Sokrates als historische Persond und Philosoph ist ein Problem. Und diese Problematik ergibt sich auf Grund der Tatsache, weil Sokrates selbst keine Schriften als Dokumentation seines Denkens hinterlassen hat: Er wird zwar als Erfinder des philosophischen Dialogs angesehen, glänzte aber durch Aliteralität. Er ist nur aus „zweiter Hand“ überliefert und zwar aus den Werken des Philosophen Platons (427-347), der Schüler des Sokrates war, und gemeinhin als ergiebigste, wenn auch nicht unumstrittene Quelle für das Verständnis von Sokrates als Philosoph gilt. Weitere Quelle sind, neben dem Komödiendichter Aristophanes, der Schriftsteller und Historiker Xenophon, der ebenfalls zeitweise zum engeren Bekanntenkreis des Sokrates zählte. Dessen Sokratesbild wird im Folgenden hauptsächlich interpretiert. Dazu werden vornehmlich die Memorabilien des Xenophons ausgelegt und dargelegt wie dieser Sokrates sah und was er an ihm als für die Nachwelt bewunderns- und bewahrenswert erachtete. In diesem Zusammenhang kommen Charaktereigenschaften des Sokrates, so wie sie Xenophon darstellt, differenziert zur Sprache. Die abschließenden Betrachtungen versuchen eine angemessen Einordnung des Xenophon-Sokrates in die Debatte um die "richtige" Sokrates-Interpretation zu geben.
Gliederung
1. Einleitung:
2. Vorgehensweise:
3. Der Xenophon – Sokrates
3.1 Ein irritierendes Gerichtsurteil: Xenophons Apologie des Sokrates
3.2 Die vermeintlich neuen Götter: Sokrates und die Mantik
3.3 Sokrates - die menschlichen Dinge und die Bedeutung des Wissens
3.4 Sokrates als Befreier von Lastern und Förderer der Tugend
3.5 Sokrates als Protreptiker und Paränetiker
3.6 Sokrates als Patriot und Demagoge
3.7 Sokrates der Nomophile und Gerechte
4. Xenophons Fazit und ein apologetischer Schluss
5. Resümee des Xenophon – Sokrates
6. Quellenangabe:
1. Einleitung:
Die historische Person Sokrates als Philosoph ist nicht unumstritten. Die Interpretationen seiner Person als Philosoph ist, was die Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte betrifft, in hohem Maße heterogen.[1] Diese schillernde Vielgestaltig- und Uneindeutigkeit zeigt sich bereits anhand nur einiger Sokrates-Auslegungen im Laufe der Geistesgeschichte: Ob nun von christlichen Denkern, dem Märtyrer Justin, Augustinus oder Nikolaus von Cues interpretiert, oder einer gewandelten Rezeption, einsetzend bei Michel de Montaigne, die „an einem christianisierten Sokrates wenig Interesse“ (Fischer 2004, S. 9) hatte, oder die Rezeptionen im Zuge des 17./18. Jahrhunderts, die Sokrates zu „der Galionsfigur der europäischen Aufklärung“ (ebd., 2004, S. 9) stilisierte und in ihm „den Prototyp des modernen Menschen“ (ebd. 2004, S. 9) sahen, oder durch die unterschiedlichen Auslegungen im 19. Jhd. à la Hegel, Kierkegaard oder Nietzsche, in allem wird deutlich, dass es keine Übereinstimmung im Verständnis des Sokrates als Philosoph gibt.
Sokrates als Philosoph ist ein Problem. Und dies auf Grund der Tatsache, da Sokrates selbst keine Schriften als Dokumentation seines Denkens hinterlassen hat: Er glänzte durch Aliteralität. Er ist nur aus „zweiter Hand“ überliefert und zwar aus den Werken des Philosophen Platons (427-347)[2], der Schüler des Sokrates war, und gemeinhin als ergiebigste, wenn auch nicht unumstrittene Quelle für das Verständnis von Sokrates als Philosoph gilt. Weiter ist als Quelle der Schriftsteller und Historiker Xenophon zu nennen, der ebenfalls zeitweise zum engeren Bekanntenkreis des Sokrates zählte und um dessen Sokratesbild im Folgenden hauptsächlich interpretiert wird. Doch dazu später mehr. Ferner ist als Quelle der Komödiendichters Aristophanes[3] anzuführen, der ein Zeitgenosse Sokrates war, diesen jedoch in seiner Komödie „Die Wolken“, spöttelnd als „Priester des kniffligen Worts“ (Fischer 2004, S. 38) und „Erhabenheitsschwätzer“ (ebd., S. 38) bezeichnet.
Dies bedeutet aber nicht, dass über Sokrates als historische Peron nichts bekannt wäre. So gibt es einige, als gemeinhin anerkannte biographische Eckdaten aus verschiedenen Quellen, die es ermöglichen über die historische Peron Sokrates und sein Leben konsensfähige Aussagen zu treffen. Etwa, dass er ca. 470 v. Chr. geboren und 399 v. Chr. vom athenischen Gericht zum Tode durch den Schierlingsbecher verurteilt wurde, und somit als „erste Philosoph durch die Todesstrafe ein Ende gefunden“ (Diogenes Laertios, 2, 20)[4] hat. Die Anklage lautete: Gotteslästerung und Verführung der Jugend. Ferner ist bekannt, dass er „Sohn des Steinmetzen Sophroniskos und der Hebamme Phainarete“ (D. L. 2, 18) war und den Beruf des Vaters zumindest zeitweise übernommen hat und, unter Berufung auf Duris, „sollen die bekleideten Charitinnen auf der Akropolis“ (D.L. 2, 19) von Sokrates angefertigt worden sein. Außerdem ist bekannt, dass er mit einer Frau Namens Xanthippe verheiratet war und mit ihr drei Söhne hatte und als Hoplit, d.h. als Schwerbewaffneter, an drei Feldzügen teilgenommen hat.
Des Weiteren ist über Sokrates Physiognomie und seinen Charakter einiges bekannt. So war Sokrates dem Urteil seiner Zeitgenossen zur Folge kein Adonis.
„Er wird als hässlich beschrieben: eine breite, flache, aufgestülpte Nase, hervortretende Augen, fleischige Lippen und ein dicker Bauch“ (Pleger 1998, 52).[5]
Zudem herrscht Konsens über einige Charaktereigenschaften des Sokrates:
„Er ist abgehärtet, ausdauernd, tapfer, trinkfest und bedürfnislos. Er ist abgehärtet, weil er auch im Winter im Feld lange barfuß und dürftig bekleidet sich im Freien aufhält; er ist tapfer und hilfsbereit, weil er seine Freunde im Krieg aus lebensbedrohlichen Situationen rettet; er ist bescheiden, weil er die ihm dafür zustehende Auszeichnung ablehnt; er ist bedürfnislos, weil er sich mir einfacher Speise und einfacher Bekleidung zufriedengibt und den Luxus verachtet; er ist schließlich trinkfest, da er auch nach reichlichem Genuß von Alkohol nicht betrunken ist“ (Pleger, 1998, 53f.).
Bei Diogenes Laertios finden sich weitere Beschreibungen, etwa das Sokrates „gewaltig im Reden“(D.L. 2, 19) und „unabhängig und charakterstark“ (ebd. 2, 19) war. Zudem „hatte er keine Lust zu reisen, (...) hielt sich daheim auf und führte engagierte Untersuchungen mit seinen Gesprächspartner (...) wobei er sie zur Suche zur Wahrheit bewegen wollte“ (D.L. 2, 22).
Soviel an wesentlichen, einführenden Eckpunkten zur Biographie und Charakter des Sokrates. Es ließen sich noch andere Punkte anführen, doch ist dies nicht das Hauptthema der folgenden Ausarbeitung.[6] Der interpretatorische Fokus liegt auf dem Bild des Sokrates in den beiden Schriften, Memorabilien und dem Symposion, des oben bereits genannten Schriftstellers und Historikers Xenophon[7], dessen Bekanntschaft mit Sokrates nach 410 anzusetzen ist.
2. Vorgehensweise:
Im Folgenden wird vornehmlich die xenophonische Schrift, „Memorabilien – Erinnerungen an Sokrates“ im Mittelpunkt stehen, weil „diese (...) innerhalb der Sokratischen Schriften sein bedeutendstes Werk“ (Pleger 1998, S. 87) darstellen. Sie besteht aus vier Büchern und beinhaltet „eine lockere Sammlung von persönlichen Erinnerungen“ (Pleger 1998, S. 87) über Sokrates und sokratische Gespräche mit verschiedenen Gesprächspartnern betreffs verschiedenster Thematiken.
Über den Abfassungszeitpunkt der Memorabilien lässt sich nur spekulieren, „verschiedene Indizien sprechen für eine spätes Datum, möglicherweise erst 357/355“ (ebd. 1998, S. 87), also erst vierzig Jahre nach dem Tod des Sokrates. Das xenophonische Symposion wird lediglich zur Bekräftigung und als möglicher Beleg des sokratischen Denkens und Handels angeführt, insofern sich konstitutive Merkmale des Sokrates darin finden lassen. Unter „Bild des Sokrates“ ist also im Folgenden zu verstehen, das herausgearbeitet werden soll, was Sokrates als Philosophen wesentlich, in den Augen und Erinnerungen Xenophons, auszeichnete. Dazu wird anhand von einigen dem Verfasser als wichtig erscheinenden Textbeispielen versucht, die den Xenophon - Sokrates auszeichnenden Wesensmerkmale zur Sprache zu bringen.
3. Der Xenophon – Sokrates
3.1 Ein irritierendes Gerichtsurteil: Xenophons Apologie des Sokrates
Die Memorabilien Xenophons können als eine apologetische Schrift verstanden werden, denn sie beginnen mit der Verwunderung Xenophons darüber,
„mit welchen Beweisen eigentlich die Ankläger des Sokrates die Athener überzeugen konnten, dass er sich dem Staate gegenüber des Todes schuldig gemacht habe. Die gegen ihn eingereichte Anklageschrift hatte folgenden Inhalt: Sokrates tut Unrecht, indem er die Götter nicht anerkennt, welche der Staat anerkennt, dafür aber neue Götter einführt. Er tut ferner dadurch Unrecht, dass er die jungen Leute verdirbt“(Mem. 1, 1).
[...]
[1] Vgl. dazu: Fischer, W., 2004, S. 1ff.
[2] Vgl. dazu: Ebd.; 2004, S. 46 ff., Pleger, W.; 1998, S. 92ff.
[3] Vgl. dazu: Ebd.; 2004, S. 37 ff., Ebd.; 1998, S. 82ff.
[4] Im Folgenden wird Diogenes Laertios mit D.L. abgekürzt.
[5] Vgl. dazu auch: Sym. 5, 5 ff
[6] Zur weiteren Vertiefung mit der sokratischen Biographie: Vgl. Pleger, 1998, S. 48 ff.; Fischer 2004, S. 29 ff.; Diogenes Laertios, Buch II, 18ff.
[7] Für genauer biographischen Angaben und weitere Werke des Xenophon vgl. Pleger, 1998, S. 86f.
- Citar trabajo
- Mario Stenz (Autor), 2009, Das Sokratesbild in Xenophons Schriften (Memorabilien und Symposion), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137090
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.