres Lernens sein sollte? Ich vermute, dass Kinder beim Beginn des Fremdsprachenunterrichts zunächst instrumentell motiviert sind. Sicherlich nicht, weil sie den Sinn und den späteren Nutzen in dem Erwerb von Fremdsprachen erkennen, sondern vielmehr weil sie dem Lehrer „gefallen“ möchten und insbesondere die Erwartungen der Eltern erfüllen wollen. Hierzu ist festzuhalten, dass sich eine anfängliche sachfremde Motivation im Verlauf des Unterrichts mit fremden Sprachen in sachbezogene Motivation verwandeln kann.
Diese Wandlung habe ich während meiner Praktika an Grundschulen immer wieder verfolgen können. Nach der Überwindung durch Desinteresse hervorgerufener Anfangsschwierigkeiten, konnte man nach geringer Zeit feststellen, dass viele dieser Schüler Spaß an dem spielerischen Umgang und am „experimentieren“ mit der fremden Sprache hatten. Sie entdeckten eine Freude, die sie zu Beginn der Begegnung mit der Fremdsprache nicht erwartet haben, und entwickelten Interesse an der Sprache selbst.
Aus meinen Beobachtungen schließe ich, dass die Kinder durch Freude am Unterrichtsgeschehen intrinsische Motivation entwickeln können, die wie bereits betont, mit längerfristigerem Erfolg verbunden ist als eine extrinsische Motivation, da sie dem Willen und der Überzeugung des Lerners entspringt. Hieraus erschließt sich wiederum, die zuvor genannte zentrale Aufgabenstellung primärer Fremdsprachenvermittlung: Das Wecken von Freude am Umgang mit fremden Sprachen. Diese Freude ist es, welche die Grundlage für lebenslanges Fremdsprachenlernen der Kinder bildet und damit auch die Voraussetzung für das Erreichen des Fernziels der Mehrsprachigkeit darstellt. Wie diese Freude im Fremdsprachenunterricht der Grundschule geweckt werden kann und welche Aspekte berücksichtigt werden müssen, um Fremdsprachenunterricht motivierend zu gestalten, soll im nachfolgenden Kapitel detailliert analysiert werden.
5. MOTIVATION IM UNTERRICHT MIT FREMDEN SPRACHEN IN ABHÄNGIGKEIT EINZELNER FAKTOREN
Die Motivation des Lernenden im Fremdsprachenunterricht existiert in Abhängigkeit eines Faktorenkomplexes. Solmecke bestätigt die Vielschichtigkeit, durch die Motivation geprägt ist: „Ob der Lernende dem Volk der Zielsprache gegenüber Vorurteile hegt, ob er sich von Fremdsprachenlernen Nutzen verspricht, [...] ob der Lehrer mit einem grimmigen oder freundlichen Gesicht die Klasse betritt, ob er eine neue Vokabel oder Satzstruktur drei- oder zehnmal nachsprechen lässt“, in den Augen des Autors beeinflussen im Grunde alle Unterrichtserscheinungen die Lernmotivation des Schülers.45 An diesen Überblick anknüpfend, möchte ich nun zu der Benennung und Erläuterung der einzelnen Faktoren übergehen, die die Lernmotivation der Schüler im Fremdsprachenunterricht der Grundschule beeinflussen. Im Einzelnen werde ich dabei auf die Unterrichtsziele, den Unterrichtsgegenstand, die Methoden des Unterrichts, die Unterrichtsgestaltung, die Sozialformen, die Rolle des Lehrers, den Lernenden, die Unterrichtsinteraktion sowie auf die institutionellen Rahmenbedingungen eingehen.
5.1. Die Unterrichtsziele
Klare Angaben der Unterrichtsziele sind bedeutsam für eine effektive Lernaktivität der Schüler. Nur wenn die Schüler die kurz- und langfristigen Lernziele verstehen, können sie konzentriert und bewusst auf diese Ziele hinarbeiten. Unterstützt wird diese Aussage durch Apelt, für ihn ist „die alltägliche Zielstellung erreichbarer, lösenswerter und bewusst erfasster Aufgaben im Sinne einer Nahperspektive [...] und mittlerer Perspektive“ von tragender Bedeutung für die Motivation der Lernenden. Unter Nahperspektive versteht er die Zielstellung für eine Unterrichtsstunde bzw. -einheit. Die mittlere Perspektive umfasst in seinem Ermessen die Zielsetzung für einige Wochen bzw. besondere Höhepunkte wie z.B. Theateraufführungen. Apelt gibt zu verstehen, dass die Zielorientierungen so formuliert sein sollten, dass sie bei den Schülern das Bestreben auslöst, diese Ziele erreichen zu wollen.46 Um das Ankommen bei Zielen einer Unterrichtsstunde zu gewährleisten, ist es u.a. ratsam, den Schülern einleuchtende Begründungen für bestimmte Übungstätigkeiten zu geben. Die deutliche Erklärung der Absicht von Tätigkeiten und die Angabe von Unterrichtszielen unterstützen den Schüler beim Aufbau realistischer Erwartungen über die Ergebnisse seiner Tätigkeit.
Aktuelles Lernen kann auch nach Düwell nur dann motivierend wirken, wenn „jeder aktuelle Lernschritt seine Bedeutung im Hinblick auf zukünftiges Handeln erhält." Er ergänzt, dass dem Schüler nicht nur die Relevanz des einzelnen momentanen Lernschritts für den Endzweck bewusst gemacht werden muss, sondern dass die Ziele für den Schüler persönlich von Bedeutung sein müssen, um ein Lernbedürfnis zu bewirken. Der Autor kommt bei der Übertragung dieser fächerübergreifenden Aussagen auf die Situation im Fremdsprachenunterricht zu der Folgerung, dass dem Schüler stets die Bedeutung der Fremdsprache für das Leben in unserer heutigen Gesellschaft verinnerlicht werden muss.47
Dass nicht alle Kinder die Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit als Chance begreifen, wird auch von Butzkamm unterstrichen.48 Daraus lässt sich herleiten, dass der sprach- und lebenspraktische Nutzen von fremden Sprachen allen Kindern versinnbildlicht werden muss. Das Alison diese Bewusstmachung gleichermaßen für entscheidend hält, drückt sie mit den folgenden Worten aus: „We need to make sure that the pupils see [...] a valid purpose in learning (the language).“49 Düwell führt fort, das Kinder im Anfangsunterricht von der Erwartung überfordert sein könnten, eine fremde Sprache „beherrschen“ zu müssen. Um daraus resultierende Demotivation zu verhindern, muss von Beginn an diese Betrachtungsweise berichtigt werden: Der Lehrer sollte seinen Schülern verdeutlichen, dass sie lediglich eine überschaubare Auswahl an Vokabular erwerben werden.50 Unter Berücksichtigung dieser Aspekte lässt sich die Lernmotivation der Schüler steigern.
[...]
1 vgl. Maier, Fremdsprachen in der Grundschule: Eine Einführung in ihre Didaktik und Methodik 1995, S. 50
2 vgl. Klippel, Englisch in der Grundschule 2000, S. 15
3 vgl. Helfrich & Riehl, Mehrsprachigkeit in Europa - Hindernis oder Chance? 1994, S. 1
4 vgl. De Flori-Hansen, Mehrsprachigkeit lernen. In: Neusprachliche Mitteilungen aus Wissenschaft und Praxis 2/2003, S. 82
5 vgl. Siebert-Ott, Frühe Mehrsprachigkeit: Probleme des Grammatikerwerbs in multilingualen und multikulturellen Kontexten 2001, S. 184
6 vgl. Schmitt & Valtin (Hrsg.), Die Zukunft beginnt in der Grundschule. Empfehlungen zur Neugestaltung der Primarstufe 2001, S. 86
7 Luchtenberg, Interkulturelle sprachliche Bildung: Zur Bedeutung von Zwei- und Mehrsprachigkeit für Schule und Unterricht 1995, S. 27
8 Stedtfeld, Affektive Variablen und Fremdsprachenlernen im Spiegel empirischer Forschung. In: Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 326
9 Edelenbos & Kubanek, Fremdsprachenlernen mit Spaß 2001, S. 11
10 vgl. Hano, Begegnung mit Sprache in der Grundschule: Analyse, Diskussion und Evaluation des nordrhein-westfälischen Erlasses vom 13.02.92 und Entwurf eines didaktischen „Dialogs- Konzeptes“ am Beispiel Englisch 1997, S. 13 & 32
11 vgl. Wandruszka, Die Mehrsprachigkeit des Menschen 1981, S. 143
12 Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 44
13 Klippel, Englisch in der Grundschule 2000, S. 13 f.
14 Jespersen, How to Teach a Foreign Language 1904, S. 26.
15 vgl. Schmitt & Valtin (Hrsg.), Die Zukunft beginnt in der Grundschule. Empfehlungen zur Neugestaltung der Primarstufe 2001, S. 87
16 McLaughlin & Matute-Bianchi, The Role of Cultural Factors in Classroom Second Language Learning. In: Soziokulturelle Perspektiven von Mehrsprachigkeit und Spracherwerb 1987, S. 267
17 Marschollek, Kognitive und affektive Flexibilität durch fremde Sprachen. Eine empirische Untersuchung in der Primarstufe 2002, S. 1 f.
18 Zydatiß, Englischunterricht heute: Perspektiven für morgen. In: Timm (Hrsg.), Englisch lernen und lehren. Didaktik des Englischunterrichts 1998, S. 16
19 Hegele, Fremdsprachen in der Grundschule - Ansätze, Entwicklungen, Perspektiven. In: Bokemeyer (Hrsg.), Kinder begegnen Fremdsprachen 1994, S. 6
20 vgl. Jacobi & Kuhle, Begegnung mit Sprachen: Lerngelegenheiten finden, Begegnungsphasen planen, authentische Materialien nutzen 1997, S. 104
21 vgl. De Flori-Hansen, Mehrsprachigkeit lernen. In: Neusprachliche Mitteilungen aus Wissenschaft und Praxis 2/2003, S. 83
22 vgl. Schmitt & Valtin (Hrsg.), Die Zukunft beginnt in der Grundschule. Empfehlungen zur Neugestaltung der Primarstufe 2001, S. 87
23 Edelenbos & Kubanek, Fremdsprachenlernen mit Spaß 2001, S. 107
24 Timm, Entscheidungsfelder des Englischunterrichts. In: Timm (Hrsg.), Englisch lernen und lehren. Didaktik des Englischunterrichts 1998, S. 8
25 vgl. Hegele, Fremdsprachen in der Grundschule - Ansätze, Entwicklungen, Perspektiven. In: Bokemeyer (Hrsg.), Kinder begegnen Fremdsprachen 1994, S. 5
26 Luchtenberg, Interkulturelle sprachliche Bildung: Zur Bedeutung von Zwei- und Mehrsprachigkeit für Schule und Unterricht 1995, S. 4
27 vgl. Edelenbos & Kubanek, Fremdsprachenlernen mit Spaß 2001, S. 107
28 vgl. Hermann, Affektive Variablen und Fremdsprachenlernen im Spiegel empirischer Forschung. In: Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 60
29 Hegele, Fremdsprachen in der Grundschule - Ansätze, Entwicklungen, Perspektiven. In: Bokemeyer (Hrsg.), Kinder begegnen Fremdsprachen 1994, S. 7
30 vgl. Marschollek, Kognitive und affektive Flexibilität durch fremde Sprachen. Eine empirische Untersuchung in der Primarstufe 2002, S. 6 f.
31 vgl. Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 8 & 1 5
32 Oksaar, Zweitspracherwerb: Wege zur Mehrsprachigkeit und zur interkulturellen Verständigung 2003, S. 62
33 Wode, Psycholinguistik: Eine Einführung in die Lehr- und Lernbarkeit von Sprachen; Theorien, Methoden, Ergebnisse 1993, S. 297
34 vgl. Boosch, Motivation und Einstellung. In: Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 21
35 Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 13, 17 & 48
36 Boosch, Motivation und Einstellung. In: Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 23
37 Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 16
38 Apelt, Motivation und Fremdsprachenunterricht 1981, S. 46 & 50
39 vgl. Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 53 f.
40 Boosch, Motivation und Einstellung. In: Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 25
41 Vernon, Motivating Children: Behavior Modification in the Classroom 1972, S. 39
42 Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 54
43 Boosch, Motivation und Einstellung. In: Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 38
44 vgl. Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 54-56
45 Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 1
46 Apelt, Motivation und Fremdsprachenunterricht 1981, S. 109
47 Düwell, Motivierung im Fremdsprachenunterricht in Abhängigkeit einzelner Unterrichtsfaktoren. In: Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 181
48 vgl. Butzkamm, Psycholinguistik des Fremdsprachenunterrichts: Von der Muttersprache zur Fremdsprache 2002, S. 35
49 Alison, Not bothered? Motivating reluctant learners in Key Stage 4 1993, S. 20
50 vgl. Düwell, Motivierung im Fremdsprachenunterricht in Abhängigkeit einzelner Unterrichtsfaktoren. In: Solmecke (Hrsg.), Motivation und Motivieren im Fremdsprachenunterricht 1983, S. 182
- Citation du texte
- Daniela Pohl (Auteur), 2004, Fremdsprachen in der Grundschule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138044
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