[...] Es ist das Gymnasium, in dem Ende April 2002 ein Oberstüfenschüler
aus Verzweiflung Amok lief und zahlreiche Lehrer und Schüler tötete. In der
Zeit darauf wurde immer nur vom „Drama in Erfurt“ berichtet. Ein Städtename
wurde zu einem Synonym für eine menschliche Untat und mutierte zu einem
Schlagwort in der darauffolgenden Debatte um den Bildungs(not-) stand in
der Bundesrepublik; eine Debatte, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht
abgeschlossen ist. Der Städtename „Erfurt“ gesellte sich zu „Pisa“, ein
weiterer Städtename, der allerdings nichts mit der real existierenden Stadt in
Italien zu tun hat, sondern für die statistische Vergleichsstudie zur
schulischen Leistung von SchülerInnen im welt- und vor allem europaweiten
Wettbewerb steht. Die bundesdeutschen SchülerInnen schneiden
bekanntermaßen vergleichsweise mittelprächtig ab – einer der Auslöser der
gegenwärtigen Bildungsdebatte.
Es kristallisiert sich meines Erachtens heraus, dass beide Begriffe,
„Erfurt“ und „Pisa“ die Bildungsdiskussionen prägen und grundlegende
Fragen an das Bildungssystem in Deutschland stellen, aber auch zwei Pole
bilden:
Pisa: Die Schülerinnen und Schüler in Deutschland müssen schlauer
werden, mehr wissen. Im globalen Dorf zählen Wissen, Erfolg und Leistung
und die erfolgreiche Anwendung dieser Kompetenzen in einer beruflichen
Laufbahn. Gefordert werden Ganztagsschulen, frühere Einschulungen,
konsequentere Vermittlung von Inhalten und Fakten im Unterricht.
Erfurt: Nach der Bluttat wurde die Frage nach dem sozialen Lernen
hochgehalten. Wie steht es um eine Wertevermittlung? Auf welche Weise
kann eine Erziehung zur Konfliktfähigkeit junger Menschen geschehen? Wie
können junge Menschen unterstützt werden, damit sie nicht von den
zentrifugalen Kräften der Leistungsgesellschaft, dem „Immer mehr, immer
schneller“ aus dem sozialen System herausgeschleudert werden?
„Erfolg und Leistung sind die letzten Maßstäbe dieser Gesellschaft. Das
Netz, das die Gewalt bändigen soll, ist brüchig geworden, die Tradition hat keine Bindekraft mehr. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Der Begriff „Bildung" in der aktuellen Diskussion. Fragen um zu leben
- Die „Theorien" und Konzepte in der Geschichte. Begriffsklärungen
- Die Theorien und Konzepte in der Geschichte. Überblick
- Bildungsansprüche im Diskurs. Vergegenwärtigung
- Bildungsansprüche im Diskurs. Handlungsschritte
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht den Bildungsanspruch in der Theoriegeschichte der Jugendarbeit/Jugendbildung. Sie analysiert die Entwicklung des Begriffs „Bildung" im Kontext der Jugendarbeit und beleuchtet die verschiedenen Theorieansätze, die sich im Laufe der Geschichte herausgebildet haben. Die Arbeit befasst sich mit der aktuellen Bildungsdebatte und den Herausforderungen, die sich für die Jugendarbeit aus den gesellschaftlichen Veränderungen ergeben.
- Entwicklung des Bildungsbegriffs in der Jugendarbeit
- Theorieansätze in der Geschichte der Jugendarbeit
- Aktuelle Bildungsdebatte und ihre Relevanz für die Jugendarbeit
- Herausforderungen für die Jugendarbeit im 21. Jahrhundert
- Zukunftsperspektiven für den Bildungsanspruch in der Jugendarbeit
Zusammenfassung der Kapitel
Der Begriff „Bildung" in der aktuellen Diskussion. Fragen um zu leben
Dieses Kapitel beleuchtet die aktuelle Bildungsdebatte in Deutschland, die durch die Ereignisse von Erfurt und die Ergebnisse der Pisa-Studie geprägt ist. Es werden die unterschiedlichen Perspektiven auf Bildung und die damit verbundenen Fragen diskutiert, die sowohl die Schule als auch die außerschulische Jugendarbeit betreffen. Insbesondere die Frage nach der Bedeutung von sozialem Lernen und Wertevermittlung im Kontext der Leistungsgesellschaft wird aufgeworfen.
Die „Theorien" und Konzepte in der Geschichte. Begriffsklärungen
Das Kapitel widmet sich der Klärung der Begrifflichkeiten im Bereich der Jugendarbeit. Es werden verschiedene Bezeichnungen wie „Theorie", „Konzept", „Modell" und „Methode" untersucht und ihre Bedeutung im Kontext der wissenschaftlichen Diskussion über Jugendarbeit definiert. Der Autor stellt ein Schema vor, das die verschiedenen Ebenen der Theoriebildung in der Jugendarbeit strukturiert und so für mehr Klarheit in der wissenschaftlichen Diskussion sorgt.
Die Theorien und Konzepte in der Geschichte. Überblick
Dieses Kapitel bietet einen historischen Überblick über die Entwicklung von Theorien und Konzepten in der Jugendarbeit. Es beleuchtet die verschiedenen Ansätze, die sich in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt haben, wie den sozialintegrativen Ansatz, den emanzipatorischen Ansatz, den antikapitalistischen Ansatz und den bedürfnisorientierten Ansatz. Der Autor zeigt die jeweiligen historischen Hintergründe und die zentralen Ziele dieser Ansätze auf und analysiert die Veränderungen, die sich in den 1980er Jahren vollzogen haben.
Bildungsansprüche im Diskurs. Vergegenwärtigung
Das Kapitel analysiert die aktuelle Situation der Jugendarbeit und stellt die zentralen Herausforderungen dar, mit denen sie konfrontiert ist. Es wird die Sprachlosigkeit in Bezug auf den Bildungsanspruch der Jugendarbeit thematisiert und die Bedeutung einer klaren Begrifflichkeit für die wissenschaftliche Diskussion und die politische Lobbyarbeit hervorgehoben. Außerdem werden die finanziellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Jugendarbeit beleuchtet und die Auswirkungen von Individualisierungsprozessen auf die Arbeit mit Jugendlichen diskutiert.
Bildungsansprüche im Diskurs. Handlungsschritte
In diesem Kapitel werden drei Ansätze vorgestellt, die Optionen und programmatische Forderungen für eine anspruchsvolle und gesellschaftlich relevante Bildungsarbeit mit Jugendlichen außerhalb des Schulsystems aufzeigen. Der Autor präsentiert wissenschaftliche, politische und kirchliche Perspektiven auf die Zukunft der Jugendarbeit und diskutiert die Bedeutung von Subjektorientierung, Fehlerfreundlichkeit und der Zusammenarbeit zwischen Schule und außerschulischer Jugendarbeit. Insbesondere die Notwendigkeit, Lebenswissen zu vermitteln und die Bedeutung von Freiräumen für „Muße, Fantasie und Träume" wird betont.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Bildungsanspruch, Jugendarbeit, Jugendbildung, Theoriegeschichte, Bildungsdebatte, gesellschaftliche Veränderungen, Soziales Lernen, Wertevermittlung, Theorieansätze, Sozialintegrativer Ansatz, Emanzipatorischer Ansatz, Antikapitalistischer Ansatz, Bedürfnisorientierter Ansatz, Subjektorientierung, Fehlerfreundlichkeit, Lebenswissen, Freiräume, Ganztagsschule, Kooperation, Zukunftsfähigkeit.
- Arbeit zitieren
- Marius Stelzer (Autor:in), 2002, LERNE, UM ZU LEBEN. Bildungsanspruch in der Theoriegeschichte der Jugendarbeit/-bildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13771
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