Thema dieser Arbeit ist die Lehre vom göttlichen Willen in Salomon Ibn Gabirols „Krone des Königtums“. Die Willenslehre, deren philosophischer Hintergrund mithilfe Gabirols Hauptwerk, der „Lebensquelle“, erschlossen werden muss, soll in ihren wesentlichen Elementen erläutert und mit der Frage, in welcher Form diese in der „Königskrone“ zum Ausdruck kommen, verbunden werden. Die Arbeit behandelt im Einzelnen: den Zusammenhang zwischen den beiden wichtigen Werken Gabirols, der „Königskrone“ und der „Lebensquelle“, die wichtigsten Komponenten Gabirols Philosophie, den Aufbau der „Königskrone“, Gabirols Gottesbild, in dem wichtige Voraussetzungen für die spezifische Ausprägung der Willenslehre liegen, das Prinzip des Willens, dessen Position als Medium geklärt wird, die Frage, inwiefern der Wille mit den Elementen der Schöpfung, Materie und Form, verknüpft ist und inwiefern von einer Schöpfung aus dem Nichts gesprochen werden könne, das Wirken des Willens während der Emanation, auf ontologischer wie auf kosmologischer Ebene sowie dessen Wirkung auf den Menschen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die Königskrone und Gabirols Philosophie
2. Das Gottesbild
3. Der Wille als Medium
4. Die zwei Aspekte des göttlichen Willens
5. Die Schöpfung von Materie und Form aus dem Nichts
6. Der Wille in der Schöpfung
Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis
Einleitung
Thema dieser Arbeit ist die Lehre vom göttlichen Willen in Salomon Ibn Gabirols „Krone des Königtums“. Die Willenslehre, deren philosophischer Hintergrund mithilfe Gabirols Hauptwerk, der „Lebensquelle“, erschlossen werden muss, soll in ihren wesentlichen Elementen erläutert und mit der Frage, in welcher Form diese in der „Königskrone“ zum Ausdruck kommen, verbunden werden. Das erste Kapitel behandelt kurz den Zusammenhang zwischen den beiden wichtigen Werken Gabirols, der „Königskrone“ und der „Lebensquelle“, die wichtigsten Komponenten Gabirols Philosophie sowie den Aufbau der „Königskrone“. Das zweite Kapitel erläutert Gabirols Gottesbild, in dem wichtige Voraussetzungen für die spezifische Ausprägung der Willenslehre liegen. Das dritte Kapitel führt dann das Prinzip des Willens ein und klärt dessen Position als Medium. Um die Besonderheit des Gabirolschen Mediums deutlich zu machen, soll der Wille mit anderen neuplatonischen Mittlern verglichen werden. Das vierte Kapitel erweitert den Willensbegriff und teilt ihn in seine zwei Aspekte auf. Im fünften Abschnitt folgt dann der Übergang zur Schöpfung, wobei zunächst die Frage, inwiefern der Wille mit den Elementen der Schöpfung, Materie und Form, verknüpft ist und inwiefern von einer Schöpfung aus dem Nichts gesprochen werden könne, vordergründig ist. Der sechste Abschnitt fährt dann mit der Frage nach dem Wirken des Willens während der Emanation, auf ontologischer wie auf kosmologischer Ebene, fort. Danach soll noch kurz dargestellt werden, inwiefern der Wille auf den Menschen wirkt. Eine kurze Zusammenfassung beschließt dann diese Arbeit.
Als Literatur standen Textausgaben von Johann Maier und Eveline Goodman-Thau sowie Werke bzw. Aufsätze von Julius Guttmann, Raphael Loewe, Heinrich und Marie Simon, C. K. Mathis II, Bernard McGinn und John M. Dillon zur Verfügung.
1. Die Königskrone und Gabirols Philosophie
Salomon Ibn Gabirol (ca. 1022- 1058) gilt als der bedeutendste und abgesehen vom wenig einflussreichen Isaak Israeli (ca. 950- 1050) als der erste jüdische Vertreter des Neuplatonismus, jener Strömung, die bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts die jüdische Philosophie bestimmen sollte.[1] Allerdings weicht Gabirol in mancherlei Hinsicht, etwa bei der Bewertung der Begriffe Form und Materie, deutlich von der neuplatonischen Lehre ab und schafft so ein eigenständiges philosophisches System, deren Neuerungen gegenüber der Tradition Plotins zumindest zum Teil von Gabirols Religiosität herrühren. Dies gilt unter anderem für die Lehre des göttlichen Willens, die zwar für das philosophische Hauptwerk Gabirols, die „Lebensquelle“ von geringerer Bedeutung ist und hinter die Lehre von Materie und Form zurücktritt, dafür jedoch in der „Königskrone“, dem dichterischen Hauptwerk, dem die Philosophie der „Lebensquelle“ zugrunde liegt,[2] sich aber nur in vereinfachter Form ausspricht, eine wichtige Rolle spielt.
Die wesentlichen Komponenten in Gabirols Philosophie sind Gott, der Wille und die Kategorien Form und Materie, aus deren Zusammenwirken die gesamte geschaffene Wirklichkeit ausgehend von ihrer höchsten Kategorie oder Sphäre, dem universalen Intellekt, hervorgeht.
Die „Königskrone“ lässt sich in drei Abschnitte einteilen, wenngleich eine solche Gliederung im hebräischen Original nicht vorgenommen ist. Der erste Abschnitt handelt von Gottes Eigenschaften sowie dem göttlichen Willen. Der zweite Teil wendet sich Gottes Schöpfung, der körperlichen und geistigen Welt, zu. Im dritten Abschnitt geht der Dichter zu einem sehr persönlich gehaltenen Gebet über, in dem er sein Sündenbewusstsein sowie seine Hoffnung auf die Gnade Gottes, deren Voraussetzung dieser Moment der Besinnung und Umkehr ist, zum Ausdruck bringt. Während es sich also bei den ersten beiden Abschnitten um ein philosophisches Lehrgedicht handelt, vergegenwärtigt sich der Dichter im dritten Abschnitt die personale Natur seiner Gottesbeziehung, weshalb insbesondere dieser dritte Abschnitt während der Selbstbesinnung am Jom Kippur häufig in stillen, individuellen Gebeten zitiert wird.[3] Die gesamte „Königskrone“ stellt jedoch eine Hinwendung zum Höchsten Wesen dar. Gabirol richtet seine Rede direkt an Gott und legt in ihr seine Weltsicht dar, beginnend mit dem Gottesbild, welches die Grundlage für die Willenslehre darstellt.
2. Das Gottesbild
Gott ist für Gabirol das oberste, in sich ruhende Wesen, welches sich in seiner absoluten Transzendenz zur Welt jedem verstandesmäßigen Erfassen entzieht.[4] Es steht jenseits aller Kategorien von Raum und Zeit und bildet eine letzte, unergründbare Einheit, „Ein Geheimnis“(Correll, S. 33). Deshalb ist es dem Menschen unmöglich, über eine bloße Annäherung an das göttliche Wesen durch Attributzuschreibungen hinaus zu gelangen. Eine solche Annäherung unternimmt Gabirol mithilfe zahlreicher Versuche, das göttliche Sein wenn schon nicht zu erfassen, so doch wenigstens zu umschreiben und nennt dabei als göttliche Eigenschaften die Einheit Gottes, womit er ein Grundbekenntnis des jüdischen Glaubens formuliert, Gottes Leben und Dasein, seine Größe, Macht und Ewigkeit. In all diesen Kategorien sprechen sich jedoch auch die immer gleichen philosophischen Bedenken aus und erst die Einschränkung der Gültigkeit der Attribute, die damit letztlich hinfällig sind, weist auf die einzige Möglichkeit, über Gottes Wesen zu sprechen. Denn Gott ist zwar groß (Lied V), jedoch „größer als alle Größe“(Maier, Z. 5). Gott ist zwar das Leben, jedoch „nicht wie des Menschen Leben“. Letztlich sind alle Eigenschaften, ob seine Einheit oder sein Dasein selbst den Weisen unergründlich und mit den menschlichen Eigenschaften des Seins, der Größe oder der Macht unvergleichbar. Allein über die via negationis ist somit eine Annäherung an Gottes Sein möglich. Das höchste Ziel des nach Erkenntnis strebenden Menschen, das Eindringen in das göttliche Geheimnis, ist also unerreichbar, denn auch „das Auge der Vernunft… schaut nicht das Ganze“(Maier, S. 20). Dieses stark vom Neuplatonismus beeinflusste Gottesbild birgt jedoch einen schwer aufzulösenden Widerspruch in sich. Denn da Gott den Neuplatonikern als das oberste Prinzip gilt, muss er notwendigerweise auch als erste Ursache allen Seins und aller geschaffenen Wirklichkeit angesehen werden. Der Neuplatonismus sieht diese Ursächlichkeit Gottes[5], kann sie mit den Voraussetzungen seines Systems jedoch nur schwer erklären. Denn die Entzogenheit und Passivität des in sich ruhenden Gottes, des unwandelbaren Einen, ist mit einer Schöpfertätigkeit unvereinbar und lässt die Frage, wie die Welt entstehen konnte, zunächst offen. Dies führt im Neuplatonismus zu dem Schluss, dass Gott zwar als erste, aber nicht als direkte Ursache der geschaffenen Wirklichkeit angesehen werden könne. Um die Verschiedenheit des Wesens Gottes von der Schöpfung erklärbar zu machen, um das Hervorgehen mit der Unveränderlichkeit und Transzendenz und die Vielheit mit der Einheit in Einklang zu bringen, bedarf es deshalb eines Mittlers zwischen Gott und der Welt. Diese vermittelnde Instanz ist ein grundlegender Bestandteil aller neuplatonischer Systeme[6] und entspricht in Gabirols Philosophie dem göttlichen Willen.
3. Der Wille als Medium
Plotin lässt aus der abstrakten, selbstgenügsamen obersten Einheit den νους als ein zweites Prinzip der relativen Einheit, welches die Vielheit der Welt in sich enthält und, indem es sie aus sich entlässt, zum Ausgangspunkt der Emanation wird, hervorgehen. Die Schwierigkeit, alle Wesensmerkmale des Einen, die Entzogenheit und Passivität einerseits sowie seine Ursächlichkeit andererseits, zu verstehen, besteht allerdings weiterhin, denn der Gedanke, dass der νους durch einen produktiven Akt des Einen aus diesem hervorgehe[7], widerspricht der Vorstellung von einem selbstgenügsamen, in sich ruhenden Einen.
Einige Neuplatonisten setzten deshalb ein sich selbst erschaffendes zweites Prinzip als Mittler zwischen das Eine und die Welt. Iamblichus, in dessen Philosophie sich dieser Gedanke ausspricht, bezeichnet den Mittler als το άπλως έν, das schlechthin Eine, welches aus einem Akt der Selbstschöpfung aus dem παντελως αρρητον, dem völlig Unsagbaren, hervorgegangen sei und zum Auslöser der Emanation werde, indem es die dem gesamten Kosmos zugrunde liegenden Prinzipien περας und απειρον aus sich entlasse.[8] Damit kann zwar alles Geschaffene auf das Eine zurückgeführt werden, das Hervorgehen des schlechthin Einen und seine Ursache bleiben jedoch unklar. In diesem Sinne ist die Ursächlichkeit des ersten Prinzips lediglich als ein notwendiger Vollzug, wie sie sich in allen Stadien der neuplatonischen Emanation wiederholt, zu verstehen.
Gabirol ist dagegen weit stärker an den Gedanken einer willentlichen Schöpfung, die mit einem reinen Emanationsschema unvereinbar ist, gebunden. Er versucht nachzuweisen, dass die gesamte Schöpfung, bereits auf der Ebene der obersten zusammengesetzten Kategorie, des universalen Intellekts, auf dem Prinzip der Willentlichkeit beruht. Allerdings hält auch Gabirol an dem Gedanken, dass Gott als höchstes Wesen nicht agiert und nicht unmittelbar in Schaffensprozesse verwickelt sein kann, fest.[9] Er bezeichnet deshalb den göttlichen Willen als Medium zwischen Gott und der Welt, welches die auf Willentlichkeit beruhende Kausalität Gottes verständlich machen, aber gleichzeitig Gottes Entzogenheit sichern soll, indem der Wille zur eigentlichen Schöpferinstanz wird. Die Willenslehre Gabirols ist somit das Ergebnis des Versuchs, die sich scheinbar widersprechenden Gedanken von Gottes Unbewegtheit einerseits und der Willentlichkeit der Schöpfung andererseits miteinander zu vereinbaren. Dazu muss Gabirol allerdings eine Zweiteilung des Willensbegriffs vornehmen.
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[1] Guttmann, 2000, S. 129
[2] Loewe, 1989, S. 105
[3] Goodman-Thau, 1994, S. 9
[4] Mathis, 1992, S. 68
[5] Mathis, 1992, S. 62
[6] McGinn, 1992, S. 79
[7] Ebd., S. 85
[8] Mathis, 1992, S. 64ff
[9] Ebd., S. 68
- Arbeit zitieren
- Bantam Brommont (Autor:in), 2005, Die Lehre des göttlichen Willens in Salomon Ibn Gabirols "Krone des Königtums", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137505
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