Leben in einer postmodernen Gesellschaft bedeutet sich täglich weiterzubilden um den Anschluss nicht zu verlieren, um immer auf dem neuesten Stand zu bleiben in einer sich täglich weiterentwickelnden Welt. Ohne Medien wäre das wohl kaum zu schaffen, so genügt schon ein Blick in die Tageszeitung um zu wissen, was in der Welt geschieht. Wer kein Geld für die gedruckte Version der News ausgeben möchte, ist im Internet inzwischen auch gut beraten: viele Zeitungsartikel sind hier auch online abrufbar. Um sich einen groben Überblick über das Geschehen in der Welt zu verschaffen, genügt es schon, sich die täglichen Fernsehnachrichten anzuschauen.
Insgesamt sind die neuen Medien keine „Monster“, die unsere Jugend verderben. Handys beispielsweise sind nicht nur unnützlich, schließlich können wir so mit unserem Kind in Kontakt bleiben. Natürlich behindern diese modernen Erfindungen den Alltag vieler Lehrer: So dient das Handy im Unterricht nicht selten dem SMS schreiben mit der Freundin in der ersten Bankreihe. Zu meiner Zeit schrieben wir uns „Zettelchen“, kleine Botschaften, die im Unterricht unauffällig hin- und hergereicht wurden. Ziel war dabei damals ebenso wie heute, mit der Freundin, von der man angesichts zu vieler Gespräche und Albernheiten weggesetzt wurde, über andere zu lästern oder die Jungs in der Klasse zu bewerten- teenagertypische Dinge eben. Auch das „Computerspielen sollte nur eine spaßvolle Ergänzung der bisherigen Freizeitbeschäftigung sein und nicht die Freizeit dominieren“ (Lerchenmüller- Hilse/ Hilse 1998, S.84).
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Jugendphase
2.1. Kurzer Überblick: Definitionen zu Jugend und Sozialisation
2.2. Jugend heute
2.2.1. Entwicklungsaufgaben
2.2.2. Sozialisationsinstanzen
3. Identitätskonstruktion Jugendlicher
3.1. Zum Verständnis: Was bedeutet „Identität“?
3.2. Keupp: Patchwork- Identität
3.3. Palfrey: Mehrfachidentitäten der „Digital Natives“
4. Jugend im Medienzeitalter
4.1. Jugend zwischen alten und neuen Medien
4.2. Die vernetzte Jugend
4.2.1. Communitys
4.2.2. Chat/ Messengerprogramme
4.2.3. Newsgroups/ Foren
4.2.4. Online- Rollenspiele
4.3. Internet- Fluch oder Segen?
4.3.1. Chancen des Internets
4.3.2. Gefahren des Internets
5. Fazit
6. Literaturangaben
1. Einleitung
Leben in einer postmodernen Gesellschaft bedeutet sich täglich weiterzubilden um den Anschluss nicht zu verlieren, um immer auf dem neuesten Stand zu bleiben in einer sich täglich weiterentwickelnden Welt. Ohne Medien wäre das wohl kaum zu schaffen, so genügt schon ein Blick in die Tageszeitung um zu wissen, was in der Welt geschieht. Wer kein Geld für die gedruckte Version der News ausgeben möchte, ist im Internet inzwischen auch gut beraten: viele Zeitungsartikel sind hier auch online abrufbar. Um sich einen groben Überblick über das Geschehen in der Welt zu verschaffen, genügt es schon, sich die täglichen Fernsehnachrichten anzuschauen.
Insbesondere das Leben der Heranwachsenden[1] in unserer Gesellschaft ist gekennzeichnet von technischen Neuerungen und modernen Medien. „Das Leben ist für die Jugendlichen wie ein Supermarkt mit sehr langen Regalen voller Möglichkeiten und kein Tante- Emma- Laden, in dem alles nur einmal vorhanden ist“ (Dammler 2009, S.61). Die heutigen Heranwachsenden leben in einer hochkomplexen Welt, die durch moderne Technik geprägt ist. Mehr und mehr Jugendliche besitzen ein eigenes Fernsehgerät und verfügen gleichermaßen über einen eigenen Internetanschluss im Kinderzimmer. „95 Prozent aller deutschen Haushalte mit Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren sind bereits online, knapp die Hälfte der Jugendlichen hat einen Internet- Anschluss im eigenen Zimmer“ (Bonstein in Der Spiegel 20/2008, S.101).
Oft wird über die heutige Jugend geschimpft, die Heranwachsenden stehen am Pranger, weil sie sich angeblich nicht mehr sinnvoll beschäftigen können, ihr Leben ist geprägt von „passivem vor der Glotze hängen“ und sinnlosem „Internetgesurfe“. Doch ist dieser oft von Seiten der älteren Generationen gebrachte Vorwurf gerechtfertigt? Die folgende Arbeit beschäftigt sich unter anderem mit der Klärung dieser Frage. Des Weiteren wird auf den Prozess der Identitätskonstruktion der heutigen Jugend, der sich mithilfe der Medien vollzieht, eingegangen und schließlich soll das Internet als modernes Medium näher beleuchtet werden.
Hier werden Fragen geklärt wie: Welchen Sinn hat das Internet eigentlich, bringt es überhaupt Vorteile mit sich? Wäre unsere Jugend heute nicht ohne all diese technischen Neuerungen besser beraten? Und: Wird unsere Gesellschaft in der Zukunft nur noch aus internetsüchtigen Menschen bestehen, die ihr Leben nicht mehr selbst organisieren können? All diese Fragen beinhalten Vorwürfe, denen unsere Jugendlichen gegen-überstehen. Zu klären bleibt im Folgenden, inwiefern diese Anschuldigungen berechtigt sind.
Beginnen möchte ich meine Arbeit, indem ich die Jugend als eigene Lebensphase darstelle. Letztendlich sollen gesellschaftliche Wandlungsprozesse und deren Konsequenzen für die heutige Jugend aufgezeigt werden.
2. Die Jugendphase
„Die Jugendphase ist die Zeit verstärkter, mehr und mehr reflektierter und eigen- verantwortlicher Identitätssuche. Der Jugendliche muss zu sich selbst, zum anderen Geschlecht, zu den Werten seiner Kultur und Gesellschaft einen Standpunkt gewinnen“ (Schäfers 2001, S.93). Die heutige Jugend hat es mit der Ausbildung einer eigenen Identität sicherlich nicht leichter als die vorherigen Jugendgenerationen. Massenweise Medienangebote lauern an jeder Straßenecke, Handys müssen regelmäßig „gepimpt“ werden, um mit den Freunden mithalten zu können, und wer nicht über Fernseh- und Internetanschluss verfügt, hat es ohnehin schwer, mit der Clique zu kommunizieren. „Für die Jugendlichen ist das permanente Update ihrer technologischen Geräte jedoch eine Art Mitgliedsausweis zu ihrer Generation […] 46 Prozent der befragten Jugendlichen hatten das Cover ihres Handys im letzten Jahr geändert. Die Möglichkeit, nicht nur technologisch, sondern auch ästhetisch Eigenständigkeit zu demonstrieren, erhöht das Abgrenzungspotential“[2] (Steinle 2003, S.121). Diese neuen Technologien wie Handy und Internet führen die Jugendlichen zusammen, hier bilden sich Interessengruppen (vgl. Dammler 2009, S.50).
Tägliche Gespräche unter Freunden, ob online oder in der Realität, beziehen sich nicht selten auf das aktuelle Geschehen in der täglichen Lieblingsserie, die neuesten Handys und die Fotos, die von Gleichaltrigen letzte Woche im StudiVZ[3] hochgeladen wurden. „Die elektronische Anwesenheit überbrückt die Phasen, in denen man sich nicht von Angesicht zu Angesicht treffen kann“ (Steinle 2003, S.128). Heranwachsende sind heutzutage geradezu darauf angewiesen, Zeit im Internet zu verbringen um nicht zum Außenseiter zu werden (vgl. ebd., S.128). Die Jugend hat es in Zeiten von Pluralisierungs- und Differenzierungsprozessen also zunehmend schwerer, mit Gleichaltrigen in Kontakt zu bleiben und mit ihnen mitzuhalten, sei es in Form von Markenklamotten oder durch das Besitzen des neuesten Handys. Wer dazu gehören möchte, braucht die aktuellsten Produkte. Ihnen wird eine Vielzahl von Möglichkeiten und Angeboten gemacht, zwischen denen sie das für sich Richtige herausfiltern müssen. Es kommt zur „sog. „Entstrukturisierung“ (Olk 1985, zit. nach Hoffmann 2002, S.18) und „Biographisierung der Jugendphase“ (Hoffmann 2002, S.18).
Was das nun bedeutet, soll im Folgenden erläutert werden. Auch die Konsequenzen, die diese Prozesse für die Heranwachsenden haben, werden hier aufgezeigt, es wird des weiteren darauf eingegangen, vor welchen (neuen) Herausforderungen unsere heutige Jugend steht und wie sie diese bewältigt. Zum besseren Verständnis werde ich vorab eine kurze Einführung in die Begriffe „Jugend“ und „Sozialisation“ geben.
2.1. Kurzer Überblick: Definitionen zu Jugend und Sozialisation
Der Begriff Jugend ist nicht neu, dennoch möchte ich ihn hier noch einmal definieren um Missverständnisse zu vermeiden und Differenzen zwischen vorherigen Jugendgenerationen und der heutigen Jugend aufzuzeigen: „Jugendalter oder die Adoleszenz bezieht sich auf die Phase des Übergangs von der Kindheit zum Erwachsensein. Es erstreckt sich ungefähr von zwölf Jahren bis zum 18. oder 19. Lebensjahr, wenn das Körperwachstum nahezu abgeschlossen ist. In dieser Zeit wird der Jugendliche sexuell erwachsen und erwirbt sine Individualität als ein von der Familie unabhängiges Individuum“ (Smith/ Nolden- Hoeksema/ Fredrickson/ Loftus 2007, S.129). Eine weitere, aktuellere Definition des Begriffs Jugend zeigt, dass man sich aufgrund von Enttraditionalisierungsprozessen in postmodernen Gesellschaften von Altersbegrenzungen der Jugendphase loslösen muss: „In den hochentwickelten individualisierten Industrie- und postmodernen Dienstleistungsgesellschaften wird meistens eine bestimmte Alterphase mit unscharfen Rändern zwischen Kindheit und Erwachsensein im Lebenslauf als Jugendphase gekennzeichnet […] Mit dem Begriff „Jugend“ werden in der Regel die Heranwachsenden (adolescents) gekennzeichnet, die nicht mehr Kind und noch nicht vollends mündig- selbständige Erwachsene sind. Die Jugendphase wird daher durch die mehr oder minder scharf umgrenzte oder bewußte Auswahl einer Mehrzahl von menschlichen Subjekten, die einer bestimmten demographischen ‚Klasse’ von Altersjahren angehören, charakterisiert“ (Ferchhoff 1993, S.54). Die Jugendphase kann heutzutage nicht mehr klar umrissen werden und findet je nach Lebenslauf einen individuellen Ausgang: „Die Jugendzeit ist heute so gesehen für die meisten Jugendlichen angesichts längerer Schul- und Ausbildungszeiten, Warteschleifen, Zweitausbildung etc. so weit ausgedehnt worden, daß sie selbst den Charakter als verlängerte ‚Warte-, Übergangs- oder Reifezeit’ weitgehend verloren hat. Die Jugendphase hat sich mehr oder weniger von einer ‚relativ sicheren Übergangs-, Existenz- und Familiengründungsphase zu einem „offenen Lebensbereich’ gewandelt“ (Böhnisch/ Müller, zit. nach Ferchhoff 1993, S.57).
Die Jugendphase ist eine Zeit des Experimentierens, der Heranwachsende kann in verschiedene Rollen schlüpfen, sich ausprobieren, neue Möglichkeiten erfahren und so die Konsequenzen seines Handelns kennen lernen. In dieser Zeit geben sich die Jugendlichen erwachsen, sie möchten mitbestimmen und verfügen mittlerweile über einen eigenen Kleidungs- und Lebensstil. Die Eltern sollen sie dabei akzeptieren wie sie sind, mit all ihren alterstypischen Wutausbrüchen und in Augen der Erzieher oftmals komischen Outfits. Nach außen hin wirken diese Jugendlichen selbstbewusst und selbstständig, sie sind jedoch nicht erwachsen und haben auch ihren Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden (vgl. Böhnisch in Ködelpeter 2008, S.26).
Im Zuge dieses neuen Handlungsspielraumes, denen jeder Heranwachsende in unserer Gesellschaft heutzutage ausgesetzt ist, kommt der Selbstsozialisation[4] als Teil des Sozialisationskonzepts eine immer größer werdende Bedeutung zu. Zu klären heißt es nun, was der Begriff „Sozialisation“ überhaupt meint: Unter Sozialisation ist, allgemein gesagt, der „Prozess der Entstehung und Entwicklung der Persönlichkeit in wechselseitiger Abhängigkeit zwischen Individuum und der gesellschaftlich vermittelten sozialen und materiellen Umwelt zu verstehen, wobei das Individuum als ‚aktiver Umweltgestalter’ (Geulen 1977) bzw. als ein ‚produktiv realitätsverarbeitendes Subjekt’ (Hurrelmann 1986; 2002; s. Kap. 4.3.) gesehen wird“ (Raithel/ Döllinger/ Hörmann 2007, S.60). „Im Prozeß der Sozialisierung[5] lernt der Mensch, die Sprache in Übereinstimmung mit sozialen, insbesondere moralischen Normen zu gebrauchen. Er lernt, daß bestimmte Wörter unanständig sind und nicht gesagt werden dürfen“ (Kron 2001, S.51).
Der Prozess der Sozialisation läuft in jedem einzelnen Individuum ab, er ist also spezifisch und dient zur Entwicklung und Ausbildung einer eigenen Persönlichkeit: „Sozialisation ist die lebenslange Aneignung von und Auseinandersetzung mit den natürlichen Anlagen, insbesondere den körperlichen und psychischen Grundmerkmalen, die für den Menschen die ‚innere Realität’ bilden, und der sozialen und physikalischen Umwelt, die für den Menschen die ‚äußere Realität’ bilden“ (Hurrelmann 2006, S.16). Der Sozialisationsprozess ist notwendig um gesellschaftsfähige Individuen zu schaffen, durch verschiedene Sozialisationsinstanzen wird der Jugendliche in die Gesellschaft integriert und erlangt schließlich eine individuelle Persönlichkeit sowie seinen Platz in der Gemeinschaft. Im Zuge der Sozialisation sieht sich jede Jugendgeneration verschiedenen, gesellschafts- und kulturspezifischen Problemen und Herausforderungen gegenüber-gestellt, die sie zu bewältigen hat.
[...]
[1] Ich verwende die Bezeichnungen Jugendlicher und Heranwachsender hier gleichbedeutend, einige Autoren haben für diese Begriffe spezifische Altersgrenzen festgelegt (näheres dazu z.B. Schäfers 2001, S.19).
[2] Befragt wurden im Zuge dieser Studie 300 Jugendliche in 12 Städten Ost- und Westdeutschlands (vgl. Steinle 2003, S.14).
[3] Näheres zu Communities wie „StudiVZ“ in Kapitel 4.2.1.
[4] „Selbstsozialisation geschieht über die Definition von Zugehörigkeiten und Abgrenzungen zu anderen Menschen als Teil sozialer Gruppen. Dies erfolgt u.a. über sozialästhetische Umgehensweisen mit Musik und Medien, die neben dem ‚reinen’ ästhetischen Genuss ein nicht zu vernachlässigendes Motiv für deren Nutzung und Gebrauch darstellen können“ (Müller/ Glogner/ Rhein/ Heim 2002, S.16).
[5] Die Begriffe Sozialisation und Sozialisierung werden hier synonym gebraucht (vgl. Kron 2001, S.52).
- Citation du texte
- Hanna Ruehle (Auteur), 2009, Jugend und Medien. Die Rolle des Internets im Prozess der Identitätskonstruktion junger Erwachsener, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137818
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