Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit der Einnamigkeit und den Ursachen für die Entstehung von Familiennamen in Deutschland. Den Ursachen für die Namenbildung widmet sich der zweite Teil, in dem die verschiedenen Bildungsgruppen der Familiennamen vorgestellt werden sollen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Entstehung der Familiennamen
2.1 Das System der Einnamigkeit
2.2 Das System der Zweinamigkeit: Die Entstehung von Familiennamen
3. Die Bildung der Familiennamen
3.1 Familiennamen aus Rufnamen
3.2 Familiennamen nach der Herkunft
3.3 Familiennamen nach der Wohnstätte
3.4 Familiennamen aus Berufs-, Amts- und Standesbezeichnungen
3.5 Familiennamen aus Übernamen
4. Schlussbetrachtung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Interesse der Menschen am Untersuchungsgegenstand ´Namen` und ihrer Herkunft, Bedeutung sowie sprachlichen Entwicklung reicht mindestens bis in die Antike zurück. Ursprünglich handelte es sich nicht um systematische wissenschaftliche Forschung im heutigen Sinne, sondern um Philosophieren, Sinnieren und Nachdenken über Namen. Beiden Tätigkeiten gemeinsam ist allerdings die Feststellung, dass Namen Geschichte(n) erzählen, was insbesondere für Familiennamen gilt: Sie gewähren uns einen Einblick in die längst vergangene Zeit ihrer Entstehung.
In diese Zeit muss sich jeder zurückdenken, der sich fragt, wie seine Familie zu ihrem Namen gekommen ist. Die Bedeutung eines Familiennamens ist meistens, wenn sie überhaupt bestimmt werden kann, für den jetzigen Namenträger recht nichtssagend. Denn welchen Sinn hat der Name Steinmetz für einen Bürgermeister, der nicht mit Hammer und Meißel umgehen kann? Ein Jungverdorben kann in seiner Jugend ein Muster an Sittsamkeit und Tugend gewesen sein und muss es sich trotzdem gefallen lassen, dass sein Name mit auffälliger Betonung ausgesprochen wird.
Die Angehörigen der verschiedenen germanischen Stämme kannten noch keine Familiennamen. Erst in Quellen des 12. Jahrhunderts kann verfolgt werden, wie zur Identifizierung einer Person sowie zur Kennzeichnung ihrer Familienzugehörigkeit in zunehmendem Maße das System der Einnamigkeit von der Verwendung zweier Namenelemente abgelöst wird. Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigt sich daher zunächst mit der Einnamigkeit und den Ursachen für die Entstehung von Familiennamen.
Das im Folgenden zitierte Gedicht Erhard Horst Bellermanns nimmt auf humoristische Weise indirekt Bezug auf diese Umwandlung des Personennamensystems:
Karl der Große
Fritz der Lose
Paul der Weise
Jörg der Leise
Hans der Kleine
Franz der Feine
Kurt der Dicke
Max der Schicke
Fred der Reiche
Ulf der Weiche
Lars der Kühne
Ralf der Raue
Horst der Jäger
Gerd der Kläger
Heinz der Tolle
Meik der Volle …
So weiß man doch zu jeder Zeit
über Menschen gleich Bescheid.
In Bellermanns Gedicht bilden besondere körperliche beziehungsweise äußerliche Merkmale, geistige und charakterliche Eigenschaften oder typische Verhaltensweisen der Personen die Grundlage für ihre Benennung. Neben diesen Namenschöpfungen aus so genannten ´Übernamen` lassen sich vier weitere Ursachen für die Namenbildung kategorisieren. Diesem Aspekt widmet sich der zweite Teil der vorliegenden Arbeit, in dem die verschiedenen Bildungsgruppen der Familiennamen vorgestellt werden sollen.
2. Entstehung der Familiennamen
2.1 Das System der Einnamigkeit
In fast allen Ländern ist es heute Vorschrift, wenigstens zwei Namen zu tragen: einen Vor- und einem Familiennamen. Die Germanen und andere Völker trugen aber Jahrtausende nur einen Namen, der ausreichte, um eine Person zu identifizieren. Die einzig bekannte Ausnahme stellen die Römer dar, welche ein Drei-Namen-System besaßen.[1]
Doch selbst in dieser Zeit der Einnamigkeit versuchte man, die Angehörigen einer Familie durch die Rufnamengebung als zusammengehörend auszuzeichnen. Im Hildebrandslied, dem ältesten Zeugnis heroischer deutscher Dichtung, ist ein solches Beispiel für die Kennzeichnung der genealogischen Zusammengehörigkeit überliefert:[2] Der Vater Hiltibrant, stellt sich als Hiltibrant, Heribrantes suno, vor, sein Sohn Hadubrant entsprechend als Hiltibrantes sunu. Die Zusammengehörigkeit der drei Generationen von Großvater, Vater und Sohn wird durch den Stabreim des anlautenden H- sowie durch das gemeinsame Namenwort -brant und durch die Zweisilbigkeit des Erstglieds (Heri-, Hilti-, Hadu-) anschaulich ausgedrückt. Bei Vater und Sohn wird sie durch die Übereinstimmung der Bedeutung des Erstglieds (hilt[3] ´Kampf` – hadu[4] ´Kampf`) zusätzlich unterstützt.
Diese Möglichkeit, familiäre Verbindungen aufzuzeigen und gleichzeitig eine Identifizierung der Person durch die Namennennung zu erreichen, zeigt zwar das Bestreben nach Individualisierung, führte aber nicht direkt zur Entstehung von Familiennamen. Eine Vorstufe der Familiennamen kann eher in den Beinamen gesehen werden, die zum Rufnamen hinzugefügt wurden, um eine Person besonders auszuzeichnen (Karl der Große), zu kennzeichnen (Pippin, der Ältere / der Jüngere) oder zu charakterisieren (Ludwig der Fromme).[5] Nach dem Tode der Person ging ihr Beiname nicht auf einen Nachkommen über, sondern geriet aus dem Gebrauch.
Eine verstärkte, dann zunehmend regelmäßige Personenbezeichnung mit Ruf- und Beiname ist in den historischen Quellen im deutschen Sprachraum seit dem 12. Jahrhundert zu beobachten. In den romanischen Ländern setzte diese Verwendungsweise bereits im 9. Jahrhundert ein; entsprechend frühe Belege gibt es in Venedig, Verona und Florenz sowie in Südfrankreich.
Der Beiname wurde häufig ausdrücklich als solcher gekennzeichnet, indem „genannt, heisset, dictus“ oder „cognomine“ hinzugefügt wurde. So findet sich in urkundlichen Aufzeichnungen aus dem Jahre 1322 beispielsweise ´Heinricus dictus Baurus scultetus` oder ´Heinrich Viczdum iunior gen. Wyndech`.[6] Hier ist erkennbar, dass ein Nebeneinander verschiedener Benennungen für ein und dieselbe Person möglich war, ehe dann ein bestimmter Name als Familienname alleinige Geltung erlangte. Mit den Beinamen begann der entscheidende Einschnitt der Namengeschichte: der Übergang von der Einnamig- zur Zweinamigkeit.
2.2 Das System der Zweinamigkeit: Die Entstehung von Familiennamen
Der wichtigste Grund für die Entstehung von Familiennamen kann darin gesehen werden, dass eine genauere Personenidentifizierung nötig wurde. Immer mehr Menschen trugen denselben Rufnamen, wobei es infolge der sprachlichen Entwicklung zu einer Abnahme des Rufnamenbestandes gekommen war: Die Bestandteile der alten deutschen Rufnamen waren zum Teil unverständlich geworden, so dass die einzelnen Rufnamenglieder nicht mehr zu neuen Namen kombiniert werden konnten. Dieser Mangel konnte durch die neu hinzukommenden Heiligennamen, wie etwa Abraham oder Clemens, nicht ausgeglichen werden.[7]
Eine eindeutigere Kennzeichnung von Personen wurde durch die Konzentration von immer mehr Menschen in den mittelalterlichen Städten notwendig: Kunze führt an, dass um 1400 in Lübeck, Hamburg, Frankfurt/M., Nürnberg, Regensburg, Augsburg, Ulm, Straßburg und Zürich circa 20.000 Einwohner lebten; in Köln waren es zu dieser Zeit schon etwa 30.000.[8] Mit dem Aufblühen der Städte entwickelten sich der Fernhandel und andere Verbindungen von Stadt zu Stadt. So trafen gleichnamige Personen häufiger aufeinander, wodurch beispielsweise eine Unterscheidung zwischen Bernhart aus Köln und Bernhart aus Nürnberg immer wichtiger wurde. Dieser Faktor begünstigte die Entstehung von Beinamen. Dem Bedürfnis nach Differenzierung hätte er genügen können, aber der wichtige Aspekt der Erblichkeit beziehungsweise Vererbbarkeit führte in einem zweiten Schritt zur Bildung von Familiennamen.
Eine deutliche Zunahme der Zweinamigkeit ist zunächst beim Adel zu beobachten, nachdem die Lehen unter der Regierung Konrads II. im Jahr 1037 erblich wurden. So wurde es wichtig, durch den erblichen Namenzusatz Privilegien und erbliche Besitzansprüche geltend machen zu können. Ebenso war das städtische Patriziat, das häufig über ein großes Kapital sowie über Grundbesitz und Lehen verfügte, an einer Sicherung des Familienbesitzes für die nachkommenden Generationen interessiert. Darüber hinaus beinhaltete der Familienname soziales Ansehen, indem er die Zugehörigkeit zur Schicht der Besitzenden und damit eine Abgrenzung zu Knechten, Mägden und anderen Personen, die nur einen Rufnamen trugen, anzeigte. Naumann stellt hierzu fest, dass auf diese Weise „den Familiennamen eine bewusstseinsbildende Rolle“[9] zukam. Allerdings besaßen die Familiennamen zunächst nur eine relative Festigkeit und konnten häufiger aus den unterschiedlichsten Gründen wechseln: Änderte sich etwa das Anwesen eines Adligen, so konnte aus Graf von Scheyern der Name Graf von Wittelsbach werden. Diese ´Hofnamen` lassen erkennen, dass der Name des Hofes auf den neuen Besitzer überging, auch wenn zwischen ihm und dem vorherigen Besitzer kein verwandtschaftliches Verhältnis bestand. Daher blieben Hofnamen über Jahrhunderte hinweg erhalten, obwohl die Hofbesitzer wechselten. Für die Namenforschung sind sie besonders interessant, weil sie durch ihre Orts-gebundenheit eine wesentliche methodische Voraussetzung für die historische Personennamengeographie bilden.
Der Namenwechsel zeigt sich auch bei älteren Berufsbezeichnungen, die durch neuere ersetzt wurden, wenn sich der Beruf des Namenträgers geändert hatte. Ein Beispiel dafür findet sich bei einem Dresdener Ratsherren: Georg Eyssenmenger (1513), Georg Seidenheffter (1514), Georg Seydenstikker (1525) und Georg Zcolner (1531).[10]
Die im Spätmittelalter rasant zunehmende schriftliche Verwaltung mit Bürger-verzeichnissen, Steuerlisten, Urkunden usw. erforderte ein durchschaubares System für die Aufzeichnung der Namen. Für diese behördlichen Zwecke wurde die Einführung fester Familiennamen ab dem 17. Jahrhundert gesetzlich vorgeschrieben. Entsprechende Bestimmungen wurden 1677 in Bayern, 1776 in Österreich und 1794 in Preußen erlassen. So sollte der Wechsel von Familiennamen verhindert und die Zweinamigkeit sowie die Schreibweise der Namen durchgesetzt und gesichert werden. Ohne Stadtkämmerer und Stadtschreiber sind die Familiennamen als Massen-erscheinung daher nicht denkbar. Ihre registerförmigen Quellen sind neben den Kirchenbüchern, insbesondere den Taufbüchern, eine sehr wichtige Quelle für die Familiennamenforschung.[11]
[...]
[1] Wenzel führt als Beispiel an: ´Quintus Horatius Flaccus` - ´der Fünfte, aus der Sippe der Horatier, der Blonde`. Somit setzte sich der Name aus Rufname, Sippenname und Beiname zusammen. Vgl. Wenzel: Familiennamen, S.707.
[2] In Vers 12 des Hildebrandslieds heißt es: „ibu du mi enan sages, ik mi de odre uuet“ - „Wenn du mir einen (Namen) nennst, so kenne ich auch die anderen.“
[3] Lexer: Handwörterbuch, S.79.
[4] Köbler: Wörterbuch, S.142.
[5] Kunze erklärt, dass solche Namenzusätze je nach Anlass wechseln konnten und verweist auf die Zusätze im Nibelungenlied: ´Sîvrit der Sigemundes sun` / ´Sîvrit von Niderlant` / ´Sîvrit der recke`. Vgl. Kunze: Namenkunde, S.58.
[6] Vgl. Naumann: Familiennamen, S.9.
[7] Vgl. hierzu ausführlicher Seibicke 1982: Personennamen, S.133ff.
[8] Vgl. Kunze: Namenkunde, S.61. Er weist auf den Anstieg der Zahl gleichnamiger Personen im 11./12. Jh. in Zürich hin, der in Urkunden nachvollzogen werden kann. Gab es zwischen 1000 und 1099 120 Namenträger pro 86 männliche Rufnamen, so waren es zwischen 1200 und 1254 692 Namenträger pro 77 männliche Rufnamen. Vgl. ebd., S.60. Abb.A.
[9] Naumann: Familiennamen, S.12.
[10] Vgl. weitere Beispiele: Kunze: Namenkunde, S.63. Agricola/Fleischer/Protze: Deutsche Sprache, S.665.
[11] Simon erläutert zum Vorteil der Taufbücher, dass in ihnen die Namen der Kinder „mehr oder weniger genau zum Zeitpunkt der Namengebung registriert wurden und daß in ihnen außerdem die Namen anderer wichtiger Personen vorkommen, die der Paten und Eltern“. Simon: Vornamen, S.6f.
- Arbeit zitieren
- Angela Lintzen (Autor:in), 2007, Die Entstehung und Entwicklung von Familiennamen in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137729
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