Dieser Text untersucht den kontinuierlichen Rückgang des Interesses am Fernsehen, insbesondere unter jüngeren Menschen und analysiert das Fernsehen in Bezug auf die Konzepte von Nachhaltigkeit und Digitalisierung.
Einleitung
Das Zeitalter der Digitalisierung bringt einige „Digitale Arenen“ mit sich, die wir mittlerweile, ohne, dass wir größeren Aufwand betreiben müssen, betreten können. So ist es uns beispielsweise problemlos möglich, auf der Plattform „Twitter“ mithilfe von 140 Zeichen unserer Wut über jede noch so erdenkliche Situation freien Lauf zu lassen. Eine andere „Digitale Arena“, die wir als Gesellschaft schon vor der Erfindung des Internets betreten konnten, ist das Fernsehen. Entwickelt in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ist es heute ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft und es ist kaum vorstellbar, dass dieses Medium weg fällt. Und das, obwohl das Fernsehen mittlerweile immer mehr an Reichweite und Prestige verliert.
Durch die vielen anderen Arenen, in denen wir uns mittlerweile einfinden können, sinkt das Interesse am Fernsehen stetig. Bemerkbar macht sich diese Entwicklung vor allem bei jüngeren Menschen1und ich persönlich bin von diesem geringen Interesse am Medium „Fernsehen“ nicht ausgeschlossen. So erwischte ich mich in der Vorlesung „Nachhaltigkeit und Digitalisierung“ dabei, wie ich Verständnis dafür hatte, als Prof. Grundmann erwähnte, dass er die Digitale Arena „Fernsehen“ nicht mehr betrete. Grund hierfür sei das Gefühl, welches man nach ausgiebigem Fernsehen empfinde. Anstatt sich ausgeruht zu fühlen, fühle man sich nach dem Fernsehen geschwächt. Die Energie im Körper werde abgesaugt, was nur dazu passe, dass man allgemein von „Kanälen“ spreche, die man einschalten kann. Dieses Gefühl der Antriebslosigkeit, nachdem ich längere Zeit vor dem Fernseher verbracht habe, kam mir bekannt vor und so begann ich, mir Gedanken darüber zu machen, was die Gründe für diesen Umstand sind. Verbunden mit der Thematik, die in der Vorlesung besprochen wird, also Sozialer Nachhaltigkeit, fing ich an, das Fernsehen auf dieser Ebene zu untersuchen. Eine nachhaltige Digitale Arena würde uns als Gesellschaft schließlich nicht „die Energie aussaugen“.
Deshalb werde ich im Folgenden erläutern, weshalb ich der Auffassung bin, dass das Fernsehen nicht als „Nachhaltig“ bezeichnet werden kann. Sollte sich diese
These bewahrheiten, gäbe es eine Erklärung dafür, warum das Fernsehen an Prestige verliert und warum die meisten Menschen diese Antriebslosigkeit empfinden, nachdem sie eine längere Zeit die Digitale Arena „Fernsehen“ betreten haben.
1 Warum das Fernsehen nicht nachhaltig ist
Im folgenden Kapitel wird erläutert, welche Gründe es dafür gibt, dass das Fernsehen nicht nachhaltig ist. In der Vorlesung „Soziologie Sozialer Nachhaltigkeit“ werden verschiedene Dimensionen der Nachhaltigkeit in der Soziologie aufgezeigt. Der Aspekt, auf den das Fernsehen in diesem Essay verstärkt untersucht wird, ist der gesellschaftliche bzw. soziale Aspekt, den die soziale Nachhaltigkeit behandelt. Nicht nur ist eine nachhaltige Gesellschaft wichtig für die ökologische Krise, die uns bevor steht, eine Gesellschaft kann sich erst dann wirklich weiterentwickeln, wenn sie nachhaltig ist. Dies geschieht beispielsweise durch die Vermittlung von Kultur oder durch soziale Beziehungen. Um das Fernsehen auf Nachhaltigkeit zu überprüfen, wird nun das Wirken dieses Mediums auf die Gesellschaft beobachtet.
1.1 Das Fernsehprogramm im sozial nachhaltigen Blickwinkel
Das Fernsehen besteht mittlerweile aus einer immensen Anzahl an Kanälen, deren Programm mit wenigen Klicks gesehen werden kann. Wir als Konsumenten stehen beim Einschalten unseres Fernsehers vor einer Entscheidung mit einer Menge an Weggabelungen, die meist gar nicht mehr zu überblicken ist. Die Sender, die die größte Zuschauerschaft vorweisen können, sind nach den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF RTL, Sat. 1 und VOX.2Nun stellt sich die Frage, welches Programm ein Großteil der Fernsehzuschauer*innen konsumiert. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, einen Blick auf das Programm dieser Sender zu werfen.
Der Sender Sat. 1 sendet am 21.01.22 ausschließlich drei verschiedene Genres, bis zur sogenannten „Prime-Time“ um 20:15 werden ausschließlich sogenannte Doku-Soaps gesendet, das Abendprogramm besteht aus zwei Spielshows und in der Nacht sendet Sat. 1 ausschließlich „Sketchcomedy“. VOX sendet ein ähnliches Programm, die Art der „Soaps“ variiert hier jedoch. Neben den Doku-Soaps sendet VOX auch „Stylingsoaps“ und „Kochdokusoaps“. Der größte der drei Sender, RTL, sendet ebenfalls Soaps, den größten Anteil haben allerdings Boulevardmagazine und Shows.
Eine der Shows, die RTL sendet, nennt sich „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“. Hierbei handelt es sich um eine über einen Zeitraum von 2 Wochen täglich ausgestrahlte Live-Sendung, in der Kandidat*innen Prüfungen absolvieren müssen, um sich Vorteile während der Show zu verschaffen. Die Prüfungen gleichen einer Mutprobe: Situationen, die Ekel oder Angst hervorrufen, müssen bewältigt werden. Die Zuschauer*innen können mittels Telefonabstimmung täglich entscheiden, welche*r Kandidat*in aus der Show ausscheidet, bis am Ende eine Person übrig bleibt. Dieses Format stehe bereits seit der ersten Staffel im Jahre 2004 in der Kritik, die Prüfungen seien teilweise menschenunwürdig und hämisch. Unabhängig von der Kritik wurde dieses Format 2013 für den „Grimme-Preis“ in der Kategorie Unterhaltung nominiert. Diese Nominierung sorgte für generelles Unverständnis, trotzdem wurde die Show von einigen Personen verteidigt.So erklärt Felix Reek in einem Artikel auf web.de, dass das „Dschungelcamp“ nur Unterhaltung sei. Es gehe überhaupt nicht um einen Bildungsauftrag oder Tiefgang, die einzige Funktion dieser Show sei es, uns zu unterhalten.Und dieser Aspekt wird auch für unsere Forschung dahingehend interessant, wie nachhaltig das Fernsehen ist. „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ ist weder bildend, noch um Fortschritt bemüht. Die kognitiven Anforderungen an die Zuschauer*innen dieser Show sind gering, und das sollen sie auch sein. Dies bemerkt man auch vor allem daran, dass nichts von dem, was man bei dieser Show sehen kann, Eindruck hinterlässt. Es ist zumindest zu bezweifeln, dass man in wenigen Jahrzehnten noch über eine der Staffeln der letzten Jahre sprechen wird. Und wenn etwas so irrelevant ist, dass man schon in wenigen Jahren keinen Gedanken mehr daran verschwendet, ist so eine Show nicht nachhaltig. „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ steht repräsentativ für eine Vielzahl des Fernsehprogramms, welches ab 20:15 auf verschiedenen Sendern zu sehen ist. Formate wie „Big Brother“ oder „DSDS“ weisen ähnliche Probleme im Bereich der Nachhaltigkeit auf. Solche Formate besitzen nicht den Mehrwert für uns als Gesellschaft, welcher uns dabei helfen könnte, nachhaltig zu sein. Andernfalls könnte man in ihnen einen Bildungsauftrag oä. entdecken. Aber das kann man nicht und das streitet innerhalb der allgemeinen Debatte um solche Formate niemand ab, nicht einmal Personen, die diese Art der Formate verteidigen - wie Felix Reek.
Auch das Format der Soaps ist in seinen Grundzügen schon nicht nachhaltig. Soaps werden täglich ausgestrahlt und bauen immer auf die Ereignisse der Folge auf, die am Vortag gesendet wurde. Meist haben die Folgen ein offenes Ende, welches Spannung erzeugen soll und Zuschauer*innen dazu bewegen soll, am Folgetag wieder einzuschalten. Um in dieser Frequenz neue Folgen veröffentlichen zu können, werden Soaps nicht aufwendig produziert, im Gegenteil. Jede Episode muss schnell geschrieben, gedreht und produziert werden. Darüber hinaus ist das Erzähltempo so langsam, dass man der Handlung auch dann noch folgen kann, wenn man eine Folge verpasst. In der Soziologie beschreiben viele Forscher*innen diese Prozedur als Fließbandarbeit.3Eine Serie, die in dieser Geschwindigkeit und Art Episoden produziert, hat nicht das Ziel, nachhaltig zu sein. Durch diese „Fließbandarbeit“ wird deutlich, dass es lediglich die Intention der Produzenten ist, die Zuschauerbindung hoch zu halten und mit geringen Mitteln viel Geld zu verdienen. Nachhaltigen Mehrwert in den Episoden der Soaps findet man vergeblich. Dies wäre aber auch kaum möglich, wenn man Folgen absichtlich so produziert, dass es kein Problem wäre, wenn man sie nicht schauen kann. Gerade dann benötigt man als Zuschauer*in keine kognitive Anstrengung, um den Handlungen zu folgen. Wenn wir uns als Gesellschaft jedoch daran gewöhnen, dass wir unsere kognitiven Fähigkeiten nicht fördern müssen, ist das nicht ertragreich dahingehend, dass es unser Ziel sein sollte, eine nachhaltige Gesellschaft zu sein. Wenn wir unsere kognitiven Fähigkeiten nicht regelmäßig auf die Probe stellen, könnten sie sich bis zu einem Punkt vermindern, an dem wir kognitiv nicht mehr in der Lage sind, am gemeinsamen Ziel der Nachhaltigkeit zu arbeiten, bis wir diese kognitiven Fähigkeiten wieder auffrischen.
Das Fernsehprogramm der Sender, welche die größte Zuschauerschaft haben, besitzt also zwei Eigenschaften, die dagegen sprechen, dass es sich bei diesem um Nachhaltigkeit handelt. Nicht nur ist es kognitiv nicht anspruchsvoll, es bietet auch keinen nachhaltigen Mehrwert.
Wie zu Beginn dieses Kapitels erwähnt, stehen wir bei jedem Einschalten des Fernsehers vor der Entscheidung, welchen Sender wir einschalten. Deshalb ist es auch möglich, die Programme, die lediglich zur einfachen Unterhaltung produziert werden, zu meiden. Aus diesem Grund wird im Folgenden Absatz das Fernsehen als Tätigkeit ganz allgemein betrachtet und überprüft, ob diese Tätigkeit nachhaltig ist, oder nicht.
1.2 Fernsehen als Tätigkeit im sozial nachhaltigen Blickwinkel
Unabhängig davon, welches Programm man beim Fernsehen eingeschaltet hat, die Grundzüge der Tätigkeit „Fernsehen“ ändern sich nicht. Eine Unterhaltung mit einer anderen Person außerhalb einer digitalen Arena ist eine Möglichkeit, sich selbst weiterzuentwickeln und der Gesellschaft einen Impuls zu geben, nachhaltiger zu werden. Der direkte Kontakt und die Kommunikation mit anderen Personen stärkt die Gesellschaft und bei dieser wird nicht nur Wissen ausgetauscht. Prof. Grundmann erwähnte dies häufiger in seiner Vorlesung, zwischen Menschen entsteht durch diese Form der Wechselwirkung ein Klima. Zudem machte er deutlich, dass Nachhaltigkeit etwas ist, was wir nur Gemeinsam schaffen könnten, Sozialität sei eine anthropologische Konstante. Wenn wir fernsehen, dann ist es nicht möglich, diesen Gemeinschaftsgedanken zu verwirklichen, wir sitzen vor einem Bildschirm und interagieren nicht mit anderen Menschen. Und das Fernsehprogramm kann kein Ersatz für diese anderen Menschen sein. Das Programm in Fernsehen wird produziert und dann ausgestrahlt, wir konsumieren es daraufhin. Würden wir andere Menschen in dieser Form konsumieren, könnten wir diesen überhaupt nicht gerecht werden, denn das Fernsehprogramm fungiert als Gut, welches wir dann verbrauchen. Einen Menschen lediglich zu verbrauchen spräche klar gegen den Solidaritätsgedanken.
Darüber hinaus ist das Fernsehen als Tätigkeit asymmetrisch. Würden wir in eine Unterhaltung gehen, bei der wir den gesamten Input vorgeben, die Unterhaltung alleine lenken und keinen Output bemerken, würden wir diese Unterhaltung nicht als nachhaltige Unterhaltung mit Mehrwert bezeichnen. Genauso ist jedoch das Fernsehen aufgebaut, egal welches Programm im Fernsehen zu sehen ist, es wird erarbeitet, gedreht und produziert, nur um dann auf einem Bildschirm einer Person zu erscheinen, die nicht mit den Protagonist*innen oder Produzent*innen interagieren kann. So kann das Erarbeiten eines Fernsehprogramms nicht einmal
nachhaltig für diejenigen sein, die für die Entwicklung des Programms verantwortlich sind.
Diese Asymmetrie legt zeitgleich offen, dass das Fernsehen eine hierarchische Form besitzt, die ebenfalls nicht nachhaltig sein kann. Wir als Zuschauer*in- nen können nicht mit dem Programm interagieren, wir haben keine Möglichkeit, direkt etwas am Programm zu ändern. Stattdessen müssen wir hinnehmen, wann welches Programm gesendet wird und welchen Inhalt das Programm besitzt. Unsere Meinung oder Anregungen können wir auch nicht in der digitalen Arena „Fernsehen“ veröffentlichen, dazu müssen wir auf andere Arenen zurückgreifen. Andere Arenen wie soziale Medien haben im Gegensatz zum Fernsehen den Vorteil, dass wir mit anderen Menschen interagieren können, Kommentare unter Videobeiträgen verfassen können und selbst Inhalte veröffentlichen können. All diese Möglichkeiten dahingehend, mit anderen Menschen zu interagieren, Gemeinsamkeit zu schaffen und einen Austausch zu erwirken, hat das Fernsehen nicht und kann es auch nicht haben. Andernfalls müssten wir von einer anderen Tätigkeit sprechen, die mit „Fernsehen“ wenig zu tun hätte.
Fernsehen als Tätigkeit ist also nicht nachhaltig, weil wir als Zuschauer*in- nen keine Chance haben, Gemeinsamkeit in diese Tätigkeit zu inkludieren, die für Nachhaltigkeit eine notwendige Bedingung ist. Das liegt neben der Art, wie wir Fernsehprogramm konsumieren, auch an der Asymmetrie und an der hierarchischen Form der Tätigkeit „Fernsehen“.
Fazit
In diesem Essay wurde erläutert, welche Gründe es dafür gibt, dass das Fernsehen nicht nachhaltig ist, um eine Erklärung für die Antriebslosigkeit zu finden, welche auftritt, wenn man sich vor den Fernsehbildschirm setzt. Zum einen kann man bei einem Blick auf das Fernsehprogramm der größten Sender erkennen, dass die gesendeten Inhalte keine Nachhaltigkeit enthalten. Zum anderen ist die Tätigkeit „Fernsehen“ selbst durch die fehlende und nicht entwickelbare Gemeinsamkeit keine nachhaltige Tätigkeit. Andere Digitale Arenen bieten klare Vorteile dahingehend, dass etwas für die Nachhaltigkeit der Gesellschaft getan wird, deshalb bleibt es spannend, zu beobachten, ob diese Probleme weiterhin dafür sorgen, dass das Fernsehen so an Prestige verliert, wie es momentan schon zu beobachten ist.
[...]
1 Vgl. tv-spielfilm.de (2022)
2 Vgl. www.wikipedia.org/wiki/Ich_bin_ein_Star_-_Holt_mich_hier_raus! (2022)
3 Vgl. Reek (2015)
- Quote paper
- David Bautz (Author), 2022, Soziale Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Ein kritischer Blick auf das Fernsehen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1372643
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.